OVG Berlin-Brandenburg: Ein Blitzerfoto darf im Internet zur Einsicht bereitgehalten werden

Das OVG Berlin-Brandenburg (OVG BB) hat mit Beschluss vom 29.4.2014 (Az. 12 S 23.14) entschieden, dass die im Land Brandenburg eröffnete Möglichkeit, das zum Nachweis einer Verkehrsordnungswidrigkeit gefertigte Beweisfoto im Internet nach Eingabe individueller Zugangsdaten abzurufen, keine Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung darstellt. Dies auch nicht wegen der bloßen Befürchtung, Dritte könnten sich illegal Zugang zu dem Bild verschaffen. Ein Unterlassungs- oder Löschanspruch des Betroffenen bestehe nicht.

Sachverhalt
Dem Antragsteller (der wegen überhöhter Geschwindigkeit geblitzt wurde) war die Möglichkeit eingeräumt worden, das Beweisfoto online einzusehen. Dazu wurden dem Antragsteller im Anhörungsschreiben von der Behörde Zugangsdaten per Post übermittelt, mit denen er den Zugang freischalten konnte.
Dieses konkrete Foto wurde im Laufe des Verfahrens entfernt. Jedoch wollte der Antragsteller in einem Unterlassungsanspruch für die Zukunft gelten machen, dass Lichtbilder des Antragstellers und seiner Fahrzeuge, die im Zusammenhang mit der Verfolgung von Verkehrsordnungswidrigkeiten angefertigt werden, in der Zukunft nicht derart abrufbar sind.

Entscheidung
Das Gericht bezweifelt bereits ein Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag. Denn der Antragsteller habe es selbst in der Hand, einen Konflikt mit der Behörde über derartige Fotos zu vermeiden. Er kann sich nämlich einfach an die Verkehrsvorschriften halten, so dass er nicht mehr geblitzt werde.
Da der Antragsteller jedoch anscheinend freimütig vor dem OVG BB erklärte, dass er sich auch „künftig verkehrsordnungswidrig verhalten“ wolle und daher eventuell mit weiteren Fotos zu rechnen sei, machte das OVG BB zudem Ausführungen zu einer fehlenden Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung.

Das Gericht stellt fest, dass der Eingriff, der zur Existenz des Fotos führt, auf einer hinreichenden Rechtsgrundlage beruhe, in diesem Fall § 100h Abs. 1 S.1 Nr. 1 StPO iVm § 46 Abs. 1 OWiG. Der Antragsteller sei zudem nicht in seinem Grundrecht verletzt.

Zudem verweist das OVG BB auf die rechtliche Möglichkeit, dass Verfahrensakten im Ordnungswidrigkeitenverfahren elektronisch geführt werden dürfen, § 110b OWiG. Entsprechende Bildunterlagen seien als Bestandteil dieser Verfahrensakten anzusehen. Die Akteneinsicht könne nach § 110d Abs. 2 Satz 1 OWiG auch durch Übermittlung von elektronischen Dokumenten oder deren Wiedergabe auf einem Bildschirm erfolgen.
Der Antragsteller brachte vor, dass dies nur für das Akteneinsichtsrecht des Verteidigers gelte. Das Gericht wies diese Sichtweise jedoch zurück. Diese Akteneinsicht zwischen Behörde und Verteidiger gelte nur für die Regelung in § 110d Abs. 2 Satz 3 OWiG, die hier jedoch nicht zur Anwendung gelange. Die Möglichkeit, sich das Beweisfoto auf einer Internetseite anzuschauen, finde nach dem OVG BB ihre Grundlage in den Bestimmungen der §§ 49 Abs. 1, 110d Abs. 2 S. 1 OWiG.

Dabei sei das Verfahren so ausgestaltet, dass nur derjenige, der über die Zugangsdaten verfüge, auf das Bild zugreifen könne. Damit werde keine öffentliche oder potentiell öffentliche Zugriffsmöglichkeit geschaffen, sondern die Vertraulichkeit im Verhältnis zu dem Empfänger des Anhörungsschreibens, das die Zugangsdaten enthält, gewahrt. Mit einem solchen Verfahren werde der Zugang grundsätzlich auf die berechtigten Nutzer beschränkt.
Das Vorbringen des Antragstellers, dass sich Dritte eventuell Zugang zu dem Bild verschaffen könnten, lies das Gericht ebenfalls nicht als Argument gelten. Denn soweit eine solche Möglichkeit in der Sphäre des Betroffenen besteht (z. B. weil das Schreiben offen verwahrt werde), könne dies der Behörde nicht entgegengehalten werden.

