VG Wiesbaden: Inkassounternehmen sind in der Regel keine Auftragsverarbeiter

Das Verwaltungsgericht (VG) Wiesbaden hat ich in seinem Beschluss vom 13.05.2024 (Az. 6 K 1306/22.WI; derzeit leider nur kostenpflichtig zugänglich, zB via BeckRS 2024, 11305) mit der Frage auseinandergesetzt, welche datenschutzrechtliche Rolle Inkassodienstleiter nach der DSGVO einnehmen, wenn sie personenbezogene Daten verarbeiten: Auftragsverarbeiter oder Verantwortliche?

Das VG verweist zunächst auf Ansichten in der Rechtsprechung und Literatur, wonach überwiegend die Auffassung vertreten werde, dass Inkassounternehmen eigene Verantwortliche seien, da sie regelmäßig die Zwecke und Mittel der Datenverarbeitung weitgehend selbst bestimmen und nur ausnahmsweise, beispielsweise bei der teilweisen weisungsgebundenen Übertragung des Forderungsmanagements auch Auftragsverarbeitungen i. S. d. Art. 28 DSGVO denkbar seien.

Als Argumente gegen eine Einordnung als Auftragsverarbeiter führt das VG dann folgende Aspekte an:

  • Auch bei der (teilweise) weisungsgebundenen Überragung des Forderungsmanagements ist diese durch eine weitgehend selbstständige Aufgabenwahrnehmung des Inkassounternehmens geprägt, die deren Einordnung als Verantwortliche nahelegen.
  • Aus der sog. teilweisen weisungsabhängigen „Einziehungsermächtigung“, bei der der Auftraggeber rechtlicher Eigentümer der Forderung bleibt, folgt nach Ansicht des VG auch keine andere Bewertung. Denn das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) unterscheide nicht zwischen der Einziehung fremder oder zum Zwecke der Einziehung auf fremde Rechnung abgetretener Forderungen. Die rechtliche Inhaberschaft einer Forderung bleibe auf die Zulässigkeit der Rechtsdienstleistung ohne Einfluss, wie auch die Ausführung der Inkassotätigkeit vom Status der Forderung nicht abhängt.
  • Gegen eine Einordnung als Auftragsverarbeiter spreche auch der nur graduelle Unterschied zu Rechtsanwälten im erforderlichen Knowhow und Professionalisierungsgrad.
  • Zudem die häufig völlige Freiheit bei der Wahl der Mittel zur Umsetzung, die sehr weitgehende Freiheit bei der Bestimmung des Zwecks bzw. die erheblichen Eigeninteressen an dieser Dienstleistung.
  • Bei einem externem Inkassomanagement stehe der Einordnung einer Auftragsverarbeitung auch regelmäßig entgegen, dass eine vollständige Bestimmung über die Mittel der Verarbeitung durch die Verantwortlichen nicht mehr gewährleistet sein dürfte.
  • Zudem verweist das Gericht auf die Entscheidung des VG Mainz aus 2020, wonach eine Auftragsverarbeitung bei der Übermittlung von Daten im Rahmen einer Forderungsabtretung eines Tierarztes an ein Inkassobüro mangels Weisungsgebundenheit aus scheide (Az. 1 K 467/19.MZ).
  • Gegen eine Einordnung als Verantwortlicher spreche auch nicht, dass die Unabhängigkeit des Inkassodienstleisters nicht gesetzlich verpflichtend vorgegeben sei.  Das Inkassounternehmen bestimme faktisch die Zwecke und Mittel der Datenverarbeitung derart autonom, dass es datenschutzrechtlich als der für die Datenverarbeitung personenbezogener Daten Verantwortliche erscheine.

Im Ergebnis geht des VG daher davon aus: „In aller Regel ist daher auch das Inkassounternehmen im Mandatsverhältnis für die Verarbeitung personenbezogener Daten Verantwortlicher und nicht Auftragsverarbeiter“.

Bayerische Datenschutzbehörden: keine eigene Verantwortlichkeit des Mitarbeiters beim Missbrauch von beruflichen Daten für private Zwecke (Exzess)?

Der BayLfD hat jüngst eine aus meiner Sicht wirklich gelungene und hilfreiche Orientierungshilfe zur gemeinsamen Verantwortlichkeit nach Art. 26 DSGVO veröffentlicht. In der Orientierungshilfe befasst sich die Behörde auch mit der Frage der Verantwortlichkeit in Situationen des sog. Mitarbeiterexzesses – Fälle, „bei denen Beschäftigte von Verantwortlichen Daten, auf die sie nur für dienstliche Zwecke zugreifen dürfen, für rein private Zwecke verwenden“.

Die „bayerische Auffassung“ – Arbeitgeber / Dienstherr bleibt Verantwortlicher

In diesem Zug war ich durchaus überrascht, von der sog. „bayerischen Auffassung“ zu lesen (ab S. 42 ff.). Diese Ansicht wird vom BayLfD wie folgt zusammengefasst:

Die beiden bayerischen Aufsichtsbehörden – der Bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz und das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht – vertreten übereinstimmend die Auffassung, dass ein Beschäftigter nicht zum Verantwortlichen im Sinne des Art. 4 Nr. 7 DSGVO wird, wenn er Daten, die ihm für dienstliche Zwecke zur Verfügung stehen, mittels dienstlicher Abfragesysteme für private Zwecke abruft“.

Nach Auffassung des BayLfD und wohl auch des BayLDA stellt diese zweckwidrige Verwendung von Daten aus dem beruflichen Kontext noch keine Handlung dar, die den Beschäftigten zu einem eigenen datenschutzrechtlichen Verantwortlichen machen würde.

Die Konsequenzen dieser Auffassung sind praxisrelevant:

  • „Die öffentliche Stelle bleibt damit im Fall des bloß zweckwidrigen Datenabrufs Einzelverantwortliche im Sinne des Art. 4 Nr. 7 DSGVO, auch für den Datenschutzverstoß durch ihren Beschäftigten“
  • „Der rechtswidrige Abruf dienstlich zugänglicher Daten zu rein privaten Zwecken stellt einen Datenschutzverstoß dar, aufgrund dessen gegen den Verantwortlichen gemäß Art. 83 DSGVO grundsätzlich eine Geldbuße verhängt werden kann“

Gründe für die Ansicht des BayLfD und BayLDA

Der BayLfD begründet seine Auffassung unter anderem damit, dass Verantwortlicher im Sinne des Art. 4 Nr. 7 DSGVO nur ist, wer über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheidet. Ausschlaggebend sei dabei die Entscheidung über die grundsätzlichen Zwecke und Mittel der Abfragesysteme.

Über diese entscheidet ein Beschäftigter jedoch auch dann nicht, wenn er dienstliche Daten für private Zwecke missbraucht“.

Er verwende vielmehr lediglich die ihm zur Verfügung gestellten Abfragesysteme und diese für außerdienstliche, private Zwecke. Der BayLfD verweist in den Fußnoten auch auf die Ansicht des BayLDA in drei Tätigkeitsberichten.

So geht das BayLDA im Tätigkeitsbericht 2020 (ab S. 78 f.) unter anderem davon aus, dass ein Mitarbeitender beim bloßen Datenabruf aus Datenbanken des Unternehmens, bei dem er beschäftigt ist bzw. der bloßen Einsichtnahme in personenbezogene Daten in entsprechende Unterlagen zu privaten Zwecken, nicht zum eigenständigen Verantwortlichen wird, da die beiden dort genannten Kriterien – Zweck- und Mittelbestimmung – nach dem Wortlaut („und“) kumulativ vorliegen müssen. Der Mitarbeitende bestimme nicht über den Mitteleinsatz.

