Verwaltungsgericht Berlin: Anforderungen an die Identifizierung bei Auskunftsanfragen – Mitwirkungsobliegenheit des Betroffenen

Im Rahmen eines Verfahrens zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe hat sich das Verwaltungsgericht (VG) Berlin mit der Frage befasst, wann Verantwortliche einen Antrag auf Auskunft nach Art. 15 DSGVO wegen begründeter Zweifel an der Identität der anfragenden Person ablehnen und mehr Informationen anfordern können (Beschl. v. 24.4.2023, Az. VG 1 K 227/22).

Sachverhalt

Ein Betroffener war mit einem ablehnenden Bescheid der Berliner Datenschutzbehörde gegen ihn nicht zufrieden und klagte dagegen. Die Behörde hatte keine Verstöße gegen die DSGVO durch eine Auskunftei erkannt. Inhaltlich ging es vorab um die Beschwerde des Betroffenen gegen eine nicht gewährte Auskunft nach Art. 15 DSGVO durch eine Auskunftei. Diese hatte die Auskunft wegen begründeter Zweifel verweigert und zur Identifizierung mehr Daten angefordert (Art. 12 Abs. 6 DSGVO), jedoch nicht erhalten.

Entscheidung

Das VG lehnte den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab. Es sah für den Betroffenen in dem Vorgehen gegen die Entscheidung der Datenschutzbehörde keine Erfolgsaussichten. Dies deshalb, weil das Verhalten der Auskunftei in Bezug auf die Verweigerung der Auskunft und Anforderung weiterer Daten zur Identifizierung zulässig war.

Nach Art. 12 Abs. 6 DSGVO kann der Verantwortliche zusätzliche Informationen anfordern, die zur Bestätigung der Identität der betroffenen Person erforderlich sind, wenn er begründete Zweifel an der Identität der natürlichen Person hat, die den Antrag nach Art. 15 DSGVO stellt.

Das VG äußert sich dazu, wann man seiner Ansicht nach von „Zweifeln“ ausgehen darf.

Zweifel an der Identität setzen voraus, dass die vorhandenen Daten auf eine bestimmte Identität hindeuten und somit eine Identifizierung grundsätzlich möglich ist, aber nach den Umständen Zweifel daran bestehen, ob der Antragsteller tatsächlich die als Betroffener identifizierte Person ist.“

Wichtig: pauschale Zurückweisungen sind nach Ansicht des VG nicht möglich. Der Verantwortliche hat seine Zweifel vielmehr einzelfallbezogen darzulegen.

Für Verantwortliche in der Praxis relevant ist die Feststellung des VG dazu, wie sich der Betroffene in einer solchen Situation zu verhalten hat.

Gleichzeitig besteht für den Betroffenen eine Mitwirkungsobliegenheit, denn ohne dessen Mitwirkung wird es dem Verantwortlichen nicht möglich sein, die dargelegten Identitätszweifel zu entkräften.“

Im konkreten Fall prüfte das VG dann, ob die Auskunftei hier von Zweifeln ausgehen und wegen dieser Unsicherheit die Auskunft zunächst verweigern durfte. Hierbei werden durch das Gericht einige sicher auch für andere Verantwortliche relevante Kriterien herausgearbeitet.

Zu berücksichtigen sind:

  • Die Sensibilität der abgefragten Informationen. Denn Wirtschaftsauskunfteien speichern im Einzelfall ein erhebliches Maß zahlreicher personenbezogener Informationen, insbesondere solcher, die einen Schluss auf die Bonität einer Person zulassen.
  • Zweifelsfreie Identifikation des Antragstellers nicht möglich, weil es namentliche und/oder weitere Überschneidungen zu weiteren Datensätzen gab.

Zuletzt stellte sich noch die Frage, ob das Unternehmen zur Identifikation das Geburtsdatum und gegebenenfalls frühere Anschriften abfragen durfte. Das VG geht davon aus, dass die Anforderung dieser Merkmale zulässig war.

„Das Geburtsdatum einer Person ist zur Identifizierung geeignet, da es eine häufig für Dritte weniger ersichtliche persönliche Information darstellt“.

