Neuer Referentenentwurf: Recht (Pflicht) auf Verschlüsselung bei Telemedien? Unklare Vorschläge und Risiko der Europarechtswidrigkeit

Das Bundesministeriums für Digitales und Verkehr (BMDV) hat mit Stand 07.02.24 einen Referentenentwurf für ein erstes Gesetz zur Änderung des Telekommunikation- Telemedien-Datenschutz-Gesetzes (TTDSG) erarbeitet (netzpolitik.org hat den Entwurf veröffentlicht). Ziel der vorgeschlagenen Regelungen (zumindest laut der Begründung): sog. nummernunabhängige interpersonelle Telekommunikationsdienste (also etwa E-Mail- Dienste, Messengerdienste und Chat-Dienste) sollen dazu verpflichtet werden, als Standard eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung anzubieten. Also eine Pflicht zur Verschlüsselung.

Für die breitere Praxis relevant, weil Telemedien (also insbesondere Online-Angebote) erfasst sind: „das Gleiche“ soll für die Speicherung von Informationen im Rahmen der Nutzung von Cloud-Diensten gelten. Das betrifft aber (anders als man meinen mag) nicht nur die „Großen“ wie AWS, Azure oder Apple.

Nachfolgend möchte ich kritisch auf einige Aspekte des Entwurfs konkret bezogen auf Cloud-Dienste eingehen.

Geplante Vorgabe, § 19 Abs. 6 TTDSG
Es soll ein neuer § 19 Abs. 6 TTDSG eingefügt werden:

(6) „Anbieter von Telemedien, deren Dienstleistung darin besteht, vom Nutzer von Te- lemedien bereitgestellte Informationen für diesen auf einem Datenspeicher zum Abruf bereitzuhalten, informieren den Nutzer über die Möglichkeit einer durchgehenden und sicheren Verschlüsselung der bereitgestellten Informationen, die gewährleistet, dass die Informationen nur vom bereitstellenden Nutzer gelesen werden können.“

Adressiert werden hier gerade nicht nur die (kleinere) Gruppe von nummernunabhängige interpersonelle Telekommunikationsdiensten, sondern allgemein Anbieter von Telemedien (etwa Webseiten und Apps), die aber zusätzlich noch als Leistung das Speichern von Informationen anbieten müssen. Diese Fallgruppe kann aber ziemlich umfassend sein, wenn man etwa Angebote (B2B und auch B2C) in den Blick nimmt, die für ihre Nutzer z.B. Rechnungen und Belege zum Abruf bereithalten, das Hochladen von Fotos und Videos ermöglichen oder Kundenkonten und dort enthaltene Angaben speichern etc.

Pflicht zur Verschlüsselung?
Unklar ist aber bereits, ob für diese Anbieter

  • eine Pflicht zur Verschlüsselung,
  • eine Pflicht zum Vorhalten der Möglichkeit der Verschlüsselung oder
  • nur eine Pflicht zur Information über eine mögliche Verschlüsselung
    geschaffen werden soll.

§ 19 Abs. 6 TTDSG spricht eher für eine reine Informationspflicht. „informieren den Nutzer über die Möglichkeit einer durchgehenden und sicheren Verschlüsselung der bereitgestellten Informationen, …“ Dies würde dann aber auch kein „Recht auf Verschlüsseung“ für Betroffene schaffen.

So wird auch in der Begründung zu § 19 Abs. 6 TTDSG (S. 12 des Entwurfs) ausgeführt: „In § 19 Absatz 6 wird eine Informationspflicht hinsichtlich der Möglichkeiten einer sicheren und durchgehenden Verschlüsselung der bereitgestellten Informationen bei der Nutzung von Cloud-Speichern eingeführt“.

Ganz anders lautet dagegen die Begründung in Teil A des Entwurfs (S. 7): „Das Recht auf Verschlüsselung wird hier für solche Clouddienste geregelt, die als Speicherdienste fungieren, die von den meisten Unternehmen, aber auch von Bürgerinnen und Bürgern zunehmend genutzt werden…“ und „Anbieter von Clouddiensten sollten zur Gewährleistung des Datenschutzes und der Cybersicherheit im Rahmen ihrer technischen und organisatorischen Vorkehrungen gewährleisten, dass die Nutzer solcher Dienste die gespeicherten Informationen mit einer sicheren und durchgängigen Verschlüsselung schützen können“.

Hier wird vorgegeben, dass Anbieter zumindest die Verschlüsselung „gewährleisten“ müssen.

Danach wird aber wieder einschränkend erläutert: „Das Recht auf Verschlüsselung ist hier eine Informationspflicht des Anbieters, da die Verschlüsslung in den Händen des jeweiligen Nutzers liegt.“

Mir ist daher aktuell nicht klar, welche konkreten Pflichten für die betroffenen Anbieter von Telemedien mit dem Entwurf vorgesehen werden sollen.

Welche Art der Verschlüsselung?
Doch die Unklarheiten des Vorschlags gehen weiter.

§ 19 Abs. 6 TTDSG spricht von einer „durchgehenden und sicheren Verschlüsselung“. Das ist etwas anderes, als die in dem vorgeschlagenen § 2 Abs. 2 Nr. 7 TTDSG eingefügte Legaldefinition der „sicheren Ende-zu-Ende-Verschlüsselung“.

Hätte der Entwurfsverfasser auch in § 19 Abs. 6 TTDSG eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung gemeint, hätte man dies dort erwähnen können (bzw. müssen). Denn an anderer Stelle des Entwurfs wird der Begriff ja sogar gesetzlich definiert. Da in Abs. 6 aber gerade diese Art der Verschlüsselung nicht erwähnt wird, muss es sich um eine andere Form der Verschlüsslung handeln. Eventuell „nur“ eine Transportverschlüsselung? Der Entwurf lässt potentielle Adressaten hierüber im Unklaren.

Widersprüchlich ist leider auch erneut die Begründung des Entwurfs. Auf S. 1 heißt es: „sollen nummernunabhängige interpersonelle Telekommunikationsdienste dazu verpflichtet werden, ihre Telekommunikationsdienste als Standard mit einer Ende-zu-Ende-Verschlüs- selung anzubieten. Das Gleiche gilt für die Speicherung von Informationen im Rahmen der Nutzung von Cloud-Diensten,…

Hier wird also auf eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung abgestellt – die im vorgeschlagenen Normtext aber gerade fehlt.

Fehlende Regelungskompetenz – Verstoß gegen die DSGVO
Neben diesen inhaltlichen Mängeln des Vorschlags, schwebt über der angedachten Regelung in § 19 Abs. 6 TTDSG aber meines Erachtens ohnehin das Damoklesschwert der Europarechtswidrigkeit (wie im Übrigen über dem ganzen § 19 TTDSG).

Nach der Begründung des Entwurfs und auch des Textes zu § 19 Abs. 6 TTDSG sollen „bereitgestellt Informationen“ verschlüsselt werden.

Personenbezogene Daten erfasst? DSGVO anwendbar
Aufgrund der weite dieses Begriffs, dürften hiervon natürlich auch personenbezogene Daten (z.B. Bilder, Videos, Rechnungen in Kundenkonten etc.) erfasst sein. Oder anders ausgedrückt: wenn der Vorschlag aus dem BMDV überhaupt nicht personenbezogene Daten beim „Recht auf Verschlüsselung“ umfassen würde, könnte man die Initiative im Bereich Cloud-Dienste wohl gleich wieder beerdigen, da es nur wenige Anwendungsbereiche gäbe.

Wenn aber § 19 Abs. 6 TTDSG auch personenbezogene Daten umfasst, wird sich hinsichtlich der Stoßrichtung des Vorschlags eine ganz entscheidende Frage stellen:

  • ist mit der Regelung eine Pflicht zur Verschlüsselung oder
  • mindestens eine Pflicht zum Vorhalten von Verschlüsselungsmöglichkeiten vorgesehen?

Kollision mit Vorgaben des Art. 32 DSGVO
Sollte eine dieser Fragen mit „ja“ beantwortet werden, kollidiert die Regelungen mit den unmittelbar geltenden Vorgaben der DSGVO, insbesondere Art. 32 DSGVO, der gerade keine Pflicht zur Verschlüsselung vorsieht. Nach Art. 32 Abs. 1 DSGVO treffen der Verantwortliche und Auftragsverarbeiter unter Berücksichtigung des Stands der Technik, der Implementierungskosten und der Art, des Umfangs, der Umstände und der Zwecke der Verarbeitung sowie der unterschiedlichen Eintrittswahrscheinlichkeit und Schwere des Risikos für die Rechte und Freiheiten natürlicher Personen geeignete technische und organisatorische Maßnahmen, um ein dem Risiko angemessenes Schutzniveau zu gewährleisten. Art. 32 Abs. 1 a) DSGVO sieht beispielhaft die Verschlüsselung vor – aber nicht verpflichtend.

