Bundesregierung zum Safe Harbor-Urteil: Einwilligung und Standardvertragsklauseln weiter möglich

Wie geht es mit Datentransfers nach Amerika nach dem sog. „Safe Harbor-Urteil“ des Europäischen Gerichtshofs weiter? In der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE im Deutschen Bundestag (BT-Drs. 18/7134, PDF) setzt sich die Bundesregierung mit den Auswirkungen der Safe Harbor-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 6. Oktober 2015 auseinander und legt insbesondere ihre Ansicht zu Rechtmäßigkeit von Datenübermittlung auf der Grundlage alternativer, gesetzlich vorgesehene Mechanismen dar.

Richtigerweise stellt die Bundesregierung unter anderem klar, dass für Datenübermittlungen in die USA (nach der Ungültigkeit von Safe Harbor) alternative Rechtsgrundlagen in Betracht kommen.

Dies sind neben vertraglichen Regelungen wie den Standardvertragsklauseln verbindliche Unternehmensregelungen oder die in der Richtlinie 95/46 EG bzw. § 4c des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) genannten Ausnahmetatbestände.

Derzeit verhandelt die europäische Kommission mit der amerikanischen Regierung über eine Nachfolgeregelung zu Safe Harbor. Die europäischen Datenschutzbehörden haben den Verhandlungsparteien eine Frist bis Anfang Februar 2016 gesetzt. Danach, so die Aufsichtsbehörden, würden internationale Transfer in die USA verstärkt kontrolliert werden. In ihrer Antwort legt die Bundesregierung dar, dass sie das Ziel der Europäischen Kommission, zeitnah ein neues Safe-Harbor-Abkommen zu erreichen, um Rechtssicherheit sowohl für Verbraucher als auch für die Wirtschaft zu schaffen, unterstützt. Zudem ist sie der Auffassung, dass eine Nachfolgeregelung für Safe Harbor durchaus möglich ist, wenn diese den Maßstäben des Europäischen Gerichtshofs gerecht wird.

Mit Blick auf die behördliche Kontrolle und Durchsetzung des Datenschutzrechts verweist die Bundesregierung hinsichtlich der personellen, materiellen und finanziellen Ausstattung der Landesdatenschutzbehörden auf die Zuständigkeit der Länder. Was die Bundesbeauftragte für den Datenschutz betrifft, so ist die Bundesregierung der Ansicht,

dass die Bundesbeauftragte für Datenschutz und die Informationsfreiheit finanziell, personell und technisch ausreichend ausgestattet ist.

Zudem äußert sich die Bundesregierung zu den Anforderungen an eine datenschutzrechtliche Einwilligung für Datentransfers nach Amerika. Eine solche, ohne Zwang, für den konkreten Fall und in Kenntnis der Sachlage erteilte Einwilligung der betroffenen Person, ermöglicht eine Übermittlung personenbezogener

Daten in Drittstaaten, in denen kein angemessenes Datenschutzniveau im Sinne der europäischen Datenschutzrichtlinie gewährleistet ist. Aus diesem Grund sieht die Bundesregierung keine Veranlassung,

die gesetzlichen Reglungen über die Einwilligung bei der Übermittlung von personenbezogenen Daten in Drittstaaten zu ändern. Datenschutzrechtliche Einwilligung ist also auch nach Ansicht der Bundesregierung in Zukunft ein taugliches Mittel, um Datentransfers nach Amerika zu legitimieren.

Die Fragesteller möchten zudem wissen, ob die Bundesregierung eine Gesetzesinitiative plane, um dem Urteil des Gerichts entsprechend, den Datenschutzbehörden ein Klagerecht gegen (Angemessenheits-) Entscheidungen der Kommission einzuräumen. Eine solche mögliche Gesetzesänderung möchte die Bundesregierung, insbesondere im Zusammenhang mit den erforderlichen Rechtsänderungen nach dem Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung, überprüfen.

Des Weiteren ist die Bundesregierung der Auffassung,

dass die EU-Standardvertragsklauseln sowie die verbindlichen Unternehmensregeln (BCRs) weiterhin als Rechtsgrundlage für einen legalen Datentransfer in die USA verwendet werden können.

Zudem führt sie aus, dass die Standardvertragsklauseln nur vom EuGH für ungültig oder nichtig erklärt werden können. Die jeweils zuständigen Datenschutzbehörden können die Rechtmäßigkeit einer Datenübermittlung auf der Grundlage alternativer Instrumente im Einzelfall aber jederzeit überprüfen.

Von einer raschen Überarbeitung der derzeit geltenden Standardvertragsklauseln geht die Bundesregierung nicht aus. Vielmehr ist sie der Ansicht, dass die Europäische Kommission nach Erlass der Datenschutz-Grundverordnung die Standardvertragsklauseln überprüfen wird.

Auch auf mögliche Auswirkungen des Urteils auf  TTIP und CETA geht die Bundesregierung ein. Hierbei verweist sie darauf, dass die Europäische Kommission in ihrer handelspolitischen Strategie

Bekräftigt habe, dass Vorschriften über die Verarbeitung personenbezogener Daten nicht Gegenstand der Verhandlungen über Handelsabkommen sind und von diesen nicht berührt werden. Nach Auffassung der Bundesregierung hat das Safe Harbor-Urteil daher keine konkreten Konsequenzen für die Verhandlungen über TTIP oder CETA.

OLG Frankfurt: Einsatz von Cookies für Werbezwecke erfordert kein Opt-in

Das OLG Frankfurt am Main hat mit Urteil vom 17.12.2015 (Az.: 6 U 30/15) über die Wirksamkeit der im Rahmen eines Gewinnspiels im Internet eingeholten Einwilligung in die Datenverarbeitung für Werbezwecke mittels Cookies entschieden. (Hinweis: JBB Rechtsanwälte waren an dem Rechtsstreit als Verfahrensbevollmächtigte beteiligt).

Das Urteil ist insbesondere deshalb interessant, weil es sich unter anderem mit der Frage auseinandersetzt, ob die sogenannte ePrivacy- oder Cookie-Richtlinie (RL 2002/58/EG in der Fassung der RL 2009/136/EG, PDF) und deren Vorgaben zur Einwilligung beim Einsatz von Cookies in Deutschland unmittelbar anwendbar sind. Diese Frage ist seit Jahren umstritten.

Ausgangslage

Im ursprünglichen Verfahren hat ein Verbraucherschutzverband gegen den Veranstalter eines Gewinnspiels im Internet geklagt. Angegriffen wurde hierbei unter anderem eine Einwilligungserklärung, in der sich Teilnehmer des Gewinnspiels damit einverstanden erklärten, dass nach ihrer Registrierung ein Cookie gesetzt wird, über das eine Auswertung des Surf- und Nutzungsverhaltens auf Webseiten von Werbepartnern und eine Verwendung für interessengerechte Werbung ermöglicht werden.