Als zweites Argument verweist der BayLfD auf die vorhandene Vorgabe in Art. 28 Abs. 10 DSGVO für Auftragsverarbeiter. Für den Fall, dass ein Auftragsverarbeiter in rechtswidriger Weise seine Befugnisse überschreitet, wird er insoweit eigener Verantwortlicher. Eine solche Regelung fehle aber in Art. 29 DSGVO in Bezug auf Beschäftigte.

Etwas anderes soll nur dann gelten, wenn der Beschäftigte die abgerufenen Daten mittels arbeitgeberfremder Ressourcen weiterverarbeitet. Also etwa über seinen privaten Laptop oder sein Smartphone. Ab diesem Zeitpunkt greife Art. 4 Nr. 7 DSGVO für den Beschäftigten.

Andere Ansichten

Nun gesteht der BayLfD in seiner Orientierungshilfe aber auch ein, dass diese bayerische Ansicht nicht der einzige derzeit vorgeschlagene Weg ist und von einigen anderen Aufsichtsbehörden nicht geteilt wird. So sehen etwa die Landesdatenschutzbeauftragten in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen den Beschäftigten, der dienstliche Daten für private Zwecke verwendet, als Verantwortlichen an.

Zudem verweist der BayLfD auf eine Entscheidung des österreichischen Bundesverwaltungsgerichts (Erkenntnis vom 21. Dezember 2021, W258 2238615-1/16E) und auch die andere Auffassung des Europäischen Datenschutzausschusses (Leitlinien 07/2020), der allein an die Zwecke der Verarbeitung knüpft und hieraus bereits die eigene Verantwortlichkeit des Mitarbeiters ableitet.

Der BayLfD geht in Fn. 140 davon aus, dass die Entscheidung des österreichischen Bundesverwaltungsgerichts – soweit ersichtlich – die erste Entscheidung eines Gerichts im deutschsprachigen Raum zu dieser Frage sei. Ergänzen lässt sich insoweit noch eine ältere Entscheidung des Verwaltungsgerichts (VG) Mainz (Urteil vom 17.12.2020 – 1 K 778/19.MZ), das ebenfalls nicht die Ansichten von BayLfD und BayLDA vertritt.

Nach dem VG ist von einem den Zurechnungszusammenhang unterbrechenden „Exzess“ jedenfalls dann auszugehen, wenn Beschäftigte Daten unbefugt für eigene Zwecke verarbeiten – wie z.B. bei der Einsichtnahme in behördliche Datenbanken für private Zwecke oder Entwendung von Kundendaten. Das VG lässt also, entgegen der bayerischen Auflassung, die eigene Zweckbestimmung durch den Mitarbeiter durchaus für eine eigene Verantwortlichkeit ausreichen. Der jeweilige Beschäftigte schwinge sich dann insoweit selbst zum Verantwortlichen auf, indem er anfängt, selbst darüber zu entscheiden, wie und warum mit Daten umgegangen wird.

Einschätzung

Ich war von der Ansicht beim ersten Lesen der Orientierungshilfe tatsächlich überrascht, da ich bisher auch immer die eigenständige Zweckänderung durch den Mitarbeiter als ausreichend für die Einstufung als Verantwortlicher gesehen habe.

Die Argumentation der Behörden, dass der Mitarbeiter deshalb nicht verantwortlich ist, da er ja nicht über die Mittel der Verarbeitung entscheide, ist aus meiner Sicht zudem diskutabel. Denn wenn der Mitarbeiter etwa eine CRM-Software verwendet, um dort für private Zwecke nach Kundendaten zu suchen, bestimmt er meines Erachtens natürlich auch in diesem Moment über den Einsatz des Mittels „CRM-Software“ – eben allein für seine privaten Zwecke. Zudem könnte man hierfür ergänzend die Ansicht des Generalanwalts in der Rs. C-579/21 anführen (hierzu mein Blogbeitrag), in der er davon ausgeht, dass der unredlich handelnde Beschäftigte als „Empfänger“ angesehen werden kann, da er die personenbezogenen Daten der betroffenen Person unrechtmäßig gegenüber sich selbst (im übertragenen Sinne) „offengelegt“ hat, oder als (eigenständig) Verantwortlicher.

Fazit

Überspitzt formuliert kann man konstatieren: solange Mitarbeiter in Bayern (im privaten oder öffentlichen Bereich) allein über Systeme ihres Arbeitgebers missbräuchlich mit Daten umgehen, droht ihnen von Seiten der Datenschutzaufsicht kein Ungemach. Der Arbeitgeber müsste befürchten, wegen eines Verstoßes gegen Art. 32 DSGVO geprüft oder ggfs. sanktioniert zu werden.

BDSG-Reform: Bundesregierung verabschiedet Entwurf zur Änderung des BDSG (Videoüberwachung, Auskunftsanspruch, gemeinsame Verantwortliche und Scoring)

Die Bundesregierung hat heute ihren Entwurf für ein Gesetz zur Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) verabschiedet (Gesetzentwurf, PDF). Nachfolgend möchte ich einen ganz kurzen Überblick zu einigen vorgeschlagenen Änderungen geben.

Die DSK wird im BDSG verankert

In einem neuen § 16a BDSG soll die Datenschutzkonferenz (DSK) im BDSG institutionalisiert werden. Es wird jedoch keine Regelung zur rechtlichen Verbindlichkeit von Beschlüssen der DSK getroffen, da, so die Begründung, „damit wegen des Verbots der Mischverwaltung verfassungsrechtliche Grenzen berührt würden“.

Die Anpassung ist am Ende aus meiner Sicht nicht besonders praxisrelevant. Denn die DSK existiert bereits jetzt schon und hat auch eine Geschäftsordnung. Es wird als gesetzlich festgeschrieben, was bereits existiert.

Wegfall der Regelung zur Videoüberwachung für private Stellen

§ 4 Abs. 1 BDSG soll neu wie folgt gefasst werden:

Die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen (Videoüberwachung) durch öffentliche Stellen ist nur zulässig,…“.

Hierdurch wird die Regelung zur Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Räume durch nichtöffentliche Stellen, also insbesondere Unternehmen, aus dem Bundesrecht genommen. Die Zulässigkeit dieser Videoüberwachung ergibt sich unmittelbar aus Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO.

Mögliche Auswirkung: sollte die Regelung so in Kraft treten, wäre bei Hinweisschildern zur Videoüberwachung an eine Anpassung hinsichtlich der Rechtsgrundlage zu denken, wenn dort noch auf § 4 Abs. 1 BDSG verwiesen wird.

Wichtig für die Praxis: Einschränkung des Auskunftsrechts bei Geschäftsgeheimnissen

Eine praxisrelevante Anpassung wird in § 34 Abs. 1 BDSG vorgeschlagen. Es soll folgender Satz neu angefügt werden:

Das Recht auf Auskunft besteht auch insoweit nicht, als der betroffenen Person durch die Information ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis des Verantwortlichen oder eines Dritten offenbart würde und das Interesse an der Geheimhaltung das Interesse der betroffenen Person an der Information überwiegt.“

Laut der Gesetzesbegründung soll klargestellt werden, dass im Rahmen der Ausnahmen von dem Recht auf Auskunft (Art. 15 Abs. 4 DSGVO) unter den Schutz „anderer Personen“ auch der Verantwortliche fällt und gewisse herauszugebende Daten einen rechtlichen Schutz genießen. „Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse genießen einen solchen Schutz“.

