Abmahnung bei Datenschutzverstößen: Bundesrat nimmt Stellung und will noch mehr (Update)

Am 4. Februar 2015 hat das Bundeskabinett den Entwurf für ein Gesetz zur Verbesserung der zivilrechtlichen Durchsetzung von verbraucherschützenden Vorschriften des Datenschutzrechts (PDF) beschlossen. Ich berichtete hierzu im Blog. Im Rahmen des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens, hat sich nun auch der Bundesrat mit dem Gesetzesentwurf zu befassen und wird auf seiner nächsten Sitzung am 27. März 2015 über die eigenen Empfehlungen hierzu beraten.

Die Empfehlungen des federführenden Rechtsausschusses, des Ausschusses für Agrarpolitik und Verbraucherschutz, des Ausschuss für Innere Angelegenheiten und des Wirtschaftsausschusses wurden nun veröffentlicht (BR-Drs. 55/1/15, PDF) und bergen einige Überraschungen. Das Dokument enthält die Vorschläge jedes Ausschusses und es werden nicht alle dort aufgeführten Vorschläge in die finale Stellungnahme des Bundesrates aufgenommen, da sich die Vorschläge teilweise auch ausschließen. Dennoch möchte ich nachfolgend auf einige der Empfehlungen der Ausschüsse eingehen, gerade weil auch völlig neue Vorschläge gemacht werden.

Kein genereller Anspruch auf Beseitigung
Der Wirtschaftsausschuss gibt zu bedenken (Ziff. 5), dass bislang kein Bedarf für einen Beseitigungsanspruch im Unterlassungsklagengesetz (UKlag) gesehen wurde und dieser nun im Rahmen des Gesetzesentwurfs neu eingeführt werden soll. Sollte der Beseitigungsanspruch generell und nicht nur spezifisch für Verstöße gegen das Datenschutzrecht eingeführt werden, bestünde vielmehr die Gefahr, dass die Unternehmen in diesem Bereich weitgehenden Forderungen ausgesetzt werden, deren finanzieller und organisatorischer Aufwand in keinem Verhältnis zu der begangenen Verletzung des Verbraucherschutzes stünden.

Erweiterung des Verletzungstatbestandes in § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 11 UKlaG
Der Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz schlägt vor (Ziff. 6), den Wortlaut der vorgeschlagenen Nr. 11 auf jenen des ursprünglichen Referentenentwurfs zu ändern und damit zu erweitern. Es soll dann heißen:

11. die Vorschriften, die für die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener Daten eines Verbrauchers durch einen Unternehmer gelten.

Dem Ausschuss für Verbraucherschutz ist dabei ein Dorn im Auge, dass der Gesetzesentwurf der Bundesregierung den Anwendungsbereich der Nr. 11 grundsätzlich auf Vorschriften beschränkt, „welche die Zulässigkeit regeln“. Zur Begründung führt der Ausschuss aus, dass insbesondere Verstöße gegen die Rechte der betroffenen Verbraucherinnen und Verbraucher auf Benachrichtigung, Auskunft, Berichtigung, Löschung oder Sperrung nach den §§ 33, 34 und 35 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) erfasst werden sollten. Auch die Beschränkung der vorgeschlagenen Nr. 11 auf Datenverarbeitungen zu Zwecken der Werbung, der Markt- und Meinungsforschung, des Betreibens einer Auskunftei, des Erstellens von Persönlichkeits- und Nutzungsprofilen, des Adresshandels, des sonstigen Datenhandels oder zu vergleichbaren kommerziellen Zwecken kritisiert der Ausschuss.

Im Ergebnis strebt man hier also erneut jene unbestimmte Ausweitung der Vorschrift an, die bereits nach Veröffentlichung des Referentenentwurfs kritisiert und im Gesetzesentwurf folgerichtig nicht übernommen wurde.