In der Einwilligungserklärung, die mittels eines bereits angekreuzten Kästchens (opt-out) eingeholt wurde, fand sich zudem ein Link auf weitere Informationen zum Einsatz des  Cookies und der damit zusammenhängenden Datenverarbeitung.

Urteil

Der vom Verbraucherschutzverband geltend gemachte Unterlassungsanspruch (§ 1 UKlaG) gegen die Einwilligungserklärung wurde vom OLG zurückgewiesen.

Die Einwilligungserklärungen qualifizierte das Gericht als eine Allgemeine Geschäftsbedingung und war damit nach Auffassung des Senats auch einer Inhaltskontrolle (§ 307 BGB) zugänglich. Jedoch verstößt die Einwilligungserklärung gegen keine der insoweit maßgeblichen gesetzlichen Vorgaben der §§ 4a, 28 Abs. 3a BDSG sowie §§ 13 Abs. 2, 15 Abs. 3 TMG).

Dies gilt, so das OLG, auch dann, wenn man diese Vorschriften nach Ablauf der Umsetzungsfrist der Neuregelung des Artikel 5 Abs. 3 ePrivacy-Richtlinie richtlinienkonform auslegen möchte.

Opt-out ausreichend

Das Gericht stellt fest, dass den genannten datenschutzrechtlichen Vorschriften das Erfordernis einer ausdrücklich erteilten Einwilligung (opt-in) nicht zu entnehmen ist. Vielmehr kann die Einwilligung auch dadurch erklärt werden, dass der Nutzer einen bereits gesetzten Haken in einem Kästchen nicht entfernt (opt-out). Das Gericht verweist hierzu auf das sogenannte Payback-Urteil des Bundesgerichtshofs.

Ohne Erfolg berief sich der Verbraucherschutzverband darauf, dass nach Ablauf der Umsetzungsfrist der ePrivacy-Richtlinie das nationale Recht richtlinienkonform dahingehend ausgelegt werden müsste, dass ein solches Opt-Out Verfahren nicht ausreiche. Art. 5 Abs. 3 ePrivacy-Richtlinie enthält nämlich keine Regelung, die ein Ort in Verfahren zwingend vorschreiben würde. Danach haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass die Speicherung von Informationen oder der Zugriff auf Informationen, die bereits im Endgerät eines Teilnehmers oder Nutzers gespeichert sind, nur gestattet ist, wenn der betreffende Teilnehmer oder Nutzer auf der Grundlage von klaren und umfassenden Informationen, die er gemäß der Richtlinie 95/46/EG u. a. über die Zwecke der Verarbeitung erhält, seine Einwilligung gegeben hat. Hierzu das Gericht:

Dort ist jeweils nur von der klaren und umfassenden bzw. verständlichen Information die Rede, die dem Nutzer vor Abgabe der Einwilligungserklärung gegeben werden muss. Dem steht ein „opt-out“-Verfahren nicht generell entgegen.

Zudem, lässt sich zusätzlich anführen, dass der Begriff der „Einwilligung“ in der ePrivacy-Richtlinie genau derselbe ist wie in der europäischen Datenschutzrichtlinie (RL 95/46/EG) (vgl. Art. 2 f) ePrivacy-Richtlinie).

Der Verbraucherschutzverband argumentierte zudem mit einer Stellungnahme der europäischen Art. 29 Datenschutzgruppe vom 8.12.2011. Dabei handelt es sich aber nach Auffassung des Gerichts

nur um eine unverbindliche Meinungsäußerung dieses Beratungsgremiums.

Dieser Meinungsäußerung folgt das OLG Frankfurt nicht. Zwar fordert die Art. 29 Datenschutzgruppe eine „bejahende Handlung“ des Nutzers, durch die das Setzen des Cookies und die danach erfolgende Datenverarbeitung akzeptiert werden müsse. Dies beziehe sich jedoch nicht auf die Frage, ob eine Einwilligungserklärung auch im Rahmen des Opt-Out-Verfahrens eingeholt werden kann.

Möglichkeit der Verweigerung

Zudem stellt das OLG fest, dass der durchschnittliche Internetnutzer heute weiß, dass er ein Häkchen in einem Kästchen durch Anklicken des Feldes entfernen und damit seine Einwilligung verweigern kann. Ein ausdrücklicher Hinweis auf diese Möglichkeit ist daher nicht erforderlich.

Hervorhebung der Einwilligungserklärung

Auch ist es nicht unzulässig, dass wesentliche Informationen zum Einsatz des Cookies unter Datenverarbeitung nicht schon in der Einwilligungserklärung selbst, sondern erst in der verlinkten Erläuterung erteilt werden. Zwar verlangt § 28 Abs. 3a S. 2 BDSG hier, dass die Einwilligung „in drucktechnisch deutlicher Gestaltung besonders hervorzuheben“ ist. Dies war jedoch der Fall. Denn die besondere Hervorhebung bezieht sich nur auf die Einwilligungserklärung selbst, und nicht auf die weiteren erläuternden Informationen, die durchaus (über einen deutlich gekennzeichneten Link) auf einer weiteren Informationsebene erteilt werden können.

Auch inhaltlich beanstandete das OLG Frankfurt die Einwilligungserklärung nicht. Insbesondere würden die Funktionen des Cookies richtig herausgestellt werden. Dabei müssen sich die Anforderungen an die erforderlichen Informationen für den Nutzer (wenn sie denn ihren Sinn erfüllen sollten) auch an der Fähigkeit und Bereitschaft des Nutzers orientieren, sich mit diesen Fragen überhaupt tatsächlich zu befassen.

Fazit

Die Frage, ob die ePrivacy-Richtlinie in Deutschland tatsächlich umgesetzt wurde oder nicht, stellt das OLG nicht. Selbst bei einer richtlinienkonform Auslegung der Richtlinie würde die Einholung einer Einwilligung für Werbezwecke im Rahmen eines Opt-Out-Verfahrens genügen. Die ausdrückliche Erteilung der Einwilligung (etwa durch aktives Ankreuzen eines Kästchens) ist also beim Einsatz von Cookies für Werbezwecke nicht erforderlich.

USA: Strafzahlung wegen falschen Informationen zur Datenverschlüsselung

Die amerikanische Federal Trade Commission (FTC) hat sich mit dem Anbieter einer Verwaltungssoftware für Zahnärzte auf eine Strafzahlung von 250.000 Dollar geeinigt. In einer Pressemitteilung vom 5. Januar 2016 gab die FTC bekannt, dass der Softwareanbieter sein Produkt, mit dem unter anderem auch Patientendaten verarbeitet werden können, für mehrere Jahre mit der Eigenschaft bewarb (u.a. in Broschüren und Newslettern), dem Industriestandard entsprechende Verschlüsselungsverfahren einzusetzen. Zudem sollten hierdurch gesetzliche Anforderungen an den Umgang mit Patientendaten des Health Insurance Portability and Accountability Act (HIPAA) eingehalten werden können.

