Bundesregierung plant neue Dokumentationspflicht für Werbeeinwilligungen

In dem „Entwurf eines Gesetzes für faire Verbraucherverträge“ (BR Drs 18/21, PDF) vom 1.1.2021 schlägt die Bundesregierung in Artikel 3 die Schaffung eines neuen § 7a UWG vor. Es geht um die Einführung einer ausdrücklichen Aufbewahrungspflicht für Einwilligung im Bereich Telefonwerbung. In der Begründung wird u.a. auch mit den Vorgaben der DSGVO argumentiert.

Hier der Vorschlag:

§ 7a Einwilligung in Telefonwerbung

(1) Wer mit einem Telefonanruf gegenüber einem Verbraucher wirbt, hat dessen vorherige ausdrückliche Einwilligung in die Telefonwerbung zum Zeitpunkt der Erteilung in angemessener Form zu dokumentieren und gemäß Absatz 2 Satz 1 aufzubewahren.

(2) Die werbenden Unternehmen müssen den Nachweis nach Absatz 1 ab Erteilung der Einwilligung sowie nach jeder Verwendung der Einwilligung fünf Jahre aufbewahren. Die werbenden Unternehmen haben der nach § 20 Absatz 3 zuständigen Verwaltungsbehörde den Nachweis nach Absatz 1 auf Verlangen unverzüglich vorzulegen.“

Zuständige Behörde wäre hier die BNetzA.

Nach der Gesetzesbegründung (S. 8) sieht die Bundesregierung das Problem, dass in zivilrechtlichen Verfahren und auch nach Art. 7 Abs. 1 DSGVO der Werbende die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer Einwilligung trage. Jedoch müsse im Ordnungswidrigkeitenverfahren zunächst die Behörde den Nachweis der Tatbestandsverwirklichung erbringen, zum Beispiel durch Zeugenbefragungen. Dies gestalte die Verfahren umfangreich und kompliziert.

Interessant ist auch der Hinweis auf die Argumente der werbenden Unternehmen. Diese

versuchen sich dabei zum Teil zu entlasten, indem sie behaupten, die Einwilligungserklärung habe aus Gründen des Datenschutzes nicht länger aufbewahrt werden dürfen und sei daher vernichtet worden“.

Diese Begründung würde ich aus datenschutzrechtlicher Sicht tatsächlich auch nicht verstehen. Denn als Verantwortlicher bin ich sowohl nach Art. 7 Abs. 1 DSGVO als auch allgemein nach Art. 5 Abs. 2 DSGVO zum Nachweis der Zulässigkeit der Datenverarbeitung verpflichtet. Selbst von Datenschutzbehörden ist akzeptiert, dass ich zum Nachweis einer einmal erteilten Einwilligung die erforderliche Dokumentation länger aufbewahren darf. Personenbezogene Daten (in der Einwilligung) dürfen auf der Grundlage von Artt. 6 Abs. 1 lit. c, 7 Abs. 1 DSGVO aufbewahrt werden, so etwa der BayLfD (28. TB, Ziff. 2.3):


Diese personenbezogenen Daten werden durch den Verantwortlichen freilich nach Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. c, Abs. 3 UAbs. 1 Buchst. a DSGVO verarbeitet. Die vom Verantwortlichen zu erfüllende gesetzliche Verpflichtung ist hier die Nachweispflicht aus Art. 7 Abs. 1 DSGVO“.

Zurück zum Gesetzesentwurf. Durch Einführung einer Dokumentationspflicht für die Einwilligung der Verbraucher soll die Sanktionierung unerlaubter Telefonwerbung insgesamt effizienter gestaltet und Anreize für einen Verstoß reduziert werden.

Fraglich ist jedoch, ob der neu vorgesehene § 7a UWG mit der DSGVO, konkret mit Art. 7 Abs.1 DSGVO, vereinbar ist. Denn das UWG kennt ja keinen eigenen Einwilligungsbegriff, sondern die relevante RL 2002/58/EG verweist auf die alte RL 95/46/EG, die nun durch die DSGVO ersetzt wurde. Nun sollen aber im UWG spezifische Anforderungen an die Dokumentation der Einwilligung aufgenommen werden, die so nicht in der unmittelbar anwendbaren DSGVO festgelegt sind (insbesondere etwa die Dauer von 5 Jahren).

