Finnische Datenschutzbehörde: Regelmäßige Prüfung der Kontaktkanäle für Datenschutzanfragen erforderlich

Am 9.5.2022 hat die finnische Datenschutzbehörde gegen ein Unternehmen (einen finnischen Verlag) ein Bußgeld in Höhe von 85.000 EUR wegen mehrerer Verstöße gegen die DSGVO verhängt (Englisch). Die Entscheidung betrifft einige praxisrelevante Fragestellung der Umsetzung von Betroffenenrechten.

Einleitend informiert die Behörde darüber, dass sie insgesamt elf Beschwerden zu dem Unternehmen erhalten hatte. Unter anderem hatten die Betroffenen keine Antwort auf ihre Anträge oder Anfragen zu Datenschutzrechten erhalten.

Kontaktkanäle für betroffene Personen müssen regelmäßig getestet werden

Einige Datenschutzanfragen von Betroffenen wurden aufgrund eines technischen Problems bei der E-Mail-Weiterleitung nicht umgesetzt, als das Unternehmen seinen Dienstleister wechselte.

Dies führte dazu, dass E-Mails, die in dem für Datenschutzfragen reservierten E-Mail-Posteingang eingingen, nicht an die Mitarbeiter des Kundendienstes weitergeleitet wurden. Das Problem wurde erst durch das Auskunftsersuchen der Datenschutzbehörde entdeckt. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Unterbrechung der E-Mail-Weiterleitung bereits sieben Monate gedauert.

Nach Ansicht der Aufsichtsbehörde wäre das Unternehmen verpflichtet gewesen, sich um die Prüfung des E-Mail-Postfachs zu kümmern, da dies der wichtigste elektronische Kontaktkanal der betroffenen Personen in Datenschutzangelegenheiten war.

Aus der offiziellen Pressemitteilung wird leider nicht klar, welche Norm der DSGVO die Behörde hierdurch als verletzt ansieht. Auf der Webseite des EDSA wird u.a. ein Verstoß gegen Art. 12 DSGVO angegeben. Dies scheint mir hier auch die passende gesetzliche Grundlage zu sein. Nach Art. 12 Abs. 2 S. 1 DSGVO muss der Verantwortliche der betroffenen Person die Ausübung ihrer Rechte gemäß den Art. 15 bis 22 DSGVO erleichtern. Wenn aber Anfragen von Betroffenen gar nicht bearbeitet werden (und sei es auch nur aufgrund eines technischen Fehlers), dürfte dies gerade keine Erleichterung, sondern eine Erschwerung darstellen. Praktisch bedeutet dies, dass Unternehmen in regelmäßigen Abständen ihre DSGVO-Kanäle für Betroffene von extern testen sollten.

Unnötige Informationen dürfen nicht zur Identifizierung angefordert werden

Daneben konnten Betroffene mit einem ausdruckbaren Formular auch Anfragen zu ihren eigenen Daten stellen. Hierbei ging es wohl um Auskunftsanfragen nach Art. 15 DSGVO. Das Formular verlangte zur Identifikation jedoch die Unterschrift der betroffenen Person.

Nach Ansicht der Aufsichtsbehörde verarbeitete das Unternehmen aber auf diese Weise eine übermäßige Menge an Informationen zur Identifizierung. Insbesondere konnte das Unternehmen nicht darlegen, dass es die Unterschrift etwa mit bei sich vorhandenen Unterschriften der Betroffenen abglich. Denn es wurden ansonsten keine Unterschriften der Betroffenen erhoben.

Auch dieses Vorgehen dürfte nach Ansicht der Behörde einen Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 DSGVO darstellen. Zudem wird in der Mitteilung auf der Webseite des EDSA auch ein Verstoß gegen Art. 5 Abs. 1 lit. c DSGVO erwähnt, also gegen den Grundsatz der Datenminimierung. Die (nicht erforderliche) Erhebung es Datums „Unterschrift“ dürfte auch gegen diese Norm verstoßen haben.

Missbräuchliche Ausübung von Betroffenenrechten – Klarheit durch neuen Richtlinienvorschlag der EU-Kommission?

In der Praxis ist die Geltendmachung und Bearbeitung von Betroffenenrechten der DSGVO ein wichtiges Thema. Dabei fällt auf, dass gerade Rechte wie der Auskunftsanspruch (Art. 15 DSGVO) oder das Recht auf Löschung (Art. 17 DSGVO) auch in Situationen geltend gemacht werden, in denen der Datenschutz ganz offensichtlich nicht im Fokus der Betroffenen steht. Sondern es geht, etwa in Verfahren vor Arbeitsgerichten, darum, der Gegenseite weiteren Aufwand zu machen bzw. diese, wenn möglich „auszuforschen“ (je nachdem, wie das Gericht den Umfang des Auskunftsrechts versteht). Oft stellt sich dann die Frage, ob denn der Verantwortliche nicht eine missbräuchliche Geltendmachung des Betroffenenrechts einwenden und die Erfüllung ablehnen kann. Mein Kollege Johannes Zwerschke und ich haben zu dem Thema „Missbräuchliche Ausübung von DS-GVO-Betroffenenrechten – zulässiger Verteidigungseinwand für Verantwortliche?“ einen Aufsatz in Heft 1/2022 der RDV veröffentlicht.

