Schwedische Datenschutzbehörde: E-Mail-Kommunikation mit Informationen zur Optimierung oder Personalisierung eines kostenpflichtigen Online-Dienstes ist nicht „notwendig“ zur Vertragserfüllung (Art. 6 Abs. 1 b) DSGVO) – sondern Direktmarketing

In einer Entscheidung (PDF) vom 1. April 2022 musste sich die schwedische Datenschutzbehörde (IMY) mit der Beschwerde eines Kunden eines Online-Dienstes für den digitalen Vertrieb von Zeitungen und Zeitschriften befassen.

Sachverhalt

Der Beschwerdeführer meldete sich als Kunde an und lehnte am selben Tag über sein Benutzerkonto ab, in Zukunft E-Mails von dem Unternehmen zu erhalten. Dennoch erhielt er mehrere E-Mails von dem Unternehmen. Nachdem sich der Beschwerdeführer an den Kundendienst des Unternehmens gewandt hatte, wurde der Versand von E-Mails eingestellt.

Das Unternehmen gibt an, dass es zwischen Mailings, die auf einem Vertrag beruhen, und Mailings zu Marketingzwecken, die auf einem berechtigten Interesse beruhen, einen Unterschied macht. Die E-Mails, die der Beschwerdeführer erhielt, dienten der Kommunikation mit dem Nutzer über den Dienst und haben den Vertrag als Rechtsgrundlage. Die E-Mails waren Teil der Begrüßungsroutine für neu registrierte Nutzer. Der Zweck bestehe darin, dem Nutzer zu erklären, wie der Dienst funktioniert und welche Funktionen er enthält. Das Unternehmen ist der Ansicht, dass die personenbezogenen Daten nicht zu Marketingzwecken verarbeitet wurden und dass die Verarbeitung auf Grundlage des Vertrages mit dem Beschwerdeführer und, hilfsweise, auf berechtigten Interessen beruht.

Entscheidung

IMY hatte zu beurteilen, ob die Verarbeitung auf Art. 6 Abs. 1 b) DSGVO gestützt werden kann. Notwendig ist dafür, dass die Verarbeitung für die Erfüllung eines Vertrags, dessen Vertragspartei die betroffene Person ist, oder zur Durchführung vorvertraglicher Maßnahmen erforderlich ist, die auf Anfrage der betroffenen Person erfolgen.

IMY stellt fest, dass mehrere der E-Mails Informationen darüber enthielten, wie der Beschwerdeführer den Dienst entsprechend seinen persönlichen Interessen weiter optimieren und personalisierte Empfehlungen auf der Grundlage seines Leseverhaltens erhalten kann.

Das Unternehmen teilte Kunden auch mit, dass es personalisierte Inhalte anbietet. Nach Ansicht von IMY kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass ein durchschnittlicher Nutzer dies als notwendigen Bestandteil des Dienstes versteht oder wahrnimmt.

Ein weiteres Argument von IMY gegen den Vertrag als Rechtsgrundlage:

Die Tatsache, dass das Unternehmen auch die Möglichkeit bietet, sich von solchen E-Mails abzumelden, deutet darauf hin, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten nicht für die Erfüllung des Vertrags erforderlich war.“

Die Aufsichtsbehörde argumentiert hier also mit der faktischen Umsetzung durch das Unternehmen. Ein Widersprich gegen eine Verarbeitung auf Grundlage von Art. 6 Abs. 1 b) DSGVO wäre ja nicht möglich. Wenn das Unternehmen dies aber ggü. Kunden dennoch anbietet und umsetzt, spricht dies nach Ansicht der Aufsichtsbehörde dafür, dass eine andere Rechtsgrundlage einschlägig ist.

IMY verlangt (wie in der Vergangenheit insb. auch der EDSA), dass der für die Verarbeitung Verantwortliche nachweist, dass der Hauptzweck des konkreten Vertrags in der Praxis nicht erreicht werden kann, wenn die fragliche Verarbeitung nicht durchgeführt wird. Die Aufsichtsbehörde folgt hier also einer sehr strengen Auslegung des Erforderlichkeitsmerkmals in Art. 6 Abs. 1 b) DSGVO.

Nach Auffassung der IMY bestand die durch Geld erworbene Dienstleistung hier aber nur darin, Zeitungen und Zeitschriften digital zu lesen, was der Hauptzweck des Vertrags sei.

Daher begründete IMY:

„… die E-Mails, die der Beschwerdeführer mit individuell zugeschnittenem Inhalt erhalten hat, sind nicht objektiv notwendig, um den Hauptzweck des Vertrags zu erfüllen, d. h. die Bereitstellung eines digitalen Zeitungs- und Zeitschriftenabonnements. IMY ist der Ansicht, dass diese E-Mails nicht auf Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b DSGVO gestützt werden können.“

Nach Ansicht von IMY dienen die E-Mails in erster Linie dazu, den Zugang zu und die Erfahrung mit dem Dienst zu verbessern. Jedoch eben gerade nicht dem Hauptzweck des Vertrages. Die Verwendung der Daten zur Information über individuell angepasste Inhalte stelle daher Direktmarketing dar.

Fazit

Eine solche Argumentation kann (meiner Meinung nach) Auswirkungen auf andere ähnliche Geschäftsmodelle haben, wenn weitere Datenschutzbehörden ebenfalls eine so strenge Auffassung vertreten. Die strenge Interpretation liegt, dass muss man zugestehen, auf der bisherigen Linie des EDSA und jüngst wohl auch des EuGH.

Sollten Unternehmen Funktionen wie eine Personalisierung anbieten und die damit zusammenhängende Verarbeitung auf Grundlage von Art. 6 Abs. 1 b) DSGVO begründen wollen, wäre als Folge aus dieser Entscheidung in jedem Fall ein konsistentes Vorgehen und entsprechende Begründung hinsichtlich der Betroffenenrechte wichtig. Wenn die Rechtsgrundlage der Art. 6 Abs. 1 b) DSGVO ist, gibt es keine Widerspruchsmöglichkeit nach Art. 21 DSGVO. Ob man dennoch eine Widerspruchsmöglichkeit einräumt, bleibt natürlich Unternehmen überlassen. In diesem Fall ist eine solche Umsetzung dann auf der juristischen Ebene quasi „zum Boomerang“ geworden.

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