Zuletzt macht das OVG BB interessante Ausführungen zur Datensicherheit im Internet.

Die Möglichkeit, dass sich besonders versierte Nutzer in illegaler Weise Kenntnis von den Zugangsdaten verschaffen könnten, indem sie etwa Sicherheitslücken in der Technik des Antragsgegners, des Betroffenen oder Dritter, die in den Übermittlungsvorgang eingeschaltet sind, nutzen, um den Datenverkehr auszuspähen, schließt den Gebrauch einer grundsätzlich auf Vertraulichkeit angelegten, gesetzlich zugelassenen Abruftechnik nicht aus. Der Antragsgegner hat nur dafür zu sorgen, dass er eine auf Wahrung der Datensicherheit ausgelegte Informationstechnik verwendet und erkannte Sicherheitslücken schließt, soweit diese in seiner Einflusssphäre liegen.

Diese Anforderungen waren vorliegend erfüllt bzw. wurde nichts anderes glaubhaft gemacht.

Fazit
Das OVG BB erkennt also eine Art von relativem Datensicherheitsstandard im Internet an. Eine öffentliche Stelle kann sich nicht auf jegliches illegale Zugriffsszenario vorbereiten. Diese Sichtweise erscheint praxisnah. Die totale Sicherheit im Internet wird es nicht geben. Ist jedoch der Behörde gesetzlich die Möglichkeit eingeräumt, elektronisch gegenüber dem Bürger aufzutreten, so hat sie hierbei nach dem Gericht 1)dafür zu sorgen, dass eine auf Wahrung der Datensicherheit ausgelegte Informationstechnik verwendet wird und 2) erkannte Sicherheitslücken geschlossen werden, die in ihrer Einflusssphäre liegen.

Ministerkomitee des Europarates: Leitfaden der Menschenrechte von Internetnutzern

Am 16. April 2014 hat das Ministerkomitee des Europarates (Die Versammlung der Außenminister der Mitgliedstaaten) eine Empfehlung mit dem Titel „Guide to human rights for Internet users“ verabschiedet. Derartige Empfehlungen sind für die Mitgliedstaaten nicht bindend, geben jedoch die Sichtweise der für die Verabschiedung erforderlichen Mehrheit der Mitgliedstaaten wieder.
Die Empfehlung ist zweigeteilt. Zu Beginn richtet sie sich mit Forderungen an die Mitgliedstaaten. Der zweite Teil stellt den eigentlichen Leitfaden für die Bürger dar.

Empfehlungen an Mitgliedstaaten
Das Ministerkomitee stellt zunächst klar, dass die in der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) aufgestellten Rechte und Freiheiten sowohl offline als auch online gelten.

Zudem besitzen die Mitgliedstaaten im Rahmen der Wahrung des Schutzes der Menschenrechte auch die Pflicht, die Aufsicht über private Unternehmen auszuüben. Privatrechtliche Vereinbarungen müssen sich an den durch die Grundrechte aufgestellten Prinzipien messen lassen.

Das Internet besitzt besonderen Wert als öffentliches Gut. Bürger besitzen ein berechtigtes Interesse, das Internet ohne diskriminierende Einschränkungen, sicher und zuverlässig nutzen zu können.

Bürger sollten Unterstützung erhalten, wie sie ihre Menschenrechte online wirksam ausüben könne. Hierzu gehöre auch der Zugang zu wirksamen Rechtsschutzmöglichkeiten, wenn ihre Rechte und Freiheiten eingeschränkt wurden.

