Mit Urteil vom 11.11.2020 (Rechtssache C?61/19) hat der EuGH einige relevante Aussagen rund um die Wirksamkeitsanforderungen und Nachweispflichten von Verantwortlichen bei der Einholung von Einwilligungen nach der DSGVO getroffen. Zum Teil wurde das Urteil mit der Information kommentiert, dass der EuGH nur wieder einmal festgestellt habe, dass vorangekreuzte Kästchen nicht als Einwilligung taugen. Meines Erachtens enthält das Urteil jedoch durchaus mehr datenschutzrechtlichen Sprengstoff und damit Praxisauswirkungen.
Sachverhalt
Dem Urteil lag ein Verwaltungsverfahren zwischen Orange Romania und der rumänischen Datenschutzbehörde zugrunde. Diese stellte fest, dass Orange Romania im Zeitraum vom 1. März 2018 bis zum 26. März 2018 mit natürlichen Personen Verträge über Mobiltelekommunikationsdienste in Papierform geschlossen habe, wobei diesen Verträgen Kopien der Ausweisdokumente dieser Personen angeheftet worden seien. Orange Romania habe nicht nachgewiesen, dass ihre Kunden, deren Verträgen Kopien ihrer Ausweisdokumente angeheftet gewesen seien, eine gültige Einwilligung zur Sammlung und Aufbewahrung von Kopien dieser Dokumente erteilt hätten.
Wichtig zur Einordnung des Urteils, ist die Darstellung des damaligen Verkaufsverfahrens. Es gibt zum einen Verträge, in denen das Kästchen, das die Klausel in Bezug auf die Aufbewahrung der Kopien von Dokumenten, die personenbezogene Daten mit Identifikationsfunktion enthielten, betroffen habe, angekreuzt worden sei, und zum anderen Verträge, bei denen ein solches Kreuz fehle. Orange Romania habe den Abschluss von Abonnementverträgen mit Kunden, die es abgelehnt hätten, in die Einbehaltung einer Kopie ihrer Ausweisdokumente einzuwilligen, nicht abgelehnt.
Interne Verfahren von Orange Romania zum Verkauf haben vorgesehen, dass diese Weigerung der Kunden in einem speziellen Vordruck zu dokumentieren sei, der von diesen Kunden vor Vertragsabschluss zu unterzeichnen sei.
Die Verkäufer haben die betroffenen Kunden während der Verfahren zum Abschluss Verträge vor deren Abschluss u. a. über den Zweck der Sammlung und Aufbewahrung der Kopien der Ausweisdokumente sowie über die Wahl, die die Kunden in Bezug auf diese Sammlung und Aufbewahrung hätten, unterrichtet, bevor sie mündlich die Einwilligung dieser Kunden in die Sammlung und Aufbewahrung dieser Daten erhalten hätten. Das Kästchen in Bezug auf die Aufbewahrung der Kopien von Ausweisdokumenten sei allein auf der Grundlage der von den Betroffenen bei Vertragsschluss erklärten Zustimmung angekreuzt worden. Dieser Umstand ist wichtig: das Kästchen war nicht etwa per se vorangekreuzt. Es wurde aber, nach mündlicher Rückfrage beim Kunden, durch den Verkäufer (quasi für den Kunden) angekreuzt. Im Anschluss haben dann die Kunden den ganzen Vertrag, inklusive des dann natürlich schon angekreuzten Kästchens und der betreffenden Klausel zur Einwilligung unterzeichnet.
Der EuGH hatte hierauf basierend zwei Fragen zu beantworten:
- ob unter diesen Umständen davon ausgegangen werden kann, dass die betreffenden Kunden in die Sammlung ihrer Ausweisdokumente und der Anheftung von Kopien davon an ihre Verträge gültig eingewilligt haben.
- ob mit der Unterzeichnung eines Vertrags, in dem es eine Klausel über die Aufbewahrung von Kopien von Dokumenten, die personenbezogene Daten mit Identifikationsfunktion enthalten, gibt, das Vorliegen einer solchen Einwilligung nachgewiesen werden kann.
Entscheidung des EuGH
Wirksamkeit der Einwilligung
Zunächst stellte sich die Frage, ob die Einwilligung zur Verarbeitung der Daten in den Ausweiskopien in der hier durchgeführten Form wirksam erteilt wurde. Der EuGH prüft die Wirksamkeit sowohl anhand der alten EU Datenschutz-Richtlinie, als auch der DSGVO.
