XBox One – Transparenz ist alles

Nach der offiziellen Vorstellung der neuen Homeentertainment-Konsole von Microsoft, der XBox One, war vermehrt Kritik an ihren Funktionen zu vernehmen. Das Gerät wird standardmäßig mit der bereits aus dem Vorgängermodell bekannten, dort noch optionalen, Kinect-Kamera ausgeliefert. Diese wird jedoch noch leistungsfähiger, unter anderem mit 3D- und Infrarottechnologie, arbeiten. Auch ein äußerst sensibles Mikrofon, welches in der Lage ist Sprachbefehle aus einer lauten Umgebung herauszufiltern, wurde verbaut. Der Grund hierfür: die Konsole wird über Sprachbefehle gesteuert und die Erfassung der Personen und ihrer Körperbewegungen vor dem Gerät dient ebenfalls der Steuerung der XBox selbst, der Spielsteuerung und etwa um bereits registrierte Spieler zu erkennen. Potentiell wäre die XBox bei der Wiedergabe eines Filmes in der Lage, die vor der Kamera anwesenden Personen zu zählen und von der Anzahl abhängig den Preis für einen abzurufenden Film zu bestimmen.

Always on

Mit dem Befehl „XBox An“ kann das Gerät jederzeit angeschaltet werden. Dies bedeutet auch, dass es nie komplett ausgeschaltet ist und zumindest immer in einer Art Standby-Modus auf einen XBox-spezifischen Befehl wartet. Des weiteren wird darüber spekuliert, inwiefern das Gerät eine ständige Internetverbindung zu den Servern von Microsoft benötigt und damit eventuell auch personenbezogene Daten, also Videos oder Gespräche, überträgt. Bei einer derart großen Bandbreite an Datenverarbeitungsmöglichkeiten, ließen die ersten datenschutzrechtlichen Bedenken und politischen Forderungen nach dem Einschreiten der Datenschützer nicht lange auf sich warten. Doch erscheint auch hier, wie bereits bei der hitzig geführten Debatte um die Datenschutz-Grundverordnung (hierzu bereits mein Beitrag), eine sachliche Diskussion und Herangehensweise an derartige neue, technologische Erscheinungen zielführender.

Die ständige Überwachung?

Aufgrund des ständigen Scannens der Umgebung nach einem Sprachbefehl und der Platzierung des Gerätes mit seiner Kamera, etwa im heimischen Wohnzimmer, wird von dem Bundestagsabgeordneten Konstatin von Notz der Schluss gezogen, dass allein das Ausspähen des privaten Umfeldes und die Profitmaximierung mit den gewonnenen Daten der Zweck der Konsole sei.

Kamera und Mikrofon

Dieses permanente Scannen der Umgebung nach bestimmten (es wird also nicht permanent und undifferenziert aufgezeichnet) Geräuschen ist jedoch wahrlich nichts Neues und stellt heutzutage ein oft genutztes technisches Feature dar, ohne dass hierauf gleich auf ein heimliches Ausspähen des Nutzers zu schließen ist. So besitzt etwa auch die neueste Version der beliebten Shazam-App eben diese Funktion um z. B. Lieder zu erkennen und dem Nutzer zum Kauf zu präsentieren. Und auch bei der Datenbrille Google-Glass, welche ebenfalls über Sprachbefehle gesteuert wird, lässt sich das ständige Abhören nach Sprachbefehlen aktivieren. Von einer „ganz neuen Qualität“ der Pläne von Microsoft kann man also diesbezüglich nicht sprechen. Eher davon, dass man auf einen bereits fahrenden Zug aufspringt und Nutzungsbreite erweitert. Des weiteren sollte, bei einer durchaus empfehlenswerten, von einer gesunden Vorsicht begleiteten Analyse der datenschutzrechtlichen Implikationen, beachtet werden, dass es sich bei dem ständigen Scannen nach einem Sprachbefehl allein um das Mikrofon handelt. Die Kamera wird nicht die ganze Zeit Videos aufzeichnen und das Geschehen im Wohnzimmer dokumentieren, sondern diese wird verwendet, wenn es durch den Nutzer gewünscht wird, sei es zur Steuerung eines Spiels oder um zu Skypen. Und zuletzt sollte man einen Unterschied zwischen einem ständigen „Zuhören“ und einem „Speichern“ des Wahrgenommenen machen.