Nach Auffassung der FTC war dem Softwareanbieter jedoch bekannt, dass in der Software ein weniger komplexes Verschlüsselungsverfahren als jenes des Advanced Encryption Standard (AES) zum Einsatz komme, welches jedoch durch das National Institute of Standards and Technology (NIST) (einer Bundesbehörde, die sich um Standardisierungsprozesse kümmert) gerade als Industriestandard empfohlen werde.

Auch in Deutschland verlangt etwa § 9 BDSG in Verbindung mit der Anlage zu § 9 Satz 1 BDSG, dass bei der Verarbeitung personenbezogener Daten Maßnahmen zu treffen sind, die je nach der Art der zu schützenden personenbezogenen Daten oder Datenkategorien geeignet sind, die Daten technisch etwa gegen unbefugten Zugriff oder eine unbefugte Weitergabe zu schützen. Das BDSG führt als Beispiel einer solchen Maßnahme insbesondere die Verwendung von dem Stand der Technik entsprechender Verschlüsselungsverfahren an. Speziell im Bereich des Internets oder von Apps findet sich eine ähnliche Regelung in § 13 Abs. 7 TMG. Zu beachten ist jedoch, dass diese Maßnahmen jeweils unter einer Verhältnismäßigkeitsvorbehalt stehen und die Verschlüsselung nicht gesetzlich verpflichtend (etwa als Minimumvoraussetzung) vorgeschrieben wird (hierzu auch ein Beitrag von Adrian Schneider).

Unabhängig davon könnte ein Verhalten, wie jenes des Softwareanbieters in den USA, in Deutschland durch Mitbewerber angegriffen werden, wenn der Anbieter Verbraucher (Zahnärzte würden im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit nicht hierunter fallen) bewusst über eine besondere Verschlüsselungseigenschaft seines Produkts täuscht. Nach § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG liegt z.B. eine sog. irreführende geschäftliche Handlung vor, wenn sie unwahre Angaben über die wesentlichen Merkmale der Ware wie Vorteile, Zwecktauglichkeit oder Beschaffenheit enthält. Dies würde eine unzulässige unlautere geschäftliche Handlung darstellen (§ 3 Abs. 1 UWG), die etwa mit einem Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 UWG angegriffen werden kann.

Dem Grunde nach ist das Ergebnis ja einleuchtend: man darf nicht mit falschen Produkteigenschaften werben. Interessant ist in diesem Zusammenhang eher die Frage danach, was denn dem „Stand der Technik“ entsprechende Verschlüsselungsverfahren sind, mit denen ein Produkt beispielsweise beworben wird. Etwa allein AES? Sind in der Praxis bewährte Verfahren ausreichend? Diesbezüglich bestünde im Streitfall sicherlich Argumentationsspielraum.

Die Datenschutz-Grundverordnung kommt. Und ich habe eine Frage.

Nachdem sich gestern in den Trilogverhandlungen zur Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) die Verhandlungsparteien auf einen gemeinsamen Text geeinigt haben, der Anfang kommenden Jahres vom europäischen Parlament und dem Rat bestätigt werden muss, stellen sich in den nächsten Monaten sicherlich viele Fragen.

Für den Moment möchte ich jedoch eine einzige Frage stellen, die mir bisher niemand beantworten konnte: wann gilt in Zukunft welches nationale Datenschutzrecht in Europa?

Man mag sich denken, dass diese Frage völlig überflüssig ist, da es ja mit der DS-GVO ein in allen Mitgliedstaaten unmittelbar anwendbares Gesetz geben wird. Jedoch wissen wir mittlerweile auch, dass die DS-GVO an vielen (insbesondere auch aus Sicht der Praxis) relevanten Stellen Öffnungsklauseln vorsieht und es den Mitgliedstaaten erlaubt, nationale Regelungen für bestimmte Bereiche zu schaffen. Als Beispiel sei hier etwa die Festlegung einer Altersgrenze bei der Einwilligung von Minderjährigen (zwischen 13 und 16 Jahren) genannt oder auch die Frage der Bestellpflicht für Datenschutzbeauftragte in den Fällen, die in der Verordnung nicht aufgelistet sind.

Die DS-GVO beantwortet in ihrem Art. 3 verständlicherweise allein die Frage, wann sie selbst Anwendung findet. Jedoch findet sich keine Regelung dazu, wann neben der DS-GVO weiterhin bestehendes und von ihr ja sogar vorausgesetztes nationales Datenschutzrecht Anwendung findet.

Wird es in Zukunft also so sein, dass jeder Mitgliedstaat frei nach seinem Belieben entscheiden kann, wann sein nationales Datenschutzrecht und damit auch die benannten Spezifikationen auf der Grundlage der Öffnungsklauseln der DS-GVO gelten? Von welchen Kriterien soll dies abhängen? Reicht eine Niederlassung in dem Mitgliedstaat? Reicht es aus, dass Dienste in dem Mitgliedstaat angeboten werden, in deren Rahmen personenbezogene Daten verarbeitet werden?

Auf die derzeit bestehende Regelung in der Datenschutzrichtlinie 95/46 (Art. 4), die genau diese Frage regeln soll, könnte man sich in Zukunft nicht berufen, da diese Richtlinie ja in Gänze aufgehoben wird.

Ein „einheitliches Datenschutzrecht“ würde damit für viele wichtige Bereiche in weite Ferne rücken.

Verhandlungen zur Datenschutz-Grundverordnung: offene Punkte und vorläufige Einigungen

Bis zum Ende des Jahres 2015 möchten die Europäische Kommission, das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union die sogenannten Trilog-Verhandlungen zur europäischen Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) abschließen. Seitdem der Trilog begonnen hat, wurden nur wenige Schriftstücke aus den Verhandlungen veröffentlicht bzw. geleakt. Nun hat die Plattform statewatch.org zwei neuere Dokumente des Rates (jeweils Stand vom 20. November 2015) veröffentlicht.

Vorläufig erzielte Kompromisse

Ein Dokument (pdf) befasst sich mit den bis zum 20. November 2015 zwischen den drei Verhandlungsparteien erzielten Kompromissen. Zudem enthält das Dokument Vorschläge der Ratspräsidentschaft für einige noch offene Punkte.

Betrachtet man das (immerhin 372 Seiten lange) Dokument, so fällt auf, dass Kompromisse vor allem für Artikel bzw. Themengebiete gefunden wurden, die man umgangssprachlich nicht als die „dicken Bretter“ bezeichnen würde. Dieses freilich nicht verwunderlich, da man sich in den Verhandlungen sicherlich zunächst mit solchen Themenkomplexen befasst hat, bei denen die geringsten Meinungsverschiedenheiten zu erwarten sind.

