Rechenschaftspflichten der DSGVO: Rechtmäßigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten in Dokumenten und Aufbewahrungsdauer

Der Bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz (BayLfD) (zuständig für öffentliche Stellen) hat kürzlich eine neue Orientierungshilfe (PDF) zur Einwilligung nach der DSGVO veröffentlicht.

Eine abstrakt relevante Ansicht findet sich dort zu der Frage, ob und wenn ja, auf welcher Grundlage Verantwortliche personenbezogene Daten verarbeiten dürfen bzw. müssen, um ihren Rechenschaftspflichten, etwa Art. 5 Abs. 2 oder Art. 7 Abs. 1 DSGVO, nachzukommen.

Es geht mithin um die Frage, ob die in Dokumenten enthaltenen personenbezogenen Daten von Betroffenen verarbeitet werden dürfen, auch wenn die eigentliche Verarbeitung der Daten schon beendet ist. Beispiel: Aufbewahrung der einmal erteilten Einwilligung im Fall des Widerrufs. Nach Ansicht der Behörde weist der Verantwortliche damit nach, dass mit der Einwilligung eine Rechtsgrundlage bestand und die darauf beruhende Verarbeitung personenbezogener Daten bis zum  Widerruf der Einwilligung rechtmäßig war.

Diese Gedanke, dass der Nachweis zu einer in der Vergangenheit zulässigen Verarbeitung auch nach deren Beendigung aufbewahrt werden muss, lässt sich auch auf andere Konstellationen und Rechtsgrundlagen des Art. 6 Abs. 1 DSGVO übertragen.

Konkret auf den Fall der Einwilligung führt die Behörde aus:

„Die in der Einwilligungserklärung und dem Widerruf enthaltenen personenbezogenen Daten unterliegen ihrerseits auch dem Recht auf Löschung“.

Diese personenbezogenen Daten werden durch den Verantwortlichen aber nach Art. 6 Abs. 1 lit. c, Abs. 3 lit. a DSGVO verarbeitet. Die vom Verantwortlichen zu erfüllende gesetzliche Verpflichtung ist hier die Nachweispflicht aus Art. 7 Abs. 1 DSGVO. Diese Begründung lässt sich verallgemeinert auf die Rechenschaftspflicht nach Art. 5 Abs. 2 DSGVO übertragen.

Die in den Nachweisen enthaltenen Daten sind gemäß Art. 17 Abs. 1 lit. a DSGVO zu löschen, wenn sie für die Zwecke, für die sie erhoben wurden, nicht mehr notwendig sind, wenn also Nachweis- und Rechenschaftspflichten eine weitere Aufbewahrung nicht mehr erfordern.

Und wann enden solche Aufbewahrungsfristen? Die DSGVO macht hierzu keine spezifischen Vorgaben.

Nach Ansicht des BayLfD enden sie dann, wenn die Verarbeitung vollständig abgeschlossen ist, die aufgrund der Einwilligung verarbeiteten personenbezogenen Daten beim Verantwortlichen nicht mehr vorhanden sind

und der Verantwortliche kein rechtliches Interesse (etwa mit Blick auf Schadensersatzprozesse, vgl. Art. 17 Abs. 3 lit. e DSGVO) mehr daran hat, den Nachweis noch führen zu können.“

Die Behörde akzeptiert hiermit als wohl auch auch eine Orientierung an Verjährungsvorschriften für Schadensersatzansprüche nach Zivilrecht. Ergänzend würde ich zudem auch noch Verjährungsvorschriften für eine Verhängung von Bußgeldern durch eine Aufsichtsbehörde (§ 31 Abs. 2 OwiG) erwähnen.

Gerade im Bereich der Einwilligung ist zudem eine Änderung im UWG für Telefonwerbung zu beachten. Am 1.10.2021 tritt ein neuer § 7a UWG in Kraft. In Abs. 1 wird vorgegeben, dass Einwilligungen für Telefonwerbung gegenüber einem Verbraucher zum Zeitpunkt der Erteilung in angemessener Form zu dokumentieren und gemäß Abs. 2 S. 1 aufzubewahren. Und Abs. 2 S. 1 gibt vor: „Die werbenden Unternehmen müssen den Nachweis nach Absatz 1 ab Erteilung der Einwilligung sowie nach jeder Verwendung der Einwilligung fünf Jahre aufbewahren„.