§ 19 Abs. 6 TTDSG würde also, wenn man hier eine Pflicht schaffen will, von den Vorgaben des Art. 32 DSGVO abweichen. Wohl im Sinne einer „strengeren“ Regelung.

Abweichung möglich? Keine Öffnungsklausel
Die DSGVO gilt als EU-Verordnung unmittelbar in Deutschland. Soweit ihr Anwendungsbereich betroffen ist, also personenbezogene Daten verarbeitet werden, soll die DSGVO nach Ansicht des EuGH (vgl. etwa C-319/20, Rz. 57) eine grundsätzlich vollständige Harmonisierung der nationalen Rechtsvorschriften zum Schutz personenbezogener Daten sicherstellen. Verordnungen nach Art. 288 AEUV haben sowie aufgrund ihrer Rechtsnatur und ihrer Funktion im Rechtsquellensystem des Unionsrechts im Allgemeinen unmittelbare Wirkung in den nationalen Rechtsordnungen, ohne dass nationale Durchführungsmaßnahmen erforderlich wären (Rz. 58).

Von dieser Regel gibt es in der DSGVO aber Ausnahmen. Der EuGH hat hierzu geurteilt, dass einzelne Bestimmungen der DSGVO den Mitgliedstaaten die Möglichkeit eröffnen, zusätzliche, strengere oder einschränkende, nationale Vorschriften vorzusehen, die ihnen einen Ermessensspielraum hinsichtlich der Art und Weise der Durchführung dieser Bestimmungen lassen („Öffnungsklauseln“). Mitgliedstaaten dürfen nur unter den Voraussetzungen und innerhalb der Grenzen eben dieser Bestimmungen von den Vorgaben der DSGVO abweichen (Generalanwalt, C-319/20, Rz. 52).

Das Problem: für das Thema der zwingenden Verschlüsselung personenbezogener Daten bei Telemedien sieht die DSGVO gar keine Öffnungsklausel vor.

  • Art. 32 DSGVO enthält eine solche Ausnahme bzw. Öffnungsklausel für Mitgliedstaaten gerade nicht.
  • Die Einschränkungsmöglichkeiten des Art. 23 DSGVO sind auf Art. 32 DSGVO nicht anwendbar.
  • Öffnungsklauseln aus Kapitel IX dürften hier auch nicht einschlägig sein.

Fazit
Ich bin gespannt, wie sich der nun vorliegende Referentenentwurf inhaltlich entwickelt. Derzeit sehe ich aber sowohl konkret inhaltliche Probleme bzgl. der einzelnen Vorgaben, als auch abstrakt strukturelle Risiken hinsichtlich des Verhältnisses zur DSGVO.

Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates beim Einsatz von ChatGPT & Co? Arbeitsgericht Hamburg sagt „nein“ – im konkreten Fall

Seit einiger Zeit erfahren Systeme mit künstlicher Intelligenz und vor allem das Tool ChatGPT reges Interesse. Viele Unternehmen möchten ihren Mitarbeitenden ermöglichen, diese Tools zu verwenden. In einem nun entschiedenen Fall hatte das Arbeitsgericht (ArbG) Hamburg die Frage zu beantworten, ob der Betriebsrat vor dem Einsatz von ChatGPT und ähnlichen Programmen zu beteiligen ist und eventuell auch ein Verbot des Einsatzes dieser Systeme erzwingen kann (Beschl. v. 16.01.2024 – 24 BVGa 1/24).

Sachverhalt
Im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes begehrte der Konzernbetriebsrat von einem Unternehmen u.a., dass dieses seinen Mitarbeitern den Einsatz von ChatGPT und anderen Systemen der Künstlichen Intelligenz verbietet.

Das Unternehmen wollte für die Mitarbeitenden generative Künstliche Intelligenz als neues Werkzeug bei der Arbeit zur Unterstützung nutzbar machen. Es veröffentlichte dafür auf der Intranetplattform „Guidelines for Generative Al Utilization“, eine Generative KI-Richtlinie Version 1 und ein Handbuch „Generative al Manual ver.1.0.“, die den Arbeitnehmern Vorgaben machen, wenn diese bei der Arbeit IT-Tools mit künstlicher Intelligenz bei der Arbeit nutzen. Gleichzeitig veröffentlichte das Unternehmen im Intranet eine Erklärung an die Mitarbeiter, in der über die KI-Leitlinien informiert wird.

ChatGPT und auch andere KI-Systeme werden im konkreten Fall nicht auf den Computersystemen der Arbeitgeberin installiert. Die Nutzung der Tools erfolgt mittels Webbrowser und erfordert lediglich die Anlegung eines Accounts auf dem Server des jeweiligen Anbieters. Wollen die Mitarbeiter ChatGPT nutzen, müssen diese eigene, private Accounts anlegen.

Der Betriebsrat ging davon aus, dass sowohl ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG als auch nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 und Nr. 7 BetrVG bestehe. Die Arbeitgeberin habe durch die Entsperrung von ChatGPT verbunden mit der Veröffentlichung von Richtlinien zur Nutzung generativer Künstlichen Intelligenz die Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte des Betriebsrates grob verletzt.

Entscheidung
Das ArbG lehnte die Anträge des Betriebsrates zum Teil als unzulässig und auch als unbegründet ab.

Der Antrag, Guidelines, Handbuch und KI-Richtlinie vom Intranet zu entfernen, sei unbegründet.

§ 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG (Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb)
Nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG hat der Betriebsrat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb mitzubestimmen.

Nach Ansicht des ArbG hat die Arbeitgeberin mit ihren Maßnahmen, die zur Gestattung der Nutzung von ChatGPT und vergleichbarer Konkurrenzprogramme durch die Mitarbeiter geführt haben, § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG aber nicht verletzt.

Mitbestimmungsfrei sind danach Maßnahmen, die das so genannte Arbeitsverhalten der Beschäftigten regeln. Darum handele es sich, wenn der Arbeitgeber kraft seines arbeitsvertraglichen Weisungsrechts näher bestimmt, welche Arbeiten auszuführen sind und in welcher Weise das geschehen soll.

Nach Ansicht des ArbG

„fallen die Vorgaben zur Nutzung von ChatGPT und vergleichbarer Tools unter das mitbestimmungsfreie Arbeitsverhalten“.

Ergänzend sollte man sicher anfügen: im konkreten Fall.

Das Gericht begründet seine Ansicht weiter, dass die Arbeitgeberin ihren Arbeitnehmern ein neues Arbeitsmittel unter bestimmten Bedingungen zur Verfügung stellt. Richtlinien, Handbuch usw. sind somit Anordnungen, welche die Art und Weise der Arbeitserbringung betreffen, weshalb kein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG bestehe.

§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG
Nach dieser Norm hat der Betriebsrat bei der Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen, mitzubestimmen.

Auch dieses Mitbestimmungsrecht habe die Arbeitgeberin hier nach Ansicht des ArbG nicht verletzt.

Zweck des Mitbestimmungsrechts ist es, Arbeitnehmer vor Beeinträchtigungen ihres Persönlichkeitsrechts durch den Einsatz technischer Überwachungseinrichtungen zu bewahren. Zwar sind technische Einrichtungen bereits dann zur Überwachung „bestimmt“, wenn sie objektiv geeignet sind, dass der Arbeitgeber Verhaltens- oder Leistungsinformationen über den Arbeitnehmer erheben und aufzuzeichnen kann.

Vorliegend stellte das ArbG u.a. darauf ab, dass ChatGPT und die vergleichbaren Konkurrenzprodukte nicht auf den Computersystemen der Arbeitgeberin installiert wurden. Will ein Arbeitnehmer diese Tools nutzen, muss er diese wie jede andere Homepage auch, mittels eines Browsers aufrufen. Zudem erhalte die Arbeitgeberin keine Meldung oder Information, wann welcher Arbeitnehmer wie lange und mit welchem Anliegen ChatGPT genutzt hat.

Zwar werde der Browser die Nutzung des Tools regelmäßig aufzeichnen.

„Dies stellt aber keine Besonderheit von ChatGPT dar, sondern ergibt sich aus den Funktionsmöglichkeiten des Browsers, der den Surfverlauf des Nutzers abspeichert“.