So hat man sich etwa darauf geeinigt, die sogenannte Haushaltsausnahme, also jene Vorschrift die bestimmt, wann die Datenschutz-Grundverordnung in Zukunft im Rahmen einer Datenverarbeitung für private Zwecke nicht anwendbar sein soll, nur dann eingreifen zu lassen, wenn die in Rede stehende Datenverarbeitung ausschließlich für persönliche Zwecke durchgeführt wird. In Zukunft dürfte es für die Inanspruchnahme der Ausnahmeregelung daher nicht ausreichen, dass mit einer Datenverarbeitung auch (!) private Zwecke verfolgt werden. Vor allem im Abschnitt der sich mit Zusammenarbeit der nationalen Datenschutzbehörden untereinander befasst, konnte man ebenfalls vorläufige Einigungen erzielen. Nicht einigen konnte man sich bisher hingegen auf die Höhe bzw. den möglichen Rahmen für zukünftige Bußgelder bei rechtswidrigen Datenverarbeitung.

Offene Punkte

Das zweite veröffentlichte Dokument (pdf) betrifft die wichtigsten noch offenen Punkte. In diesem Dokument schlägt die Ratspräsidentschaft den Mitgliedstaaten zu verschiedenen Themen ein bestimmtes Vorgehen vor und bittet um eine Rückmeldung hinsichtlich der vorgeschlagenen Lösungswege.

Zu den noch offenen Diskussionsfeldern gehört nach dem Dokument unter anderem die Frage, inwieweit die Datenschutz Grundverordnung auch für EU-Institutionen gelten soll. Die Kommission und der Rat möchten die Institutionen vom Anwendungsbereich der Datenschutz-Grundverordnung ausnehmen. Das Parlament ist für deren Einbeziehung.

Bekanntlicherweise sollen in der Datenschutz-Grundverordnung Öffnungsklauseln geschaffen werden, die es den Mitgliedstaaten erlauben würden, für bestimmte Bereiche bzw. bestimmte Datenverarbeitungsprozesse spezifische nationale Regelung zu schaffen. Vor allem der Rat möchte eine solche Öffnungsklausel in Art. 1 Abs. 2a DS-GVO vorsehen. In dem Dokument wird nun vorgeschlagen, die Ratsposition beizubehalten, obwohl das Parlament den entsprechenden Artikel anpassen möchte. Dem Parlament ist vor einigen an einer Konkretisierung dahingehend gelegen, dass nationale Vorschriften die Vorgaben der DS-GVO nicht ändern bzw. anpassen sondern nur konkretisieren bzw. spezifizieren können. Die Ratspräsidentschaft schlägt vor, Art. 1 Abs. 2a DS-GVO in einen neuen Art. 6 Abs. 2a DS-GVO zu verschieben. Jedoch keine inhaltlichen Änderungen am Vorschlag des Rates vorzunehmen.

Ein weiterer offener Themenkomplex ist die Frage, inwieweit die den nationalen Datenschutzbehörden zustehenden hoheitlichen Befugnisse und der Umfang der potentiellen Maßnahmen innerhalb der DS-GVO geregelt werden sollen oder ob die Mitgliedstaaten jeweils national den Umfang der Maßnahmen bestimmen können dürfen.

Im Anwendungsbereich der Datenschutz-Grundverordnung sollen in Zukunft Verbände die Möglichkeit haben, betroffene Personen gegenüber Datenschutzbehörden bzw. datenverarbeitenden Stellen zu vertreten und auch deren Rechte durchzusetzen. In den Verhandlungen besteht noch Uneinigkeit darüber, inwieweit Verbände oder andere Organisationen im Namen der Betroffenen auch Schadensersatzansprüche geltend machen können. Das Parlament ist für eine solche Möglichkeit. Der Rat möchte dies nur gestatten, soweit nationale Vorschriften die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen für den Betroffenen erlauben.

Ausblick

Nach dem Ratsdokument werden die nächsten Trilog- Verhandlungen am 10. Dezember 2015 stattfinden. Die Ratspräsidentschaft bekräftigt noch einmal ihre Intention, bis zum Ende des Jahres die Verhandlungen abzuschließen.

Wer auch im Dezember nicht auf Informationen zur Datenschutz-Grundverordnung und möglichen künftigen Regelungen verzichten möchte, den lade ich gerne dazu ein, an jedem Tag zwischen dem 1. und 24. Dezember eine Tür des EUDataP- Weihnachtskalenders zu öffnen. Dort werde ich jeden Tag einen kleinen Beitrag zur Datenschutz-Grundverordnung veröffentlichen.

Europäische Kommission veröffentlicht ihre Analyse des Safe Harbor-Urteils

Heute hat die Europäische Kommission in einer Mitteilung (PDF) ihre Analyse des Safe Harbor-Urteils des europäischen Gerichtshofs veröffentlicht.

Neue Erkenntnisse oder Informationen zu den rechtlichen Möglichkeiten für Datentransfers in die USA finden sich in der Position kaum. Zumeist verweist die Kommission auf Stellungnahmen der Art. 29 Datenschutzgruppe. Einige Kernpunkte des Papiers möchte ich nachfolgend dennoch ansprechen:

Standardvertragsklauseln

Mit Blick auf den Einsatz von Standardvertragsklauseln (welche durch die Europäische Kommission auf der Grundlage von Art. 26 Abs. 4 der Datenschutzrichtlinie erlassen wurden und „ausreichende Garantien“ im Sinne von Art. 26 Abs. 2 der Datenschutzrichtlinie darstellen) stellt die Kommission fest, dass nationale Datenschutzbehörden dem Grunde nach verpflichtet sind, diese als rechtmäßige Möglichkeit eines Datentransfers in einen Drittstaat zu akzeptieren. Der Grund hierfür ist die rechtliche Verbindlichkeit von Kommissionsentscheidungen in den Mitgliedstaaten.

Weiterhin stellt die Kommission fest, dass Datenschutzbehörden Datentransfers auf der Grundlage von Standardvertragsklauseln nicht mit der Begründung untersagen dürfen, dass die Standardvertragsklauseln keine ausreichenden Garantien bieten würden. Denn genau dies hat die Europäische Kommission verbindlich festgestellt. Natürlich ist es den nationalen Datenschutzbehörden unbenommen, Datentransfers auf der Grundlage der Standardvertragsklauseln auf ihre Rechtmäßigkeit (gerade mit Blick auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs) zu prüfen. Sollten seitens der Datenschutzbehörde Zweifel bestehen, legt die Kommission in ihrer Mitteilung nahe, dass die nationalen Behörden einen solchen Sachverhalt vor ein nationales Gericht zu Prüfung bringen sollten, damit dieses wiederum die Frage der Rechtmäßigkeit des Datentransfers und damit implizit auch der zugrunde liegenden Standardvertragsklauseln zum Europäischen Gerichtshof vorlegen kann.