Bundesregierung plant neue Dokumentationspflicht für Werbeeinwilligungen

In dem „Entwurf eines Gesetzes für faire Verbraucherverträge“ (BR Drs 18/21, PDF) vom 1.1.2021 schlägt die Bundesregierung in Artikel 3 die Schaffung eines neuen § 7a UWG vor. Es geht um die Einführung einer ausdrücklichen Aufbewahrungspflicht für Einwilligung im Bereich Telefonwerbung. In der Begründung wird u.a. auch mit den Vorgaben der DSGVO argumentiert.

Hier der Vorschlag:

§ 7a Einwilligung in Telefonwerbung

(1) Wer mit einem Telefonanruf gegenüber einem Verbraucher wirbt, hat dessen vorherige ausdrückliche Einwilligung in die Telefonwerbung zum Zeitpunkt der Erteilung in angemessener Form zu dokumentieren und gemäß Absatz 2 Satz 1 aufzubewahren.

(2) Die werbenden Unternehmen müssen den Nachweis nach Absatz 1 ab Erteilung der Einwilligung sowie nach jeder Verwendung der Einwilligung fünf Jahre aufbewahren. Die werbenden Unternehmen haben der nach § 20 Absatz 3 zuständigen Verwaltungsbehörde den Nachweis nach Absatz 1 auf Verlangen unverzüglich vorzulegen.“

Zuständige Behörde wäre hier die BNetzA.

Nach der Gesetzesbegründung (S. 8) sieht die Bundesregierung das Problem, dass in zivilrechtlichen Verfahren und auch nach Art. 7 Abs. 1 DSGVO der Werbende die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer Einwilligung trage. Jedoch müsse im Ordnungswidrigkeitenverfahren zunächst die Behörde den Nachweis der Tatbestandsverwirklichung erbringen, zum Beispiel durch Zeugenbefragungen. Dies gestalte die Verfahren umfangreich und kompliziert.

Interessant ist auch der Hinweis auf die Argumente der werbenden Unternehmen. Diese

versuchen sich dabei zum Teil zu entlasten, indem sie behaupten, die Einwilligungserklärung habe aus Gründen des Datenschutzes nicht länger aufbewahrt werden dürfen und sei daher vernichtet worden“.

Diese Begründung würde ich aus datenschutzrechtlicher Sicht tatsächlich auch nicht verstehen. Denn als Verantwortlicher bin ich sowohl nach Art. 7 Abs. 1 DSGVO als auch allgemein nach Art. 5 Abs. 2 DSGVO zum Nachweis der Zulässigkeit der Datenverarbeitung verpflichtet. Selbst von Datenschutzbehörden ist akzeptiert, dass ich zum Nachweis einer einmal erteilten Einwilligung die erforderliche Dokumentation länger aufbewahren darf. Personenbezogene Daten (in der Einwilligung) dürfen auf der Grundlage von Artt. 6 Abs. 1 lit. c, 7 Abs. 1 DSGVO aufbewahrt werden, so etwa der BayLfD (28. TB, Ziff. 2.3):


Diese personenbezogenen Daten werden durch den Verantwortlichen freilich nach Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. c, Abs. 3 UAbs. 1 Buchst. a DSGVO verarbeitet. Die vom Verantwortlichen zu erfüllende gesetzliche Verpflichtung ist hier die Nachweispflicht aus Art. 7 Abs. 1 DSGVO“.

Zurück zum Gesetzesentwurf. Durch Einführung einer Dokumentationspflicht für die Einwilligung der Verbraucher soll die Sanktionierung unerlaubter Telefonwerbung insgesamt effizienter gestaltet und Anreize für einen Verstoß reduziert werden.

Fraglich ist jedoch, ob der neu vorgesehene § 7a UWG mit der DSGVO, konkret mit Art. 7 Abs.1 DSGVO, vereinbar ist. Denn das UWG kennt ja keinen eigenen Einwilligungsbegriff, sondern die relevante RL 2002/58/EG verweist auf die alte RL 95/46/EG, die nun durch die DSGVO ersetzt wurde. Nun sollen aber im UWG spezifische Anforderungen an die Dokumentation der Einwilligung aufgenommen werden, die so nicht in der unmittelbar anwendbaren DSGVO festgelegt sind (insbesondere etwa die Dauer von 5 Jahren).

Die Bundesregierung sieht in § 7a UWG-E kein Problem. In der Gesetzesbegründung (S. 13) geht sie davon aus, dass die neue Norm „Artikel 7 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) vereinbar“ ist.