Die Ausnahme greift dann, wenn das Interesse an der Geheimhaltung der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse das Interesse der betroffenen Person an der Information überwiegt.

Diese Klarstellung ist zu begrüßen, jedoch wohl nicht zwingend erforderlich, da bereits ErwG 63 DSGVO „Rechte und Freiheiten anderer Personen, etwa Geschäftsgeheimnisse“ ausdrücklich erwähnt.

Zuständige Aufsichtsbehörde bei gemeinsam Verantwortlichen

Zudem soll ein neuer § 40a BDSG mit dem Titel „Aufsichtsbehörde gemeinsam verantwortlicher Unternehmen“ eingefügt werden.

Die Regelung soll in Situationen gelten, in denen mehrere Unternehmen gemeinsam Verantwortliche (Art. 26 DSGVO) sind und mehrere Aufsichtsbehörden für sie zuständig wären. Dann sollen diese Verantwortlichen gemeinsam anzeigen können,

dass sie gemeinsam verantwortliche Unternehmen sind und deshalb für die von ihnen gemeinsam verantwortete Datenverarbeitung allein die Aufsichtsbehörde zuständig sein soll, in deren Zuständigkeitsbereich das Unternehmen fällt, das in dem der Anzeige vorangegangenen Geschäftsjahr den größten Jahresumsatz erzielt hat“.

Die Anzeige ist an alle Aufsichtsbehörden zu richten, die für die gemeinsam verantwortlichen Unternehmen zuständig sind. Sie muss etwa die Vereinbarung gem. Art. 26 DSGVO enthalten.

Wichtige Folge dieser Anzeige: ab dem Zeitpunkt, zu dem die Anzeige bei der zuständigen Behörde eingegangen ist, wird diese die allein zuständige Aufsichtsbehörde.

Vorgaben zum Scoring

Neu eingefügt (wenn auch angelehnt an den bisherigen § 31) wird ein § 37a BDSG, der Anforderungen an die Erstellung und auch Verwendung von „Wahrscheinlichkeitswerten“ regeln soll.

Nach § 37a Abs. 1 Nr. 1 BDSG dürfen etwa folgende Daten nicht für die Erstellung der Wahrscheinlichkeitswerte genutzt werden: besondere Kategorien personenbezogener Daten (Art. 9 DSGVO) und Anschriftendaten.

EuGH: Verantwortliche haftet für Datenverarbeitungen des Auftragsverarbeiters

Neben dem Urteil in der Rechtssache C-807/21 (Deutsche Wohnen) hat der EuGH am 5. Dezember 2023 eine weitere wichtige Entscheidung (C-683/21) getroffen. Die dortigen Feststellungen sind aus meiner Sicht für die alltägliche Praxis im Datenschutzrecht besonders wichtig – denn es geht um das Verhältnis zwischen dem Verantwortlichen und seinem Auftragsverarbeiter und die Haftung für Tätigkeiten des Dienstleisters.

Sachverhalt

Der Hintergrund der Entscheidung ist einigermaßen skurril. Der Gesundheitsminister der Republik Litauen beauftragte den Direktor des Nationalen Zentrums für öffentliche Gesundheit (NZÖG) damit, den Erwerb eines IT‑Systems zur Erfassung und Überwachung der Daten von Personen im Rahmen der Covid-Pandemie zu organisieren.

Eine Person, die sich als Vertreter des NZÖG ausgab, teilte einem Unternehmen (App-Entwickler) mit, dass das NZÖG das Unternehmen als Entwickler einer entsprechenden mobilen Anwendung ausgewählt habe. Diese Person versendete in der Folge E‑Mails an das Unternehmen (mit Kopie an den Direktor des NZÖG) hinsichtlich verschiedener Aspekte der Entwicklung dieser Anwendung.

Die App, in der der App-Entwickler und das NZÖG in der Datenschutzerklärung gemeinsam genannt waren, war irgendwann im Google Play Store und im Apple App Store zum Herunterladen verfügbar und wurde von mehreren Tausend Personen genutzt.

An den App-Entwickler wurde aber nie ein öffentlicher Auftrag zum Erwerb der App vergeben. Das NZÖG forderte dann den App-Entwickler auf, es in der mobilen Anwendung in keiner Weise zu erwähnen. Außerdem teilte es mit, dass das Vergabeverfahren wegen fehlender Mittel für den Erwerb der Anwendung beendet worden sei.

Wer ist Verantwortlicher?

Die erste durch den EuGH zu beantwortende Frage war, ob das NZÖG in dieser Konstellation datenschutzrechtlich Verantwortlicher für die Datenverarbeitung über App sein konnte. Wohlgemerkt wurde ein offizieller Auftrag im Rahmen einer Ausschreibung nicht erteilt.

Der EuGH geht aber dennoch davon aus, dass

die Entwicklung der in Rede stehenden mobilen Anwendung vom NZÖG in Auftrag gegeben wurde und dazu dienen sollte, das von ihm gesetzte Ziel umzusetzen, nämlich die Covid‑19-Pandemie durch ein IT‑Tool zur Erfassung und Überwachung der Daten von Personen, die mit Trägern des Covid‑19-Virus in Kontakt standen, zu bewältigen“.

Zudem habe das NZÖG vorgesehen, dass zu diesem Zweck personenbezogene Daten der Nutzer der mobilen Anwendung verarbeitet werden.

Außerdem, so der EuGH, geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass die Parameter dieser Anwendung, z. B. welche Fragen gestellt werden und wie diese formuliert sind, an den Bedarf des NZÖG angepasst wurden und dass das NZÖG bei ihrer Festlegung eine aktive Rolle gespielt hat.

Der EuGH prüft also hier die zwei entscheidenden Merkmale der Verantwortlichkeit: Entscheidung über Mittel und Zwecke der Verarbeitung und kommt zu folgendem Ergebnis:

Unter diesen Umständen ist grundsätzlich davon auszugehen, dass das NZÖG tatsächlich an der Entscheidung über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung mitgewirkt hat.“

Der EuGH nimmt hier also eine Rolle als Verantwortlicher für NZÖG an.

Wichtig für die Praxis sind die Hinweise des EuGH dazu, welche Kriterien nicht zwingend für eine Verantwortlichkeit sprechen:

  • Der bloße Umstand, dass das NZÖG in der Datenschutzerklärung der mobilen Anwendung als Verantwortlicher genannt wurde
  • Dass die Anwendung Links zum NZÖG enthielt

Diese Umstände sind auch Sicht des EuGH nur dann für die Frage der Verantwortlichkeit relevant,

„wenn feststeht, dass das NZÖG dem ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat.“

Gleichzeitig macht der EuGH (wieder einmal) deutlich, wie weit er die Figur der Verantwortlichkeit nach der DSGVO versteht.