Der Browser selbst sei zwar somit eine technische Einrichtung, die geeignet ist, Leistungs- und Verhaltensinformationen der Arbeitnehmer aufzuzeichnen. Jedoch haben die Parteien hier zur Nutzung von Browsern eine Konzernbetriebsvereinbarung abgeschlossen, weshalb der Betriebsrat sein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 S. 1 BetrVG bereits ausgeübt hat.

Zweitens begründet das ArbG seine Ansicht damit, dass der Anbieter des Tools, etwa von ChatGPT, die vorgenannten Daten wohl aufzeichnet.

„Dies führt aber nicht zur Mitbestimmung, denn der dadurch entstehende Überwachungsdruck wird nicht vom Arbeitgeber ausgeübt.“

Denn die Arbeitgeberin könne auf die vom Hersteller gewonnenen Informationen nicht zugreifen.

Fazit
Wie oben angesprochen, ist diese Entscheidung konkret bezogen auf die Gegebenheiten des Einzelfalls erfolgt – was auch völlig richtig ist. Insbesondere hat das ArbG hier etwa auf die bestehende Betriebsvereinbarung zu Browsern verweisen können. In anderen Konstellationen mag die Entscheidung eines Gerichts daher aber auch anders ausfallen. Interessant für die Praxis sind die Erwägungen des ArbG aber in jedem Fall.

Österreichisches Bundesverwaltungsgericht: Recht auf Datenübertragbarkeit (Art. 20 DSGVO) gegen den (alten) Arbeitgeber? Ja, aber…

Art. 20 DSGVO ist in der Rechtsprechung bisher kaum relevant geworden. Daher ist eine jüngere Entscheidung des österreichischen Bundesverwaltungsgericht (BVwG) zum Recht auf Datenübertragbarkeit gegen eine ehemalige Arbeitgeberin besonders interessant (20.12.2023 – W211 2261679-1).

Sachverhalt

Die Klägerin war bei der Verantwortlichen, einem Transportunternehmen, beschäftigt und kündigte das Arbeitsverhältnis. Die Klägerin verfügte über eine berufliche Emailadresse. Über diese Emailadresse wickelte sowohl berufliche als auch private Emailkorrespondenz ab.

Nach der Kündigung forderte die Klägerin von ihrer ehemaligen Arbeitgeberin basierend auf Art. 20 DSGVO, ihre personenbezogenen Daten, insbesondere ihre Korrespondenz (privat und beruflich), die auf dem Emailaccount gespeichert sei, in einem strukturierten, gängigen und maschinenlesbaren Format zu übermitteln.

Die Herausgabe der Daten wurde von der Arbeitgeberin in Bezug auf berufliche Emails verweigert, u.a. weil die Klägerin nun in einem Konkurrenzunternehmen arbeite. Hinsichtlich privater Emails sei diese Nutzung zwar gegen eine Dienstanweisung erfolgt – diese würden aber übermittelt und danach gelöscht.

Die Klägerin legte hierzu Beschwerde bei der österreichischen Datenschutzbehörde (DSB) ein. Die DSB wies die Beschwerde wegen Verletzung des Rechts auf Datenübertragbarkeit jedoch als unbegründet ab.

Nach Ansicht der DSB betreffe das Recht auf Datenübertragbarkeit jene Daten, die eine betroffene Person einem Verantwortlichen bereitgestellt habe. Dazu würden keine Daten zählen, die von anderen Nutzern eines Dienstes bereitgestellt worden seien. Deswegen würden empfangene Emails nicht unter den Anspruch aus Art. 20 DSGVO fallen. Darüber hinaus dürften bei Ausübung dieses Rechts die Rechte und Freiheiten anderer nicht beeinträchtigt werden. Die Übermittlung der beruflichen Emails würde die Arbeitgeberin schwer und unzulässig beeinträchtigen. Die Übermittlung privater Emails würde ebenfalls Rechte und Freiheiten Dritter beeinträchtigen, und zwar die Absender. Auch könnte der Inhalt der Emails sich auf Dritte beziehen.

Gegen diese Entscheidung der DSB wendet sich die Klägerin.

Entscheidung

Das BVwG verhielt sich nicht zu der Frage, welche Auswirkung die (vorgebrachte) Untersagung der privaten Nutzung der Emails hat. Nach Ansicht des BVwG ist die Frage, ob es eine Dienstanweisung gegen die private Nutzung des beruflichen Emailaccounts gab oder nicht,

für die datenschutzrechtliche Einschätzung im Endeffekt unerheblich“.

Das BVwG scheint hier also den Bereich des Datenschutzes streng von Fragen des (möglicherweise geltenden) Fernmeldegeheimnisses zu trenne.

Wichtig: Art. 20 DSGVO gilt auch im Arbeitsverhältnis

Implizit stellt das BVwG klar, dass das Recht auf Datenübertragbarkeit nach Art. 20 DSGVO auch im (beendeten) Arbeitsverhältnis gilt. Denn es befasst sich nicht mit der Frage, ob Art. 20 DSGVO in der vorliegenden Konstellation überhaupt greift. Vielmehr prüft das BVwG das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen und Ausnahmen.

Was bedeutet „bereitgestellt“?

Nach Ansicht des BVwG sind unter „bereitgestellten“ Daten zunächst jene Daten zu verstehen, welche die betroffene Person aktiv und wissentlich der Verantwortlichen übermittelt hat (zB Daten, die bei der Kontoeröffnung angegeben werden, hochgeladene Bilder in sozialen Medien, Kontaktlisten des Webmail-Kontos).

Zudem verweist das BVwG auf die sehr weite Auslegung des Begriffs durch die Art.-29-Datenschutzgruppe. Danach umfasst das Recht auch jene Daten, die durch Nutzung des Dienstes der Verantwortlichen oder durch Beobachtung angefallen bzw. generiert worden sind.

Im Beschäftigungskontext könnten dies etwa Bewerbungsunterlagen, dienstliche E-Mails und elektronische Zeitaufzeichnungen sein. Damit war der Anwendungsberiech von Art. 20 DSGVO eröffnet. Diese Ansicht ist meines Erachtens richtig (vgl. etwa meinen Beitrag in RDV 2018, S. 3 “Datenübertragbarkeit im Beschäftigungsverhältnis – Arbeitgeberwechsel: Und die Daten kommen mit?“), auch wenn Art. 20 DSGVO wohl eigentlich nicht für diese Situationen gedacht war. Spannend wird es vielmehr bei den einzelnen Voraussetzungen und auch Ausnahmen des Art. 20 DSGVO.

BVwG: Betroffener muss „Bereitstellung“ darlegen

Eine erste Einschränkung bei der Ausübung des Rechts macht das BVwG bei dem Antrag auf Datenübertragung.

Die betroffene Person wird zur Geltendmachung ihres Begehrens darlegen müssen, dass die Daten, die sie übertragen lassen möchte, von ihr bereitgestellt wurden und sie betreffen, dass ihre Verarbeitung auf einer Einwilligung oder einem Vertrag beruht und dass sie automatisch verarbeitet werden“.

Das BVwG verlangt hier also vom Betroffenen den Nachweis, dass es sich um „bereitgestellte“ Daten iSv Art. 20 DSGVO handelt. Das Gericht begründet seine Ansicht u.a. damit, dass es sich um ein antragsbedürftiges Recht handele.

Im vorliegenden Fall habe der Antrag kein ausreichend konkretisiertes Begehren auf Datenübertragbarkeit nach Art. 20 DSGVO für andere Daten als die Emails enthält. Abgesehen von der Korrespondenz über den Emailaccount werden weitere Daten, die übermittelt werden sollen, nicht ausreichend konkretisiert.

Übertragung beruflicher Mails?

Das BVwG stützt sich in seiner Entscheidung auf die Argumentation der DSB. Eine Übertragung der beruflichen Emails wird auf der Grundlage der Ausnahme nach Art. 20 Abs. 4 DSGVO abgelehnt.

Die Übermittlung der beruflichen Emails würde die Rechte der Arbeitgeberin, zB in Bezug auf Geschäftskontakte und Rechnungsdaten, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Klägerin nunmehr in einem Konkurrenzunternehmen tätig ist, schwer beeinträchtigen.

Wichtig: damit macht das BVwG auch klar, dass der Verantwortliche selbst im Rahmen des Art. 20 Abs. 4 DSGVO eine „andere Person“ ist.

Übertragung private Mails?

Hier begründet das BVwG die Ablehnung des Anspruchs aus Art. 20 DSGVO anders. Hinsichtlich der auf der personalisierten Emailadresse verfassten privaten Emails kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Betroffene diese im Sinne der Bestimmung der Verantwortlichen „bereitgestellt“ hat.