Nach Ansicht der Bundesregierung stellt die Regelung „eine spezielle Ausfüllung der Beweislastverteilung der in Artikel 7 Absatz 1 DSGVO vorgesehenen Nachweispflicht des Datenverarbeitenden für Einwilligungen zur Datenverarbeitung im Bereich von Telefonwerbung dar“. Hinsichtlich des § 7a Abs. 1 UWG-E, mag man dies noch verstehen. Denn es wird tatsächlich keine bestimmte Form für die Einwilligung selbst oder den Nachweis vorgegeben. Auch die DSGVO kennt keine Formanforderungen der Einwilligung. Fraglich könnte aber sein, ob die Pflicht zur Aufbewahrung für 5 Jahre nach Abs. 2 so von Art. 7 Abs. 1 DSGVO gedeckt ist. Die DSGVO sieht keine konkreten Zeiträume vor, wie lange Dokumente aufzubewahren sind, um der Rechenschaftspflicht zu genügen. Dies wird man dann sowohl als Pro- als auch als Contra-Argument nutzen können. Diskutabel ist der Punkt meines Erachtens aber schon.

Klar ist aber aus Unternehmenssicht auch, wenn § 7a UWG-E in dieser Form kommt, dass dann § 7a Abs. 2 UWG-E iVm Art. 6 Abs. 1 lit. c DSGVO eine Rechtsgrundlage für die Aufbewahrung der Einwilligungsdokumente und darin enthaltener personenbezogener Daten darstellt.

OLG Naumburg: Abmahnbarkeit von Datenschutzverstößen durch Wettbewerber und Verarbeitung von „Gesundheitsdaten“ bei Online-Bestellungen

Das OLG Naumburg hatte in einem aktuellen Urteil (abrufbar bei der Deutsche Apotheker Zeitung (DAZ), Urteil vom 07.11.2019 – 9 U 6/19, pdf) gleich mehrere interessante datenschutzrechtliche Fragen zu prüfen. Es ging unter anderem um den Streit zum wettbewerbsrechtlichen Vorgehen gegen Datenschutzverstöße durch Wettbewerber und auch die Reichweite des Begriffs „Gesundheitsdaten“ bei Internetbestellungen.

Sachverhalt

Der Kläger macht gegen den Beklagten Unterlassungsansprüche, Auskunftsansprüche und die Feststellung einer Schadensersatzverpflichtung aus Wettbewerbsrecht wegen des Vertriebes apothekenpflichtiger rezeptfreier Medikamente über eine Internethandelsplattform geltend.

Sowohl der Kläger als auch der Beklagte betreiben Apotheken. Der Beklagte handelt sein Sortiment, also auch apothekenpflichtige Medikamente, außerdem auch über die Internet-Plattform „Amazon-Marketplace“.

In der Vorinstanz hatte das LG Magdeburg (Urt. v. 18. 01. 2019 – 36 O 48/18) vertreten, dass wegen möglichen Verstößen gegen die DSGVO keine Ansprüche aus dem UWG geltend gemacht werden können. Dies sieht das OLG nun, zumindest grundsätzlich, anders.

Entscheidung

Nach Ansicht des OLG steht dem Kläger ein Unterlassungsanspruch (§ 8 Abs. 1 S. 1 i.V.m. 3 a UWG) wegen Verstoßes gegen Art. 9 Abs. 1 DSGVO zu.

Hierzu prüft das Gericht im Grunde drei aufeinander aufbauende Voraussetzungen.

  • Einordnung der Regeln der DSGVO als Marktverhaltensregeln im Sinne des § 3 a UWG
  • Bei den erfassten Daten handelt es sich um Gesundheitsdaten im Sinne von Art. 9 Abs. 1 DSGVO
  • Der Beklagte verarbeitet die Daten ohne ausdrückliche Einwilligung im Sinne des Art. 9 Abs. Absatz 2 lit. a DSGVO

UWG

Nach Auffassung des Gerichts sind die Regelungen der DSGVO zumindest in der vorliegenden Fallkonstellation als Marktverhaltensregeln im Sinne des § 3 a UWG aufzufassen.