Die Umstände

  • dass das NZÖG selbst keine personenbezogenen Daten verarbeitet hat
  • dass kein Vertrag zwischen dem NZÖG und dem App-Entwickler bestand
  • dass das NZÖG die mobile Anwendung nicht erworben hat
  • dass es die Verbreitung dieser App über Online-Shops nicht genehmigt hat

schließen es nach Ansicht des EUGH gerade nicht aus,

dass das NZÖG als Verantwortlicher im Sinne von Art. 4 Nr. 7 DSGVO eingestuft werden kann.“

Bedeutet für uns in der Praxis: die Verantwortlichkeit beginnt früh und eventuell schneller als man denkt. Der EuGH stellt sehr klar allein auf die entscheidenden Merkmale der Entscheidung über Mittel und Zwecke ab. Für die Verantwortlichkeit spielen rein formelle Aspekte, wie etwa ein Vertrag oder der Erwerb der Anwendung, keine Rolle, solange Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass eine Stelle an der Entscheidung über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung mitwirkt.

Beauftragt also eine Stelle ein anderes Unternehmen mit der Entwicklung einer App und hat es in diesem Zusammenhang an der Entscheidung über die Zwecke und Mittel der über die App vorgenommenen Verarbeitung personenbezogener Daten mitgewirkt, kann dies Stelle als Verantwortlicher angesehen werden, auch wenn sie selbst keine personenbezogene Daten betreffenden Verarbeitungsvorgänge durchgeführt.

Bußgeld gegen den Verantwortlichen für Tätigkeiten des Auftragsverarbeiters

Als Parallele zu dem Verfahren Deutsche Wohnen, ging es auch hier um die Frage der Haftung des Verantwortlichen.

Im hiesigen Fall war nun aber die Besonderheit, dass die NZÖG ja selbst keine Daten verarbeitet hat. Dies erfolgte vielmehr durch den App-Entwickler.

Die Frage war dann, ob eine Geldbuße gegen einen Verantwortlichen für Verarbeitungsvorgänge verhängt werden kann, die von einem Auftragsverarbeiter in seinem Namen durchgeführt wurden.

Der EuGH ist in diesem Punkt, dass muss man so sagen, ganz klar und beantwortet die Frage mit „ja“.

In seiner Begründung erinnert der EuGH etwa daran, dass ein Auftragsverarbeiter nach der Definition in Art. 4 Nr. 8 DSGVO eine natürliche oder juristische Person, Behörde, Einrichtung oder andere Stelle ist, die personenbezogene Daten im Auftrag des Verantwortlichen verarbeitet.

Hierauf folgt, dass ein Verantwortlicher,

nicht nur für jedwede Verarbeitung personenbezogener Daten, die durch ihn selbst erfolgt, sondern auch für die in seinem Namen erfolgenden Verarbeitungen verantwortlich ist“.

Die rechtliche Verantwortlichkeit und damit Haftung erstreckt also auch auf Tätigkeiten des eingesetzten Auftragsverarbeiters.

Daher, so der EuGH,

kann gegen ihn eine Geldbuße nach Art. 83 der DSGVO verhängt werden, wenn personenbezogene Daten unrechtmäßig verarbeitet werden und die Verarbeitung nicht durch ihn, sondern durch einen Auftragsverarbeiter, an den er sich gewandt hat, in seinem Namen erfolgt ist“.

Von der Bußgeldhaftung des Verantwortlichen für den Auftragsverarbeiter gibt es jedoch Ausnahmen, die der EuGH benennt:

  • In Fällen, in denen der Auftragsverarbeiter personenbezogene Daten für eigene Zwecke verarbeitet
  • diese Daten auf eine Weise verarbeitet hat, die nicht mit dem Rahmen oder den Modalitäten der Verarbeitung, wie sie vom Verantwortlichen festgelegt wurden, vereinbar ist
  • auf eine Weise verarbeitet, bei der vernünftigerweise nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Verantwortliche ihr zugestimmt hätte.

In diesen drei Fällen gilt der Auftragsverarbeiter nach Art. 28 Abs. 10 DSGVO nämlich in Bezug auf eine solche Verarbeitung als Verantwortlicher.

Die Ausführungen des EuGH bedeuten in der Praxis, dass man besonderes Augenmerk auf den Inhalt der Auftragsverarbeitungsverträge und der Weisungen zur Verarbeitung legen sollte. Im Grunde haftet der Verantwortliche für Tätigkeiten des Auftragsverarbeiters, solange dieser im Rahmen der Weisungen bleibt. Je weiter eine Weisung bzw. der Zweck der beauftragten Verarbeitung aber nun definiert ist, desto größer ist natürlich auch ein potentielles Haftungsrisiko für den Verantwortlichen.

Die Formulierung „Zur Durchführung des Hauptvertrages“ in einem AV-Vertrag wird in der Praxis viel mehr Interpretationsspielraum bieten, ob eine Verarbeitung wirklich im Rahmen des Auftrages erfolgt, als etwa eine genau Beschreibung der einzelnen Leistungen und Datenverarbeitungen.

Update – Bundesverwaltungsgericht Österreich: Gesellschaftsrechtliche Verschmelzung von Unternehmen stellt keine Datenübermittlung dar – Rechtsnachfolger übernimmt Recht zur Datenverwendung

In der Praxis stellen sich gerade in gesellschaftsrechtlichen Transaktionen oft auch datenschutzrechtliche Fragen. Wie können Mitarbeiter- und Kundendaten auf ein erwerbendes Unternehmen übergehen? Darf ein Unternehmen als Rechtsnachfolger eines eingebrachten Unternehmens die vorhandenen Daten einfach weiter verwenden?

Das Bundesverwaltungsgericht in Österreich (BVwG) hat sich jüngst in einer Entscheidung (Bescheid v. 22.8.2023 – W137 2251172-1) mit dem Vorgang einer gesellschaftsrechtlichen Verschmelzung (in Deutschland etwa im UmwG geregelt) aus datenschutzrechtlicher Sicht befasst und einige praxisrelevante Aussagen getroffen.

Sachverhalt

In dem Verfahren beschwerte sich eine betroffene Person darüber, nicht DSGVO-konform von einer Gesellschaft informiert worden zu sein. Das verantwortliche Unternehmen (GmbH) betreibt eine App. Die Programmierung der App erfolgte zunächst durch ein anderes Unternehmen im Auftrag und nach den Vorgaben dieses anderen Unternehmens. Dieses andere Unternehmen wurde nach einiger Zeit in die GmbH durch Verschmelzung eingebracht.

Nach Ansicht der Betroffenen habe das verantwortliche Unternehmen (Betreiber der App) insbesondere fälschlich informiert, dass personenbezogene Daten selbst erhoben wurden, obwohl es diese Daten in der Vergangenheit von dem in die GmbH eingebrachten Unternehmen übernommen habe.

Entscheidung

Das BVwG musste also die Frage klären, ob der Betreiber der App richtig nach Art. 13 und 14 DSGVO informiert hat, wenn hinsichtlich der relevanten Daten angegeben wurde, dass diese selbst erhoben wurden, obwohl die Daten in der Vergangenheit rein faktisch von dem eingebrachten Unternehmen erhoben wurden. Eventuell lag auch eine Übermittlung von Daten zwischen den Unternehmen vor.

  • Das BVwG stellt zunächst fest, dass es sich hier um den Fall einer Gesamtrechtsnachfolge handelt (vgl. § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG in Deutschland).
  • Aus datenschutzrechtlicher Sicht ist diese Art der Unternehmensnachfolge bzw. -übernahme unproblematisch, denn es findet keine Weitergabe personenbezogener Daten an Dritte statt.
  • Das eigentliche Unternehmen bleibt rechtlich unverändert und damit auch die Rechtgrundlage für die bestehenden Verarbeitungsvorgänge.
  • Es liegt demnach kein datenschutzrechtlich relevanter Vorgang vor.“
  • Der Rechtsnachfolger übernimmt auch das Recht zur Datenverwendung in jenem Umfang, wie es bereits dem Rechtsvorgänger zustand; es liegt somit keine Datenübermittlung an Dritte vor.
  • Die Erhebung der personenbezogenen Daten erfolgte aus rechtlicher Perspektive direkt bei dem verantwortlichen Unternehmen (Betreiber der App).