Merkmal „offenkundig unbegründet“

Fraglich ist hierbei unter anderem, wie das Merkmal „offenkundig unbegründet“ in Art. 12 Abs. 5 DSGVO in Bezug auf Anträge von Betroffenen zu verstehen ist. Die DSGVO gibt hierauf keine konkrete Antwort. Da es sich hierbei um unmittelbar anwendbares europäisches Recht handelt, ist das Merkmal nicht allein aus nationaler Sicht, sondern europarechtsautonom auszulegen.

Richtlinienvorschlag der Kommission zu missbräuchlichen Gerichtsverfahren

Spannend ist daher ein neuer Richtlinienvorschlag der EU-Kommission vom 27.4.2022. Es geht um eine Richtlinie zum Schutz von Personen, die sich öffentlich beteiligen, vor offenkundig unbegründeten oder missbräuchlichen Gerichtsverfahren („strategische Klagen gegen öffentliche Beteiligung“) (COM(2022) 177 final, PDF). Hintergrund des Vorschlags ist der Wunsch, Maßnahmen zur Verbesserung des Schutzes von Journalisten und Menschenrechtsverteidigern vor missbräuchlichen Gerichtsverfahren zu schaffen. „Strategische Klagen gegen öffentliche Beteiligung“ oder „SLAPP-Klagen“ (strategic lawsuits against public participation) sind nach Ansicht der Kommission eine besondere Form der Belästigung, um Äußerungen zu Angelegenheiten im öffentlichen Interesse zu verhindern oder zu sanktionieren. Die vorgeschlagene Richtlinie „ermöglicht es Richtern, offenkundig missbräuchliche Klagen gegen Journalisten und Menschenrechtsverteidiger rasch abzuweisen“.

Und hier wird es natürlich für uns aus DSGVO-Sicht interessant. Zum einen verwendet die Richtlinie exakt dasselbe Merkmal wie die DSGVO („offenkundig unbegründet“). Zum anderen ist die Ausgangssituation auch sehr ähnlich: es geht darum zu verhindern, dass Rechte missbräuchlich genutzt werden. Die Parallele zu Situationen unter der DSGVO, ergibt sich etwa aus ErwG 20 der Richtlinie: „Bei missbräuchlichen Gerichtsverfahren handelt es sich in der Regel um bösgläubige Verfahrenstaktiken, z. B. die Verzögerung von Verfahren, das Verursachen unverhältnismäßig hoher Kosten für den Beklagten im Verfahren oder die Wahl des günstigsten Gerichtsstands“. Und: „Diese Taktiken werden von den Klägern zu anderen Zwecken eingesetzt, als um Zugang zur Justiz zu erhalten“.

Was versteht die Kommission unter „offenkundig unbegründet“?

Und was versteht die Kommission nun unter dem Begriff „offenkundig unbegründet“? Eine abschließende Definition dieses Merkmals bzw. des Oberbegriffs „missbräuchliche Gerichtsverfahren“ liefert die Richtlinie nicht. Art. 3 der Richtlinie zählt eine nicht erschöpfende Liste der häufigsten Indikatoren von Missbrauch auf. Darunter fallen nach Ansicht der Kommission:

  • Unverhältnismäßigkeit,
  • Maßlosigkeit oder
  • Unangemessenheit der Forderung oder eines Teils davon,
  • Vorhandensein mehrerer Verfahren, die vom Antragsteller oder mit ihm verbundenen Parteien in ähnlichen Angelegenheiten angestrengt wurden,
  • Einschüchterungen, Belästigungen oder Drohungen von Seiten des Klägers oder seiner Vertreter.

In den Erläuterungen zu dem Entwurf geht die Kommission noch etwas genauer auf mögliche Merkmale ein, die meines Erachtens durchaus auch im Bereich der DSGVO herangezogen werden können.

Bei missbräuchlichen Gerichtsverfahren handelt es sich häufig um bösgläubige Verfahrenspraktiken, z. B. die Verzögerung von Verfahren, das Verursachen unverhältnismäßig hoher Kosten für den Beklagten im Verfahren oder die Wahl des günstigsten Gerichtsstands. Diese Taktiken, die von den Klägern zu anderen Zwecken als dem Zugang zur Justiz eingesetzt werden…

Gerade diese letzte Erläuterungen ist meiner Ansicht nach sehr gut auf die missbräuchliche Geltendmachung von Betroffenenrechten übertragebar (wie etwa: Verursachen unverhältnismäßig hoher Kosten; zu anderen Zwecken als dem Zugang zur Justiz (bzw. dem Schutz personenbezogener Daten)).

VG Düsseldorf: Kein DSGVO-Auskunftsanspruch in Bezug auf Mitarbeitergesprächsprotokolle von Kollegen

Das Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf hat mit Urteil vom 7.3.2022 (Az 26 K 406/19) zu der Frage entschieden, ob im Rahmen eines Auskunftsanspruchs nach Art. 15 DSGVO auch das Protokoll eines Mitarbeitergesprächs herauszugeben ist, in dem sich eine Arbeitskollegin kritisch über die Klägerin äußerte und ihr unter anderem vorwarf, Drohungen gegenüber Mitarbeitern auszusprechen.