Die Bundesregierung sieht in § 7a UWG-E kein Problem. In der Gesetzesbegründung (S. 13) geht sie davon aus, dass die neue Norm „Artikel 7 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) vereinbar“ ist.

Nach Ansicht der Bundesregierung stellt die Regelung „eine spezielle Ausfüllung der Beweislastverteilung der in Artikel 7 Absatz 1 DSGVO vorgesehenen Nachweispflicht des Datenverarbeitenden für Einwilligungen zur Datenverarbeitung im Bereich von Telefonwerbung dar“. Hinsichtlich des § 7a Abs. 1 UWG-E, mag man dies noch verstehen. Denn es wird tatsächlich keine bestimmte Form für die Einwilligung selbst oder den Nachweis vorgegeben. Auch die DSGVO kennt keine Formanforderungen der Einwilligung. Fraglich könnte aber sein, ob die Pflicht zur Aufbewahrung für 5 Jahre nach Abs. 2 so von Art. 7 Abs. 1 DSGVO gedeckt ist. Die DSGVO sieht keine konkreten Zeiträume vor, wie lange Dokumente aufzubewahren sind, um der Rechenschaftspflicht zu genügen. Dies wird man dann sowohl als Pro- als auch als Contra-Argument nutzen können. Diskutabel ist der Punkt meines Erachtens aber schon.

Klar ist aber aus Unternehmenssicht auch, wenn § 7a UWG-E in dieser Form kommt, dass dann § 7a Abs. 2 UWG-E iVm Art. 6 Abs. 1 lit. c DSGVO eine Rechtsgrundlage für die Aufbewahrung der Einwilligungsdokumente und darin enthaltener personenbezogener Daten darstellt.

Berliner Senat: Datenschutzrechtliche Rechtsgrundlage für Einsatz von digitalen Lernplattformen und Videokonferenzdiensten in Schulen

Das Thema „Schulen und Datenschutz“ ist gerade in der aktuellen Situation ein vieldiskutiertes Thema. Schwerpunkt der öffentlichen Diskussion ist vor allem der Einsatz von Videokonferenzdiensten durch Schulen, mit denen der Unterricht außerhalb der Schulen durchgeführt werden soll.

Wohl auch aus diesem Grund hat im Abgeordnetenhaus von Berlin der Abgeordnete Freymark (CDU) eine schriftliche Anfrage mit dem Titel „Voraussetzungen des digitalen Schulunterrichts in Berlin“ gestellt, auf die nun die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie geantwortet hat (Drs. 18/25974, PDF). U.a. geht es in den Fragen auch um den Datenschutz und die Zulässigkeit des Einsatzes von Videokonferenzdiensten durch Schulen, wenn hierbei personenbezogene Daten von Schülern verarbeitet werden (was rein faktisch zwangsläufig der Fall ist).

Auf die Frage, bis wann der Senat vorsieht, „eine verbindliche Rechtsgrundlage für den digitalen Schulunterricht, inklusive der dafür nötigen Einverständniserklärungen, zu schaffen“ antwortet die Senatsverwaltung wie folgt.

Es steht mit den datenschutzrechtlichen Regelungen des Schulgesetzes (§ 64 Absatz 1 SchulG) eine ausreichende Rechtsgrundlage für Schulen zur Verarbeitung von personenbezogenen Daten der Schülerinnen und Schüler beim Einsatz von Lernplattformen sowie zur Nutzung von Videokonferenzdiensten in der derzeitigen COVID-19 Pandemiesituation zur Verfügung“.

§ 64 Abs. 1 SchulG sieht vor: Die Schulen einschließlich der Einrichtungen des Zweiten Bildungswegs, die Schulbehörden und die Schulaufsichtsbehörde dürfen personenbezogene Daten von Schülerinnen und Schülern, ihren Erziehungsberechtigten, Lehrkräften und sonstigen schulischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern verarbeiten, soweit dies zur Erfüllung der ihnen durch Rechtsvorschriften zugewiesenen schulbezogenen Aufgaben erforderlich ist.