Das BVwG verneint hier also bereits das Vorliegen eines Tatbestandsmerkmals.

Zwar würde rein technisch, durch die Nutzung des Emailaccounts eine quasi automatische Bereitstellung der Daten an die Verantwortliche erfolgen.

Aber: es handelt sich dabei um keine Daten, die die Verantwortliche in irgendeiner sonstigen Weise verarbeitet noch verarbeiten will, noch der Betroffenen diesbezüglich einen Dienst zu Verfügung stellt, noch im eigentlichen Sinne einen solchen Dienst – für private Emails – zur Verfügung stellen will.

Nach dem BVwG fehlt es am Merkmal „bereitgestellt“, weil der Verantwortliche keine Absicht hat, diese Daten zu erhalten oder für die Bereitstellung einen Dienst zur Verfügung zu stellen. „Bereitstellen“ verlangt also nach dem BVwG, dass der Verantwortliche bewusst und willentlich die Daten empfängt bzw. verarbeitet.

Das Ergebnis des BVwG: Ein Recht auf Datenübertragbarkeit der verfassten privaten Emails aus dem Emailaccount besteht demnach nicht.

BDSG-Reform: Bundesregierung verabschiedet Entwurf zur Änderung des BDSG (Videoüberwachung, Auskunftsanspruch, gemeinsame Verantwortliche und Scoring)

Die Bundesregierung hat heute ihren Entwurf für ein Gesetz zur Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) verabschiedet (Gesetzentwurf, PDF). Nachfolgend möchte ich einen ganz kurzen Überblick zu einigen vorgeschlagenen Änderungen geben.

Die DSK wird im BDSG verankert

In einem neuen § 16a BDSG soll die Datenschutzkonferenz (DSK) im BDSG institutionalisiert werden. Es wird jedoch keine Regelung zur rechtlichen Verbindlichkeit von Beschlüssen der DSK getroffen, da, so die Begründung, „damit wegen des Verbots der Mischverwaltung verfassungsrechtliche Grenzen berührt würden“.

Die Anpassung ist am Ende aus meiner Sicht nicht besonders praxisrelevant. Denn die DSK existiert bereits jetzt schon und hat auch eine Geschäftsordnung. Es wird als gesetzlich festgeschrieben, was bereits existiert.

Wegfall der Regelung zur Videoüberwachung für private Stellen

§ 4 Abs. 1 BDSG soll neu wie folgt gefasst werden:

Die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen (Videoüberwachung) durch öffentliche Stellen ist nur zulässig,…“.

Hierdurch wird die Regelung zur Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Räume durch nichtöffentliche Stellen, also insbesondere Unternehmen, aus dem Bundesrecht genommen. Die Zulässigkeit dieser Videoüberwachung ergibt sich unmittelbar aus Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO.

Mögliche Auswirkung: sollte die Regelung so in Kraft treten, wäre bei Hinweisschildern zur Videoüberwachung an eine Anpassung hinsichtlich der Rechtsgrundlage zu denken, wenn dort noch auf § 4 Abs. 1 BDSG verwiesen wird.

Wichtig für die Praxis: Einschränkung des Auskunftsrechts bei Geschäftsgeheimnissen

Eine praxisrelevante Anpassung wird in § 34 Abs. 1 BDSG vorgeschlagen. Es soll folgender Satz neu angefügt werden:

Das Recht auf Auskunft besteht auch insoweit nicht, als der betroffenen Person durch die Information ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis des Verantwortlichen oder eines Dritten offenbart würde und das Interesse an der Geheimhaltung das Interesse der betroffenen Person an der Information überwiegt.“

Laut der Gesetzesbegründung soll klargestellt werden, dass im Rahmen der Ausnahmen von dem Recht auf Auskunft (Art. 15 Abs. 4 DSGVO) unter den Schutz „anderer Personen“ auch der Verantwortliche fällt und gewisse herauszugebende Daten einen rechtlichen Schutz genießen. „Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse genießen einen solchen Schutz“.

Die Ausnahme greift dann, wenn das Interesse an der Geheimhaltung der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse das Interesse der betroffenen Person an der Information überwiegt.

Diese Klarstellung ist zu begrüßen, jedoch wohl nicht zwingend erforderlich, da bereits ErwG 63 DSGVO „Rechte und Freiheiten anderer Personen, etwa Geschäftsgeheimnisse“ ausdrücklich erwähnt.

Zuständige Aufsichtsbehörde bei gemeinsam Verantwortlichen

Zudem soll ein neuer § 40a BDSG mit dem Titel „Aufsichtsbehörde gemeinsam verantwortlicher Unternehmen“ eingefügt werden.

Die Regelung soll in Situationen gelten, in denen mehrere Unternehmen gemeinsam Verantwortliche (Art. 26 DSGVO) sind und mehrere Aufsichtsbehörden für sie zuständig wären. Dann sollen diese Verantwortlichen gemeinsam anzeigen können,

dass sie gemeinsam verantwortliche Unternehmen sind und deshalb für die von ihnen gemeinsam verantwortete Datenverarbeitung allein die Aufsichtsbehörde zuständig sein soll, in deren Zuständigkeitsbereich das Unternehmen fällt, das in dem der Anzeige vorangegangenen Geschäftsjahr den größten Jahresumsatz erzielt hat“.

Die Anzeige ist an alle Aufsichtsbehörden zu richten, die für die gemeinsam verantwortlichen Unternehmen zuständig sind. Sie muss etwa die Vereinbarung gem. Art. 26 DSGVO enthalten.

Wichtige Folge dieser Anzeige: ab dem Zeitpunkt, zu dem die Anzeige bei der zuständigen Behörde eingegangen ist, wird diese die allein zuständige Aufsichtsbehörde.

Vorgaben zum Scoring

Neu eingefügt (wenn auch angelehnt an den bisherigen § 31) wird ein § 37a BDSG, der Anforderungen an die Erstellung und auch Verwendung von „Wahrscheinlichkeitswerten“ regeln soll.

Nach § 37a Abs. 1 Nr. 1 BDSG dürfen etwa folgende Daten nicht für die Erstellung der Wahrscheinlichkeitswerte genutzt werden: besondere Kategorien personenbezogener Daten (Art. 9 DSGVO) und Anschriftendaten.

Widerspruch gegen die Datenverarbeitung: wann liegen „Gründe, die sich aus ihrer besonderen Situation ergeben“ vor?

Nach Art. 21 Abs. 1 DSGVO hat die betroffene Person das Recht, aus Gründen, die sich aus ihrer besonderen Situation ergeben, jederzeit gegen die Verarbeitung, die aufgrund einer Interessenabwägung nach Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO erfolgt, Widerspruch einzulegen. Wann diese „besondere Situation“ vorliegt, erläutert das Gesetz aber nicht. 

Für die Praxis stellt Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO in der Wirtschaft eine wichtige Rechtsgrundlage dar. Umso interessanter ist daher die Antwort auf die Frage, wann Betroffene einer Verarbeitung widersprechen können.

Wortlaut

Art. 21 Abs. 1 DSGVO gewährt eindeutig kein voraussetzungsloses Widerspruchsrecht, sondern macht dieses von Gründen abhängig, die sich aus der besonderen Situation des Betroffenen ergeben. Nur zu widersprechen, genügt daher nicht. Dies ergibt sich auch aus einem systematischen Vergleich mit Art. 21 Abs. 3 DSGVO, der gerade allein den Widerspruch (ohne Bezug zu einer besonderen Situation) genügen lässt, wenn Daten für Zwecke der Direktwerbung verwendet werden. 

Rechtsprechung

Landessozialgericht Hessen

Das LSG Hessen (Beschl. v. 29.1.2020 – L 4 SO 154/19 B) hat sich zu den Anforderungen der Darlegung der besonderen Situation des Betroffenen geäußert. 

Das LSG verlangt, dass konkrete Tatsachen zu dieser besonderen Situation vorgetragen werden müssen, die ausnahmsweise das Unterlassen der Erhebung von Daten rechtfertigen sollen. Dies ergebe sich aus der Normstruktur des Art. 21 Abs. 1 S. 2 DSGVO, die eine Abwägung erfordert.

Im konkreten Fall verwies der Kläger u.a. auf eine nach seiner Auffassung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts widersprechende Verwaltungspraxis. Dies genügte dem LSG nicht. Zudem brachte der Betroffene gegen die Verarbeitung seinen Gesundheitszustand vor. Auch dies lehnte das LSG als „besondere Situation“ ab. 

sind dies keine Gründe, die einen Bezug zu Datenschutzbelangen haben.“ 

Interessant an dieser Ansicht des LSG ist, dass das Gericht anscheinend bei den Gründen einen konkreten Datenschutzbezug verlangt. 