Daneben weist die Europäische Kommission darauf hin, dass verantwortliche Stellen in der EU natürlich zusätzliche (auch vertragliche) Garantien vorsehen können. Dies gerade in den Fällen, wenn sie Informationen dazu erhalten, dass das Rechtssystem im Drittstaat die datenimportieren Stelle an der Erfüllung ihrer vertraglichen Pflichten aus den Standardvertragsklauseln hindern könnte.

Ausnahmeregelungen

Zudem befasst sich die Mitteilung der Europäischen Kommission mit den gesetzlichen Ausnahmeregelungen (Art. 26 Abs. 1 der Datenschutzrichtlinie). Hier weist die Europäische Kommission darauf hin, dass die datenexportierende Stelle gerade nicht dazu verpflichtet ist, dafür Sorge zu tragen, dass die importierende Stelle ausreichende Garantien mit Blick auf den Schutz personenbezogener Daten bietet. Denn die Ausnahmeregelungen gelten ja gerade für den Fall, dass ausreichende Garantien nicht existieren.

Kompetenzen der nationalen Datenschutzbehörden

Auch wenn die Europäische Kommission mehrmals darauf hinweist, dass nationale Datenschutzbehörden in völliger Unabhängigkeit handeln können und auch müssen, so stellt sie in ihrer Mitteilung dennoch ausdrücklich fest, dass die Datenschutzbehörden Datentransfers auf der Grundlage einer Angemessenheitsentscheidung der Kommission oder einer Entscheidung über das Vorhandensein ausreichender Garantien (wie Standardvertragsklauseln), im Rahmen von Beschwerden nur auf ihre Rechtmäßigkeit hin nur überprüfen(!) dürfen. Jedoch, so die Kommission, dürfen die nationalen Datenschutzbehörden in einem solchen Fall keine verbindliche Entscheidung treffen, sondern die Mitgliedstaaten müssen in einem solchen Fall ein Klagerecht für Datenschutzbehörden vorsehen, damit das Verfahren vor ein nationales Gericht gebracht werden kann.

The DPAs remain competent to examine claims within the meaning of Article 28(4) of Directive 95/46/EC that the data transfer complies with the requirements laid down by the Directive (as interpreted by the Court of Justice), but cannot make a definitive finding. (S. 14)

Weitere Auswirkungen des Urteils

Zuletzt kündigt die Kommission an das sie vor dem Hintergrund des Urteils alle bestehenden Angemessenheitsbeschlüsse für Drittstaaten (unter anderem Argentinien, Kanada, Israel und Schweiz) überprüfen werde und insbesondere jene Klauseln in den Angemessenheitsentscheidung anpassen wird, die der europäische Gerichtshof im Rahmen des Safe Harbor-Urteils für ungültig erklärt hat. Hierbei bezieht sich die Kommission auf Vorschriften, die die Ausübung der Kompetenzen der nationalen Datenschutzbehörden unter bestimmte Voraussetzungen stellen.

Deutsche Datenschutzbehörden veröffentlichen Orientierungshilfe für den Datenschutz bei Smart-TVs

Die Aufsichtsbehörden für den Datenschutz im nicht-öffentlichen Bereich (Düsseldorfer Kreis) haben eine Orientierungshilfe zu den Datenschutzanforderung an Smart-TV-Dienste veröffentlicht (pdf, Stand: September 2015). Diese Orientierungshilfe richtet sich, so das Papier, an Anbieter von Smart-TV-Diensten und -Produkten. Hierzu gehören unter anderem Gerätehersteller App-Anbieter und Anbieter von HbbTV-Angeboten.

Nachfolgend möchte ich einen kurzen Überblick über einige in dem Papier behandelte Themen geben.

Was sind personenbezogene Daten?

Die Aufsichtsbehörden nennen in dem Papier Beispiele für ihrer Auffassung nach personenbezogene Daten im Umfeld von Smart-TVs. Hierzu gehören die IP-Adresse des Nutzers und Geräte-IDs, die dauerhaft mit dem Gerät verbunden sind. Nach Ansicht der Behörden ist hierbei unerheblich, dass eventuell mehrere Personen ein Fernsehgerät nutzen. Im Zweifel gehen die Behörden daher von einem Personenbezug aus. Weitere Beispiele sind Audiodaten, Foto -und Filmaufnahmen, das Fernsehanstalten oder Registrierungsdaten.

Wer ist datenschutzrechtlich verantwortlich?

Regelmäßig datenschutzrechtlich verantwortlich sind vor allem die Gerätehersteller, die etwa Updates auf Geräte aufspielen oder Statistiken über die Bedienung des Gerätes erstellen. Ebenfalls datenschutzrechtlich verantwortlich können App-Anbieter sein. Auch die Anbieter von HbbTV-Zusatzangeboten können oft als datenschutzrechtlich verantwortliche Stelle und Diensteanbieter im Sinne des Telemedienrechts qualifiziert werden.

Welches Recht gilt?

Grundsätzlich gilt das deutsche Datenschutzrecht, beim Umgang mit personenbezogenen Daten durch stellen mit Sitz in Deutschland. Nach Auffassung der Behörden gilt das deutsche Datenschutzrecht auch, wenn ein Anbieter, der außerhalb des europäischen Wirtschaftsraums niedergelassen ist, personenbezogene Daten im Inland erhebt. Interessant ist die Ansicht der Aufsichtsbehörden, dass das deutsche Datenschutzrecht nicht gilt, wenn ein Anbieter in einem anderen Mitgliedstaat des europäischen Wirtschaftsraums niedergelassen ist und in Deutschland personenbezogene Daten erhebt und dies nicht durch eine Niederlassung in Deutschland erfolgt. Dann gilt das Recht des jeweiligen Mitgliedstaates. Nach Auffassung des Düsseldorfer Kreises scheint also allein die Existenz einer Niederlassung in Deutschland (richtigerweise) noch nicht zur Anwendbarkeit deutschen Datenschutzrechts zu führen.

Rechtsgrundlagen der Datenverarbeitung

Danach geht die Orientierungshilfe auf die verschiedenen Erlaubnistatbestände des TMG zum Umgang mit personenbezogenen Daten ein. Das TMG stellt gerade im Bereich der Datenverarbeitung über Smart-TVs das gegenüber dem Bundesdatenschutzgesetz speziellere Gesetz dar.

Die Aufsichtsbehörden geben verschiedene Beispiele für die im TMG angesprochenen Bestands- und Nutzungsdaten. Nach Auffassung der Behörden stellen Bestandsdaten im Sinne des § 14 Abs. 1 TMG etwa Registrierungsdaten in einem online Portal dar. Nutzungsdaten im Sinne des§ 15 Abs. 1 TMG sind unter anderem die IP-Adresse und eindeutige Kennnummern.