Fazit

Das BVwG stellt zwei praxisrelevante Aspekte fest. Erstens, es liegt keine Datenübermittlung zwischen den beiden Unternehmen vor. Dies liegt an dem Konstrukt der Gesamtrechtsnachfolge. Zweitens, kann sich der Rechtsnachfolger auf das Recht zur Datenverwendung in jenem Umfang berufen, wie dies für das eingebrachte Unternehmen der Fall war. Nach Ansicht des BVwG gehen quasi die Rechtsgrundlagen und Zwecke der Datenverarbeitung auf den Rechtsnachfolger über.  

Update vom 11.10.2023

Mich hat heute der Kollege Dr. Christian Wirthensohn aus Österreich kontaktiert, der in dem Verfahren die Beschwerdeführerin vertreten hat. Er hat darauf hingewiesen, dass faktisch keine Verschmelzung zugrunde lag, sondern ein (Einzel-)Unternehmen in eine nachträglich gegründete GmbH eingebracht wurde. Eine solche Einbringung stelle nach österreichischem Recht sowohl nach der Rechtsprechung des österreichischen VwGH als auch nach Ansicht in der gesellschaftsrechtlichen aber auch in der datenschutzrechtlichen Literatur einen Fall einer Einzelrechtsnachfolge dar. Das BVwG hat dies nach Ansicht des Kollegen verkannt und es ist u.a. deswegen Revision an den VwGH erhoben worden.

Was bedeutet das für die Interpretation der Begründung? Das BVwG scheint zu etwas entschieden zu haben, was faktisch nicht vorlag. Die datenschutzrechtliche Begründung des BVwG bezieht sich auf eine Gesamtrechtsnachfolge. Für diesen Fall geht das BVwG von den oben genannten Folgen aus. Interessant wird sein, ob der VwGH, wenn eine Einzelrechtsnachfolge vorliegt, hier einen datenschutzrechtlichen Unterschied erkennt. Wenn also ein Erwerb von einzelnen Vermögensgegenständen vorlag, z.B. durch Übereignung.

Datenschutzbehörde Österreich: Unzulässige Datenabfragen durch Mitarbeiter können Meldepflichten (Art. 33 und 34 DSGVO) an die Datenschutzbehörde und Betroffene auslösen

Mit Bescheid vom 1.  Januar 2023 entschied die österreichische Datenschutzbehörde, dass ein Verantwortlicher, nachdem eine Art. 33-Meldung durchgeführt wurde, auch die betroffene Person nach Art. 34 DSGVO benachrichtigen muss.

Ein interessanter Aspekt in dem Verfahren war die Frage, ob ein Verantwortlicher (als Arbeitgeber) den Melde- und Benachrichtigungspflichten nach Art. 33 und 34 DSGVO unterliegt, wenn intern ein Mitarbeiter unberechtigt auf personenbezogene Daten zugreift und diese verwendet. Im konkreten Fall brachte der Verantwortliche vor, dass er für diesen Zugriff gerade nicht datenschutzrechtlich verantwortlich sei, sondern die Mitarbeiterin und daher auch keine Meldepflicht bestünde. Die DSB sah dies anders.

Sachverhalt

Es ging in dem Verfahren um eine Veröffentlichung von Gesundheitsdaten der betroffenen Person im Rahmen eines Social-Media-Beitrags einer Mitarbeiterin der Verantwortlichen. Eine zur Verantwortlichen in einem Ausbildungsverhältnis stehende und bei einer Klinik tätige Mitarbeiterin (Praktikantin) hat im Rahmen ihrer Tätigkeit elektronisch vorhandene Daten einer Patientin (betroffene Person) der Verantwortlichen abgefragt und in weiterer Folge ein Lichtbild des elektronisch dokumentierten Krankheitsverlaufes derselben im Rahmen ihres Social-Media Profils auf einer Plattform veröffentlicht.

Die Verantwortliche macht nur vorsorglich eine Meldung nach Art. 33 DSGVO, da sie u.a. Zweifel an ihrer Verantwortlichkeit und damit der rechtlichen Verpflichtung zur Meldung an die DSB hatte.

Entscheidung

Die DSB geht in ihrem Bescheid davon aus, dass die Verantwortlich sehrwohl einer Meldepflicht nach Art. 33 DSGVO unterliegt, auch wenn eine unzulässige Datenverarbeitung durch eine unbefugt handelnde Mitarbeiterin erfolgt. Im Grunde trennt die DSB klar zwischen zwei Verantwortlichkeitsbereichen:

  • Arbeitgeberin (Verantwortliche): Umsetzung geeigneter technischer rund organisatorischer Maßnahmen, um unbefugte Datenverarbeitungen zu unterbinden.
  • Mitarbeiterin (als eigene Verantwortliche): unbefugter Zugriff auf Patientendaten und Veröffentlichung dieser Daten.

Zunächst stellt die DSB klar, dass Art. 33 Abs. 1 DSGVO ausdrücklich zu entnehmen ist, dass sich die darin normierte Meldeverpflichtung ausschließlich an den jeweiligen Verantwortlichen richtet.

Zwar geht auch die DSB davon aus, dass

aus (zweckwidrigen und unternehmensfremden) Datenabfragen uÄ durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – insbesondere zu rein privaten Zwecken – im Einzelfall eine eigenständige (uU ausschließliche) datenschutzrechtliche Verantwortlichkeit der natürlichen Person abgeleitet werden kann“.

Jedoch weist die DSB darauf hin, dass Gegenstand des vorliegenden Verfahrens nicht die Verantwortlichkeit dieser Mitarbeiterin ist, sondern

vielmehr die – gewissermaßen vorgelagerte – Melde- und Benachrichtigungsverpflichtungen der (möglicherweise bloß ursprünglichen) Verantwortlichen“.

Die DSB stützt sich für ihre Ansicht auch auf die Leitlinien 07/2020 des EDSA zu den Begriffen „Verantwortlicher“ und „Auftragsverarbeiter“, wonach selbst, wenn ein Beschäftigter seine Befugnis im Zusammenhang mit der Verarbeitung von Daten (unzulässigerweise) überschreitet, die Organisation als Verantwortlicher angemessene technische und organisatorische Maßnahmen umsetzen muss, um die Einhaltung der DSGVO sicherzustellen.

Zudem verweist die DSB auf eine Entscheidung des österreichischen Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Januar 2022. Dort ging das BVwG im Falle der eigenmächtigen Datenverwendung durch einen Bediensteten davon aus, dass die dahinterstehende Organisation (konkret: Behörde) weiterhin für die Art und Weise der Verarbeitung bzw. Verwendung durch deren Bedienstete verantwortlich sei, auch soweit es sich um eine sorgfaltswidrige Verwendung oder überschießende Akteneinsicht handle.