Für die Sicherstellung der gleichwertigen Geltung von Menschenrechten auch im Internet empfiehlt das Ministerkomitee den Mitgliedstaaten:

  • Die Umsetzung und Anwendung des Leitfadens der Menschenrechte für Internetnutzer unter den Bürgern, den öffentlichen Stellen und den privaten Unternehmen zu fördern und konkrete Maßnahmen für seine Anwendung durchzuführen;
  • Kontinuierlich Einschränkungen von Menschenrechten im Internet zu überwachen, zu prüfen und auch aufzuheben, wenn diese nicht im Einklang mit den Vorgaben der EMRK im Lichte der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) stehen;
  • Sicherzustellen, das Internetnutzer Zugang zu wirksamen Rechtsschutzmöglichkeiten besitzen, wenn ihre Rechte eingeschränkt wurden. Dies erfordere eine Koordinierung und Zusammenarbeit der relevanten Einrichtungen. Zudem müsse eine Zusammenarbeit mit der privaten Wirtschaft und Bürgerrechtsorganisationen stattfinden.
  • Auch mit Staaten zusammenzuarbeiten, die nicht Mitglied des Europarates sind, um Maßstäbe und Verfahren zu entwickeln, die Einfluss auf den Schutz der Rechte und Freiheiten im Internet besitzen.
  • Private Unternehmen zu unterstützen und zu fördern, im Rahmen ihrer unternehmerische Gesellschaftsverantwortung in einen Dialog mit staatlichen Behörden und der Zivilgesellschaft zu treten.

Leitfaden der Menschenrechte von Internetnutzern
In dem Leitfaden selbst werden den Bürgern Informationen zu verschiedenen Menschenrechten (etwa Meinungsfreiheit, Zugang zu Informationen, Versammlungsfreiheit etc.), jeweils mit Bezug zum Internet, gegeben. Beispielhaft sei hier das Recht auf Schutz des Privatlebens (Art. 8 EMRK) genannt. Dessen Schutzbereich umfasst auch den Schutz personenbezogener Daten (zu dem Schutzumfang der EMRK und im Vergleich hierzu durch die Charta der Grundrechte der Europäischen Union hatte ich bereits einmal etwas geschrieben). Der Leitfaden weist darauf hin, dass eine Nutzung des Internets grundsätzlich mit einer Verarbeitung personenbezogener Daten einhergeht. Die Verarbeitung darf jedoch nur auf der Grundlage eines Gesetzes oder einer Einwilligung erfolgen. Zudem dürfe der Bürger nicht Gegenstand einer ständigen Überwachungsmaßnahme sein. Bei einer Einschränkung dieses Rechts, etwa zum Zwecke der Kriminalitätsbekämpfung, muss der Bürger über die Grundlagen des Eingriffs und seine Rechtsschutzmöglichkeiten informiert werden. Auch am Arbeitsplatz müsse die Privatsphäre des Bürgers beachtet werden. Überwachungsmaßnahmen durch den Arbeitgeber müssten vorher mitgeteilt werden.

Fazit
Der verabschiedete Leitfaden ist absolut begrüßenswert. Er versucht in einer möglichst bürgernahen und unjuristischen Sprache über die Rechte im Internet aufzuklären und sollte jedem interessierten Bürger als Informationsquelle dienen. Abgesehen von dem Leitfaden selbst, sind die Empfehlungen an die Mitgliedstaaten ebenfalls nicht uninteressant. Insbesondere das Votum für eine engere Einbeziehung des privaten Sektors in Form einer geminsamen Zusammenarbeit mit staatlichen Stellen zum Nutzen der Bürger fällt deutlich aus und ist meines Erachtens auch ein richtiger Weg.

Europarat: Abgeordnete fordern besseren Schutz der Bürger im Internet

Am 11. März hat der Ausschuss für Kultur, Wissenschaft, Bildung und Medien der Parlamentarischen Versammlung des Europarates einen Bericht des deutschen Bundestagsabgeordneten Axel Fischer zur Verbesserung des Schutzes der Nutzer und der Sicherheit im Internet angenommen („Improving user protection and security in cyberspace“ PDF).

Der Bericht enthält sowohl den Entwurf eines Entschlusses als auch den Entwurf einer Empfehlung der Parlamentarischen Versammlung des Europarates. Über beide Entwürfe werden am 9. April in Straßburg verhandelt.

