Der Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO wird in der Praxis durch die Gerichte oft sehr weit verstanden. Zum Teil sind Unternehmen auch verpflichtet, ganze Dokumente oder Auszüge aus Datenbanken herauszugeben.
Doch wie verhält es sich mit dem Recht auf Auskunft nach der DSGVO, wenn Betroffenen von Rechtanwälten Informationen herausverlangen? Zu dieser Frage hat sich das OLG Brandenburg in einem Beschluss vom 11. September 2025 (Az: 1 U 16/25) geäußert.
Sachverhalt
Die Klägerin verlangt von der beklagten Rechtsanwältin Auskunft und Schadensersatz wegen behaupteter Datenschutzverletzungen. Die Rechtsanwältin vertrat den ehemaligen Lebensgefährten der Klägerin. Im Rahmen der anwaltlichen Korrespondenz mit der von der Klägerin in einem Unterhaltsverfahren mandatierten Rechtsanwältin hat die Beklagte ausgeführt, die Klägerin „sei im Erotikbereich tätig“ und generiere aus dieser Tätigkeit Einnahmen, wofür „umfangreiche Nachweise“ vorlägen.
Die Klägerin befürchtet eine Verwendung von Film-/Fotomaterial im Internet und verlangt Auskunft Art. 15 Abs. 1 und 3 DSGVO. Die Beklagte beruft sich darauf, dass ihr die begehrten Informationen im Rahmen des Mandatsverhältnisses zugetragen worden seien und dem Berufsgeheimnis unterlägen.
Entscheidung
Das OLG lehnt den Auskunftsanspruch der Klägerin gegenüber der Rechtsanwältin ab.
Die Klägerin kann die begehrte Auskunft nicht verlangen, da sich der aus dem Mandatsverhältnis zu sichernde Geheimnisschutz als vorrangig erweise (Art. 23 Abs. 1 DSGVO i.V.m. §§ 29 Abs. 1 S. 2 BDSG, § 43a Abs. 2 BRAO).
Das Gericht stellt zunächst fest, dass die DSGVO als EU-Verordnung zwar in allen Mitgliedstaaten allgemein, verbindlich sowie unmittelbar gilt und gegenüber entgegenstehenden nationalen Normen Anwendungsvorrang genieße. Gleichzeitig sehe die DSGVO an zahlreichen Stellen aber vor, dass Anpassungen des nationalen Gesetzgebers nicht nur möglich, sondern zwingend erforderlich sind.
„So wird Art. 15 DSGVO durch … § 29 Abs. 1 S. 2 BDSG, konkretisiert bzw. eingeschränkt“.
Nach § 29 Abs. 1 S. 2 BDSG besteht das Recht auf Auskunft der betroffenen Person nicht, soweit durch die Auskunft Informationen offenbart würden, die nach einer Rechtsvorschrift oder ihrem Wesen nach, insbesondere wegen der überwiegenden berechtigten Interessen eines Dritten, geheim gehalten werden müssen.
Die beklagte Rechtsanwältin konnte sich hier auf den Ausnahmetatbestand von § 29 Abs. 1 S. 2 BDSG berufen,
„der auf der Öffnungsklausel des Art. 23 Abs. 1 lit. i DSGVO beruht, wonach Informations- und Benachrichtigungspflichten des Verantwortlichen bzw. das Auskunftsrecht betroffener Personen zum Schutz der betroffenen Person oder der Rechte und Freiheiten anderer Personen beschränkt werden können.“
Die hier begehrte Auskunft unterfalle dem Anwaltsgeheimnis nach § 43a Abs. 2 BRAO. Danach ist der Rechtsanwalt zur Verschwiegenheit verpflichtet. Diese Pflicht bezieht sich auf alles, was ihm in Ausübung seines Berufes bekanntgeworden ist, gilt aber nicht für Tatsachen, die offenkundig sind oder ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedürfen, § 43a Abs. 2 S. 2 und 3 BRAO.
Aus diesen Vorgaben folge nicht nur die Verschwiegenheitspflicht, sondern auch ein Verschwiegenheitsrecht des Anwalts. Dadurch werde der anwaltliche Beruf an sich geschützt.
Tatbestandlich erfasst die Norm nicht nur einige spezifische Informationen, sondern „alles“ und bezieht sich auch auf Wissen, welches der Anwalt im Zusammenhang mit dem Mandat durch eigene Recherche erlangt hat.
In dem Verfahren wandte die betroffene Person ein, dass die „Befreiung von der Informationspflicht“ nicht uneingeschränkt besteht, sondern nur, „sofern nicht das Interesse der betroffenen Person an der Informationserteilung überwiegt“.
Jedoch verweist die Betroffene hierbei auf eine anderen Ausnahmevorschrift, nämlich jene nach § 29 Abs. 2 BDSG, welche die Informationspflicht nach Art. 13 Abs. 3 DSGVO beschränkt.
Das OLG sieht für die Ausnahmevorschrift des § 29 Abs. 1 S. 2 BDSG hingegen kein Abwägungserfordernis. In der Norm ist eine solche Abwägung auch nicht vorgesehen.
„… besteht dieses Abwägungserfordernis nicht für den geltend gemachten Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO, dessen Ausnahme in § 29 Abs. 1 S. 2 BDSG geregelt ist, sondern nur für die (aktive) Pflicht des Mandanten zur Informationserteilung nach Art. 13 DSGVO, die vorliegend nicht streitgegenständlich ist“.
Zwar beziehe sich § 29 Abs. 1 S. 2 BDSG auf „überwiegende berechtigte Interessen eines Dritten“ – jedoch sollen diese Interessen das Recht auf Auskunft – neben geltenden Rechtsvorschriften – gerade ausschließen; sie führen zur Geheimhaltung, nicht zur Auskunftserteilung.
Die Regelung des § 29 Abs. 2 BDSG passe systematisch streng genommen bereits nicht in den Anwendungsbereich von § 29 BDSG, der nach der amtlichen Überschrift die Rechte der betroffenen Person und aufsichtsbehördliche Befugnisse „im Fall von Geheimhaltungspflichten“ regele.