Zudem stand die Abfrage des Geburtsdatums zu dem Zweck der Identifizierung des Antragstellers auch nicht außer Verhältnis, insbesondere mit Blick auf die erhöhte Sensibilität der bei Wirtschaftsauskunfteien gespeicherten Daten.

Der Antragsteller hat jedoch – unter Verstoß auf die ihm obliegende Mitwirkungspflicht – nicht auf die damit berechtigte Anfrage … reagiert“.

Virtuelles Hausverbot: DSGVO erlaubt dauerhafte Datenspeicherung

In ihrem aktuellen Tätigkeitsbericht für das Jahr 2022 (PDF), berichtet die Datenschutzbehörde Sachsen von einem Fall, in dem es um die Frage der datenschutzrechtlichen Zulässigkeit eines virtuellen Hausverbots und dessen Durchsetzung ging.

Ein Betroffener beschwerte sich bei der Aufsichtsbehörde, dass seine E-Mail-Adresse bei einem Sozialen Netzwerk, einem Online-Club, gespeichert wird, dessen Mitglied er war. Sein Zugang zum Club war zuvor von dem betreibenden Unternehmen gesperrt worden. Der Betroffene verlangte Löschung aller seiner Daten. Das Unternehmen teilte der Behörde mit, dass das Profil des Betroffenen gelöscht worden sei, weil dieser gegen interne Regeln mehrfach und gravierend verstoßen habe. Deswegen sei gegen ihn ein virtuelles Hausverbot verhängt worden. Um dieses durchzusetzen, blieben die E-Mail-Adressen gesperrter (ehemaliger) Mitglieder in einer internen Blacklist gespeichert, um den weiteren Zugang zu verhindern.

Die Datenschutzbehörde prüfte die Speicherung auf der Blacklist auf Grundlage einer Interessenabwägung nach Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO. Ihr Ergebnis:

„Nach den vorliegenden Informationen konnte meine Behörde – auch in der Abwägung der verschiedenen Interessen und betroffenen Rechte – keinen Datenschutzverstoß erkennen.“

Das virtuelle Hausverbot war nach Ansicht der Behörde grds. zulässig. Die Behörde verweist hierzu u.a. auch auf Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Zudem wurde hier auch in den Nutzungsbedingungen das Recht des Betreibers geregelt, insbesondere bei Verstößen gegen die Nutzungsbedingungen, den Zugang des Nutzers zeitweilig oder dauerhaft zu sperren. Dies dürfte bei dem Merkmal der „vernünftigen Erwartungen“ der Betroffenen (ErwG 47 DSGVO) eine Rolle gespielt haben. Zur Durchsetzung des Hausverbots war es nach Ansicht der Behörde auch erforderlich, dass bestimmte Informationen des früheren Mitglieds zum Beispiel in einer Blacklist gespeichert bleiben. Denn sonst wäre die Identität des Mitglieds für den Anbieter nicht mehr erkennbar und ein Nutzungsverbot nicht durchsetzbar. Zudem informierte der Betreiber auch in seinen Datenschutzhinweisen über die Verarbeitung zur Durchsetzung des Hausverbots. Zuletzt führt die Behörde an, dass es ihrer Ansicht nach auch verhältnismäßig sei, Daten auf Blacklist dauerhaft zu speichern.

Ergänzend könnte man meines Erachtens als Rechtsgrundlage auch noch Art. 6 Abs. 1 lit. b DSGVO andenken; eine Datenverarbeitung im Rahmen der Anbahnung eines (neuen) Vertragsverhältnisses oder zur Abwicklung des vormaligen Vertragsverhältnisses. Hier dürfte sich ggfs. die Frage der Erforderlichkeit stellen, was sicher von dem Einzelfall (z.B. was war Inhalt des Vertrages & der AGB; Möglichkeit zur Berufung auf Abschlussfreiheit eines Vertrages durch das Unternehmen) abhängt.

Für die Praxis wird man mitnehmen können:

  • Die Datenverarbeitung zur Durchsetzung eines virtuellen Hausrechts ist zulässig
  • Betroffenen sollten sowohl im Vertrag als auch in den Datenschutzhinweisen klar darüber informiert worden sein, wann dies geschehen kann und was die Folgen sind
  • Es dürfen nur die zur Durchsetzung tatsächlich erforderlichen Daten gespeichert werden