Bundesverwaltungsgericht Österreich

Im letzten Jahr hat sich auch das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) Österreich (19.4.2023 – W287 2243166-1) mit den Anforderungen an den Widerspruch befasst. 

Das BVwG verlangt, dass der Betroffene im Widerspruch anzugeben hat, inwiefern eine Verarbeitung der Daten, die sich auf den Erlaubnistatbestand des Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO stützt, aufgrund einer besonderen Situation dennoch nicht zulässig sein soll. 

Vom Betroffenen ist konkret darzulegen, 

worin im grundrechtlichen Schutzzweck des Datenschutzes seine besondere Situation liegt, die über die im Rahmen des Art. 6 Abs. 1 lit. e und lit. f DSGVO bereits erfolgte allgemeine Güterabwägung hinaus eine Ausnahme von der rechtmäßigen Verarbeitung gegeben sein soll“.

Interessant ist hier, dass das BVwG die besondere Situation des Betroffenen wohl eher als Ausnahme ansieht. Denn es führt aus, dass bei der Annahme der besonderen Situation Zurückhaltung geboten sei. 

Legt der Betroffene „nicht einmal ansatzweise dar, weshalb in seinem Fall eine besondere Situation im zuvor dargelegten Sinne vorliegen sollte“, sind die Anforderungen des Art. 21 Abs. 1 DSGVO nicht erfüllt. In dem Verfahren des BVwG hat übrigens auch die Österreichische Datenschutzbehörde genau diese Ansicht, die das Gericht stützt, vertreten. 

Die Behauptungs- und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen liegt nach Ansicht des BVwG beim Betroffenen.

Dementsprechend hat sein Antrag eine qualifizierte Darlegung zu enthalten, die es dem Verantwortlichen ermöglicht, die Voraussetzungen zu prüfen.

Fazit

Abschließend geklärt scheint die Frage, wann eine „besondere Situation“ vorliegt, noch nicht. Gerade die Entscheidung und Begründung des BVwG enthält jedoch nützliche Hinweise dazu, wie Verantwortliche mit Widersprüchen gegen Datenverarbeitungen nach Art. 21 Abs. 1 DSGVO umgehen können.

Arbeitsgericht: Datenschutzverstöße des Betriebsrates können ein Grund für dessen Auflösung sein

Das Arbeitsgericht Elmshorn (ArbG) hat sich in seinem Beschluss vom 23.08.2023 (Az. 3 BV 31 e/23) unter anderem mit der Frage befasst, inwiefern Datenschutzverstöße eines Betriebsrates nach § 23 Abs. 1 BetrVG wegen grober Verletzung seiner gesetzlichen Pflichten zu dessen Auflösung führen können (die Beschwerde gegen den Beschluss ist beim Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Az. 5 TaBV 16/23 anhängig).

Sachverhalt

Über ein Viertel der Belegschaft sowie die Arbeitgeberin beantragten gem. § 23 Abs. 1 BetrVG die Auflösung des Betriebsrates. Es lägen grobe Verletzungen gesetzlicher Pflichten durch den Betriebsrat und einzelne Mitglieder vor. (Ich beschränke mich hier auf datenschutzrechtlich relevante Themen; daneben wurden auch noch andere Verstöße geltend gemacht)

Der Betriebsrat druckte jeweils einzeln pro Mitarbeiter per E-Mail verschickte Dienstpläne aus, sichtet, kontrolliert und bearbeitet diese. Sie werden jeweils in einem DIN A 4-Ordner für jeden einzelnen Mitarbeiter abgeheftet. Daneben werden alle Urlaubsanträge von allen Mitarbeitern durch die Arbeitgeberin per E-Mail an den Betriebsrat geschickt, welche dieser ebenfalls ausdruckt, sichtet und einsortiert. Zudem habe der Betriebsratsvorsitzende in einer Betriebsversammlung Gesundheitsdaten zweier Mitarbeiter veröffentlicht.

Die Antragsteller sind der Ansicht, der Betriebsrat verstoße mit einer umfassenden Speicherung von Personendaten im Rahmen der Dienstplannachkontrollen gegen den Datenschutz. Zudem stelle die Bekanntgabe von Gesundheitsdaten auf der Betriebsversammlung einen erheblichen Datenschutzverstoß dar.

Entscheidung

Das ArbG ging von mehreren Pflichtverletzungen aus und beschloss die Auflösung des Betriebsrates. 

Prüfungsmaßstab des Gerichts waren die Anforderungen des § 23 Abs. 1 BetrVG. Ein zur Auflösung des Betriebsrats führender grober Verstoß gegen gesetzliche Pflichten liegt dann vor, wenn die Pflichtverletzung objektiv erheblich und offensichtlich schwerwiegend ist. Dies kann nur unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere den betrieblichen Gegebenheiten und des Anlasses der Pflichtverletzung beurteilt werden.

Unter anderem begründete das ArbG seine Entscheidung auch mit datenschutzrechtlichen Verstößen.

Mit der Mitteilung von Gesundheitsdaten von Arbeitnehmern wie auch der massenhaften Lagerung von Mitarbeiterdaten verstößt der Betriebsrat massiv gegen Geheimhaltungspflichten und die Verpflichtung zum Datenschutz.“

Nach Ansicht des ArbG ist der Betriebsrat zur Geheimhaltung von persönlichen Daten verpflichtet.

Zudem stelle die Verletzung von Datenschutzverpflichtungen zugleich eine Verletzung von Pflichten aus § 23 Abs. 1 BetrVG dar.

Mit der Mitteilung von Gesundheitsdaten von zwei Mitarbeitern auf einer Betriebsversammlung verletze der Betriebsrat das allgemeine Persönlichkeitsrecht dieser Mitarbeiter.

Der Betriebsrat verteidigte sich damit, dass auf der Betriebsversammlung keine Gesundheitsdaten bekannt gemacht worden seien. Denn die Erkrankungen seien bereits betriebsöffentlich bekannt gewesen und die Äußerungen seien zudem jedenfalls nicht protokolliert worden.

Diese Argumente ließ das ArbG nicht gelten. Auch wenn die Vorfälle bereits anderweitig im Betrieb „die Runde gemacht“ haben sollten bzw. sich als Arbeitsunfälle ereigneten, stehe dem Betriebsratsvorsitzende eine Äußerung über den Gesundheitszustand einzelner Arbeitnehmer in der Betriebsversammlung nicht zu.

Zudem bemängelte das ArbG, dass der Betriebsrat mit dem Ausdruck und der Ablage von allen Dienstplänen, Krankheitsmitteilungen und Urlaubsanträgen quasi eine doppelte Personalakte führe. Er lege Unterlagen doppelt an, deren Zweck der Speicherung mehr als zweifelhaft sei.

Auch der Betriebsrat ist grundsätzlich zur sog. Datensparsamkeit angehalten“.

Ein permanenter Lesezugriff örtlicher Betriebsräte auf die elektronischen Personalakten der Arbeitnehmer zu Kontrollzwecken im Rahmen einer Gesamtbetriebsvereinbarung zur Regelung eines elektronischen Ablagesystems für Personalakten wäre unwirksam, da hiermit unverhältnismäßig in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer eingegriffen wird.

Eine solche lege der Betriebsrat aber gerade an, wenn er für jeden Mitarbeiter einen Aktenordner führt, aus dem sich die Arbeits- und Abwesenheitszeiten inkl. Urlaub ergeben.

Der Betriebsrat könne gegebenenfalls bei der Arbeitgeberin Einsicht verlangen.

Es ist gerade nicht erforderlich, dass es zu einer Art doppelten Buchführung durch den Betriebsrat kommt. Dies verstößt gegen die erforderliche Sparsamkeit im Umgang mit personenbezogenen Daten.“

Bundesverwaltungsgericht Österreich: Übermittlung von Kundendaten zwischen Konzernunternehmen zur Verteidigung gegen Klagen

Das Bundesverwaltungsgericht Österreich (BVwG) hat in einer Entscheidung (11.12.2023, Geschäftszahl W137 2259819-1) einige relevante Aussagen zur Datenübermittlung in Unternehmensgruppen bzw. im Konzern auf Basis der Rechtsgrundlage des Art. 6 Abs. 1 f DSGVO getroffen.