Auch befasst sich die Orientierungshilfe mit dem Thema der pseudonymisierten Nutzungsprofile (§ 15 Abs. 3 TMG). Der erforderliche Hinweis auf die Erstellung solcher Nutzungsprofile muss nach Auffassung der Behörden zumindest in der Datenschutzerklärung erfolgen. Die Widerspruchsmöglichkeit (Opt-Out) kann in Form eines Links oder der Möglichkeit des Auskreuzens bereitgestellt werden. Nach Ansicht des Düsseldorfer Kreises genügt jedoch die Möglichkeit, per E-Mail oder per Post ein Opt-Out zu erklären, den gesetzlichen Anforderungen nicht.

Die Orientierungshilfe setzt sich im weiteren mit den Themen „Reichweitenmessung“ und „werbefinanzierte Dienste“ auseinander.

Datenschutzerklärung

Die Aufsichtsbehörden geben auch Hinweise dazu, wie die Nutzer von Smart-TVs wirksam über stattfindende Datenverarbeitungen zu informieren sind. Informationspflichten der Anbieter ergeben sich aus § 13 Abs. 1 TMG. Nach Auffassung der Behörden besteht für verantwortliche Stellen die Verpflichtung, die Datenschutzhinweise derart zu verankern, dass der Nutzer zwangsläufig und so frühzeitig wie möglich mit diesen in Berührung gelangt. Fraglich ist, wie der Begriff „zwangsläufig“ zu verstehen ist. Gehen die Behörden davon aus, dass Datenschutzerklärung per Popup eingeblendet werden müssen? In jedem Fall genügt eine Information, die im Impressum oder den Allgemeinen Geschäftsbedingungen erfolgt, nicht den Anforderungen an die Transparenz. Wichtig ist auch der Hinweis der Behörden, dass nicht sonstige Textbausteine, die häufig für herkömmliche Webseiten erstellt werden, genutzt werden dürfen. Nicht ausreichend sind ebenso die Wiedergabe gesetzlicher Normen oder allgemeine Floskeln zur Wichtigkeit des Datenschutzrechts.

Anforderungen an die IT-Sicherheit

Nach Auffassung der Behörden müssen die verantwortlichen Stellen regelmäßig Sicherheitsupdates für die eingesetzten Geräte anbieten. Zudem sollen personenbezogene Daten nach dem Stand der Technik verschlüsselt werden als Orientierung verweist der Düsseldorfer Kreis auf Richtlinien des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik. Zudem formuliert das Papier Mindestanforderungen. Hierzu gehören: HTTPS, Perfect Forward Secrecy, kein SSL2/SSL3, mindestens 2048-Bit beim X.509 Zertifikat, keine RC4-Verschlüsselung, kein SHA1-Hashverfahren.

Hinweise für jeden Beteiligten

Im letzten Abschnitt des Papiers gehen die Behörden auf die konkreten Situationen und Probleme ein, die sich für den jeweiligen Verantwortlichen bei der Datenverarbeitung stellen. Sowohl für Gerätehersteller, App- oder HbbTV-Anbieter werden konkrete Szenarien des Umgangs mit personenbezogenen Daten betrachtet und analysiert.

Post Safe Harbor: The position of the German Data Protection Authorities

The German Data Protection Authorities (in total 17 for the private sector) have today published their position (German) on the consequences for transfers of personal data to the USA after the Court of Justice of the European Union (CJEU) recently struck down the Safe Harbor decision of the European Commission (Case C-362/14).

Not an easy task

According to recent media reports (https://www.tagesschau.de/inland/safe-harbor-105.html, in German), the process of finding a common approach was not an easy task. Not all Data Protection Commissioners seem to share the same view on the legal conclusions and consequences for businesses that have to be drawn from the court’s judgment. So the position now published seems to reflect only the lowest common denominator. On 14th October for example, the Data Protection Authority of Schleswig-Holstein (known for its strict interpretation of the law) published its own assessment of the judgment (available in English) and concluded that “a data transfer on the basis of Standard Contractual Clauses to the US is no longer permitted”.

The official position

I will hereinafter summarize the position of the German authorities:

Just like already stated by the Article 29 Working Party in its statement (PDF), the German authorities highlight that data transfers to the USA are unlawful if they are solely based on the Safe Harbor decision.

The German authorities further clarify that they will prohibit any data transfer based on Safe Harbor they gain knowledge of. The watchdogs will base the exercise of their powers under Article 4 of the respective decisions by the European Commission for standard contractual clauses (2004/915/EC and 2010/87/EC) on the principles formulated by the CJEU in margin numbers 94 and 95 of its judgment. This refers especially to the finding of the CJEU that legislation in the European Union, permitting public authorities to have access on a generalized basis to the content of electronic communications must be regarded as compromising the essence of the fundamental right to respect for private life, as guaranteed by Article 7 of the Charter of Fundamental Rights.

At the moment, the German authorities will not grant new approvals for data transfers on the basis of Binding Corporate Rules (BCR) or contracts to export personal data to the USA.

Consent may be an acceptable basis for data transfers, according to the authorities. But only wihtin narrow limits. In general, the respective data transfer may not take place repeatedly or as a matter of routine.

The German authorities ask the national legislator to provide the authorities with their own legal remedies enabling them to put forward their objection against an adequacy decision by the European Commission before the national courts (see margin number 65 of the judgment).

Furthermore the authorities request the European Commission to amend the current standard contractual clauses in light of the CJEU’s decision in a timely manner. The deadline set by the Article 29 Working Party (31st January 2016) is welcomed by the German watchdogs.

Interestingly, the German authorities also call on the German government to directly contact the US government and to press for adherence to an adequate level of protection of the fundamental rights of privacy and data protection.

Prospect

As already mentioned this position only forms the lowest common denominator and is not binding. Views in the different federal states may therefore differ. To recall one of the central points of the CJEU’s decision, Data Protection Authorities are responsible for monitoring, with complete independence, compliance with EU rules on the protection of individuals with regard to the processing of such data. It can therefore not be ruled out that we might see differing implementations of the judgment within Germany. The authorities also highlight the fact of independence in their position.

Juristischer Dienst des Europäischen Parlaments: EuGH urteilte nicht zu US-Gesetzen

Gestern fand im Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres des Europäischen Parlaments eine Aussprache zum Safe Harbor-Urteil des EuGH statt. Unter anderem präsentierte ein Vertreter des juristischen Dienstes des Europäischen Parlaments die Kernelemente der Entscheidung.  Das Video zu der Aussprache ist hier abrufbar. Die Präsentation beginnt ab ca. 15.18.00.