In diesem Zusammenhang wurde darauf hingewiesen, dass rechtlich zwischen dem datenschutzrechtlich relevanten Verhalten der Behörde (als ursprüngliche Verantwortliche) und dem datenschutzrechtlich relevanten Verhalten eines/einer allfälligen Dritten zu unterscheiden sei.“

Daher kommt die DSB zu dem Ergebnis, dass ein ursprünglich datenschutzrechtlicher Verantwortlicher – selbst bei Verlust der Verfügungsmacht über oder bei unberechtigtem Zugriff Dritter auf dessen Datenbestand – Verpflichteter iSd Art. 33 und 34 DSGVO ist bzw. bleibt und sich das diesbezügliche Vorbringen der Verantwortlichen im Verfahren als unbeachtlich erwies.

Generalanwalt am EuGH: Bußgeldhaftung des Verantwortlichen für Tätigkeiten seines Auftragsverarbeiters

Eine weitere wichtige DSGVO-Interpretation vom 4.5.2023 (dem Datenschutztag am EuGH), die bisher kaum beachtet wurde: in der Rechtssache C-683/21 hat Generalanwalt Emiliou seine Schlussanträge (bisher nur auf Englisch verfügbar) zu einigen relevanten Fragen zur Anwendung der DSGVO vorgelegt. Zu der Frage der Voraussetzungen einer gemeinsamen Verantwortlichkeit hatte ich hier im Blog bereits berichtet.

Zudem befasst sich der Generalanwalt aber unter anderem auch noch mit der Frage, ob gegen einen für die Verarbeitung Verantwortlichen in Anwendung von Art. 83 DSGVO eine Geldbuße verhängt werden kann, wenn die rechtswidrige Verarbeitung personenbezogener Daten nicht von dem für die Verarbeitung Verantwortlichen selbst, sondern von einem Auftragsverarbeiter vorgenommen wurde.

Also: die Haftung des Verantwortlichen für seinen Auftragsverarbeiter. Ein für die Praxis extrem relevantes Thema, wenn wir an die vielen Geschäfts- und Verarbeitungsprozesse denken, in denen Dienstleister als Auftragsverarbeiter eingesetzt werden.

Die kurze Antwort des Generalanwalts: „Meines Erachtens ist diese Frage zu bejahen.“

Zunächst stellt der Generalanwalt klar, dass ein für die Verarbeitung Verantwortlicher keine personenbezogenen Daten selbst verarbeiten muss, solange er das „Warum und Wie“ der betreffenden Verarbeitungsvorgänge bestimmt. Er kann sich hierfür eines Auftragsverarbeiters bedienen.

Die Definition des Auftragsverarbeiters in Art. 4 Nr. 8 DSGVO, dass „personenbezogene Daten im Auftrag des Verantwortlichen verarbeitet“ werden, bestätigt nach Ansicht des Generalanwalts, dass im Rahmen der Anwendung der DSGVO ein Verantwortlicher haftbar gemacht und nach Art. 83 DSGVO mit einer Geldbuße belegt werden kann,

wenn personenbezogene Daten unrechtmäßig verarbeitet werden und diese unrechtmäßige Verarbeitung nicht von dem für die Verarbeitung Verantwortlichen selbst, sondern von einem Auftragsverarbeiter vorgenommen wurde“. (Rz. 94)

Die Haftung des Verantwortlichen gilt jedoch nicht für jede Tätigkeit des Auftragsverarbeiters, sondern nur, soweit ein Auftragsverarbeiter personenbezogene Daten im Auftrag des für die Verarbeitung Verantwortlichen verarbeitet.

Dies ist der Fall, solange der Auftragsverarbeiter im Rahmen des ihm von dem für die Verarbeitung Verantwortlichen erteilten Auftrags handelt und die Daten gemäß den rechtmäßigen Anweisungen des für die Verarbeitung Verantwortlichen verarbeitet“. (Rz. 95)

Wichtig: die Haftung für den Dienstleister greift also nur, solange dieser im Rahmen des Auftrages agiert.

 „Wenn der Auftragsverarbeiter jedoch über den Rahmen dieses Auftrags hinausgeht und die als Auftragsverarbeiter erhaltenen Daten für seine eigenen Zwecke verwendet …, kann gegen den für die Verarbeitung Verantwortlichen meines Erachtens keine Geldbuße“ für die unrechtmäßige Verarbeitung verhängt werden.

Ein Bußgeld kann daher auch dann gegen einen Verantwortlichen für Tätigkeiten seines Auftragsverarbeiters verhängt werden, wenn personenbezogene Daten nur vom Auftragsverarbeiter rechtswidrig verarbeitet wurden und der Verantwortliche an der Verarbeitung nicht beteiligt ist.

Die Erkenntnisse des Generalanwalt werden viele eventuell nicht als „bahnbrechend“ ansehen. Meines Erachtens ist aber zum einen beachtenswert, dass das Haftungsrisiko des Auftraggebers für seine Dienstleister nun durch einen Generalanwalt am EuGH klar herausgestellt wurde. Zum anderen verdeutlichen die Schlussanträge für die Praxis noch einmal, dass man als Verantwortlicher genaues Augenmerk auf seine vertraglichen Beziehungen zu Auftragsverarbeitern legen sollte.

Was ist also wichtig:

  • Haftung für Tätigkeiten des Auftragsverarbeiters, solange dieser im Rahmen der rechtmäßigen Weisungen agiert
  • Daher ist sehr relevant, die das System der Weisungserteilung in der Praxis ausgestaltet ist (wer erteilt in welcher Form welche Weisungen?)
  • Zudem muss unbedingt klar definiert werden, was der Auftrag ist. Denn, je unbestimmter und damit umfassender der Auftrag an den Dienstleister ausgestaltet ist, desto höher ist mein Haftungsrisiko als Verantwortlicher

Generalanwalt: Gemeinsame Verantwortlichkeit (Art. 26 DSGVO) kann auch bei Fehlen einer Vereinbarung oder einer gemeinsamen Entscheidung zwischen den Verantwortlichen vorliegen

In der Rechtssache C-683/21 (derzeit noch nicht auf Deutsch verfügbar) hatte sich Generalanwalt Emiliou (Schlussanträge vom 4. Mai 2023) u.a. mit der Frage zu befassen, wann eine gemeinsame Verantwortlichkeit nach Art. 4 Nr. 7 und Art. 26 DSGVO anzunehmen ist. Nach Ansicht des Generalanwalts hängt die gemeinsame Verantwortlichkeit von der Erfüllung von nur zwei objektiven Voraussetzungen ab (Rn. 41).

  • Erstens muss jeder gemeinsam für die Verarbeitung Verantwortliche die Kriterien erfüllen, die in der Definition des Begriffs „für die Verarbeitung Verantwortlicher“ in Art. 4 Nr. 7 DSGVO enthalten sind. Jede Partei muss also für sich als Verantwortlicher qualifiziert werden können.
  • Zweitens muss der Einfluss der für die Verarbeitung Verantwortlichen über die Verarbeitung gemeinsam ausgeübt werden. Die gemeinsame Beteiligung an der Verarbeitung kann in verschiedenen Formen erfolgen und muss nicht auf einer gemeinsamen Entscheidung der Beteiligten beruhen.

Dies ist ein wichtiger erster Punkt: Es ist keine gemeinsame Entscheidung der beteiligten Parteien erforderlich.

Der Generalanwalt stellt klar, dass der inhaltliche und funktionale Ansatz, der erforderlich ist, um festzustellen, ob eine Person oder Einrichtung als „für die Verarbeitung Verantwortlicher“ anzusehen ist, auch für die gemeinsame Verantwortlichkeit gilt. Es geht am Ende also um rein faktische Einflussmöglichkeiten auf die Verarbeitung.