Das Missbrauchspotential

Natürlich kann man dem immer als Argument entgegenhalten, dass aber grundsätzlich die Möglichkeit besteht, dass die Kamera ferngesteuert auf Dauerüberwachung geschaltet wird. Ja, diese Gefahr besteht. Sie besteht aber ebenso z. B. bei Laptops mit integrierter Kamera. Danach müssten wir im Prinzip alle technischen Geräte des Hauses verweisen, bei denen die Möglichkeit besteht, dass Dritte sich unbefugt Zugriff auf sie verschaffen. Microsoft wird natürlich versuchen hier höchste Sicherheitsstandards anzulegen. Wie man aber auch weiß, gibt es die 100% sicheren Dienste und internetfähigen Geräte nicht.

Die ständige Datenübertragung?

Auf einer zweiten Stufe wird kritisch angemerkt, dass die XBox eventuell eine dauernde Internetverbindung benötigt und so massenhaft sensible Audio- und Videodaten an Microsoft übertragen werden können. Wozu diese dann genutzt werden, wisse niemand. Auch hier sollte man jedoch differenzieren. Erneut sei darauf verwiesen, dass ein „Zuhören“ nicht auch gleich ein Speichern oder gar eine Übertragung von Daten beinhaltet. Laut offizieller Aussage des Konzerns werden gerade nicht ständig Daten übertragen, benötigt man gerade also keine ständig aktive Onlineverbindung. Es muss der Internetanschluss gewährleistet sein, da das Gerät in regelmäßigen Intervallen nach Updates sucht und etwa die Berechtigungen für Spiele überprüft. Nirgends ist jedoch die Rede davon, dass praktisch per Standleitung Audio- und Videodaten übermittelt werden. Des weiteren weist Microsoft darauf hin, dass gerade die Verarbeitung von Daten zur Gesichts- und Spracherkennung lokal, also allein auf dem Gerät ablaufen. Dies erscheint auch sinnvoll und ausreichend. Denn Microsoft selbst wird schon die Information reichen, ob der autorisierte Spieler angemeldet ist (wer auch immer dies sei).

Das Missbrauchspotential

Und natürlich besteht auch in Bezug auf die Datenverarbeitung immer ein Missbrauchspotential. Sei es, dass sich Fremde Zugriff auf die Daten verschaffen oder dass Daten zweckentfremdet genutzt werden. Auch diese Gefahr ist jedoch nicht neu. Im Übrigen wurde exakt diese Diskussion, um eine Verwendung der Videodaten der XBox etwa für Werbezwecke, schon bei Einführung des jetzigen Kinectsystems geführt. Dennoch wird es abertausendfach in Deutschland genutzt und dies ohne Nutzerbeschwerden in Bezug auf eine zweckentfremdete Nutzung ihrer Daten oder eine ungewollte Werbeflut. Dies ist freilich keine Garantie für Zukunft, zeigt jedoch, dass Unternehmen durchaus ein Eigeninteresse daran besitzen, die Nutzer in Bezug auf die Verwendung ihrer Daten nicht hinters Licht zu führen.

Keine wirksame Einwilligung?

In seinem bereits erwähnten Blogbeitrag weist Herr von Notz auch darauf hin, dass eine Einwilligung der Nutzer in die Verarbeitung der durch die Kamera (etwa beim Spielen, Skypen oder Steuerung anderer Funktionen) erfassten Daten hier nicht vorstellbar sei, da es sich um einen höchstpersönlichen Lebensbereich handele. Die Nutzer könnten also nicht frei darüber entscheiden, ob sie der Aufzeichnung ihrer Bewegungen zustimmen möchten. Warum jedoch hier eine datenschutzrechtliche Einwilligung nicht möglich sein soll, erschließt sich nicht. Die Einwilligung stellt gerade eine Rechtsgrundlage des geltenden Datenschutzrechts dar. Sie ist an bestimmte Voraussetzungen (wie die Unterrichtung der Betroffenen, die freie Entscheidung und die Information über die Zwecke der Datenverarbeitung) geknüpft, jedoch gesetzlich und im übrigen europarechtlich auch verfassungsrechtlich (Art. 8 Abs. 2 EU-Grundrechtecharta) festgeschrieben. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, so kann eine wirksame Einwilligung abgegeben und die Datenverarbeitung rechtmäßig durchgeführt werden. Nutzt der Betroffene die Funktionen der Kamera im Wohnzimmer, so ist er sich darüber bewusst, dass seine Bewegungen aufgezeichnet werden und er möchte dies, auch wenn es z. B. in Unterwäsche geschieht.