Sachverhalt

Die Klägerin war als Fallmanagerin (Arbeitsvermittlerin) dem Beklagten zu 2 zugewiesen. Dort fand ein Personalgespräch statt, in dem ihr unangemessenes Verhalten gegenüber einer Mitarbeiterin vorgehalten wurde. Diese Mitarbeiterin habe in ihrem Mitarbeitergespräch im April 2017 geäußert, sie – die Klägerin – sei eine polarisierende und spaltende Kraft und agiere gegen die Teamleitung. Sie – die Klägerin – habe zum Nachteil der anderen Mitarbeiterin auch eine Drohung ausgesprochen.

Die Klägerin bewarb sich danach bei der Beklagten zu 1. Im Zuge des Bewerbungsverfahrens forderte die Beklagte zu 1. beim Beklagten zu 2. eine anlassbezogene dienstliche Beurteilung an. In dieser wurde u.a. festgehalten, dass es vereinzelt mit wenigen Mitarbeitern im Team zu immer wiederkehrenden Meinungsverschiedenheiten gekommen sei. Die dienstliche Beurteilung wurde gegenüber der Klägerin nicht eröffnet. Die ausgeschriebene Stelle wurde anderweitig vergeben.

Zuletzt beantragte die Klägerin noch, den Beklagten zu 2. zu verurteilen, ihr das Protokoll des Mitarbeitergesprächs der Kollegin aus April 2017 herauszugeben.

Entscheidung

Das VG wies die Klage als unbegründet ab.

Zunächst geht das VG davon aus, dass § 86 LBG NRW (Auskunftsrecht) vorliegend nicht auf das Protokoll des Mitarbeitergesprächs der Arbeitskollegin anwendbar ist. Diese Norm sei im vorliegenden Fall nicht einschlägig, soweit das von der Klägerin begehrte Dokument nicht Teil der eigenen Personalakte ist. Denn das streitbefangene Mitarbeiterprotokoll beziehe sich auf die dienstrechtlichen Beziehungen zwischen der Kollegin und dem Beklagten zu 2.

Der Beklagte zu 2. habe zudem entsprechend der bis 24. Mai 2018 geltenden Rechtslage Auskunft erteilt. Dort enthalten war auch das die Klägerin betreffende Protokoll über ihr eigenes Mitarbeitergespräch, welches die wesentlichen Angaben über die Vorwürfe aus dem Gespräch der Kollegin enthielt.

Art. 15 DSGVO trete, als allgemeine Norm, die ein Auskunftsrecht bei der Verarbeitung personenbezogener Daten vorsieht, gegenüber der Spezialregelung im LBG NRW bereits aus systematischen Gründen zurück (§ 5 Abs. 6 DSG NRW).

Jedoch nutzt das VG dennoch die Gelegenheit, sich zu der Ausnahmeregelung des Art. 15 Abs. 4 DSGVO in dem konkreten Fall zu äußern.

Art. 15 Abs. 4 DSGVO schränke das Recht auf Erhalt einer Kopie ein, wenn Rechte und Freiheiten anderer Personen beeinträchtigt werden. Das sei hier der Fall, da eine Kopie des Protokolls über das Mitarbeitergespräch vom April 2017 an die Klägerin herausgegeben werden würde.

Über ihre eigenen personenbezogenen Daten würde der Klägerin (als Betroffene) dann Einblick auch in solche personenbezogenen Daten ermöglicht werden, die ihre Kollegin oder weitere Personen betreffen.

Im Rahmen einer Abwägung aller Interessen ist ein solcher Eingriff nicht zu rechtfertigen, weil die Klägerin – wie bereits dargestellt – in anderer geeigneter Weise über die sie betreffenden personenbezogenen Daten informiert worden ist“.

Fazit

Die Ausführungen des VG sind recht kurz. Dennoch scheint das VG durchblicken zu lassen, dass Art. 15 DSGVO seiner Ansicht nach zum einen nicht dazu dient, personenbezogene Daten über andere Personen (hier der Arbeitskollegin und ihren Aussagen) zu erhalten. Zum anderen sieht das VG im konkreten Fall wohl auch die Rechte und Freiheiten der anderen Betroffenen beeinträchtigt, wenn deren Daten, in der Form von Gesprächsprotokollen, im Original herausgegeben würden. Das VG äußert sich nicht zu der Möglichkeit, ob eine geschwärzte Version des Protokolls zur Verfügung gestellt werden könnte.

Landgericht Stuttgart: zur Zulässigkeit von Briefwerbung und eine Blacklist für Werbewidersprüche nach der DSGVO

Das LG Stuttgart hat mit Urteil vom 25.02.2022 (Az. 17 O 807/21; derzeit nur bei BeckOnline abrufbar, BeckRS 2022, 4821) einige praxisrelevante Fragen rund um die Brief-/Postwerbung behandelt. Unter anderem ging es um die Zulässigkeit von Postwerbung auf Grundlage der Interessenabwägung nach Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO und die Frage, ob eine Speicherung von personenbezogenen Daten auf einer Blacklist, zur Umsetzung von Werbewidersprüchen, möglich ist.

Sachverhalt

Der Kläger macht gegen die Beklagte Ansprüche wegen behaupteter Verletzung seiner Rechte aus der DSGVO geltend. Der Kläger erhielt an seiner Wohnanschrift postalische Werbung für Produkte einer Versicherung. Dies Werbung wurde nicht von der Versicherung direkt, sondern von der Beklagten als Dienstleisterin für Werbetreibende versendet. Der Kläger machte gegenüber der Beklagten von seinem Recht auf Löschung gemäß Art. 17 DSGVO Gebrauch und forderte die Beklagte auf, ihm Auskunft zur Verwendung seiner Daten zu erteilen sowie die bei der Beklagten vorhandenen personenbezogenen Daten des Klägers zu löschen.