Die logischen Konsequenzen sind, dass

  • das Fehlen einer Vereinbarung oder Absprache oder sogar einer gemeinsamen Entscheidung zwischen zwei oder mehreren für die Verarbeitung Verantwortlichen an sich die Feststellung nicht ausschließt, dass sie „gemeinsam für die Verarbeitung Verantwortliche“ sind (Randnummer 42)
  • allein die Tatsache, dass zwei Unternehmen ihre Handlungen nicht koordiniert oder anderweitig miteinander zusammengearbeitet zu haben scheinen, nicht bedeutet, dass sie nicht als „gemeinsam für die Verarbeitung Verantwortliche“ angesehen werden können (Randnummer 43).

Wichtiger zweiter Punkt: Vereinbarung oder Absprache nicht zwingend erforderlich.

Laut der Stellungnahme kommt es darauf an, „dass die Verarbeitung ohne die Beteiligung beider Parteien nicht möglich wäre“. Die Anforderungen für die Annahme einer gemeinsamen Verantwortlichkeit sind daher äußerst niedrig und werden in der Praxis wahrscheinlich häufig erfüllt.

Landesarbeitsgericht: Betriebsrat muss eigene angemessene Schutzmaßnahmen vorsehen und nachweisen, wenn er vom Arbeitgeber Auskunft über sensible Daten verlangt

Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hat sich mit Beschluss vom 20.5.2022 (Az 12 TaBV 4/21) zu den datenschutzrechtlichen Voraussetzungen der Weitergabe besonderer Kategorien personenbezogener Daten (Art. 9 Abs. 1 DSGVO) vom Arbeitgeber an den Betriebsrat geäußert. Im konkreten Fall ging es um ein Auskunftsbegehren des Betriebsrates nach § 80 Abs. 2 S. 1 BetrVG, in Bezug auf Anzahl und Namen von schwerbehinderten/gleichgestellten Menschen.

Rechtsgrundlage der Datenverarbeitung

Die Weitergabe der Daten an den Betriebsrat kann auf die Rechtsgrundlage des § 26 Abs. 3 BDSG (als Umsetzung von der Öffnungsklausel in Art. 9 Abs. 2 lit. b DSGVO) gestützt werden. Bei der Weitergabe solcher hier betroffener „sensibler“ Daten an den Betriebsrat, sind nach § 26 Abs. 3 S. 3 BDSG zudem die besonderen Anforderungen des § 22 Abs. 2 BDSG zu beachten. Es sind danach angemessene und spezifische Maßnahmen zur Wahrung der Interessen der betroffenen Person vorzusehen.

Aber: der Arbeitgeber habe rein faktisch die Beachtung des Gebots angemessener und spezifischer Schutzmaßnahmen nicht in der Hand.

Ihm sind hierauf bezogene Vorgaben an den Betriebsrat aufgrund dessen Unabhängigkeit als Strukturprinzip der Betriebsverfassung verwehrt“.

Hieraus folgert das LAG, dass es Aufgabe des Betriebsrates sei, bei der Geltendmachung eines auf sensitive Daten gerichteten Auskunftsbegehrens,

das Vorhalten von Maßnahmen darzulegen, welche die berechtigten Interessen der betroffenen Arbeitnehmer – vorliegend der ihre Schwerbehinderung mitteilenden Arbeitnehmer – wahren“.

Für die Praxis bedeutet dies, dass der Betriebsrat, bevor der Arbeitgeber die Daten weitergaben oder zB Zugriff gewähren kann, entsprechende Schutzmaßnahmen nachweisen muss. Der Nachweis dieser Schutzmaßnahmen ist nach Ansicht des LAG ein Teil der Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der Datenverarbeitung. Dies macht das LAG in seiner Begründung sehr deutlich:


Ein Fehlen solcher Schutzmaßnahmen oder ihre Unzulänglichkeit – was der Würdigung des Tatsachengerichts unterliegt – schließt den streitbefangenen Anspruch aus“.

Erforderliche Schutzmaßnahmen

Zunächst stellt des LAG klar, dass die in § 22 Abs. 2 BDSG genannten Maßnahmen allein eine beispielhafte Aufzählung bilden und nicht abschließend zu verstehen sind.

Ziel der Schutzmaßnahmen muss auf Seiten des Betriebsrates die Gewährleistung sein, dass er bei einer Verarbeitung sensitiver Daten das Vertraulichkeitsinteresse der Betroffenen strikt achtet und Vorkehrungen trifft, die bei wertender Betrachtung den in § 22 Abs. 2 S. 2 BDSG aufgelisteten Kriterien entsprechen.

Das LAG benennt in seiner Entscheidung einige Beispielmaßnahmen.

Hierzu können Maßnahmen zur Datensicherheit wie das zuverlässige Sicherstellen des Verschlusses der Daten, die Gewähr begrenzter Zugriffsmöglichkeiten oder deren Beschränkung auf einzelne Betriebsratsmitglieder sowie die Datenlöschung nach Beendigung der Überwachungsaufgabe gehören.“

Im konkreten Fall erachtete das LAG die vorhandenen Maßnahmen als ausreichend. So existierte etwa für eine elektronische Übermittlung eine spezielle Empfängeradresse mit Passwortschutz. Hiermit, so das LAG, wird der Betriebsrat zugleich seiner Pflicht zur Gewährleistung der Datensicherheit im Sinne der Art. 24 und 32 DSGVO gerecht.

Eine Anonymisierung bzw. Pseudonymisierung (vgl. § 22 Abs. 2 Nr. 6 BDSG) kann hier nicht verlangt werden. Denn der Auskunftsanspruch des Betriebsrates zielt ja gerade auf Namen von Personen. Ohne diese Namen könnte der Betriebsrat also seine Aufgaben nicht wahrnehmen.  

Zudem nennt das LAG allgemein noch weitere möglich Maßnahmen, die der Betriebsrat ergreifen könnte: freiwillige Benennung eines Datenschutz-Sonderbeauftragten für das Gremium, eine verpflichtende Grundschulung im Datenschutz für sämtliche Betriebsratsmitglieder zu organisieren, ein eigenes Datenschutzkonzept zu entwickeln, die Rechte der betroffenen Beschäftigten sicherzustellen.

Diese Liste mit Maßnahmen kann in der Praxis als eine gute Grundlage für eigene Prüfung der Zulässigkeit einer Datenweitergabe an den Betriebsrat verwendet werden.

Datenschutzbeauftragter des Arbeitgebers darf auch den Betriebsrat überwachen

Zudem beantwortet das LAG noch eine, in der Praxis immer mal wieder diskutierte, Frage. Benötigt der Betriebsrat einen eigenen Datenschutzbeauftragten oder darf bzw. muss der Datenschutzbeauftragte des Arbeitgebers auch den Betriebsrat kontrollieren?