Meines Erachtens von besonderer Relevanz und begrüßenswert sind die Feststellungen des juristischen Dienstes im Hinblick auf jene Urteilsgründe, in denen sich der EuGH mit der Zulässigkeit der Überwachung der Kommunikation durch stattliche Behörden befasst. In der Berichterstattung zu dem Urteil wurde oft auf die Rz. 93, 94 und 95 verwiesen, die ich hier noch einmal abbilde:

93 Nicht auf das absolut Notwendige beschränkt ist eine Regelung, die generell die Speicherung aller personenbezogenen Daten sämtlicher Personen, deren Daten aus der Union in die Vereinigten Staaten übermittelt wurden, gestattet, ohne irgendeine Differenzierung, Einschränkung oder Ausnahme anhand des verfolgten Ziels vorzunehmen und ohne ein objektives Kriterium vorzusehen, das es ermöglicht, den Zugang der Behörden zu den Daten und deren spätere Nutzung auf ganz bestimmte, strikt begrenzte Zwecke zu beschränken, die den sowohl mit dem Zugang zu diesen Daten als auch mit deren Nutzung verbundenen Eingriff zu rechtfertigen vermögen (vgl. in diesem Sinne, in Bezug auf die Richtlinie 2006/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über die Vorratsspeicherung von Daten, die bei der Bereitstellung öffentlich zugänglicher elektronischer Kommunikationsdienste oder öffentlicher Kommunikationsnetze erzeugt oder verarbeitet werden, und zur Änderung der Richtlinie 2002/58/EG [ABl. L 105, S. 54], Urteil Digital Rights Ireland u. a., C?293/12 und C?594/12, EU:C:2014:238, Rn. 57 bis 61).

94 Insbesondere verletzt eine Regelung, die es den Behörden gestattet, generell auf den Inhalt elektronischer Kommunikation zuzugreifen, den Wesensgehalt des durch Art. 7 der Charta garantierten Grundrechts auf Achtung des Privatlebens (vgl. in diesem Sinne Urteil Digital Rights Ireland u. a., C?293/12 und C?594/12, EU:C:2014:238, Rn. 39).

95 Desgleichen verletzt eine Regelung, die keine Möglichkeit für den Bürger vorsieht, mittels eines Rechtsbehelfs Zugang zu den ihn betreffenden personenbezogenen Daten zu erlangen oder ihre Berichtigung oder Löschung zu erwirken, den Wesensgehalt des in Art. 47 der Charta verankerten Grundrechts auf wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz. Nach Art. 47 Abs. 1 der Charta hat nämlich jede Person, deren durch das Recht der Union garantierte Rechte oder Freiheiten verletzt worden sind, das Recht, nach Maßgabe der in diesem Artikel vorgesehenen Bedingungen bei einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen. Insoweit ist schon das Vorhandensein einer wirksamen, zur Gewährleistung der Einhaltung des Unionsrechts dienenden gerichtlichen Kontrolle dem Wesen eines Rechtsstaats inhärent (vgl. in diesem Sinne Urteile Les Verts/Parlament, 294/83, EU:C:1986:166, Rn. 23, Johnston, 222/84, EU:C:1986:206, Rn. 18 und 19, Heylens u. a., 222/86, EU:C:1987:442, Rn. 14, sowie UGT?Rioja u. a., C?428/06 bis C?434/06, EU:C:2008:488, Rn. 80).

Vor allem aus der Feststellung in Rz. 94 könnte man schließen, dass es sich dabei um „Regelungen“ in US-Gesetzen handelt oder dass der EuGH mit „Regelungen“ ausländische Vorschriften anspricht. Doch dies ist gerade nicht der Fall. Der EuGH bezieht sich in diesen Randnummern auf das Schutzniveau innerhalb der EU und was im Rahmen dieses Schutzniveaus gesetzlich nicht zulässig ist.

Klar wird der Bezug auf das europäische Recht auch, wenn man Rz. 96 betrachtet. Dort fasst der EuGH noch einmal zusammen, dass eine Angemessenheitsentscheidung eines Mitgliedstaates oder der EU-Kommission mit Blick auf das Schutzniveau in einem Drittstaat begründete Feststellungen enthalten muss,

dass das betreffende Drittland aufgrund seiner innerstaatlichen Rechtsvorschriften oder internationaler Verpflichtungen tatsächlich ein Schutzniveau der Grundrechte gewährleistet, das dem in der Rechtsordnung der Union garantierten Niveau, wie es sich insbesondere aus den vorstehenden Randnummern des vorliegenden Urteils ergibt, der Sache nach gleichwertig ist. (Hervorhebung durch mich)

Der EuGH bezieht sich hier noch einmal auf die Rz. 93 ff. und macht deutlich, dass es sich in den Ausführungen in diesen Randnummern um das in der Union garantierte Schutzniveau und die (grund)rechtlichen Vorgaben innerhalb der EU geht. Gegenstand der Begutachtung war nicht das amerikanische Recht. Inhalt eines Angemessenheitsbeschlusses muss damit die Feststellung sein, dass die Gesetze und/oder Verpflichtungen aus internationalen Abkommen in dem Drittstaat dieses in der Union garantierte Niveau (welches sich aus den Rz. 93 ff ergibt) nicht unterschreiten. Der EuGH gibt dem Grund nach also im Groben vor, welches Schutzniveau in der Union mit Blick auf die Überwachung durch Geheimdienste und Rechtsschutzmöglichkeiten für Bürger gilt und dass dieses Niveau gleichwertig in einem Drittland existieren muss. Ob dies für die USA der Fall ist, dazu hat sich der EuGH nicht verhalten. In der zu beurteilenden Safe Harbor-Entscheidung wurde schlicht die gesetzlich erforderliche Feststellung zum Schutzniveau nicht vorgenommen. Aus diesem Grund ist Safe Harbor ungültig.

Update vom 14.10.2015:

In einem Interview mit dem „The Wall Street Journal“ stellt auch der neue Präsident des EuGH noch einmal ausdrücklich klar, dass das Urteil sich nicht mit den Vorgaben und dem Schutzumfang des amerikanischen Rechts befasst, sondern allein das Schutzniveau innerhalb der EU und die europäischen Voraussetzungen für Datentransfers im Blick hat:

We are not judging the U.S. system here; we are judging the requirements of EU law in terms of the conditions to transfer data to third countries, whatever they may be.

Auskunftsverlangen nach Safe Harbor: Muss über den Ort der Datenverarbeitung informiert werden?

Nach der Safe Harbor-Entscheidung des EuGH (hierzu mein Blogbeitrag), dürften sich Auskunftsersuchen von Betroffenen häufen, die ihr Recht aus § 34 BDSG geltend machen. Zumindest bei mir lag einen Tag nach dem Urteil bereits die erste Anfrage hierzu auf dem Tisch. Häufig wird in diesem Zusammenhang (und vor dem Hintergrund der Entscheidung des EuGH durchaus verständlicherweise) auch danach gefragt, wo (örtlich) die personenbezogenen Daten des Betroffenen verarbeitet werden. So sieht etwa auch der Musterbrief der Verbraucherzentrale NRW (PDF) eine solche Frage vor. Doch muss eine verantwortliche Stelle hierüber tatsächlich Auskunft geben?