In der Folge erhob der Kläger außergerichtlich Schadensersatzansprüche wegen Verletzung seiner Rechte aus der DSGVO (Art. 82 DSGVO). Der Kläger ist der Ansicht, dass die Beklagte gegen das Recht auf Löschung seiner Daten nach Art. 17 DSGVO verstoßen habe, nachdem sie diese nicht vollständig gelöscht (Sperrung) habe. Zudem ist der Kläger der Auffassung, dass persönlich adressierte Briefsendungen als Form der Direktwerbung hier nicht zulässig waren. Denn Direktwerbung setze nach Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO eine bereits bestehende Kundenbeziehung voraus, weil sie nur dann im berechtigten Interesse des Verantwortlichen liege.

Urteil

Das LG wies die Klage ab. Der Kläger habe gegen die Beklagte wegen der Zusendung der streitgegenständlichen Werbeschreibens keinen Schadensersatzanspruch aus Art. 82 DSGVO, denn es liege kein Verstoß gegen die DSGVO vor. Insbesondere war die Zusendung der Werbeschreiben und die dem zugrunde liegende Verarbeitung seiner Adressdaten rechtmäßig im Sinne von Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO.

Rechtsgrundlage, Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO

Das Gericht geht davon aus, dass die Beklagte als datenschutzrechtlich Verantwortliche ihre Interessen und die ihres Kunden (eines Dritten) an der Werbemaßnahmen als berechtigte Interessen im Sinne des Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO anführen kann. Die Verarbeitung der Kontaktdaten war zur Erreichung dieses Interesses auch erforderlich.

Die Beklagte habe

dargelegt, dass Werbebriefe wie der vorliegende ein notwendiges Mittel sind, um einerseits Bestandskunden zu pflegen, andererseits aber auch – wie hier – Neukunden zu gewinnen“.

Zudem überwiegen die Interessen des Klägers nicht die berechtigten Interessen der Beklagten bzw. die Interessen der (Werbe-) Kundin. Das LG stellt hier deutlich heraus, dass die Interessen des Betroffenen überwiegen müssen.

Bei gleichwertigen Interessen („non liquet“) darf eine Verarbeitung also stattfinden

Zudem sehe die DSGVO das Interesse der Wirtschaft an Direktwerbung als schutzwürdig an. Das LG verweist auf ErwG 47. Zwar sei damit noch nicht gesagt, dass jeder Fall der Direktwerbung gerechtfertigt ist. Allerdings lasse sich dem Erwägungsgrund entnehmen, dass die Beklagte und ihre Werbekunden hieran ein berechtigtes Interesse haben, dem gegenüber widerstreitende Interessen des Klägers überwiegen müssen.

Das LG konkretisiert in diesem Zusammenhang, was unter „Direktwerbung“ zu verstehen sei. Unter Direktwerbung im Sinne des Erwägungsgrundes sei

jede unmittelbare Ansprache der betroffenen Person etwa durch Zusendung von Briefen oder Prospekten, durch Telefonanrufe, E-Mails oder Übermittlung von SMS zu verstehen, unabhängig davon, ob zwischen Werbendem und Betroffenem zuvor ein Kundenverhältnis bestanden hat.“

Zudem lehnt das LG die Ansicht des Klägers ab. Der Wortlaut der Vorschrift setze kein bereits bestehendes Kundenverhältnis der Parteien voraus. „Direktwerbung“ betrifft also vor allem auch die Neukundenwerbung.

Zulässigkeit der Datenverarbeitung für Werbewiderspruch

Praxisrelevant ist auch die Ansicht des LG zu der Zulässigkeit der Datenverarbeitung zur Umsetzung eines Werbewiderspruchs. Der Kläger ging hier davon aus, dass die Beklagte zum Umsetzung seines Widerspruchs keine Daten verarbeiten durfte. Auch dieser Ansicht schließt sich das LG nicht an und liefert die passende Rechtsgrundlage.

Soweit die Beklagte die Daten des Klägers noch zum Zwecke der Berücksichtigung des Widerspruchs des Klägers vorhält, ist dies nach Art. 6 Abs. 1 lit. c) DS-GVO gerechtfertigt.

Fazit

Die Entscheidung des LG ist unter mehreren Gesichtspunkten praxisrelevant. Zum einen stärkt sie die grundsätzliche Zulässigkeit von Briefwerbung unter der DSGVO, die 1) ohne Einwilligung und 2) ohne das Erfordernis einer Kundenbeziehung zulässig ist. Zum andern bestätigt das Gericht die vormalige Rechtsprechung des BGH (unter altem BDSG) zur Zulässigkeit der Datenverarbeitung für die Umsetzung eines Werbewiderspruchs. Auf dieser Grundlage dürfte also etwa eine Blacklist geführt werden.

Recht auf Berichtigung bei Angabe falscher Daten im Rahmen der Registrierung? – Hessische Aufsichtsbehörde: ja und nein

Auf der Webseite des EDSA wurde die Zusammenfassung (PDF) einer neuen Entscheidung der Hessischen Datenschutzbehörden vom 19.11.2021 im Wege des One Stop Shop Mechanismus veröffentlicht.