Der EuGH verweist zunächst auf ErwG 32 und auch sein Urteil in Planet 49 (C-673/17). Danach wird ausdrücklich ausgeschlossen, dass bei „Stillschweigen, bereits angekreuzte[n] Kästchen oder Untätigkeit“ eine Einwilligung vorliegt. In einem solchen Fall ist es nämlich praktisch unmöglich, objektiv zu bestimmen, ob der Nutzer einer Website tatsächlich seine Einwilligung in die Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten gegeben hat, indem er die voreingestellte Markierung eines Kästchens nicht aufgehoben hat, und ob diese Einwilligung überhaupt in informierter Weise erteilt wurde. Die erforderliche Willensbekundung muss zudem „für den konkreten Fall“ erfolgen, was so zu verstehen sei, dass sie sich gerade auf die betreffende Datenverarbeitung beziehen muss und nicht aus einer Willensbekundung mit anderem Gegenstand abgeleitet werden kann.
Da hier die Einwilligung innerhalb des Vertragstextes enthalten war, referenziert der EuGH zudem auf Art. 7 Abs. 2 S. 1 DSGVO wonach, wenn die Einwilligung der betroffenen Person durch eine schriftliche Erklärung erfolgt, die noch andere Sachverhalte betrifft, das Ersuchen um Zustimmung in einer solchen Form erfolgen muss, dass es von den anderen Sachverhalten klar zu unterscheiden ist.
Allgemein relevant ist auch die Anforderung des EuGH an das Merkmal „in informierter Weise“ (Art. 4 Nr. 11 DSGVO). Zur Ausfüllung dieser Anforderung verweist das Gericht auf die Informationspflichten nach Art. 13 DSGVO. Der für die Verarbeitung Verantwortliche muss der betroffenen Person eine Information über alle Umstände im Zusammenhang mit der Verarbeitung der Daten in verständlicher und leicht zugänglicher Form in einer klaren und einfachen Sprache zukommen lassen. Mindestinhalt der Informiertheit der Einwilligung sind danach:
- die Art der zu verarbeitenden Daten,
- die Identität des für die Verarbeitung Verantwortlichen,
- die Dauer und die Modalitäten dieser Verarbeitung
- die Zwecke, die damit verfolgt werden,
Diese Informationen müssen den Betroffenen bekannt sein. Die Informationen müssen diese Person in die Lage versetzen, die Konsequenzen einer etwaigen von ihr erteilten Einwilligung leicht zu bestimmen.
Ganz entscheidend ist auch noch der Hinweis auf die erforderliche Freiwilligkeit. Nach dem EuGH muss eine echte Wahlfreiheit bestehen. Vertragsbestimmungen dürfen die Betroffenen nicht über die Möglichkeit irreführen, einen Vertrag abschließen zu können, auch wenn sich die Person weigert, in die Verarbeitung ihrer Daten einzuwilligen. Sind solche Hinweise zur Freiwilligkeit nicht vorhanden, kann die Einwilligung dieser Person in die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten weder als freiwillig erteilt noch im Übrigen als in Kenntnis der Sachlage oder in informierter Weise erteilt angesehen werden.
Im konkreten Fall sah der EuGH diese Anforderungen nicht als erfüllt an.
Zum einen wurde die (durch das Verkaufspersonal) angekreuzte Klausel in Bezug auf die Verarbeitung dieser Daten nicht in einer Form präsentiert, die sie klar von anderen Vertragsklauseln unterscheidet. Zum anderen hegt das Gericht Zweifel, ob die Einwilligung in informierter Weise erteilt wurde. Kritisch sieht der EuGH den Umstand, dass sich die in Rede stehende Vertragsklausel darauf beschränkt, „ohne irgendeinen anderen Hinweis die Identifikation als Zweck für die Aufbewahrung der Kopien der Personalausweise anzugeben“. Der EuGH sieht hier wohl nicht alle Anforderungen der Informiertheit als erfüllt an. Dies muss aber das vorlegende Gericht feststellen.
Zudem sieht der EuGH wohl auch die erforderliche Freiwilligkeit hier kritisch. Das vorlegende Gericht muss prüfen, „ob die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Vertragsbestimmungen die betroffene Person mangels näherer Angaben zu der Möglichkeit, den Vertrag trotz der Weigerung, in die Verarbeitung ihrer Daten einzuwilligen, abzuschließen, hinsichtlich dieses Punkts irreführen konnten und ob damit in Frage gestellt wird, dass die in dieser Unterschrift zum Ausdruck gebrachte Einwilligung in informierter Weise und in Kenntnis der Sachlage erfolgt ist“.