Nach Auffassung des LAG richtet sich die (u.a. auch in § 22 Abs. 2 Nr. 4 BDSG) vorgesehene Bestellung eines Datenschutzbeauftragten nicht an den Betriebsrat, sondern an den Arbeitgeber. Und weiter:

„Die Verarbeitung personenbezogener Daten durch den Betriebsrat unterliegt unter Geltung der DSGVO dabei ohnehin der Überwachung durch den betrieblichen Datenschutzbeauftragten“

Dies, so das LAG, werde zwar in der neuen Vorschrift des § 79a BetrVG nicht ausdrücklich geregelt, aber sowohl von § 79a S. 4 BetrVG als auch im Regierungsentwurf vorausgesetzt, BT-Drs. 19/2899, S. 22.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof: Datenschutz in der Lieferkette – Verantwortlicher muss DSGVO-Konformität von eingekauften Produkten sicherstellen

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat eine, wie ich finde, abstrakt relevante Ansicht zu den datenschutzrechtlichen Anforderungen an Produkte, über die personenbezogene Daten verarbeitet werden, geäußert (Beschluss v. 07.03.2022 – 4 CS 21.2254). Der VGH geht davon aus, dass eine datenverarbeitende Stelle als datenschutzrechtlich Verantwortlicher verpflichtet ist, sich bei Geräteherstellern zu vergewissern, dass die Produkte die DSGVO einhalten.  

Sachverhalt

In dem Verfahren ging es um die Frage, ob Eigentümer eines Hauses den Austausch analoger Wasserzähler durch elektronische Wasserzähler mit Funkmodul durch die öffentliche Wasserversorgungseinrichtung dulden müssen. Die Hauseigentümer wehrten sich hiergegen, u.a. mit Verweis auf das Datenschutzrecht. Ihrer Ansicht nach verfüge das einzusetzende Gerät über keine Zertifizierung durch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik und sei daher nicht sicher. Zudem sei die Erhebung von Wassertemperatur und Außentemperatur sowie das permanente Aufzeichnen zahlreicher weiterer Alarmcodes zum ordnungsgemäßen Betrieb der Wasserversorgung nicht erforderlich.

Entscheidung

Der VGH wies die Beschwerde der Eigentümer (gegen eine Entscheidung der Vorinstanz) zurück.

Der VGH geht zunächst davon aus, dass die in einem elektronischen (Funk-)Wasserzähler erfassten Verbrauchsmengen, wenn und soweit sich daraus Rückschlüsse auf das individuelle Verbrauchsverhalten einzelner Personen ziehen lassen, personenbezogene Daten der Bewohner oder sonstigen Nutzer des betreffenden Anwesens darstellen.

Es reiche nach Art. 4 Nr. 1 DSGVO aus, dass eine bestimmte natürliche Person direkt oder indirekt, insbesondere mittels Zuordnung zu einer Kennung wie etwa einem Namen, zu einer Kennnummer, zu Standortdaten oder zu einem besonderen identitätsprägenden Merkmal identifiziert werden kann. Dies sei bei dem Betrieb eines Wasserzählers zumindest dann der Fall, wenn die aufgezeichneten Verbrauchsdaten eine Wohnung oder eine sonstige Gebäudeeinheit betreffen, die von einer einzelnen Person genutzt wird. Aber auch bei gemeinsamer Nutzung durch mehrere Personen lasse sich, wenn der Wasserverbrauch durch einen elektronischen Zähler kontinuierlich aufgezeichnet wird, unter Umständen mit nur geringem Zusatzwissen Rückschlüsse auf die Verbrauchsgewohnheiten Einzelner ziehen,

Die damit einhergehende Datenverarbeitung qualifiziert der VGH als zulässig. Diese ist nach Art. 6 Abs. 1 lit. e DSGVO nur rechtmäßig, wenn sie für die Wahrnehmung einer im öffentlichen Interesse liegenden Aufgabe erforderlich ist. Die dafür nach Art. 6 Abs. 3 lit. b DSGVO notwendige Rechtsgrundlage habe der Bayerische Gesetzgeber mit der in Art. 24 Abs. 4 Satz 1 GO enthaltenen Sonderregelung zum Einsatz und Betrieb derartiger Wasserzähler geschaffen.

Zudem lehnt der VGH einen Verstoß gegen Vorschriften der DSGVO bzgl. der Sicherheit der Datenverarbeitung (Art. 5 Abs. 1 lit. f, Art. 32 DSGVO) durch den Einsatz der Wasserzähler ab.

Relevant und meines Erachtens zu einem gewissen Grad auch allgemein zu beachten, ist die Ansicht des VGH zu den Anforderungen des Einsatzes von Geräten, über die personenbezogene Daten verarbeitet werden sollen.

Zum einen geht der VGH davon aus, dass der Einsatz der Wasserzähler nicht bereits deshalb datenschutzwidrig sei, weil die Geräte keine Zertifizierung des BSI besäßen.

Der Einsatz elektronischer Verbrauchserfassungsgeräte ist ihnen nicht deshalb verwehrt, weil diese keiner Zertifizierung durch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik bedürfen“.

Diese Ansicht ist meines Erachtens begrüßenswert und richtig. So ist etwa Art. 32 DSGVO bewusst offen formuliert, um verschiedenste Faktoren bei der Prüfung der Sicherheit der Datenverarbeitung berücksichtigen zu können. Eine Zertifizierung, etwas durch das BSI, kann natürlich positiv berücksichtigt werden. Jedoch entscheidet ein solches Zertifikat nicht zwingend allein über die DSGVO-Konformität eines Produkts.

Danach führt der VGH aus:

Die Wasserversorger sind unabhängig davon für die Einhaltung der allgemeinen Sicherheitsanforderungen nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. f, Art. 32 DSGVO verantwortlich. Sie müssen sich daher vor dem Einsatz elektronischer (Funk-) Wasserzähler bei dem Gerätehersteller vergewissern, dass die gespeicherten und übermittelten Daten durch geeignete technisch-organisatorische Maßnahmen ausreichend vor dem Zugriff unberechtigter Dritter geschützt sind (LT-Drs. 17/19804 S. 2).

Das Gericht leitet hier aus Art. 5 Abs. 1 lit. f, Art. 32 DSGVO wohl die Pflicht des Verantwortlichen ab, in seiner Liefer- bzw. Einkaufskette zu prüfen, ob die eingekauften Produkte, über die später personenbezogene Daten verarbeitet werden, den Anforderungen der DSGVO genügen. Der VGH ist zwar nicht absolut klar hinsichtlich des Umfangs und der Tiefe der erforderlichen Prüfung. Er spricht aber zumindest davon, dass sich der Verantwortliche als Ausfluss seiner Pflichten aus Art. 5 Abs. 1 lit. f, Art. 32 DSGVO davon „vergewissern“ muss, dass die Geräte die datenschutzrechtlichen Vorgaben einhalten.

Fazit

Der VGH spricht in seinem Beschluss eine praxisrelevante Schutzlücke der DSGVO an. Diese verpflichtet nur Verantwortliche und Auftragsverarbeiter. Gerätehersteller und Produzenten, die selbst keine Daten verarbeiten, sondern „nur“ das Werkzeug hierfür bereitstellen, unterfallen nicht der DSGVO, im Sinne einer „Vorfeldpflicht“. Daher hängt es derzeit vor allem an den Abnehmern der Produkte, den Verantwortlichen, die DSGVO-Konformität in die Lieferkette (nach vorne) zu tragen. Etwa durch vertragliche Verpflichtungen und Zusicherungen der Hersteller. ErwG 78 DSGVO umschreibt dieses Problem wie folgt: „… sollten die Hersteller der Produkte, Dienste und Anwendungen ermutigt werden, das Recht auf Datenschutz bei der Entwicklung und Gestaltung der Produkte, Dienste und Anwendungen zu berücksichtigen und unter gebührender Berücksichtigung des Stands der Technik sicherzustellen, dass die Verantwortlichen und die Verarbeiter in der Lage sind, ihren Datenschutzpflichten nachzukommen.“