Sachverhalt

Der Fall betrifft eine Registrierung bei einem Dienst, in deren Zuge der Betroffene ein falsches Geburtsdatum eingab. Der Dienst durfte nach den Nutzungsbedingungen nur von Volljährigen genutzt werden. Daher gab der minderjährige Betroffene ein falsches Geburtsdatum an. Zudem wählte er noch ein Pseudonym als Account Namen.

Der Betroffene macht nun, nachdem er volljährig war, sein Recht nach Art 16 GDPR auf Berichtigung der, von ihm selbst, falsch angegeben Daten geltend. Das Unternehmen verweigerte die Berichtigung beider Daten.

Entscheidung

Die Aufsichtsbehörde lehnte die Beschwerde in Bezug auf die Berichtigung des Account Namens, also des Pseudonyms, ab.

„Ein von der betroffenen Person frei gewähltes Pseudonym kann nicht unrichtig im Sinne von Artikel 16 Absatz 1 DSGVO sein, auch wenn es Namen oder andere Daten von Dritten enthalten kann.“

Jedoch geht die Behörde davon aus, dass das Geburtsdatum zu berichtigen sei. Auch wenn dies von dem betroffenen falsch angegeben wurde und selbst auch dann, wenn dies einen Verstoß gegen die Nutzungsbedingungen der Plattform darstellt.

„Das Recht auf Berichtigung besteht unabhängig von möglichen zivilrechtlichen Folgen im Vertragsverhältnis zwischen dem Beschwerdeführer und dem Anbieter. Dementsprechend müssen die Prozesse im Kundensupport angepasst werden, damit eine Berichtigung in zukünftigen, vergleichbaren Fällen nicht pauschal abgelehnt wird.“

Fazit

Die Entscheidung dürfte für Unternehmen relevant sein, die Nutzerkonten anbieten und hierzu bestimmte Vorgaben an Nutzer machen, etwa zu einer Altersgrenze. Hinsichtlich der absichtlichen Angabe des falschen Geburtsdatums erscheint mir die Ansicht der Behörde durchaus diskutabel. Denn mit der Begründung wäre es Betroffenen möglich, bewusst und missbräuchlich falsche Daten in Systeme bei Unternehmen zu geben, nur um dann im Nachgang Verstöße gegen die DSGVO geltend zu machen. Eventuell kann man in solchen Fällen aber den Einwand des Missbrauchs nach Art. 12 Abs. 5 GDPR erheben.

EDSA: Erfüllung der Rechenschaftspflicht unter anderem mit A/B Tests möglich

Die Rechenschaftspflicht der DSGVO, insbesondere in Art. 5 Abs. 2 DSGVO, ist quasi omnipräsent und gleichzeitig doch so wenig konkret und fassbar. Danach ist der Verantwortliche für die Einhaltung der Datenschutzgrundsätze des Art. 5 Abs. 1 DSGVO verantwortlich und muss dessen Einhaltung nachweisen können („Rechenschaftspflicht“).

Wie konkret diese Rechenschaftspflicht, in der Form als Nachweispflicht, zu erfüllen ist, wird nicht vorgegeben. Aus praktischer Sicht, bieten sich daher durchaus unkonventionelle Wege an.

Auch der EDSA sieht die Möglichkeit, die Rechenschaftspflicht nicht nur durch eine „klassische“ Datenschutzdokumentation zu erfüllen. In seinen Leitlinien zur Transparenz (WP 260 rev01, pdf) geht der EDSA davon aus, dass die Einhaltung der Vorgaben der Informationspflichten auch durch Anwendertests nachgewiesen werden können.

Rz. 25: „Als Hilfestellung zur Festlegung der geeignetsten Art und Weise für die Bereitstellung der Informationen können die Verantwortlichen vor dem „Going Live“ verschiedene Vorgehensweisen ausprobieren mit Anwendertests (d. h. Auditoriumtests oder sonstige Standardtests der Verständlichkeit oder Zugänglichkeit), um so Rückmeldungen zu erhalten, wie zugänglich, verständlich und komfortabel die vorgeschlagene Maßnahme für die Nutzer ist.

Und spezifisch zur Rechenschaftspflicht: „Eine Dokumentation dieses Ansatzes sollte für die Verantwortlichen auch im Hinblick auf die Erfordernisse der Rechenschaftspflicht hilfreich sein, denn so lässt sich zeigen, wieso das gewählte Instrument / die gewählte Herangehensweise zur Informationsübermittlung unter den gegebenen Umständen besonders zweckdienlich ist.

Der EDSA sieht hier klar die Möglichkeit, dass durch interne Tests mit dem potentiellen Zielpublikum die Rechenschaftspflicht der DSGVO auch (mit)erfüllt werden kann. Diese Überlegungen des EDSA kann man sicher auch auf andere Pflichten der DSGVO übertragen. Über eine Dokumentation der internen Tests kann ein Verantwortlicher nachweisen, wie er den Anforderungen der DSGVO nachgekommen ist.

Französische Datenschutzbehörde: Empfehlungen für die Bearbeitung von Auskunftsansprüchen nach Art. 15 DSGVO im Arbeitsverhältnis – speziell zu beruflichen E-Mails

Die Geltendmachung von Art. 15 DSGVO hat insbesondere im Bereich des Arbeitsverhältnisses Hochkonjunktur. Vor allem in Situationen, in denen es nicht (mehr) so funktioniert oder ein Kündigungsschutzprozess läuft.