Sachverhalt

Ein Betroffener beschwerte sich bei der österreichischen Datenschutzbehörde wegen unrechtmäßiger Datenverarbeitungen. Das Unternehmen A (ein Online-Glücksspielunternehmen) habe seine personenbezogenen Daten an ein weiteres Glücksspielunternehmen B (welches derselben Unternehmensgruppe angehört) unrechtmäßig weitergeleitet, bzw. ohne hinreichende Rechtfertigungsgründe gemäß Art. 6 DSGVO verarbeitet.

Die Besonderheit war hier, dass sich der Betroffene in zivilrechtlichen Gerichtsverfahren und Streitigkeiten mit Unternehmen A und Unternehmen B befand.

Der Betroffene forderte von Unternehmen A seine erlittenen Spielverluste zurück. Das Verfahren endete mit einem außergerichtlichen Vergleich. Kurz danach registrierte sich der Betroffene auf der Website des Glückspielunternehmens B und forderte im Rahmen eines Zivilverfahrens auch dort seine erlittenen Spielverluste zurück. Die Klage wurde aber abgewiesen, da das Zivilgericht Rechtsmissbrauch feststellte.

Diese letzte Klage wurde unter anderem deswegen abgewiesen, weil Unternehmen A dem Unternehmen B (aus derselben Unternehmensgruppe) Informationen zu dem Betroffenen weitergeleitet hatte, damit sich Unternehmen B gegen die Ansprüche wehren kann.

Die Frage für das Gericht war nun, ob die Datenübermittlung an das Konzernunternehmen zulässig war.

Entscheidung

Das BVwG führt für die in Rede stehende Datenübermittlung eine Prüfung der Voraussetzungen der Rechtsgrundlage nach Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO durch.

1.  Vorliegen eines berechtigten Interesses, das von dem für die Verarbeitung Verantwortlichen oder von dem bzw. den Dritten wahrgenommen wird, denen die Daten übermittelt werden,

2.  Erforderlichkeit der Verarbeitung der personenbezogenen Daten zur Verwirklichung des berechtigten Interesses und

3.  kein Überwiegen der Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person.

Verarbeitung für andere Unternehmen (in der Gruppe) möglich

Zunächst stellt das BVwG fest, dass Art. 6 Abs. 1 f DSGVO es auch ermöglicht, eine entsprechende Verarbeitung für die berechtigten Interessen eines Dritten vorzunehmen. Hier, für Unternehmen B, welches mit Unternehmen A Teil einer Unternehmensgruppe ist. Dies ist ein wichtiger Hinweis für die Praxis, soweit es konzern- bzw. gruppenbezogene Verarbeitungen betrifft. Ein Unternehmen kann Daten zulässigerweise für die Interessen der verbundenen Unternehmen verarbeiten.

Berechtigtes Interesse

Das BVwG geht davon aus, dass hier ein berechtigtes Interesse sowohl von Unternehmen A als auch B vorlag. Unternehmen A stützte sich (wie auch die Datenschutzbehörde) auf ein Interesse zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen in Verbindung mit einem anhängigen Gerichtsverfahren,

um eine rechtsmissbräuchliche (risikolose) Spielweise in den Onlinecasinos der Unternehmensgruppe zu verhindern“.

Für die Praxis wird man dieser Ansicht etwas allgemeiner und unabhängig von Onlinecasinos entnehmen können, dass zur Verteidigung gegen rechtsmissbräuchliches Vorgehen von Kunden (oder ggfs. Beschäftigten) eine Datenübermittlung an Gruppenunternehmen ein berechtigtes Interesse darstellt.

Unternehmen A informierte das andere Mitglied der Gruppe, dass bereits zuvor durch den Betroffenen Spielverluste rückgefordert wurden und verhalf Unternehmen B, durch den sodann erhobenen Einwand des Rechtsmissbrauchs, zum Obsiegen im zivilgerichtlichen Verfahren.

Aus Sicht des BVwG ergibt sich das berechtigte Interesse aus dem legitimen Zweck zur Verteidigung von Rechtsansprüchen gegen eine betrügerische Spielweise von registrierten Kunden. Dieses Interesse ist auch rechtmäßig. Das BVwG verweist hierzu auf Art. 48 der Charta der Grundrechte, der grundrechtlichen Verankerung von Verteidigungsrechten in einem Gerichtsverfahren.

Erforderlichkeit der Datenverarbeitung

Zudem muss die Datenverarbeitung im Rahmen der Verarbeitungsgrundsätze nach Art. 5 Abs. 1 DSGVO auf das Notwendigste beschränkt sein. Nach Ansicht des BVwG beschränkte sich die Datenübermittlung auf ein Minimum an Information. Insbesondere hatte der Betroffene schon durch die Registrierung auf der Website von Unternehmen B bereits einige persönlichen Daten angegeben.

Der Informationsgehalt der Übermittlung bestand ausschließlich darin, dass der BF bereits gegen ein Mitglied der Unternehmensgruppe Spielverluste gerichtlich geltend gemacht hatte.“

Für das Gericht war damit klar, dass eine über den Zweck der Verteidigung von Rechtsansprüchen hinausgehende Datenverarbeitung nicht stattgefunden hat.

Interessenabwägung

Zuletzt nimmt das BVwG die erforderliche Abwägung der Interessen mit jenen des Betroffenen vor. Es ist zu beurteilen, ob das berechtigte Interesse des Betroffenen an seinen personenbezogenen Daten gegenüber jenem des Verantwortlichen überwiegt.

Der Betroffene sah dies natürlich so. Er gab an, dass die Datenübermittlung dazu geführt habe, dass er das zivilgerichtliche Verfahren betreffend die Rückforderung seiner Spielschulden verloren habe. Daraus sei ihm ein Nachteil entstanden.

Diese Argumente lässt aber das BVwG nicht gelten.

Zum einen stellt das Gericht fest, dass nicht jede negative Auswirkung zu einem Überwiegen im Rahmen der zu treffenden Interessensabwägung führt. Auch diese Feststellung ist für die Praxis wichtig: „nur“, weil eine Verarbeitung ggfs. negative Folgen für den Betroffenen hat, bedeutet dies noch nicht direkt, dass auch die Interessenabwägung zulasten des Verantwortlichen ausgeht.

Das Gericht legt als Maßstab das zu gegenüberstellende berechtigte Interesse des Verantwortlichen und Dritten an.

Die Verteidigung von Rechtsansprüchen bildet ein fundamentales Grundrecht der österreichischen Rechtsordnung sowie des europäischen Rechts.“

Möchte man bei der Ausübung dieses Grundrechts eine „unverhältnismäßige“ Schädigung des Betroffenen annehmen, sei ein strenger Maßstab anzulegen.

Vorliegend geht das BVwG nicht von einem Überwiegen der Interessen des Betroffenen aus. Die Datenübermittlung zwischen den Unternehmen war daher zulässig.

OLG Nürnberg zum Auskunftsanspruch eines Vorstandsmitglieds – langjährige Unternehmenszugehörigkeit und großer Aufwand für den Arbeitgeber steht der Geltendmachung nicht entgegen

Das OLG Nürnberg hat sich in seiner Entscheidung vom 29. November 2023 (4 U 347/21) mit einem „Klassiker“ des Datenschutzrechts befasst: dem Auskunftsanspruch eines ehemaligen Mitarbeiters gegen den Arbeitgeber und die Frage, ob diesem Anspruch eventuell ein Missbrauchseinwand entgegengehalten werden kann.

Sachverhalt

Der Kläger macht als ehemaliger Mitarbeiter, zuletzt als Vorstandsmitglied der Beklagten, Auskunfts- und Herausgabeansprüche nach Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 DSGVO gegenüber seinem ehemaligen Arbeitgeber geltend. Der Kläger war vom 1.1.2000 bis zum 30.09.2016 in verschiedenen Positionen im Unternehmen tätig. Zuletzt mehrere Jahre als Vorstandsmitglied. Die Beklagte erteilte Auskunft in Bezug auf gespeicherte Personalstamm- und BAV-Daten (ich vermute „betriebliche Altersvorsorge“) des Klägers. Jedoch verlangte der Kläger eine Kopie aller bei der Beklagten gespeicherten personenbezogenen Daten des Klägers.

Das LG Nürnberg-Fürth (Endurteil vom 29.01.2021 – 11 O 5353/20) wies die Klage ab.

Entscheidung

Das OLG gab der Berufung des Klägers statt und verurteilte die beklagte Arbeitgeberin:

  • dem Kläger Auskunft über alle bei ihr gespeicherten personenbezogenen Daten des Klägers zu erteilen
  • eine Kopie aller bei ihr gespeicherten personenbezogenen Daten des Klägers herauszugeben.