Die Senatsverwaltung geht also offensichtlich davon aus, dass das Angebot und die Durchführung von Fernunterricht über Lernplattformen bzw. auch der Einsatz von Videokonferenzdiensten Teil der schulbezogenen Aufgaben ist. Daher ist eine hierfür erforderliche Datenverarbeitung von dem allgemeinen Erlaubnistatbestand des Abs. 1 gedeckt.

Kurz zu der Vorschrift des § 64 Abs. 1 SchulG. Dieser wurde im Rahmen des Entwurfs eines Schulgesetzes für das Land Berlin (Dr. 15/1842, PDF) im Jahre 2003 eingeführt. In der Begründung zu der Norm heißt es: „Absatz 1 benennt die Stellen, die im Hinblick auf ihre gesetzlichen Aufgabenzuweisungen im Schulwesen das Recht und die Pflicht zu der jeweils notwendigen Verarbeitung personenbezogener Daten haben. Die Verarbeitung ist zweckgebunden zur Erfüllung der den zuständigen Stellen zugewiesenen schulbezogenen Aufgaben“.

Die Rechtsgrundlage wurde auch nach Anpassung anderer Landesgesetze an die Vorgaben der DSGVO nicht verändert. Auch aus der Begründung zu dem damaligen Gesetz ergibt sich, dass die Datenverarbeitung aufgabenbezogen zu verstehen ist. In Kombination mit der Antwort der Senatsverwaltung wird deutlich, dass das Angebot und der Einsatz von Videokonferenzdiensten als Teil der gesetzlichen Aufgabenzuweisung zu verstehen ist. In diesem Zusammenhang dürfen Schulen daher auch personenbezogene Daten der Schüler/innen verarbeiten.

Interessant und gleichzeitig verwirrend ist dann aus meiner Sicht aber die weitere Antwort der Senatsverwaltung: „Als datenschutzrechtliche Rechtsgrundlage beim Einsatz von Lernplattformen kommt auch eine freiwillige Einwilligungserklärung der betroffenen Personen in Betracht“.

Man geht hier also davon aus, dass (wohl alternativ) auch eine datenschutzrechtliche Einwilligung als Rechtsgrundlage dienen kann. Positiv aus Sicht der Schulen ist hieran sicher die Aussage, dass auch in einem Verhältnis zwischen Schule – Schüler nicht per se ausgeschlossen ist, dass eine freiwillige Einwilligung erteilt werden kann. Wenn jedoch die Einwilligung wirklich eine Einwilligung nach der DSGVO sein soll, dann müsste sie auch widerrufbar sein (für die Zukunft). Diese Möglichkeit passt meines Erachtens nicht mit der Ansicht der Senatsverwaltung zusammen, dass es hier um die gesetzliche Aufgabenerfüllung der Schulen geht. Denn wie soll (im schlimmsten Fall) eine Schule ihre Aufgabe erfüllen, wenn Schüler ihre Einwilligungen widerrufen. Dann würde es an der datenschutzrechtlichen Rechtsgrundlage für die Verarbeitung fehlen. Besser wäre hier, auch im Sinne der Rechtssicherheit für Schulen, direkt und nur die gesetzliche Aufgabenerfüllung als Rechtsgrundlage zu nutzen.

Leider wird in der Anfrage und auch in der Antwort nicht auf das umstrittene Thema der Zulässigkeit von Datentransfers in Länder außerhalb der Europäischen Union bei dem Einsatz von Videokonferenzdiensten eingegangen. Dazu ein kleiner Gedanke von mir: wenn die Senatsverwaltung von der Möglichkeit der Einwilligung durch Schüler ausgeht, dürfte es eigentlich kein Problem sein, auch für Datentransfers in Drittstaaten eine Einwilligung einzuholen und so die Anforderungen der Ausnahmeregelung des Art. 49 Abs. 1 lit. a DSGVO zu erfüllen. Natürlich besteht dann aber auch die Möglichkeit des Widerrufs.

Kein Prozess zur regelmäßigen Prüfung von Sicherheitsmaßnahmen: 460.000 EUR Bußgeld

Die polnische Datenschutzbehörde (UODO) hat ein durchaus beachtliches Bußgeld gegen ein Unternehmen verhängt, welches nach Ansicht der UODO gegen den Datenschutzgrundsatz der Vertraulichkeit (Art. 5 Abs. 1 lit. f DSGVO) und die Rechenschaftspflicht (Art. 5 Abs. 2 DSGVO) verstoßen hatte.