Entwurf eines Entschlusses

Mit der Verabschiedung des Entschlusses würde die Parlamentarische Vollversammlung kein bindendes Recht schaffen, jedoch ihre Position in Bezug auf das Thema Datenschutz, Überwachung und Privatheit im Internet zum Ausdruck bringen. Einige Kernpunkte, die in dem Entschluss angeprangert und auch gefordert werden:

  • Das Vertrauen der Bürger in Internetdienste wurde durch die Enthüllungen und Informationen über Eingriffe in ihre privaten Daten durch europäische und amerikanische Behörden und auch private Unternehmen erschüttert
  • Alle Mitgliedstaaten sind aufgefordert in Zusammenarbeit mit der Internetwirtschaft eine weltweite Initiative zur Verbesserung des Schutzes der Nutzer und der Sicherheit des Internets zu starten
  • Mitgliedstaaten sollen unter anderem folgende Prinzipien effektiv umsetzen und achten:
  1. das Privatleben, die Korrespondenz und die persönlichen Daten müssen auch online geschützt sein
  2. das Abfangen, die Überwachung, die Profilbildung und das Speichern persönlicher Daten durch öffentliche Stellen und Unternehmen ist nur aufgrund einer gesetzlichen Grundlage erlaubt und verstößt nicht gegen Art. 8 EMRK
  3. Mitgliedstaaten besitzen eine positive Rechtspflicht gegenüber ihren Bürgern, diese vor dem Abfangen, Überwachen der Profilbildung und der Speicherung ihrer persönlichen Daten zu schützen
  • Internetzugangs- und Diensteanbieter sollten automatisch Verschlüsselungstechniken einsetzen
  • Gesetzestreue Internetnutzer haben das Recht auf Anonymität
  • Cloud-Computing-Anbieter sollten die Schutzstandards für Nutzer nicht dadurch umgehen, dass sie ihre Datenzentren in „schwächere“ Rechtssysteme verlagern
  • Mitgliedstaaten sollten gesetzliche Grundlagen zur Regulierung von Online-Spiele-Anbietern schaffen; hierbei sollte dasjenige Recht anwendbar sein, in dem sich der Nutzer befindet, auf den der Dienst ausgerichtet ist
  • Betroffene müssen die Möglichkeit effektiven Rechtsschutzes besitzen

Entwurf einer Empfehlung

Der Entwurf für eine Empfehlung enthält konkrete Forderungen der Parlamentarischen Versammlung an das Ministerkomitee, die von jenem auch beantwortet werden müssen. Einige der Kernpunkte sind hier:

  • Als besonders dringliche Angelegenheit die derzeit stattfindende Überarbeitung des Übereinkommens zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten (Übereinkommen 108) abzuschließen
  • Über-europäische Bestrebungen zur Internationalisierung der ICANN zu unterstützen und zu koordinieren
  • Beobachterstaaten einzuladen, mit den Mitgliedstaaten aktiv bei der Verbesserung des Schutzes der Nutzer und der Sicherheit des Internets mitzuwirken

Die beiden Entwürfe, die noch durch eine Begründung des Berichterstatters Fischer begleitet werden, finden teilweise sehr deutliche und klare Worte, wenn es um die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz der Internetnutzer geht. Insbesondere der klare Hinweis auf eine staatliche Schutzpflicht oder ein Recht auf Anonymität sind durchaus bemerkenswert. Es bleibt jedoch abzuwarten, ob die Parlamentarische Versammlung im April die Entwürfe auch ohne Änderungen übernimmt.

LG Saarbrücken: Todesanzeigen im Internet sind erlaubt

Das Landgericht (LG) Saarbrücken hat mit Urteil vom 14.02.2014 (Az.: 13 S 4/14, derzeit noch nicht online abrufbar) entschieden, dass eine Internetseite mit „virtuellen Grabstätten“ nicht gegen das Datenschutzrecht und das postmortale Persönlichkeitsrecht der verstorbenen Person verstößt, wenn die Daten der Todesanzeige aus allgemein zugänglichen Quellen entnommen wurden. Es wies damit die Berufung des Betreibers der entsprechenden Internetseite gegen ein Urteil des Amtsgerichts (AG) Saarlouis (Az. 29 C 1892/12 (16)) teilweise zurück. In Bezug auf Kommentare unter der entsprechenden Todesanzeige, welche die Witwe des Verstorbenen in ihren Rechten verletzten, änderte das LG das erstinstanzliche Urteil jedoch nur ab (und bestätigte damit im Prinzip insoweit die Ansicht des AG).

Dieser, zugegebenermaßen etwas ungewöhnliche Fall, zeigt deutlich, dass nicht notwendigerweise jeder Umgang mit personenbezogenen Daten verboten sein muss. Zudem beleuchtet er, wenn auch nur in einem Nebensatz, die Frage, inwieweit sich eigentlich Verstorbene, bzw. deren Angehörige, auf den Schutz personenbezogener Daten berufen können.