Dieser Vorschlag des Ausschusses für Verbraucherschutz konkurriert mit einem Vorschlag des Ausschuss für Wirtschaft (Ziff. 7), der darum bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, wie die datenschutzrechtlichen Vorschriften, die für eine Verbandsklage in Betracht kommen sollen, konkretisiert und weiter eingegrenzt werden können. Der im Gesetzesentwurf verwendete Begriff der „vergleichbaren kommerziellen Zwecke“ erscheint nämlich zu weitgehend. Denn haben Unternehmen Kontakt mit Verbrauchern, ist eigentlich per se von einer kommerziellen Verarbeitung von Daten auszugehen. Wäre dann also praktisch jede Datenverarbeitung eines Unternehmens mit Bezug zu einem Verbraucher eine solche für „vergleichbare kommerzielle Zwecke“? Der Anwendungsbereich ist für den Wirtschaftsausschuss damit unklar und stellt für die Unternehmen eine Rechtsunsicherheit dar.

Gefahr paralleler Rechtstreitigkeiten durch Verbraucherverbände und Datenschutzbehörden
Der Innen- als auch der Wirtschaftsausschuss (Ziff. 11) möchten im weiteren Gesetzgebungsverfahren die Pflicht für Gerichte zur Anhörung der zuständigen Datenschutzbehörde um eine Verpflichtung der anspruchsberechtigten Stellen ergänzen. Danach soll die zuständige Datenschutzaufsichtsbehörde bereits vor außergerichtlicher Geltendmachung oder vor Klageerhebung unterrichtet und angehört werden. Die Datenschutzbehörden besitzen schließ0lich auch einen gesetzlichen Beratungsauftrag, auch für Unternehmen (§ 38 Abs. 1 S. 2 BDSG). Dieser Beratungsauftrag sowie das Vertrauen von Unternehmen in die Verbindlichkeit von Aussagen der Datenschutzaufsichtsbehörden würden nach Ansicht der beiden Ausschüsse erheblich geschwächt, wenn Aufsichtsbehörden bei ihrer Beratungstätigkeit keine Kenntnis von etwaigen durch die Verbände eingeleiteten, gleich gelagerten Parallelverfahren hätten.

Neu: Einführung eines allgemeinen Koppelungsverbots im BDSG
Sowohl der Rechtsausschuss als auch der Innenausschuss (Ziff. 12) schlagen völlig unabhängig von dem ursprünglichen Gesetzesentwurf eine Anpassung des § 28 Abs. 3b BDSG vor. Es soll ein allgemeines Koppelungsverbots im Datenschutzrecht eingeführt werden. Derzeit sieht § 28 Abs. 3b BDSG noch vor, dass die verantwortliche Stelle den Abschluss eines Vertrags nicht von einer Einwilligung des Betroffenen abhängig machen darf, wenn dem Betroffenen ein anderer Zugang zu gleichwertigen vertraglichen Leistungen ohne die Einwilligung nicht oder nicht in zumutbarer Weise möglich ist.

Der letzte Teil des Satzes soll nun jedoch gestrichen werden: „Die verantwortliche Stelle darf den Abschluss eines Vertrags nicht von einer Einwilligung des Betroffenen nach Absatz 3 Satz 1 abhängig machen.“

Die mit diesem Vorschlag für die Einführung eines allgemeinen Koppelungsverbots verbundene Einschränkung der Vertragsgestaltungsfreiheit der Unternehmen erscheint für die Ausschüsse gerechtfertigt. Der Vorschlag zur entsprechenden Anpassung des BDSG ist jedoch nicht neu. Bereits im Rahmen der letzten BDSG-Novelle wurde ein solches allgemeines Kopplungsverbot durch den Bundesrat vorgeschlagen (BR-Drs. 4/09), jedoch am Ende nicht in das Gesetz aufgenommen.