Insgesamt wurde ein Bußgeld in Höhe von 460.000 EUR verhängt. Konkret beanstandet die Behörde, dass das Unternehmen keine ausreichenden technischen und vor allem organisatorische Maßnahmen zum Schutz personenbezogener Daten umgesetzt hatte. Bemängelt wurde insbesondere ein unzureichender Prozess der Prüfung und ggfs. Anpassung bereits vorhandener Schutzmaßnahmen.

Nach Art. 5 Abs. 1 lit. f DSGVO dürfen personenbezogene Daten nur in einer Weise verarbeitet werden, die eine angemessene Sicherheit der personenbezogenen Daten gewährleistet, einschließlich Schutz vor unbefugter oder unrechtmäßiger Verarbeitung und vor unbeabsichtigtem Verlust, unbeabsichtigter Zerstörung oder unbeabsichtigter Schädigung durch geeignete technische und organisatorische Maßnahmen („Integrität und Vertraulichkeit“). Die Einhaltung dieses Grundsatzes muss der Verantwortliche ist für die Einhaltung des Absatzes 1 verantwortlich und muss dessen Einhaltung nachweisen können („Rechenschaftspflicht“).

Zudem möchte ich auch noch auf die allgemein gültige Vorgabe des Art. 24 Abs. 1 DSGVO hinweisen (auch wenn ein Verstoß gegen Art. 24 DSGVO selbst nicht bußgeldbewährt ist), die in andere Vorschriften ausstrahlen. Danach muss der Verantwortliche geeignete technische und organisatorische Maßnahmen umsetzen, um sicherzustellen und den Nachweis dafür erbringen zu können, dass die Verarbeitung gemäß der DSGVO erfolgt.

Und wichtig: „Diese Maßnahmen werden erforderlichenfalls überprüft und aktualisiert“.

Genau dieser Aspekt wurde von der UODO moniert.

Nach den Schilderungen in der Mitteilung wurden von dem Unternehmen keine Tests durchgeführt, um die Sicherheitsmaßnahmen in Bezug auf die Übertragung von Daten zwischen Anwendungen, die mit der Betreuung von Käufern von Prepaid-Diensten zusammenhängen, zu überprüfen. Darüber hinaus wurde die mit dem Datenaustausch in diesen Systemen verbundene Schwachstelle von einer unbefugten Person genutzt, um Daten von einigen Kunden des Unternehmens abzuziehen.

Zudem führte das Unternehmen keine regelmäßigen und umfassenden Tests und Bewertungen der Effektivität der angewandten technischen und organisatorischen Maßnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit der verarbeiteten Daten durch. Diesbezügliche Aktivitäten wurden nur bei Verdacht auf eine Schwachstelle oder im Zusammenhang mit organisatorischen Änderungen durchgeführt.

Diese organisatorische Ausgestaltung des Prüfprozesses der Sicherheitsmaßnahmen bewertete die Behörde als ungenügend. Der Vorwurf der Behörde richtet sich hier also vor allem auf eine ungenügende organisatorische Ausgestaltung des Datenschutzmanagement.

Für Unternehmen ergeben sich aus den oben genannten Vorschriften also nicht nur einmalige Pflichten zur Umsetzung von Sicherheitsmaßnahmen. Erforderlich ist auch die Einführung und Umsetzung eines Prozesses zur regelmäßigen Validierung der Maßnahmen. Dieser Prozess darf zudem nicht nur dann in Gang gesetzt werden, wenn „etwas passiert“, sondern muss regelmäßig erfolgen.

Referentenwurf zum TTDSG – Cookies, Einwilligungsmanagement und Registrierungspflicht im Internet?

Heute das das BMWi einen neuen Referentenentwurf für ein Gesetz zur Regelung des Datenschutzes und des Schutzes der Privatsphäre in der Telekommunikation und bei Telemedien veröffentlicht (pdf). Bis zum 22.1.2021 können Stellungnahmen an das BMWi abgegeben werden.