In der Literatur und Rechtsprechung gibt es einige Diskussionen zu der Frage, wie in diesem Fall Art. 15 DSGVO auszulegen und anzuwenden ist.

Die französische Datenschutzbehörde (CNIL) hat nun auf ihrer Webseite (bisher nur auf Französisch) Empfehlungen ausgesprochen und ihre Ansicht dargelegt, wie mit Auskunftsansprüchen im Arbeitsverhältnis umzugehen ist („Das Recht der Arbeitnehmer auf Auskunft zu ihren Daten und beruflichen E-Mails“). Interessant an der Veröffentlichung ist, dass sich die CNIL speziell auch mit der Frage der Herausgabe von beruflichen E-Mails befasst.

Nachfolgend möchte ich einige Aussagen der CNIL darstellen (aus dem Französischen per deepl übersetzt).

Identitätsfeststellung

Der Verantwortliche muss sich über die Identität des Antragstellers vergewissern. Wenn begründete Zweifel an der Identität der Person bestehen, die ihr Recht ausüben möchte, kann der Verantwortliche Informationen anfordern, um die Identität der Person zu verifizieren. Jedoch, so die CNIL, dürfen keine Nachweise verlangt werden, die missbräuchlich, irrelevant und im Verhältnis zum Antrag unverhältnismäßig wären.

Beispiele:

Wenn ein Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber über seine geschäftliche E-Mail oder das Intranet des Unternehmens Auskunft zu den über ihn gespeicherten personenbezogenen Daten und deren Offenlegung verlangt, ist die Vorlage eines Personalausweises oder eines Reisepasses a priori nicht erforderlich, um die Identität des Antragstellers sicherzustellen.

Ein ehemaliger Arbeitnehmer könne seine Identität grundsätzlich z.B. durch die Nennung seiner früheren Mitarbeiter-ID nachweisen.

Das Recht auf Auskunft bezieht sich auf personenbezogene Daten und nicht auf Dokumente

Das Recht auf Auskunft bezieht sich nach Ansicht der CNIL nur auf personenbezogene Daten und nicht auf Dokumente: „Eine Person kann also nicht aufgrund des Rechts auf Auskunft die Herausgabe eines Dokuments verlangen“. Es steht dem Verantwortlichen jedoch frei, Dokumente statt nur Daten herauszugeben, wenn er der Meinung ist, dass dies praktischer ist.

Beispiel: Wenn eine betroffene Person ihr Recht auf Auskunft zu E-Mails ausüben möchte, muss der Arbeitgeber sowohl die Metadaten (Zeitstempel, Empfänger …) als auch den Inhalt der E-Mails zur Verfügung stellen. In dieser Situation scheint die Bereitstellung einer Kopie der E-Mails die einfachste Lösung für die Organisation zu sein, um dem Antrag nachzukommen, ist aber nicht zwingend erforderlich.

Wie antwortet man einem Arbeitnehmer, der Zugang zu dienstlichen E-Mails oder eine Kopie davon erhalten möchte?

Nach Ansicht der CNIL muss der Arbeitgeber im Fall eines Auskunftsersuchens auf Zugang zu dienstlichen E-Mails die Beeinträchtigung der Rechte Dritter durch diese Anfrage bewerten. Er muss also eine Auswahl treffen zwischen Nachrichten, die weitergegeben werden dürfen, und solchen, die nicht weitergegeben werden dürfen.

Die CNIL schlägt vor, dass Arbeitgeber zwischen zwei Situationen unterscheiden, je nachdem, ob der antragstellende Arbeitnehmer 1) der Absender oder der Empfänger der E-Mails ist/war oder 2) nur im Inhalt der E-Mails erwähnt wird. Die CNIL nimmt diese Trennung vor allem mit Blick auf die Ausnahme nach Art. 15 Abs. 4 DSGVO (Beeinträchtigung der Rechte anderer Personen) vor.

Zu 1)

Wenn der Arbeitnehmer bereits Kenntnis von den Informationen in den Nachrichten, auf die sich der Antrag bezieht, hatte oder davon ausgegangen werden kann, dass er davon Kenntnis hat, geht die CNIL davon aus, dass die Weitergabe der E-Mails die Rechte Dritter respektiert und nicht die Ausnahme nach Art. 15 Abs. 4 DSGVO greift.

In diesem Zusammenhang ist die Anonymisierung oder Pseudonymisierung von Daten Dritter zwar empfehlenswert, jedoch nach Ansicht der CNIL keine Vorbedingung für die Übermittlung von E-Mails.

In Ausnahmefällen kann der Zugang zu oder die Weitergabe von E-Mails, die dem Antragsteller schon bekannt sind, jedoch ein Risiko für die Rechte Dritter darstellen, z. B. aufgrund der Art der Daten, die weitergegeben werden könnten. Dann muss der Arbeitgeber zunächst versuchen, Daten, die Dritte betreffen oder ein Geheimnis verletzen, zu löschen, zu anonymisieren oder zu pseudonymisieren, um dem Antrag stattgeben zu können. Wenn sich diese Maßnahmen als unzureichend erweisen, darf der Arbeitgeber den Antrag auf Auskunft verweigern, wobei er seine Entscheidung gegenüber der betroffenen Person begründen und rechtfertigen muss.

