Von Daten, von Öl und einem neuen Datenwertgefühl

Die Vize-Präsidentin der Europäischen Kommission, Neelie Kroes, bezeichnet im Rahmen einer Rede („The big data revolution“) Daten als das neue Öl, als Treibstoff der Innovation, der Stärkung und des Antriebs unserer Wirtschaft, der, anders als der fossile Rohstoff, nicht ausgehen wird.

Meines Erachtens bestehen jedoch einige Unterschiede, welche es auch bei dem Entwurf der neuen Datenschutz-Grundverordnung und damit im zukünftigen System des Datenschutzes in Europa, zu berücksichtigen wären.

Der Entstehungsprozess

Bleibt man bei dem Vergleich, dass Daten das neue (Roh-)Öl sind, dann wären die Menschen die abgestorbenen Organismen, aus denen unter Druck und Temperatureinfluss das Öl entsteht.

Hier zeigt sich jedoch bereits ein erster relevanter Unterschied. Daten können eine direkte Verbindung zu den intimsten Sphären einer Person besitzen. Gerade diese Daten sind auch für eine spätere Analyse (der Verarbeitung des Rohöls) besonders interessant.

Sie entstehen unweigerlich durch unser Verhalten, durch unsere Interaktion mit unserer Umwelt. Durch diese zwingende Bindung an Personen und ihr Verhalten können sie jedoch bereits ab ihrer Entstehung zumindest ein gewisses Gefährdungspotential in sich bergen, welches sich dann in ihrer späteren, unrechtmäßigen Verwendung manifestiert.

Erster Gedanke

In der Zukunft wird es meiner Erachtens unweigerlich dazu kommen müssen, dass sich die Menschen näher mit ihren Daten, deren Entstehung und vor allem ihrer eigenen Beziehung zu diesen befassen. Was bedeuten Daten für mich? Wenn diese verfassungsrechtlichen Schutz genießen, wie kann ich über sie „verfügen“? Welche Beziehung habe ich zu verschiedenen Art von Informationen über mich? Es wird also eine Art Datenwertgefühl entstehen. Nicht verwechselt werden sollte dieser Ansatz jedoch mit dem häufig anzutreffenden Hinweis „Meine Daten gehören mir!“. Denn dass dem nicht so ist, hat bereits das BVerfG in seinem Volkszählungsurteil klargestellt.

Die Förderung

Auf der zweiten Ebene des Vergleichs mit Rohöl steht die Förderung, tief aus dem Boden an die Oberfläche. Nun ist bereits offensichtlich, dass die Erhebung von Daten heutzutage weitaus einfacher von statten geht, als die Förderung des Rohstoffes. Warum? Weil die Gesellschaft zum Teil nicht darüber nachdenkt, wann und wie Daten erhoben werden oder dies, freiwillig oder mangels Alternativen, hinnimmt. Teilweise herrscht natürlich auch einfach fehlendes Wissen um die tatsächlichen Abläufe von Datenverarbeitungsprozessen. Zumindest kann hier erneut der Inhalt des ersten Gedankens angeführt werden. Es bedarf der Stärkung bzw. Entstehung eines Datenwertgefühls.

Zweiter Gedanke

In Bezug auf regulatorische Ansätze wird man sich entscheiden müssen: soll ein neues Datenschutzrecht (wie bisher) bereits von Anfang an kontrollierend eingreifen und damit bereits die Ebene der Datenerhebung und –sammlung beeinflussen, oder ist es an der Zeit, gerade vor dem Hintergrund des Phänomens „Big Data“ und der stetig wachsenden Masse an erhobenen Daten, sich mit dem gesetzgeberischen Schutz auf eine andere Ebene zu fokussieren. Die der Datenverarbeitung an sich, der Analyse. Meines Erachtens wird die Abkehr von der ersten Ebene (und damit von Vorgaben wie Datensparsamkeit und Verbotsprinzipien) umso leichter fallen, je eher die Gesellschaft und jede einzelne Person beginnt, sich ihres Datenwertgefühls bewusst zu werden. Ein solcher Prozess kann freilich nicht mit verschränkten Armen herbeigesehnt werden. Bei der Entstehung einer solchen, neuen Sichtweise auf unsere Daten, kann der Gesetzgeber unterstützend eingreifen. So spielen etwa Informationspflichten und Transparenz der Datenverarbeitung eine entscheidende Rolle. Muss Betroffenen proaktiv mitgeteilt werden, was mit ihren Daten geschieht, welche Datenarten dies sind und vor allem wozu, so könnte sich hieraus sogar noch eine bereitwilligere Preisgabe von Daten entwickeln.

Die Verarbeitung

Rohöl wird z. B. in Erdölraffinerien verarbeitet, um daraus begehrte Produkte wie Treibstoffe herzustellen. Auch Daten werden erst durch ihre „Aufbereitung“, durch ihre Analyse und in Bezug setzen mit anderen Daten wertvoll und Wirtschaftsprodukt am Markt. Auch hier besteht jedoch ein Unterschied. Die Aufbereitungs- und Verarbeitungsprozesse von Rohöl sind bekannt. Es gibt zig verschiedene Methoden. In Bezug auf Daten ist deren Analyse und Verarbeitung jedoch meist eines der am besten geschützten Geheimnisse eines Unternehmens.

Dritter Gedanke

Vor allem auf dieser Ebene sollte sich in Zukunft die gesetzgeberische Schutzpflicht in Form von Datenschutzgesetzen wiederfinden. Denn wie bereits erwähnt, liegt in personenbezogenen Daten immer eine potentielle Gefahr. Jedoch manifestiert sie sich  erst auf der Ebene der Datenverarbeitung. Wie auch Frau Kroes richtigerweise in ihrer Rede anmerkt, sollte der Datenfluss und die Möglichkeit auf Daten zuzugreifen (also die erste Ebene der „Förderung“) nicht gesetzlich reguliert werden.

Hier wird es in Zukunft jedoch wohl auch die größten Reibungspunkte zwischen der Wirtschaft und den Behörden bzw. der Politik geben. Denn welcher Weltkonzern, dessen Geschäftskonzept etwa auf einem ganz speziellen Programmcode oder einem Algorithmus beruht wird ohne zu murren einer Datenschutzbehörde freie Einsicht in sein Heiligtum gewähren? Wünschenswert wäre jedoch, dass genau dieser Prozess einsetzt. Notfalls gestützt durch gesetzgeberische Vorgaben. Zudem entstünde ein Synergieeffekt mit dem Datenwertgefühl. Wissen Betroffene, dass der für die Datenverarbeitung Verantwortliche die Grundlagen seiner Analyse (zumindest einem begrenzten Kreis von unabhängigen Experten) offenlegt, so wird auch ein solcher Verhalten die freiwillige Weitergabe von Daten zu diesen Verarbeitungszwecken fördern.

Fazit

Die Entstehung, Förderung und Verarbeitung von Daten und Öl lassen sich bis zu einem gewissen Grad vergleichen, jedoch finden sich auch wichtige Unterschiede, welche meines Erachtens dazu berechtigten (wohl sogar verpflichten), dass Daten als neuer, eigenständiger Rohstoff wahrgenommen werden. Der auch eigene und neue Sichtweisen erfordert, sowohl regulatorisch, als auch gesellschaftlich.

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