Ziel des Entwurfs ist es, ein abgeschlossenes Spezialgesetz zum Datenschutz und zum Schutz der Privatsphäre im Bereich der Telekommunikation und den Telemedien (also zB Apps und Webseiten) zu schaffen. Man möchte vor allem auch Rechtssicherheit für Unternehmen schaffen, die aktuell mit verschiedensten Datenschutzvorgaben aus mehreren Gesetzen (DSGVO, TMG und TKG) umgehen müssen. Europarechtlich spielen hierbei vor allem die RL 2002/58/EG (inkl. der Änderungen durch die RL 2009/136/EG) sowie die RL 2018/1972/EG eine wichtige Rolle.

Nachfolgend möchte ich keine allgemeine Stellungnahme abgeben, sondern nur auf ein paar interessante Aspekte des Entwurfs eingehen, die zum Teil aber noch gar nicht im Entwurf selbst enthalten sind.

Vorgaben für den Einsatz von Cookies

Mit § 22 TTDSG möchte das BMWi die Vorgaben des Art. 5 Abs. 3 RL 2002/58/EG umsetzen. Dieser verlangt von den Mitgliedstaaten, sicherzustellen, dass die Speicherung von Informationen oder der Zugriff auf Informationen, die bereits im Endgerät eines Teilnehmers oder Nutzers gespeichert sind, nur gestattet ist, wenn der betreffende Endnutzer seine Einwilligung gegeben hat. Diese Regelung begegnet uns in der Praxis immer im Zusammenhang mit dem Einsatz von Cookies und anderen Trackingtechnologien. Kürzlich haben sich zur deutschen Rechtslage auch der EuGH (C-673/17) und der BGH (I ZR 7/16) geäußert.

Der Entwurf sieht vor, dass der aktuell geltende § 15 TMG komplett aufgehoben wird. Hierfür soll der neue § 22 TTDSG geschaffen werden, der sich sehr stark an der europäischen Vorgabe orientiert:

Abs. 1: „Die Speicherung von Informationen in der Endeinrichtung des Endnutzers oder der Zugriff auf Informationen, die bereits in der Endeinrichtung gespeichert sind, sind nur zulässig, wenn der Endnutzer klar und umfassend unter anderem über die Zwecke der Verarbeitung informiert wurde und er seine Einwilligung erteilt hat“.

Wie auch Art. 5 Abs. 3 RL 2002/58/EG sieht § 22 in Abs. 2 und 3 Ausnahmen vom Einwilligungserfordernis vor. Die Begründung hierzu: § 22 TTDSG stellt klar, dass der Endnutzer davor geschützt ist, dass Dritte unbefugt auf seiner Endeinrichtung Informationen speichern oder auslesen und dadurch seine Privatsphäre verletzen (S. 32).

Besonders relevant für den Einsatz von Trackingtechnologien ist § 22 Abs. 3 TTDSG:

Absatz 1 gilt nicht, wenn die Speicherung von Informationen in der Endeinrichtung des Endnutzers oder der Zugriff auf diese Informationen unbedingt erforderlich ist, um einen vom Nutzer ausdrücklich gewünschten Telemediendienst zur Verfügung stellen zu können“.

Für uns würde dies bedeuten, dass mit § 22 Abs. 1 TTDSG generell eine Einwilligungspflicht vorgeschrieben wird, die in den in Abs. 2 und 3 benannten Ausnahmefällen nicht greift. Dann dürfen zB Cookies auch ohne Einwilligung gesetzt werden.

In der Praxis wird die Diskussion sich dann vor allem um die Frage drehen, wann ein Zugriff auf Daten in einem Endgerät unbedingt erforderlich ist, um einen vom Nutzer ausdrücklich gewünschten Telemediendienst zur Verfügung stellen zu können. Bespiele hierfür sind der klassische Warenkorb-Cookie oder auch Authentifzierung-Cookies. Es gibt aber noch einige andere relevante Fallgruppe, die u.a. auch von europäischen Datenschutzbehörden als solche anerkannt sind (kleiner Spoiler: in einem der nächsten Hefte der Zeitschrift ZD wird es hierzu einen Aufsatz von Jasmin Kühner und mir geben).

Einwilligungsmanagement

Neu und daher besonders spannend ist die Idee des BMWi, Vorschriften zum Einsatz sog. Personal Information Management Services – PIMS zu schaffen. Im aktuellen Entwurf ist hierzu noch keine Regelung enthalten. Daher ist die Begründung auf S. 23 des Entwurfs leider nicht korrekt: „Es wird eine Rechtsgrundlage für die Anerkennung und Tätigkeit von Diensten zur Verwaltung persönlicher Informationen (Personal Information Management Services – PIMS) geschaffen.“

Auf der Webseite des BMWi zu Anhörung findet sich jedoch die Aufforderung, genau zu diesem Thema Stellungnahmen abzugeben.