Zunächst stellt das OLG dar, dass die Frage, ob Datenschutzbestimmungen nach Anwendbarkeit der DSGVO Marktverhaltensregeln darstellen, bisher in Literatur und Rechtsprechung nicht abschließend geklärt ist. Das Gericht verweist für seine Begründung dann auf das bekannte Urteil des OLG Hamburg (Urteil vom 25. Oktober 2018 – 3 U 66/17). Dort nahm das OLG Hamburg, im Grunde der Ansicht unter dem alten Datenschutzrecht folgend, an, dass die jeweilige Norm konkret darauf überprüft werden muss, ob gerade jene Norm eine Regelung des Marktverhaltens zum Gegenstand hat. Das OLG Naumburg schließt sich dieser Auffassung an. Zwar verweist das OLG darauf, dass die DSGVO in erster Linie das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen schütze. Dennoch verfolge die DSGVO auch andere Zielsetzungen.

Etwas irritierend ist hierbei der Verweis auf die Erwägungsgründe der alten, nicht mehr anwendbaren Richtlinie 95/46/EG. Das OLG verweist auf die dortigen Erwägungsgründe 6 bis 8, bezieht sich hierbei aber auf die DSGVO.

Gleichwohl verfolgt die DSGVO auch andere Zielsetzungen: In den Erwägungsgründen 6 bis 8 der DS-RL heißt es, dass die Richtlinie auch den grenzüberschreitenden Verkehr personenbezogener Daten auf ein einheitliches Schutzniveau heben soll (Erwägungsgründe 6 und 7), weil ein unterschiedliches Schutzniveau ein Hemmnis für die Ausübung von Wirtschaftstätigkeiten auf Gemeinschaftsebene darstellen und den Wettbewerb verfälschen könne (Erwägungsgrund 7 Satz 2).

Das OLG geht hier davon aus, dass der Beklagte die Popularität der Plattform nutzt, um Kunden zu gewinnen. Er setze damit die Plattform als Werbeträger ein. Zudem geht das OLG für seine Begründung davon aus, dass Amazon selbst Daten auswerte – wenn auch anonym -, um zu werben: „Kunden, die sich Produkt A angesehen haben, interessieren sich auch für Produkte B“. Dies ziele auf den Markt ab und berühre die wettbewerblichen Interessen der Marktteilnehmer.

Gesundheitsdaten

Im nächsten Prüfschritt befasst sich das OLG dann mit der Frage, ob Bestelldaten von Kunden des Beklagten als „Gesundheitsdaten“ iSd DSGVO einzuordnen sind. Hierbei geht das OLG, meines Erachtens zu Unrecht, von einem sehr weiten Begriff aus.

Zwar gesteht das OLG zu, dass die Daten, die Amazon für den Bestellvorgang erfasst, sicher keine Gesundheitsdaten im engeren Sinne darstellen, wie z.B. ärztliche Befunde. Gleichwohl, so das OLG,

können aus den Bestelldaten Rückschlüsse auf die Gesundheit des Bestellers gezogen werden.

Meines Erachtens zurecht wandte der Beklagte ein, dass eine Internetbestellung auch für Mitglieder der Familie und andere Personen erfolgen könne. Die Person, die ein Medikament bestellt, kann dies auch für Dritte tun. Nach Ansicht des OLG senke dies aber nur die Wahrscheinlichkeit, mit der der gezogene Rückschluss zutrifft. Dies reiche nach Auffassung des Senates nicht aus, um die Gesundheitsbezogenheit der Daten entfallen zu lassen. Denn dies würde zu einer Absenkung des Schutzniveaus führen.

Meiner Auffassung nach ist der hier vom OLG angelegte Maßstab zu weit. Nach Erwägungsgrund 35 DSGVO zählen zu den personenbezogenen Gesundheitsdaten alle Daten, die sich auf den Gesundheitszustand einer betroffenen Person beziehen und aus denen Informationen über den früheren, gegenwärtigen und künftigen körperlichen oder geistigen Gesundheitszustand der betroffenen Person hervorgehen. Genau diese Anforderung ist hier, wenn eine Bestellung für Dritte vorgenommen wird, aber nicht erfüllt. Die betroffene Person ist der Käufer des Medikaments. Wenn diese Person das Medikament etwa für ein Familienmitglied erwirbt, ergibt sich aus dem Kauf noch keine Information zu dem früheren, gegenwärtigen und künftigen körperlichen oder geistigen Gesundheitszustand der betroffenen Person.

Gerne bemühe ich in dieser Diskussion auch oft die Ansicht des OVG Saarlouis (Urteil vom 14.12.2017 – 2 A 662/17). Dort ging es um die Videoüberwachung einer Apotheke und die Frage, ob allein durch Aufnahme der Personen, die die Apotheke betreten, Gesundheitsdaten verarbeitet werden. Dies lehnte das OVG ab.