Europäische Vorgaben

Nach Art. 8 Abs. 2 S. 2 der Charta der Europäischen Union hat jede Person das Recht, Auskunft über die sie betreffenden erhobenen Daten zu erhalten. Die Grundrechte der EU binden zwar nicht direkt private Unternehmen. Dennoch soll diese Vorgabe als Ausgangspunkt der Betrachtung dienen.

Nach Art. 12 der europäischen Datenschutz-Richtlinie (DS-RL) garantieren die Mitgliedstaaten jeder betroffenen Person das Recht, vom für die Verarbeitung Verantwortlichen folgendes zu erhalten:

  • zumindest Informationen über die Zweckbestimmungen dieser Verarbeitungen, die Kategorien der Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, und die Empfänger oder Kategorien der Empfänger, an die die Daten übermittelt werden;
  • eine Mitteilung in verständlicher Form über die Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, sowie die verfügbaren Informationen über die Herkunft der Daten;

Der Ort der Datenverarbeitung wird hier nicht genannt. Jedoch stellen diese Vorgaben auch nur Mindestanforderungen an die nationalen Datenschutzgesetze dar („zumindest“). Die Mitgliedstaaten können also in ihren nationalen Rechtsordnungen weitere Informationen vorsehen.

§ 34 BDSG

Nach § 34 Abs. 1 BDSG hat die verantwortliche Stelle dem Betroffenen auf Verlangen Auskunft zu erteilen über

  • die zu seiner Person gespeicherten Daten, auch soweit sie sich auf die Herkunft dieser Daten beziehen,
  • den Empfänger oder die Kategorien von Empfängern, an die Daten weitergegeben werden, und
  • den Zweck der Speicherung.

Auch in den deutschen Vorgaben des Auskunftsanspruchs wird der Ort der Datenverarbeitung also nicht als verpflichtende Information genannt. Ausreichend ist zudem die Auskunft über die „Kategorien“ von Empfängern der Daten. Die Datenempfänger (z.B. dritte Unternehmen) müssen also nicht notwendigerweise genau benannt werden.

Kommentarliteratur

Die datenschutzrechtliche Kommentarliteratur ist zu dieser Frage gespalten. Schmidt-Wudy (Beck’scher Online-Kommentar Datenschutzrecht, § 34 BDSG, Rn. 47) verweist nur darauf, dass eine Auffassung existiert, die auch den Standort der Datenverarbeitung vom Auskunftsanspruch umfasst ansieht. Dix (Simitis, § 34 BDSG, Rn. 23) vertritt die Ansicht, dass Ort der Datenverarbeitung gerade im Fall des Cloud Computing besonders bedeutsam ist und aus diesem Grund vom Auskunftsanspruch umfasst sein muss. Dix verweist zur Begründung seiner Ansicht zudem darauf, dass der Ort der Datenverarbeitung entscheidend für die Frage des anwendbaren Datenschutzrechts sei und der Betroffene daher hierzu Informationen erhalten muss.

Dass es für die Frage des anwendbaren Datenschutzrechts jedoch gerade nicht auf den Ort der technischen Datenverarbeitung ankommt (wo also die Server/Computer stehen), hat bereits im Jahre 2002 die Art. 29 Datenschutzgruppe festgestellt (Stellungnahme WP 56, S. 9,  pdf). Auch der EuGH hat in der kürzlich ergangenen (und leider bisher kaum öffentlich wahrgenommenen) Entscheidung „Weltimmo“ der Tatsache, in welchem Land die Server eines Unternehmens stehen, um eine Website zu betreiben über die personenbezogene Daten verarbeitet werden, ausdrücklich keine Bedeutung für die zu beurteilende Frage des anwendbaren Datenschutzrechts beigemessen (vgl. EuGH, Rechtssache C-230/14, Rz. 18; mein Blogbeitrag hierzu). Aus diesem Grund halte ich es daher nicht für erforderlich bzw. gesetzlich geboten, den Ort der Datenverarbeitung in den Auskunftsanspruch aufzunehmen.

Neben dem Wortlaut der deutschen und europäischen Vorschriften spricht meines Erachtens auch der hinter dem Auskunftsanspruch liegende Zweck gegen eine Pflicht, den Ort der Datenverarbeitung im Rahmen des Auskunftsanspruchs nennen zu müssen. Der BGH hat bereits 1983 entschieden, dass der Auskunftsanspruch das notwendige Korrelat zu den Ansprüchen auf Berichtigung, Sperrung und Löschung darstellt (Urteil vom 15.12.1983 – III ZR 187/82). So sieht dies auch der EuGH. Seiner Auffassung nach dient der Auskunftsanspruch vor allem dem Zweck, es der betroffenen Person zu ermöglich, von über ihre Person gespeicherten Daten Kenntnis zu erlangen und zu prüfen, ob sie richtig sind und der gesetzlichen Vorgaben gemäß verarbeitet werden, so dass diese Person gegebenenfalls die ihr zustehenden Rechte auf Berichtigung und Löschung ausüben kann (vgl. EuGH, Rechtssachen C?141/12 und C?372/12, Rz. 57). Um jedoch den Berichtigungs- oder Löschungsanspruch ausüben zu können, muss eine Person nicht wissen, wo die Daten physisch liegen (im Übrigen weiß dies in der heutigen Zeit oft nicht einmal die verantwortliche Stelle selbst, da Daten oft dupliziert auf verschiedenen Servern in mehreren Ländern abgespeichert werden). Völlig ausreichend ist, dass sie Kenntnis davon hat, welche Daten vorhanden sind und wozu sie genutzt werden. Ob die Daten nun in Deutschland, England oder Amerika gespeichert sind ändert nichts daran, dass bei einer datenschutzrechtswidrigen Verarbeitung diese Daten zu löschen oder zu berichtigen sind.

Informationspflichten nach TMG

Wenn im Rahmen des Auskunftsanspruchs zwar nicht über den Ort der Datenverarbeitung zu informieren ist, so besteht für eine verantwortliche Stelle im Anwendungsbereich des TMG jedoch nach § 13 Abs. 1 TMG die Pflicht,

den Nutzer zu Beginn des Nutzungsvorgangs über Art, Umfang und Zwecke der Erhebung und Verwendung personenbezogener Daten sowie über die Verarbeitung seiner Daten in Staaten außerhalb des Anwendungsbereichs der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (ABl. EG Nr. L 281 S. 31) in allgemein verständlicher Form zu unterrichten.

Hier muss der Diensteanbieter (etwa im Internet oder in einer App) zumindest allgemein darüber informieren, dass personenbezogene Daten in sog. Drittstaaten verarbeitet werden. Nicht aufklären muss die verantwortliche Stelle über den konkreten Ort in einem Drittstaat. Ebenso wenig muss darüber informiert werden, ob personenbezogene Daten in anderen Ländern innerhalb des EWR verarbeitet werden. Zumindest im Anwendungsbereich es TMG besteht also eine Art eingeschränkter Informationspflicht über den Ort der Datenverarbeitung.