Das BMWi überlegt, evtl. doch noch eine Regelung zu „Regelungen zu Datenmanagementsystemen und „Personal Information Management-Services“ (PIMS)“ aufzunehmen. Die Idee ist nicht komplett neu, wie sich etwa aus ErwG 21 des Entwurfs der Verordnung über europäische Daten-Governance (Daten-Governance-Gesetz) der EU-Kommission ergibt: „Solche Strukturen können die Dateninhaber beim Einwilligungsmanagement unterstützen, wenn beispielsweise für bestimmte Bereiche der wissenschaftlichen Forschung die Einwilligung unter der Voraussetzung gegeben wird, dass anerkannte Standards der Ethik für die wissenschaftliche Forschung eingehalten werden.“

Meiner Ansicht nach ist die Aufnahme einer Regelung hierzu im TTDSG deswegen aber nicht per se ausgeschlossen. Denn das Daten-Governance-Gesetz zielt vor allem auf Daten im öffentlichen Sektor. Daneben werden zwar auch Regelungen für den C2B Kontext geschaffen (also, wenn Nutzer ihre Daten an Unternehmen weitergeben wollen). Relevant ist hier die Tätigkeit sog. „Vermittlungsdienste“ nach Art. 9 Abs. 1 lit. b und die Bedingungen für die Erbringung solcher Vermittlungsdienste in Art. 11.

Ob und wie dieser Entwurf am Ende aber verabschiedet wird, ist derzeit aber nicht klar. Da wäre man auch nationaler Ebene sicher schneller. Natürlich käme es am Ende auf die konkreten Vorgaben im TTDSG an. Aber ein Novum wären solche Vorgaben für die Tätigkeit von Diensten zur Verwaltung persönlicher Informationen schon.

Registrierungspflicht im Internet?

Ein „heißes Eisen“ fasst das BMWi auf seiner Webseite ebenfalls an. Nach aktueller Gesetzeslage (§ 13 Abs. 6 TMG) müssen Diensteanbieter die Nutzung von Telemedien und ihre Bezahlung anonym oder unter Pseudonymen ermöglichen, soweit dies technisch möglich und zumutbar ist. Diese Regelung würde man im Grundsatz übernehmen.

Nun verweist das BMWi aber auf die Forderungen des BMI und auch der Innenministerkonferenz. Diese sprechen sich für gesetzliche Vorgaben zur Identifizierung zur Verifikation des Nutzers aus (Beschlussniederschrift der Frühjahrskonferenz, Juni 2020, zu Tagesordnungspunkt 24, PDF). Dort wurde beschlossen, dass das BMI sich innerhalb der Bundesregierung für eine Gesetzesinitiative mit dem Ziel der eindeutigen Identifizierbarkeit strafrechtlich Verantwortlicher im Bereich der (Hass-)Kriminalität im Internet einzusetzen“ soll. Es wird zudem auf eine Initiative der Ländern Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern im Bundesrat verwiesen (BR Drs. 70/20, PDF). Dieser Antrag wurde jedoch nicht weiterverfolgt.

Nun stellt das BMWi folgende Möglichkeit auf regulatorischer Ebene in den Raum:

Möglich wäre die Einführung einer entsprechenden Verpflichtung von Anbietern von Telemedien zur Erhebung und Verifizierung von Name, Adresse und Geburtsdatum nach dem Vorbild der bereits für Telekommunikationsdiensteanbieter geregelten entsprechenden Pflicht bei Prepaid-Mobilfunkdiensten (§ 111 Absatz 1 Satz 3, § 171 Absatz 2 TKG-Entwurf). Dabei würde jeder Nutzer weiterhin selbst entscheiden können, ob er unter einem Pseudonym oder unter seinem Namen im Internet auftritt“.

Meines Erachtens muss man den Vorschlag scheibchenweise analysieren.

Zum einen denkt das BMWi an eine Verpflichtung für „Telemedienanbieter“. Das bedeutet gleichzeitig auch, dass der Zugang zum Internet an sich nicht betroffen wäre, aber natürlich die dortigen Angebote.