Bereits das Aufsuchen einer Apotheke, in der heutzutage außer Medikamenten auch ein breites Sortiment an Kosmetika und sonstigen „Wellness“- oder Convenient-Produkten angeboten wird, stellt aber kein Indiz für das Vorliegen einer Erkrankung dar und bewirkt daher keine Bloßstellung.

Übertragen auf den hiesigen Fall könnte man also argumentieren, dass allein der Kauf eines Medikaments noch kein Indiz für das Vorliegen einer Erkrankung darstelle.

Ebenfalls nicht zu folgen ist der Argumentation das OLG, dass es sich hier nicht um Gesundheitsdaten im engeren Sinne, wohl aber im weiteren Sinne handeln soll. Eine solche Differenzierung kennt die DSGVO nicht.

Geht man vom Vorliegen von Gesundheitsdaten aus, hat dies weitreichende Konsequenzen für die Frage der Zulässigkeit der Verarbeitung dieser Daten, wie sich in der darauffolgenden Prüfung des OLG zeigt.

Verstoß gegen Art. 9 Abs. 1 DSGVO

Das OLG prüft nun konsequenterweise, ob der Beklagte die Gesundheitsdaten rechtmäßig verarbeitet hat.

In einem kleinen einleitenden Teil stellt das OLG fest:

Die Datenverarbeitung durch die Plattform Amazon Marketplace ist keine Auftragsdatenverarbeitung für den Beklagten im Sinne der DSGVO.

In dem hiesigen Verfahren ging es aber nicht um die Datenverarbeitung durch Amazon, sondern um jene des Apothekers. Nach Ansicht des OLG fehlt eine wirksame Einwilligung im Sinne des Art. 9 Abs. 2 lit. a DSGVO.

Hier zeigt sich die Folge der Einordnung der Bestelldaten bzw. Kaufdaten eines Kunden als Gesundheitsdaten iSd Art. 9 Abs. 1 DSGVO. In diesem Fall muss zwingend eine Ausnahme nach Art. 9 Abs. 2 DSGVO vorliegen. Das Gericht stellt fest, dass lit. a eine „ausdrückliche Einwilligung“ vorsieht, die hier nicht vorliegt.

Hinsichtlich der Form der Einwilligung verweist das OLG dann auch noch zusätzlich auf die Verpflichtung des Apothekers zur Einholung einer schriftlichen Einwilligung. Diese ergebe sich berufsrechtlich aus § 15 Abs. 2 der Berufsordnung der Apothekenkammer Sachsen-Anhalt.

Die Speicherung und Nutzung patientenbezogener Daten bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Betroffenen, sofern sie nicht nach dem Bundesdatenschutzgesetz und anderen Ermächtigungsgrundlagen zulässig sind oder von gesetzlichen Bestimmungen gefordert werden.

Sollte man hieraus wirklich ein Schriftformerfordernis der datenschutzrechtlichen Einwilligung ableiten, wäre diese nationale Vorgabe meines Erachtens europarechtswidrig. Denn die DSGVO kennt, auch für eine Einwilligung nach Art. 9 Abs. 2 lit. a DSGVO, kein Formerfordernis.

Irritierender Weise geht das OLG in seiner Prüfung allein auf die Ausnahme nach Art. 9 Abs. 2 lit. a DSGVO, die Einwilligung, ein. Nach Art. 9 Abs. 2 lit. h DSGVO dürfen Gesundheitsdaten ohne Einwilligung verarbeitet werden, wenn die Verarbeitung für Zwecke der Gesundheitsvorsorge oder die Versorgung oder Behandlung im Gesundheits- oder Sozialbereich auf der Grundlage des Unionsrechts oder des Rechts eines Mitgliedstaats oder aufgrund eines Vertrags mit einem Angehörigen eines Gesundheitsberufs erforderlich ist. Gerade die Arbeit der Apotheker wird unter die Alternative der „Versorgung oder Behandlung im Gesundheitsbereich“ fallen. Grundlage der Verarbeitung ist dann entweder nationales Recht (ins. § 22 Abs. 1 Nr. 1 lit. b BDSG) oder ein Vertrag zwischen Betroffenem und dem Angehörigen eines Gesundheitsberufs. Hierzu zählen auch die Apotheker. Meines Erachtens bedurfte es hier also gar keine Einwilligung für die Verarbeitung der Gesundheitsdaten (so man denn von ihrem Vorliegen ausgeht). Leider befasst sich das OLG in seinem Urteil nicht mit diesen weiteren Alternativen in Art. 9 Abs. 2 DSGVO.