Was bedeutet dies für die Praxis? Die Anforderungen an eine wirksame Einwilligung bleiben hoch. Der EuGH dekliniert hier noch einmal sehr gut die wichtigsten Anforderungen an eine Einwilligung nach der DSGVO durch. Besonderes Augenmerk muss in der Praxis in jedem Fall auf eine transparente und klare Erteilung der Einwilligung, umfassende Informationen und die Sicherstellung der Freiwilligkeit und der Hinweis auf eben diese gelegt werden.
Nachweis der Einwilligung
Spannend sind sodann die Ausführungen des EuGH zu der Nachweispflicht des Verantwortlichen. Der EuGH verweist zunächst auf die Datenschutzgrundsätze. Der Verantwortliche hat nach Art. 5 Abs. 1 lit. a DSGVO u. a. die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung dieser Daten zu gewährleisten. Zudem muss er, wie Art. 5 Abs. 2 DSGVO klarstellt, in der Lage sein, diese Rechtmäßigkeit nachzuweisen. Nach Art. 7 Abs. 1 DSGVO muss der Verantwortliche nachweisen können, dass die betroffene Person in die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten eingewilligt hat, wenn die Verarbeitung auf einer Einwilligung beruht.
Vorliegend sind die Kunden nach Aussage von Orange Romania während der Verfahren zum Abschluss der Verträge vor deren Abschluss u. a. über den Zweck der Sammlung und Aufbewahrung der Kopien der Ausweisdokumente sowie über die Wahl, die die Kunden in Bezug auf diese Sammlung und Aufbewahrung hätten, unterrichtet worden. Danach hätten die Mitarbeiter mündlich die Einwilligung dieser Kunden in die Sammlung und Aufbewahrung dieser Daten erhalten und das Kästchen in Bezug auf die Aufbewahrung der Kopien von Ausweisdokumenten angekreuzt.
Dies genügt dem EuGH offensichtlich nicht.
Da die betroffenen Kunden das Kästchen, das diese Klausel betrifft, anscheinend
„nicht selbst angekreuzt haben, ist der bloße Umstand, dass dieses Kästchen angekreuzt wurde, nicht geeignet, eine positive Einwilligungserklärung dieser Kunden in die Sammlung und Aufbewahrung einer Kopie ihrer Personalausweise nachzuweisen“.
Nach Ansicht des EuGH reicht der Umstand, dass die Kunden die Verträge mit dem angekreuzten Kästchen unterzeichnet haben,
„für sich genommen nicht aus, um eine solche Einwilligung nachzuweisen, sofern keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass diese Klausel tatsächlich gelesen und verstanden worden ist“.
Meines Erachtens bedeutet dies für die Praxis, dass etwa allein der interne Vermerk „Kunde hat zugestimmt“ durch einen Mitarbeiter im Rahmen von Kundengesprächen nicht als Nachweis einer erteilten Einwilligung ausreicht. Dies dürfte vor allem für Telefongespräche oder auch allgemein Verkaufsgespräche relevant sein, in denen der Mitarbeiter des Unternehmens während des Gesprächs parallel zB einen Vertrag ausfüllt. Man denke hier insbesondere auch an Call-Center. Im Grunde ist das Urteil für jegliche Situation relevant, in der die Einwilligung mündlich erteilt wird.
Der EuGH sieht diese Art der Nachweisführung jedoch nicht per se als ungeeignet an. Er ergänzt ausdrücklich „sofern keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass diese Klausel tatsächlich gelesen und verstanden worden ist“. Das bedeutet, dass Unternehmen in der Praxis durchaus das Häkchen für den Kunden setzen dürfen, dies jedoch nur dann der Nachweispflicht genügt, wenn zusätzlich (prozessuale) Maßnahmen vorgesehen sind, die belegen können, dass der Betroffene die Einwilligung selbst und die dazugehörigen Informationen auch zur Kenntnis genommen hat. Der Nachweis, dass der Vertrag mit der entsprechenden Klausel unterzeichnet wurde, reicht nicht aus.
Die Anforderung des EuGH, dass der Kunde die Klausel wirklich auch gelesen haben muss, ist meines Erachtens eher im Sinne einer „Kenntnisnahme“ zu verstehen. Denn wir soll man als Verantwortlicher in der Praxis sicherstellen, dass ein Betroffener wirklich den Text liest? Selbst wenn man ihm die Klausel zum Lesen vorlegt, könnte er ja (salopp formuliert) nur auf das Blatt starren. In diesem Fall zu fordern, dass das Unternehmen den Nachweis des Lesens erbringt, halte ich persönlich für überspitzt.