Beispiel: Ein Arbeitgeber kann sich weigern, einem Antrag auf Herausgabe von E-Mails mit Informationen, die die nationale Sicherheit oder ein Betriebsgeheimnis verletzen würden, stattzugeben. Diese Argumente können vom Arbeitgeber aber nicht ohne eine Begründung gegenüber dem Antragsteller geltend gemacht werden.

Zu 2)

Wenn ein Arbeitnehmer die Herausgabe von Informationen aus E-Mails, in denen er erwähnt wird, erhalten möchte, muss der Arbeitgeber nach Ansicht der CNIL ein Gleichgewicht zwischen der Befriedigung des Auskunftsrechts des Arbeitnehmers und der Achtung der Rechte und Freiheiten anderer Arbeitnehmer, insbesondere mit Blick auf das Fernmeldegeheimnis, finden.

Die CNIL empfiehlt, in zwei Schritten vorgehen:

Schritt 1: Zunächst vergewissert sich der Arbeitgeber, dass die Mittel, die zur Identifizierung der angeforderten E-Mails eingesetzt werden müssen, nicht zu einem unverhältnismäßigen Eingriff in die Rechte aller Arbeitnehmer der Organisation führen.

Wenn die Identifizierung der E-Mails, auf die sich der Antrag bezieht, den Einsatz besonders einschneidender Mittel voraussetzt, wie z. B. das Scannen sämtlicher E-Mail-Nachrichten der Beschäftigten der Organisation, muss der Antragsteller aufgefordert werden, seinen Antrag zu präzisieren. Wenn er sich dagegen wehrt, kann sich der Arbeitgeber in einer solchen Situation auf die Achtung der Rechte Dritter berufen, um ihm eine positive Antwort zu verweigern.

Wenn die Angaben des Antragstellers es ermöglichen, die angeforderten E-Mails zu identifizieren, ohne das Fernmeldegeheimnis der Arbeitnehmer unverhältnismäßig zu verletzen, muss der für die Verarbeitung Verantwortliche den zweiten Schritt durchführen.

Schritt 2:

Der Verantwortliche untersucht den Inhalt der angeforderten E-Mails und beurteilt das Ausmaß der Beeinträchtigung der Rechte Dritter durch ihre Übermittlung, insbesondere im Hinblick auf das Fernmeldegeheimnis und das Privatleben des Absenders und der Empfänger. Dieser Schritt setzt eine Einzelfallanalyse voraus, da das Ergebnis von der Art der in den E-Mails enthaltenen Informationen abhängt.

Beispiel: Ein Arbeitgeber kann sich weigern, einem Antrag auf Übermittlung von E-Mails stattzugeben, die sich auf eine Disziplinaruntersuchung beziehen und deren Inhalt, selbst wenn er geschwärzt ist, dem Antragsteller die Identifizierung von Personen ermöglichen könnte, von denen er keine Kenntnis haben sollte.

Fazit

Die Empfehlungen der CNIL stellen eine gute Unterstützung und Argumentationshilfe für die Praxis dar. Zwar dürften die Vorgaben der CNIL in der Praxis zu einem gewissen Aufwand auf Seiten der Arbeitgeber führen. Andererseits ist zu beachten, dass man sich im Bereich einer Ausnahme von einem Betroffenenrecht befindet und daher ein gewisser Begründungsaufwand unausweichlich ist. Andere Möglichkeit: man schließt berufliche E-Mails per se vom Anwendungsbereich des Art. 15 DSGVO aus. Auch das ist aber natürlich sehr umstritten.

Finnische Datenschutzbehörde: Protokoll-/Logdaten sind nicht vom Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO umfasst

Die finnische Datenschutzbehörde (DSB) veröffentlicht auf ihrer Webseite unter der Rubrik „FAQ“ in englischer Sprache viele interessante und praxisrelevante Antworten auf Fragen, rund um das Verständnis der DSGVO.

Eine schöne Frage und Antwort der Behörde habe ich zum Recht auf Auskunft gefunden.  

Frage: Kann ein Betroffener aufgrund des Auskunftsrechts Anspruch auf die Protokolldaten (Logdaten) haben?

Antwort der Behörde: Nach der gängigen Entscheidungspraxis der DSB stehen Benutzerprotokolldaten im Zusammenhang mit der Zugriffsverwaltung auf die personenbezogenen Daten einer betroffenen Person und betreffen nicht die betroffene Person selbst. Vielmehr können Benutzerprotokolldaten z.B. die Mitarbeiter betreffen, die die Daten der Person verarbeitet haben. Art. 15 DSGVO sieht das Recht der betroffenen Person auf Auskunft über die sie betreffenden Daten vor.

Hieraus schließt die DSB: Da sich die Protokolldaten auf die Zugriffsverwaltung und nicht auf die betroffene Person beziehen, über die sie gesammelt werden, hat diese Person nach Auffassung der Aufsichtsbehörde aufgrund dieses Auskunftsrechts keinen Anspruch auf die Protokolldaten.

Diese Ansicht der DSB dürfte für Unternehmen in der Praxis besonders interessant sein. In Deutschland kann sich dasselbe Ergebnis auf Grundlage von § 34 Abs. 1 Nr. 2 lit. b BDSG ergeben, wenn die dort benannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hierzu zählt etwa, dass die Auskunftserteilung einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde sowie eine Verarbeitung zu anderen Zwecken durch geeignete technische und organisatorische Maßnahmen ausgeschlossen ist. Die finnische DSB scheint eher pauschal die Logdaten, welche beim Zugriff auf personenbezogene Daten entstehen, vom Umfang des Auskunftsanspruchs auszuschließen.