Zum anderen ist die hier angedachte Pflicht aber sogar umfassender als damals der Vorschlag im Bundesrat. Dort ging es um „Anbieter sozialer Netzwerke und Anbieter von Spieleplattformen“.

Zuletzt sieht das BMWi aber vor, dass die Kommunikation nach außen, also das Auftreten im virtuellen Raum, weiterhin pseudonym erfolgen könnte. Die Identifizierung soll also „nur“ gegenüber dem Diensteanbieter erfolgen, der diese Daten dann quasi intern vorhält. Ein Nutzerprofil oder einen Account, sollen Nutzer aber weiterhin unter Pseudonym führen können. Eventuell könnte man die angedachte Identifizierungspflicht daher auch als „Identifizierung light“ bezeichnen. So wie ich den Diskussionsvorschlag des BMWi verstehe, geht es um eine Identifizierung durch das Unternehmen (und dann wohl sicher auch um eine mögliche Weitergabe der Daten für Strafverfolgungszwecke).

DSGVO-Bußgeld ohne Sachverhaltsermittlung?

Heute hat die Niedersächsische Datenschutzbehörde bekannt gegeben, dass sie ein Bußgeld in Höhe von über 10 Mio Euro gegen die notebooksbilliger.de AG verhängt hat. Inhaltlich soll es um eine länger andauernde Videoüberwachung von Mitarbeitern gehen, die nach Ansicht der Behörde unzulässig erfolgte.

Das Unternehmen hat sich ebenfalls öffentlich zu dem Bußgeld geäußert und wird gegen den Bescheid vorgehen.

Ich möchte mich hier zu diesem konkreten Verfahren gar nicht äußern. Wir werden (sollte die LfD den Bescheid nicht aufheben) wohl sicher noch eine gerichtliche Entscheidung in dieser Sache erleben.

Auf welchen praxisrelevanten Aspekt ich hinweisen möchte, ist der Vorwurf von notebooksbilliger.de an die LfD, dass die Behörde nicht selbst vor Ort war und die Kamerasysteme in Augenschein genommen hat. Auf der Webseite des Unternehmens heißt es:

Zu keinem Zeitpunkt war das Videosystem darauf ausgerichtet, das Verhalten der Mitarbeiter oder deren Leistungen zu überwachen. Das von der Datenschutzbeauftragten suggerierte Klima der Furcht ist eine haltlose Unterstellung und gefährdet unseren Ruf.

Außerdem hat trotz mehrmaliger Einladung durch NBB kein Mitarbeiter der Behörde in den Lagern oder Versandzentren des Unternehmens mit Mitarbeitern gesprochen. Es wurde sich also weder ein Bild von den Kameras gemacht noch über Arbeitsprozesse und die Unternehmenskultur informiert“.

Untersuchungsgrundsatz nach VwVfG

Im Kern steht hier also der Vorwurf im Raum, dass die Aufsichtsbehörde ihre Pflicht zu Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts (Untersuchungsgrundsatz, § 24 VwVfG) verletzt hat. Diese verwaltungsrechtliche Anforderung entstammt nicht dem Datenschutzrecht, aber ist selbstverständlich von den Datenschutzbehörden zu beachten. Daher ist dieser Aspekt (des möglicherweise anstehenden gerichtlichen Verfahrens) auch generell für Unternehmen von Bedeutung, wenn sie sich einer Untersuchung durch Datenschutzbehörden ausgesetzt sehen.

Es wird davon ausgegangen, dass die Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts eine originäre Pflicht der zuständigen Behörde ist. Hierzu kann sie sich auch der Hilfe Dritter bedienen.

Speziell datenschutzrechtlich sieht die DSGVO eine Befugnis der Datenschutzbehörden vor, die mit der Pflicht zur Sachverhaltsermittlung korreliert. Nach Art. 58 Abs. 1 lit. f DSGVO ist die Datenschutzbehörde etwa befugt, nach dem Verfahrensrecht des Mitgliedstaats Zugang zu den Geschäftsräumen, einschließlich aller Datenverarbeitungsanlagen und -geräte, des Verantwortlichen und des Auftragsverarbeiters zu erhalten. Diese Befugnis dient gerade dazu, eine Prüfung der Einhaltung der DSGVO vornehmen zu können.