Relevant an der Entscheidung des OLG ist, dass sich das Gericht in seiner Begründung bereits auf die neueste Rechtsprechung des EuGH zum Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO stützt.

Die Beklagte machte geltend, dass der Anspruch aufgrund des Umfangs des damit verbundenen unverhältnismäßig hohen Erfüllungsaufwands exzessiv im Sinne von Art. 12 Abs. 5 S. 2 DSGVO sei. Ein verständlicher Einwand, da der Kläger über 15 Jahre im Unternehmen tätig war. Zudem brachte die Beklagte den Einwand des Missbrauchs vor, dass der Kläger die Daten wohl nicht aus datenschutzrechtlichen Motiven herausverlangte.

Das OLG lies beide Einwände jedoch nicht gelten.

Datenschutzfremde Zwecke

Nach Wortlaut und Zweck von Art. 12 Abs. 5 S. 1, Art. 15 DSGVO liege kein Missbrauch vor, wenn ein Betroffener das Auskunftsrecht (auch) für datenschutzfremde Motive verwendet, etwa um Informationen für Vergleichsverhandlungen oder um bei ihm nicht mehr vorhandene Vertragsinformationen zu erhalten (z.B. Auskunft über Konten, Versicherungsbedingungen etc.), da sich eine solche Beschränkung auf eine bestimmte Motivlage nicht in Art. 15 DSGVO findet. Das OLG verweist hier auf das Urteil des EuGH vom 26.10.2023 – C-307/22, wonach Art. 12 Abs. 5 sowie Art. 15 Abs. 1 und 3 DSGVO dahin auszulegen sind, dass die Verpflichtung des Verantwortlichen, der betroffenen Person unentgeltlich eine erste Kopie ihrer personenbezogenen Daten, die Gegenstand einer Verarbeitung sind, zur Verfügung zu stellen, auch dann gilt, wenn der betreffende Antrag mit einem anderen als den in ErwG 63 S. 1 DSGVO genannten Zwecken begründet wird.

Großer Aufwand = exzessiv?

Auch sei der Anspruch nicht nach Art. 12 Abs. 5 S. 2 DSGVO ausgeschlossen. Nach dieser Bestimmung kann der Verantwortliche bei offenkundig unbegründeten oder – insbesondere im Fall von häufiger Wiederholung – exzessiven Anträgen einer betroffenen Person entweder ein angemessenes Entgelt verlangen, bei dem die Verwaltungskosten für die Unterrichtung oder die Mitteilung oder die Durchführung der beantragten Maßnahme berücksichtigt werden, oder sich weigern, aufgrund des Antrags tätig zu werden.

Nach Ansicht des OLG liegt kein Missbrauch vor,

wenn die Auskunft gem. Art. 15 DSGVO beim Verantwortlichen sehr viel Aufwand verursacht, da der Aufwand des Verantwortlichen für Art. 15 DSGVO keine Rolle spielt, oder wenn der Betroffene mehrfache Auskunftsansprüche geltend macht, da sie nur im Rahmen des Exzesses einen Rechtsmissbrauch begründen“.

Weiter geht das OLG davon aus, dass es kein Fall des Missbrauchs (in Form der „exzessiv“) darstelle, wenn die Datenauskunft für den Beklagten mit viel Mühe oder Zeitaufwand verbunden ist.

denn der Aufwand ist unerheblich. Exzessiv ist die Datenauskunft schon deswegen nicht, weil es sich um den ersten Antrag handelt

Auch, dass für den Kläger aufgrund der Dauer und Art seiner Tätigkeit sehr viele Daten angefallen sind, stehe der Geltendmachung seiner Rechte nicht entgegen.

Ausblick – Missbrauchseinwand bleibt möglich

Die Entscheidung des OLG zeigt, wie die Vorgaben der EuGH-Urteile aus 2023 zu Art. 15 DSGVO in der Praxis Anwendung finden können. Gleichzeitig sollte man aus Sicht der Verantwortlichen beachten, dass auch der EuGH die Tür für Einwände gegen unbegründete oder missbräuchliche Ansprüche nicht in Gänze „geschlossen“ hat.

In seiner Entscheidung C-307/22 verweist der EuGH etwa auf Art. 15 Abs. 4 DSGVO und dass „[d]as Recht auf Erhalt einer Kopie … die Rechte und Freiheiten anderer Personen nicht beeinträchtigen [darf].“ Zudem geht der EuGH davon aus, dass das der betroffenen Person zuerkannte Recht, eine erste unentgeltliche Kopie ihrer personenbezogenen Daten, die Gegenstand einer Verarbeitung sind, zu erhalten, nicht uneingeschränkt gilt.

Zu beachten ist zudem, dass der EuGH in der Rechtssache C-307/22 einen möglichen Missbrauch gar nicht geprüft hat. Denn er ging davon aus, dass das vorlegende Gericht (der BGH) ausdrücklich festgestellt hat, dass der Antrag der betroffenen Person gerade nicht missbräuchlich sei. Der Missbrauchseinwand auf EU-Ebene ist damit aber nicht ausgeschlossen, wie auch der Generalanwalt in Fn. 20 seiner Schlussanträge klargestellt hat. Sollte der Auskunftsantrag missbräuchlich erfolgen, würde dies den Kläger

nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs daran hindern [würde], die ihm durch das Unionsrecht verliehenen Rechte geltend zu machen. Vgl. u. a. Urteil vom 27. Oktober 2022, Climate Corporation Emissions Trading (C‑641/21, EU:C:2022:842, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Gleichzeitig sollte man aber auch beachten, dass der Missbrauchseinwand natürlich die Ausnahme wäre und damit vom Verantwortlichen solide begründet sein muss. Pauschale Verweise auf einen möglichen hohen Arbeitsaufwand oder eine fehlende Begründung des Antrags, dürften dafür nicht genügen.

Hat das OLG Köln das EU-US Data Privacy Framework für unzulässig erklärt? Natürlich nicht.

Die Antwort lautet: natürlich nicht. Könnte das OLG auch gar nicht, da das EU-US Data Privacy Framework (genauer: der Durchführungsbeschluss (EU) 2023/1795 der EU-Kommission) für die Mitgliedstaaten und deren Gerichte bindend ist (vgl. schon EuGH, Schrems I, Rz. 51 & 52).

Sachverhalt

Das OLG Köln hat sich in seinem Urteil vom 3.11.2023 (6 U 58/23) u.a. mit der Frage von Datentransfers an Stellen in den USA auseinandergesetzt. Im Ergebnis sah das OLG diese Datenübermittlung als unzulässig an. Jedoch nicht, wie zum Teil im Internet zu lesen war, weil das EU-US Data Privacy Framework (DPF) ungenügend sei oder im DPF Rechtsschutzmöglichkeit in den USA fehlten.

Entscheidung

Das OLG prüft in seiner Entscheidung die Zulässigkeit von Datentransfers in die USA einmal für die Rechtslage vor Erlass des DPF und einmal danach. Das OLG lehnt im Ergebnis die Zulässigkeit wie folgt ab:

Die Datenübermittlung war auch unzulässig, da sie nicht von einem Erlaubnistatbestand der DSGVO gedeckt war.“

Und hier erkennt man eigentlich schon, um was es geht: den Erlaubnistatbestand der Datenübermittlung. Also Art. 6 DSGVO – nicht Vorgaben aus Kap. V zu Drittlandstransfers.

Vor Erlass des DPF

Für die Zeit vor Erlass des DPF geht das OLG Köln aber tatsächlich davon aus, dass Übermittlung weder nach 46 Abs. 1 DSGVO aufgrund geeigneter Garantien für ein angemessenes Datenschutzniveau in den USA als Drittland zulässig war – also auf Basis von EU-Standarddatenschutzklauseln. Zudem sei die Übermittlung auch nicht aufgrund einer Einwilligung nach Art. 49 Abs. 1 S. 1 lit. a) DSGVO zulässig.

Hinsichtlich der EU-Standarddatenschutzklauseln sieht das OLG hier Probleme bei der Effektivität der zusätzlichen Schutzmaßnahmen, insbesondere um den Mangel des Fehlens von Rechtsschutzmöglichkeiten für Betroffene in den USA zu heilen.

Nach Erlass des DPF

Spannend und für uns in der aktuellen Situation relevant, ist natürlich die Frage, ob das OLG Datentransfers in die USA auf Grundlage des Angemessenheitsbeschlusses der EU-Kommission nach Art. 45 Abs. 1 DSGVO nun für unzulässig erklärt hat. Wie bereits erwähnt: hat das OLG nicht.