Transparenz ist alles

Wie der Präsident des Bayerischen Landesamtes für Datenschutzaufsicht, Thomas Kranig, erläutert, wird es bei der Einführung der Konsole und ihrer datenschutzrechtlichen Implikationen um die Transparenz und Aufklärung der Nutzer gehen. „Es ist ganz besonders wichtig, dass hier mit größtmöglicher Transparenz umgegangen wird, dass die Nutzer darüber informiert werden, was tatsächlich möglich ist, was gemacht wird“. Der Datenschützer spricht sich jedoch auch ausdrücklich nicht generell gegen die Datenverarbeitung über das Gerät aus und dass diese etwa unmöglich wäre. Sei es für eine Datenverarbeitung aufgrund einer datenschutzrechtliche Einwilligung oder aufgrund der Durchführung eines Nutzungsvertrages über das Gerät: Klärt Microsoft ausreichend über die Zweck der Datenverarbeitung und -verwendung auf und hält sich an diese, so steht dem Genuss dieser neuen Technologien nichts im Wege. Und bisher, so Kranig, habe seine Behörde mit Microsoft diesbezüglich gute Erfahrungen gemacht und eine große Offenheit erlebt. Auch aus der Unternehmenssicht wird ein solches Interesse oberste Priorität besitzen und den Transparenzforderungen nachkommen müssen. Denn man wird es sich nicht leisten können „unbemerkt“ Videos aufzuzeichnen und Daten zu verarbeiten, da ein solches Vorgehen bei der Technikaffinität vieler Nutzer nicht lange unentdeckt bliebe. Der Imageschaden wäre dann jedoch gewaltig. Allein aus Eigeninteresse wird Microsoft also schon alles unternehmen, um die Voraussetzungen einer rechtmäßigen Datenverarbeitung zu gewährleisten und auch einzuhalten.

Fazit

Neue Technologien bergen stets gesellschaftliche als auch rechtliche Chancen und Risiken. Man sollte sie jedoch weder vorschnell verteufeln noch blindlings nutzen, sondern mit der nötigen Sachlichkeit und dem Problembewusstsein angehen, um die Vereinbarkeit von Technik und Recht zu finden.

Update vom 19.06.2013:
Microsoft hat heute erneut (hier mein letzter Beitrag dazu) weitere Details zur XBox One bekannt gegeben. Darin wird erläutert, dass nicht einmal eine einmalige Internetverbindung alle 24 Stunden erforderlich sein wird, um mit der Konsole zu spielen. Nach einem einmaligen Setup wird es möglich sein jedes Spiel von einer CD/DVD offline zu nutzen. Freilich gilt dies nicht für Spiele, welche gerade die Voraussetzung haben, dass sie online genutzt werden müssen, wie etwa manche Multiplayer-Spiele.

Diese Information zeigt, dass die geäußerten Bedenken einer heimlichen Überwachung und sogar einer ungewollten Datenübertragung an die Server von Microsoft, nicht per se gerechtfertigt erscheinen. Zuletzt hatte sich hier etwa der Verbraucherzentrale Bundesverband e. V. (vzbv) kritisch geäußert.

Microsoft führt seine offene und begrüßenswerte Informationspolitik weiter fort und zeigt so vor allem den potentiellen Käufern, dass man die nach den ersten Medienberichten aufgekommenen Meinungen und kritischen Stellungnahmen ernst nimmt und hier für Aufklärung sorgen möchte.

2 thoughts on “XBox One – Transparenz ist alles

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