Ging man davon aus, dass hier nur eine Einwilligung als Ausnahme eingreifen würde, wäre praktische Probleme vorprogrammiert. Was geschieht etwas bei einem Widerruf der Einwilligung? Dürfen Daten aus dem Vertragsverhältnis dann nicht mehr verarbeitet werden?

Kein Schadensersatzanspruch

Zuletzt schließt das OLG dann aber zumindest noch das Vorliegen eines möglichen Schadensersatzanspruches nach § 9 UWG und eines vorbereitenden Auskunftsanspruches aus. Beide setzen ein Verschulden voraus. Das OLG geht hier jedoch, aufgrund der umstrittenen Rechtslage davon aus, dass ein unvermeidbarer Verbotsirrtum anzunehmen ist.

Angesichts der bisher noch nicht abschließend von der Rechtsprechung geklärten Rechtslage zum marktregelnden Charakter der DSGVO billigt der Senat dem Beklagten einen unvermeidbaren Verbotsirrtum gemäß § 17 S. 1 StGB analog zu.

EU Kommission: Geltendmachung von Rechtsbehelfen Betroffener ist in der DSGVO abschließend geregelt

Im Rahmen einer schriftlichen Anfrage im Europäischen Parlament hat sich die Europäische Kommission, konkret Justizkommissarin Jourová, zu der abschließenden Wirkung der Regelungen der DSGVO zur Geltendmachung von Rechtsbehelfen (Art. 77 ff. DSGVO) für Betroffene geäußert.

Nach Art. 77 Abs. 1 DSGVO steht etwa jeder betroffenen Person das Recht zu, Beschwerde bei einer Aufsichtsbehörde einzulegen. Nach Art. 78 Abs. 1 und 2 DSGVO haben betroffene Personen das Recht auf einen gerichtlichen Rechtsbehelf gegen Entscheidungen einer Aufsichtsbehörde oder bei deren Untätigkeit. Zudem steht betroffenen Personen nach Art. 79 Abs. 1 DSGVO ein Recht auf einen Rechtsbehelf gegen einen Verantwortlichen oder Auftragsverarbeiter zu, wenn die betroffene Person von einer Verletzung ihrer Rechte ausgeht.

Betroffene können diese Rechte entweder selbst geltend machen oder aber nach Art. 80 Abs. 1 DSGVO (in Verbindung mit nationalem Recht) Vereinigungen oder Organisationen beauftragen, in ihrem Namen die in Art. 77, 78 und 79 DSGVO genannten Rechte geltend zu machen. Zudem ist in Art. 80 Abs. 2 DSGVO die Möglichkeit vorgesehen, dass solche Vereinigungen auch ohne Beauftragung tätig werden können.

In ihrer Antwort auf die parlamentarische Anfrage stellt die Justizkommissarin klar, dass in anderen als den in Art. 80 DSGVO genannten Fällen, Dritte (also zB Vereine, Unternehmen oä) keine Klagebefugnis haben, um die Rechte, die Betroffenen in der DSGVO eingeräumt werden, geltend zu machen.

Except where this is allowed pursuant to Article 80 GDPR, other persons wishing to act independently of a data subject’s mandate do not have standing to exercise the rights granted to individuals under the GDPR”.

Interessant könnte diese Aussage eventuell auch für die derzeit in Deutschland stattfindende Diskussion sein, ob Unternehmen auf der Grundlage des UWG Verstöße gegen das Datenschutzrecht gegenüber Wettbewerbern abmahnen und etwa mit Unterlassungsansprüchen dagegen vorgehen dürfen. Zum einen könnte man, vor dem Hintergrund der Meinung der Kommission, vertreten, dass diese dafür spricht, dass das Rechtsbehelfssystem der DSGVO abschließend ist. Die Aussage der Kommission in ihrer Antwort ist diesbezüglich sehr klar. Andererseits muss wohl berücksichtigt werden, dass sich die Kommission hier konkret auf die Rechte der Betroffenen bezieht und sich nicht mit der Frage auseinandersetzt, ob auch Unternehmen Verstöße gegen die DSGVO (die ja nicht immer Betroffenenrechte betreffen müssen) auf der Grundlage des UWG, also außerhalb der DSGVO, abmahnen können.