Neu: Auskunftsrecht für Betroffene von Persönlichkeitsrechtsverletzungen
Der Rechtsausschuss schlägt zudem apart von den Anpassungen des Gesetzesentwurfs vor (Ziff. 15), dass im weiteren Gesetzgebungsverfahren geprüft werden möge, ob zur Umsetzung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 1. Juli 2014 (Az. VI ZR 345/13) eine Ermächtigungsgrundlage geschaffen werden sollte, aufgrund derer ein von einer im Internet begangenen Persönlichkeitsrechtsverletzung Betroffener gegenüber dem Telemediendienstanbieter Auskünfte über die Nutzerdaten des Persönlichkeitsrechtsverletzers erlangen kann. Der BGH hatte in diesem Urteil entschieden, dass ein Geschädigter mangels datenschutzrechtlicher Ermächtigungsgrundlage im Sinne des § 12 Abs. 2 TMG keinen Anspruch gegenüber einem Online-Bewertungsportal auf Auskunft über Namen und Anschrift desjenigen Nutzers habe, der in dem Portal unwahre und damit unzulässige Tatsachenbehauptungen über ihn aufstellt (hierzu der Kollege Thomas Stadler in seinem Blog). Der Portalbetreiber als Dienstanbieter i. S. d. TMG ist nach der Rechtsprechung daher nicht befugt, ohne die Einwilligung des Nutzers Auskünfte über dessen personenbezogene Daten zu erteilen. Für den Rechtsausschuss ist das Fehlen des Auskunftsanspruchs bedenklich und stellt eine Regelungslücke dar, welche durch den Gesetzgeber geschlossen werden muss.

Fazit
Die Ausschüsse im Bundesrat scheinen den Gesetzesentwurf genutzt zu haben, um nicht nur an dem Entwurf selbst inhaltlich Anpassungen vorzuschlagen, sondern auch noch weitere datenschutzrechtliche Themen, die eventuell schon etwas länger auf der gesetzgeberischen To-Do-Liste stehen, in das Gesetzgebungsverfahren einzuführen. Ob ein solches Vorgehen, unabhängig von der inhaltlichen Diskussion, in jeder Hinsicht begrüßenswert erscheint, mag man positiv oder negativ beantworten. Innenminister de Maizère hat erst letzte Woche angekündigt, dass man die Verhandlungen zur europäischen Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) bis Juni im Rat abschließen möchte, um dann die Verhandlungen mit dem Parlament und der Kommission aufzunehmen. Wenn dann etwa im Jahre 2015 die Datenschutz-Grundverordnung verbindliches Recht in Europa wird, so müssen sich deutsche Regelungen zum Datenschutz an diesen Vorgaben messen lassen und werden aufgrund des Vorrangs des EU-Rechts im Zweifel unwirksam sein. Auch in der DS-GVO soll es etwa Vorgaben für ein Verbandsklagerecht von Verbraucherorganisationen geben. Die genauen Voraussetzungen und die Reichweite des Klagerechts ist derzeit aber noch umstritten. Bestehende deutsche Regelungen, die nun auf die schnelle noch ins Gesetz gegossen werden, würden dann jedoch ihre Wirksamkeit verlieren. Man würde also gesetzliche Vorgaben mit bereits jetzt bekannter Haltbarkeit schaffen. Der Sinn hinter einem solchen Vorgehen erschließt sich mir nicht unbedingt.

Update vom 27.3.2015:
Heute hat der Bundesrat über die oben erwähnten Ausschussempfehlungen abgestimmt. In der angenommenen Stellungnahme des Bundesrates (BR-Drs. 55/15(B)) sind die von mir oben angesprochenen Änderungswünsche, insbesondere die „Rückkehr“ zum Referentenentuwrf, das Kopplungsverbot und der Vorschlag zur Einführung eines Auskunftsanspruchs im TMG, enthalten. Es bleibt abzuwarten, wie und ob die vom Bundesrat vorgeschlagenen Änderungen im weiteren Gesetzgebungsverfahren Bestand haben werden.

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