Sachverhalt
Auf einer Internetseite veröffentlichte der Beklagte eine Todesanzeige unter vollständiger Nennung von Vor- und Zunamen, Geburts- und Sterbedatum, Wohnort, Berufsbezeichnung und letzter Ruhestätte des Verstorbenen. Diese Daten waren bereits in Sterbeanzeigen, die u. a. die Witwe selbst aufgegeben hatte, enthalten. Zudem war es Dritten möglich, Kondolenzeinträge (also im Prinzip Kommentare) zu verfassen. Diese Chance nutzte auch eine Dame um mehr oder minder direkt zum Ausdruck zu bringen, dass sie die Geliebte des Verstorbenen gewesen sei. In einem separaten Verfahren wurde sie daraufhin verurteilt, Veröffentlichungen dieser Art zu unterlassen. In erster Instanz erkannte der Beklagte bereits die begehrte Löschung dieser sieben Kondolenzeinträge der Dame an.

Entscheidung
Das LG sah die Verarbeitung der personenbezogenen Daten des Verstorbenen zum Zwecke der Darstellung in der Todesanzeige als rechtmäßig an. Dieser Löschungsanspruch ergebe sich weder aus § 35 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 BDSG noch aus dem postmortalen Persönlichkeitsrechts ihres verstorbenen Ehemannes oder ihren eigenen Rechten (§ 1004 Abs. 1 S. 1 BGB analog). Ich möchte mich hier auf einige datenschutzrechtliche Gesichtspunkte der Entscheidung beschränken.

Zum einen tendiert das LG bereits dazu, personenbezogene Daten Verstorbener nicht in den Schutzbereich des BDSG aufzunehmen. Doch selbst wenn diese Schutz genießen würden, so würde die Datenverarbeitung doch rechtmäßig erfolgen.
Ob Daten Verstorbener vom BDSG geschützt werden ist zumindest nicht unumstritten. Gegen eine Einbeziehung könnte jedoch sprechen, dass Rechte der Betroffenen (wie etwa dasjenige auf Löschung oder Auskunft) gerade eine lebende Person voraussetzen. Ein weiteres Argument gegen die Erstreckung des Schutzes auf Verstorbene könnte zudem sein, dass das Bundesverfassungsgericht davon ausgeht, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht mit dem Tod des Betroffenen erlischt. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, welches als Grundlage des Schutzes personenbezogener Daten dient, ist jedoch nur ein besonderer Teil dieses allgemeinen Persönlichkeitsrechts und erlischt dann folgerichtig ebenso. Schutzlos steht das Ansehen der Verstorbenen (und so mittelbar auch der Umgang mit ihren Daten) damit jedoch nicht. Denn das Bundesverfassungsgericht geht ebenso davon aus, dass der Schutz der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) nicht mit dem Tode endet (vgl. etwa Az.: 1 BvR 435/68).

Nach dem LG sei jedoch die Speicherung und Veröffentlichung der Todesanzeige rechtmäßig, da sich der Betreiber auf den Erlaubnistatbestand des § 29 Abs. 1 Nr. 2 BDSG berufen könne. Danach ist das geschäftsmäßige Erheben, Speichern und Nutzen personenbezogener Daten zum Zwecke der Übermittlung zulässig, wenn die Daten aus allgemein zugänglichen Quellen entnommen werden können, es sei denn, dass das schutzwürdige Interesse des Betroffenen offensichtlich überwiegt.
Vorliegend waren die Daten allgemein zugänglich, da die Witwe bereits selbst Todesanzeigen veröffentlicht hatte. Die Verarbeitung wäre nur dann unzulässig, wenn ein schutzwürdiges Interesse des Betroffenen am Ausschluss der Verarbeitung oder Nutzung gegenüber dem berechtigten Interesse der verantwortlichen Stelle „offensichtlich überwiegt“. Eine umfangreiche Einzelfallprüfung der widerstreitenden Interessen durch den Beklagten war daher nicht erforderlich. Die erleichterten Voraussetzungen der Datenverarbeitung werden vor allem als ein Ausfluss des Grundrechts der Informationsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG angesehen. Das LG führt weiter aus, dass vorliegend eine Abwägung nur mit dem postmortalen Persönlichkeitsrechts des Verstorbenen in Betracht käme, da (entsprechend der oben erwähnten Ansicht des Bundesverfassungsgerichts) das Recht auf informationelle Selbstbestimmung mit dessen Tode erloschen sei. Die hier zu beurteilende Todesanzeige verletze den Verstorbenen jedoch nicht in seinem geschützten Achtungsanspruch. Denn es handele sich um wertneutrale Daten, ohne wertenden Bezug zur Persönlichkeit. Auch „dass die Daten durch eine Veröffentlichung im Internet einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht und möglicherweise auch dauerhaft verfügbar gehalten werden, ändert an dieser Bewertung im Grundsatz nichts“.