Das OLG geht sogar davon aus, dass die empfangende Stelle unter dem DPF zertifiziert ist:

„Eine solche Teilnahme als „certified organisation“, …, ist auch für die G. L. festzustellen, wie aus dem Ausdruck der vom Department of Commerce betriebenen Webseite www.dataprivacyframework.gov…hervorgeht“ (Rz. 81)

Das Gericht prüft im Grund den bekannten datenschutzrechtlichen Standard bei Drittlandstransfers. Eine Datenübermittlung in ein Drittland muss auf zwei Ebenen zulässig sein:

  • Einmal als Verarbeitung nach Art. 6 DSGVO. Wir benötigen eine Rechtsgrundlage.
  • Und parallel dazu als Drittlandstransfer nach Kap. V DSGVO.  

Und das OLG prüft hier für die Frage der Zulässigkeit der Datenübermittlung konsequenterweise dann eben die Rechtmäßigkeit nach Art. 6 DSGVO. Ob also für die Übermittlung ein Erlaubnistatbestand vorliegt.

Hinsichtlich des DPF erfolgen nur kurze Aussagen, die deutlich machen, dass das OLG den Beschluss der EU-Kommission akzeptieren muss.

Der unter dem 10.07.2023 gefasste Beschluss der EU-Kommision mit dem Titel „EU US Data Privacy Framework“ … stellt nunmehr in den USA ein angemessenes Datenschutzniveau fest und entfaltet unmittelbare Wirkung, so dass Datenübermittlungen in das betreffende Land keiner besonderen aufsichtsbehördlichen Genehmigung bedürfen … . Auf der Grundlage des neuen Angemessenheitsbeschlusses können personenbezogene Daten aus der EU an solche US-Unternehmen übermittelt werden, die an dem DPF teilnehmen

Zurecht verweist das OLG aber darauf, dass auch bei Vorliegen eines Angemessenheitsbeschlusses

„die übrigen – allgemeinen – Anforderungen an eine zulässige Datenverarbeitung erfüllt sein“

müssen. Hierzu zählt das OLG unter anderem das Erfordernis der in Kapitel II der DSGVO geregelten Einwilligung. Und hier sieht das OLG dann die rechtlichen Probleme. Bei dem Erlaubnistatbestand. Nicht jedoch bei der Frage, ob Datentransfers auf Grundlage des DPF in die USA übermittelt werden dürfen. Hierzu noch einmal der EuGH, hier aus Schrems II (Rz. 117 & 118):

„Nach Art. 288 Abs. 4 AEUV bindet ein Angemessenheitsbeschluss der Kommission in allen seinen Teilen alle Mitgliedstaaten und ist damit für alle ihre Organe verbindlich, soweit darin festgestellt wird, dass das betreffende Drittland ein angemessenes Schutzniveau gewährleistet, und die Übermittlung personenbezogener Daten im Ergebnis genehmigt wird“.

„Solange der Angemessenheitsbeschluss vom Gerichtshof nicht für ungültig erklärt wurde, können die Mitgliedstaaten und ihre Organe, zu denen ihre unabhängigen Aufsichtsbehörden gehören, somit zwar keine diesem Beschluss zuwiderlaufenden Maßnahmen treffen, wie etwa Rechtsakte, mit denen verbindlich festgestellt wird, dass das Drittland, auf das sich der Beschluss bezieht, kein angemessenes Schutzniveau gewährleistet…, und mit denen infolgedessen die Übermittlung personenbezogener Daten in dieses Drittland ausgesetzt oder verboten wird.“

Also, bitte keine unnötige Panik aufkommen lassen. Das DPF gilt derzeit noch. Gleichzeitig zeigt die Entscheidung aber gut, dass man bei Drittlandstransfers den Fokus eben nicht allein auf Kap. V DSGVO legen sollte, sondern auch alle anderen Anforderungen einer Verarbeitung beachten muss.

BAG konkretisiert datenschutzrechtliche Unterstützungspflichten des Betriebsrats

In seinem Beschluss vom 9. Mai 2023 hatte sich das BAG unter anderem mit den Vorgaben von § 79a BetrVG und damit dem datenschutzrechtlichen Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat zu befassen. 

Sachverhalt

In dem Verfahren stritten die Parteien um einen Auskunftsanspruch des Betriebsrats. Der Betriebsrat verlangte von der Arbeitgeberin, ihm ein Verzeichnis über alle im Betrieb und Unternehmen beschäftigten schwerbehinderten und diesen gleichgestellten behinderten Menschen zu übermitteln. Die Arbeitgeberin erteilte daraufhin lediglich die Auskunft, der Schwellenwert für die Wahl einer Schwerbehindertenvertretung im Betrieb sei erreicht.

U.a. ging es um die Frage, ob dem Auskunftsanspruch datenschutzrechtliche Gründe entgegenstünden. 

Entscheidung

Das BAG geht davon aus, dass aus dem Datenschutzrecht nichts gegen die Erfüllung des Auskunftsanspruchs spreche. Die Weitergabe der begehrten Daten an den Betriebsrat sei nach § 26 Abs. 3 iVm. § 22 Abs. 2 BDSG zulässig.

In der Begründung befasst sich das BAG auch mit den (relativ neuen) Regelungen des § 79a BetrVG. 

§ 79a BetrVG

Bekanntlich legte der Gesetzgeber in § 79a BetrVG gesetzlich die datenschutzrechtliche Verantwortlichkeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat fest (wenn auch, aus meiner Sicht, nicht besonders klar).

Nach Satz 1 der Norm hat der Betriebsrat bei der Verarbeitung personenbezogener Daten die Vorschriften über den Datenschutz einzuhalten. Gemäß Satz 2 ist der Arbeitgeber der für die Verarbeitung Verantwortliche im Sinne der datenschutzrechtlichen Vorschriften, soweit der Betriebsrat zur Erfüllung der in seiner Zuständigkeit liegenden Aufgaben personenbezogene Daten verarbeitet.

Und zuletzt ist in § 79a S. 3 BetrVG vorgesehen, dass Arbeitgeber und Betriebsrat sich gegenseitig bei der Einhaltung der datenschutzrechtlichen Vorschriften unterstützen.

Ansicht des BAG

Nach Auffassung des BAG bewirkt die Vorschrift des § 79a Satz 2 BetrVG nicht, dass das verlangte Datenschutzniveau nicht mehr gewährleistet wäre. 

Hierbei könne, so das Gericht, dahinstehen, ob die Norm, die die umstrittene datenschutzrechtliche Verantwortlichkeit für die Verarbeitung personenbezogener Daten durch den Betriebsrat nun ausdrücklich dem Arbeitgeber zuweist im Einklang mit Art. 4 Nr. 7 DSGVO stehe. 

Denn den Betriebsrat treffen datenschutzrechtliche Pflichten unabhängig davon, ob er Teil der verantwortlichen Stelle oder selbst Verantwortlicher ist.

Er hat bei jeder Datenverarbeitung – und damit auch bei der Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten – die Datenschutzbestimmungen einzuhalten und ihre Vorgaben zu beachten (sh. schon BAG 7. Mai 2019 – 1 ABR 53/17 – Rn. 45, BAGE 166, 309; nun ausdrücklich in § 79a Satz 1 BetrVG vorgesehen)

Spannend ist die Ansicht des BAG dazu, wie die in § 79a S. 3 BetrVG vorgesehene Unterstützungspflicht in der Praxis umzusetzen ist. 

Das Gericht weist darauf hin, dass die Betriebsparteien nach § 79a S. 3 BetrVG verpflichtet sind, einander bei der Einhaltung der datenschutzrechtlichen Vorschriften zu unterstützen.

Dem Betriebsrat obläge es damit nicht nur, dem Arbeitgeber diejenigen Informationen zu übermitteln, die er für die Erfüllung der ihm als verantwortliche Stelle obliegenden Pflichten benötigt, sondern er hätte auch an der Erfüllung einer Pflicht zur Löschung von personenbezogenen Daten mitzuwirken“.

Das BAG formuliert hier ganz konkret die Pflicht des Betriebsrates, den Verantwortlichen (Arbeitgeber) bei der Erfüllung der datenschutzrechtlichen Pflichten zu unterstützen. Dies zum einen durch Bereitstellung von Informationen an den Arbeitgeber. Und zum anderen aber auch in der Form der Umsetzung datenschutzrechtlicher Pflichten im Bereich des Betriebsrates. Hier nennt das BAG etwa die Löschung von personenbezogenen Daten.