Folge bei unterbliebener Ermittlung

Der Vorwurf des Unternehmens lautet hier, dass die Behörde nicht vor Ort war, um die Kameraanlage zu prüfen. Nun könnte man evtl. argumentieren, dass eine Inaugenscheinnahme nicht zwingend erforderlich ist, wenn man stattdessen Kamerapläne und weitere Beschreibungen oder Fotos erhält. Gerade bei dem Einsatz von Kameras erscheint meines Erachtens aber der persönliche Eindruck vor Ort durchaus von Relevanz zu sein. Nicht umsonst gibt es ja viele Urteile, die allein die Wirkung von Kameraattrappen ausreichen lassen, um eine Verletzung von Persönlichkeitsrechten anzunehmen.

Geht man davon aus, dass die Behörde den Untersuchungsgrundsatz aus § 24 VwVfG verletzt hat, muss man auf der Rechtsfolgenseite trennen.

Per se ist die mangelhafte Sachverhaltsermittlung nicht selbstständig anfechtbar, sondern nur bei einem Vorgehen gegen die Sachentscheidung (§ 44a VwGO).

Bei fehlender oder mangelhafter Aufklärung des Sachverhalts liegt ein Verfahrensfehler in Bezug auf den jeweiligen Verwaltungsakt vor, der aber „nur“ zu einer formellen Rechtswidrigkeit führt. Eine Aufhebung kommt dann nur unter den gesteigerten Voraussetzungen des § 46 VwVfG in Betracht.

Aber, und dies ist für die materielle Rechtmäßigkeit der Entscheidung relevant: wenn der Sachverhalt mangelhaft ermittelt ist, kann sich dies bei einer Ermessensentscheidung auf die materielle Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes auswirken. Aber: ein Ermessensfehler liegt grunsätzlich erst dann vor, wenn die Behörde tatsächlich vorhandene entscheidungserhebliche Gesichtspunkte außer acht gelassen oder falsch gewichtet hat.

Eine Entscheidung aus dem Datenschutzrecht (wenn auch noch zum BDSF aF) gibt es zu diesem Thema etwa vom VG Gelsenkirchen (Beschl. v. 14.10.2013 – 17 L 304/13). Dort wurde (im Eilverfahren) gegen einen Bescheid der Datenschutzbehörde NRW vorgegangen. Aus der Begründung des Gerichts:

Es ist anerkannt, dass die rechtsfehlerfreie Ermessensausübung als Grundlage einer Entscheidung die zutreffende und vollständige Sachverhaltsermittlung voraussetzt. Denn die Verwaltung kann ihren Entscheidungsfreiraum nur sachgerecht nutzen, wenn sie den wesentlichen Sachverhalt kennt“.

Und weiter:
Ermessensfehlerhaft sind daher Entscheidungen, wenn die Behörde von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen oder einer unvollständigen Sachverhaltsvorstellung ausgeht“.

In diesem Verfahren gab das Gericht dem Antragsteller recht und erkannte den Bescheid der Datenschutzbehörde bei summarischer Prüfung als materiell rechtswidrig an. Wegen Verstoßes gegen § 24 VwVfG und dessen Auswirkung auf die Ermessenentscheidung der Behörde.

Gemessen hieran begründen bereits die vorstehend angeführten Unklarheiten hinsichtlich des rechtlich relevanten Sachverhalts die Ermessensfehlerhaftigkeit des angefochtenen Bescheides“.

Auch die Verhängung eines Bußgeldes nach Art. 59 Abs. 2 lit. i, 83 DSGVO steht im Ermessen der Datenschutzbehörde (vgl. etwa VG Ansbach, Urt. v. 16.3.2020 – AN 14 K 19.00464).

Fazit

Sollte sich in einem gerichtlichen Verfahren wirklich herausstellen, dass hier der Untersuchungsgrundsatz nicht beachtet wurde, bestehen also durchaus Chancen dafür, dass der Bescheid der Behörde wegen Ermessensfehlerhaftigkeit aufgehoben wird. Unternehmen sollten diesen, zunächst evtl. rein förmlich anmutenden Aspekt, daher stets im Rahmen von behördlichen Verfahren beachten.