OLG Celle: Unzulässigkeit der Drohung mit einer Datenübermittlung an die Schufa

Das OLG Celle hat mit Urteil vom 19.12.2013 (Az. 13 U 64/13) entschieden, dass es ein Inkassounternehmen zum einen zu unterlassen hat, personenbezogene Daten eines Betroffenen an die Schufa zu übermitteln, wenn die gesetzlichen Vorgaben fehlen und zum anderen mit solch einer Übermittlung zu drohen.
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Das Grundrecht auf Datenschutz in Europa

Im Zuge der Enthüllungen in der NSA-Affäre und den andauernden Verhandlungen für eine Reform des europäischen Datenschutzrechts wird häufig darauf verwiesen, dass der Schutz personenbezogener Daten in Europa ein Grundrecht darstellt (so etwa die EU Justizkommissarin Viviane Reding in einem Interview). Nachfolgend möchte ich darauf eingehen, wo dieses Grundrecht auf Datenschutz gesetzlich festgeschrieben und wie es tatsächlich ausgestaltet ist. Dazu beschränke ich mich jedoch auf die Ebene der EU und des Europarates (zu weiteren internationalen Datenschutzabkommen hatte ich bereits einmal etwas geschrieben).

A. Europäische Menschenrechtskonvention

Auf der supranationalen Ebene des Europarats, dem sowohl alle europäischen Mitgliedstaaten, aber auch andere Nationen wie die Türkei oder Russland angehören, garantiert die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) Personen, welche der Hoheitsgewalt der einzelnen Mitgliedstaaten unterliegen, gewisse Grundrechte und –freiheiten.
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AG Dortmund: Personenbezug des Wärmeverbrauchs einer Wohnung (Update)

Das Amtsgericht Dortmund hat mit Urteil vom 26.11.2013 (Az. 512 C 42/13) die Klage eines Wohnungseigentümers abgewiesen, der sich unter Berufung auf sein Persönlichkeitsrecht und den Schutz der Unverletzlichkeit seines Wohnungseigentums gegen einen Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft zur Installation von Heizkostenverteilern in Wohnungen auf Funkbasis wehrte.

Derartige Entscheidungen von Gerichten im Schnittstellenbereich von Miet- und Datenschutzrecht sind derzeit noch relativ selten, könnten im Zuge des Ausbaus von Smart Metering Systemen jedoch an Bedeutung gewinnen.
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Landesarbeitsgericht: Wer „krank“ ist, sollte kein Auto waschen

Mit Urteil vom 11.07.2013 hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz (Az. 10 SaGa 3/13) entschieden, dass ein Arbeitnehmer, der sich offiziell „krank“ meldet, dann jedoch in einer öffentlichen Waschstraße sein Auto reinigt, sich nicht dagegen wehren kann, dass von ihm zu Beweiszwecken für einen Verstoß gegen seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis Fotos angefertigt werden.

„Selbst schuld“, könnte man denken. Der klagende Arbeitnehmer war offiziell krank geschrieben, reinigte in dieser Zeit jedoch mit seinem Vater zusammen in einer öffentlichen Waschstraße sein Auto. Wie der Zufall es wollte, kam nicht irgendein Arbeitskollege, sondern sogar sein Vorgesetzter an dieser Waschstraße vorbei. Verständlicherweise verwundert, fertigte dieser von dem anscheinend doch nicht kranken Arbeitnehmer mit seinem Handy mehrere Bilder.

Der Kläger wurde (vor allem auch, weil er mit seinem Vater den Vorgesetzen im Zuge der Anfertigung der Bilder körperlich attackierte) gekündigt.
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