Schwedische Datenschutzbehörde: Ausübung von DSGVO-Betroffenenrechten per Tweet?

Die schwedische Datenschutzbehörde hat im Rahmen des Kohärenzverfahrens am 10.9.2021 eine Entscheidung (PDF) zu der durchaus praxisrelevanten Frage getroffen, ob Unternehmen Betroffenenanfragen bzw. die Ausübung von Betroffenenrechten der DSGVO per Tweets auf Twitter sicherstellen müssen.

Sachverhalt

Der Betroffene erwarb ein Produkt des Verantwortlichen. Im Nachgang erhielt der Betroffene drei werbliche SMS. Eine Abmeldung von dem SMS-Versand war wohl nur über den Versand einer SMS an eine ausländische Nummer möglich. Dies wollte der Betroffene jedoch nicht und wandte sich per Tweet an den Account des Unternehmens auf Twitter an den Verantwortlichen (wohl mit einer Bitte um Löschung seiner Daten). Er erhielt hierauf zunächst keine Antwort, jedoch eine weitere SMS. Daraufhin beschwerte er sich erneut per Tweet bei dem Unternehmen und forderte die Löschung seiner Daten. Auf den letzten Tweet antwortete das Unternehmen und bot ihm an, seine Daten aus der Datenbank zu löschen. Am Ende nahm das Unternehmen diese Löschung auch vor.

Entscheidung

Die interessante Frage war hier, ob die Tweets an den Account des Verantwortlichen auf Twitter als Ausübung eines Betroffenenrechts angesehen werden konnten (etwa mit der Folge des Laufs der Fristen nach Art. 12 Abs. 3 DSGVO).

Die schwedische, als federführende Aufsichtsbehörde, äußert sich in der veröffentlichten Entscheidung nicht ausdrücklich zu dieser Frage. Jedoch lässt die Begründung der Behörde erkennen, dass sie wohl nicht davon ausgeht, dass diese Anfragen per Tweet als Betroffenenanfragen im Sinne der DSGVO zu verstehen waren.

Die Aufsichtsbehörde stellt „fest, dass der Beschwerdeführer einen informellen Weg zur Kontaktaufnahme mit dem Unternehmen genutzt hat (durch einen Tweet auf Twitter).“ (inoffizielle Übersetzung)

Diese Einschätzung lässt eine gewisse Tendenz erkennen, die Tweets nicht als Ausübung eines Betroffenenrechts zu verstehen. Wobei man sicherlich anmerken muss, dass die DSGVO keinen „formellen“ Weg für Betroffenenanfragen vorsieht. Art. 12 Abs. 2 DSGVO verpflichtet den Verantwortliche dazu, dass er der betroffenen Person die Ausübung ihrer Rechte gemäß den Art. 15 bis 22 DSGVO erleichtert.

Die Aufsichtsbehörde begründet weiter, dass es ist verständlich sei, dass der Beschwerdeführer keine Gebühr zahlen wollte, um gegen die Marketing-SMS Einspruch zu erheben.

aber gleichzeitig ist es auch verständlich, dass das Unternehmen nicht direkt über Twitter eine formelle Antwort gegeben hat“. (inoffizielle Übersetzung)

Die schwedische Behörde geht davon aus, dass es höchstwahrscheinlich andere Möglichkeiten gab, mit dem Unternehmen in Kontakt zu treten (z. B. per E-Mail), als per SMS. Auch diese Begründung spricht meines Erachtens eher dafür, dass die Aufsichtsbehörde von dem Betroffenen verlangt, einen förmlicheren Weg bei der Ausübung seiner Rechte zu gehen.

Letztlich schloss die Aufsichtsbehörde das Verfahren ohne eine aufsichtsbehördliche Maßnahme ab.

Finnische Datenschutzbehörde: Gesprächsaufzeichnungen sind nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO herauszugeben

Die finnische Datenschutzbehörde entschied (PDF) am 24. Juni 2021 in einem Kohärenzverfahren zu Fragen des Auskunftsanspruchs in Bezug auf Aufzeichnungen von Telefongesprächen. Die Datenschutzbehörde sieht den Verantwortlichen in der Pflicht, auch solche Aufzeichnungen im Rahmen des Art. 15 Abs. 3 DSGVO herauszugeben.

Sachverhalt

Der Fall basiert auf einer Beschwerde eines Betroffenen. Von ihm wurden durch das Unternehmen Telefongespräche wurden aufgezeichnet, die er mit dem Kundenservice des Unternehmens führt. Darauf enthalten waren sowohl die Stimme des Betroffenen, als auch anderer Person (wohl Mitarbeiter des Unternehmens). Der Betroffene verlangte Auskunft nach Art. 15 DSGVO. Das Unternehmen hab ihm (verspätet) jedoch nur Dokumente heraus und nicht die Aufzeichnungen der Telefongespräche.

Die Finnische Behörde prüfte Verstöße gegen Art. 12 Abs. 1 und 3 sowie Art. 15 Abs. 3 DSGVO. Das Verfahren endete in einer Verwarnung nach Art. 58 Abs. 2 lit. b DSGVO.

Verspätete Auskunftserteilung

Insgesamt geht die Behörde von einem Verstoß gegen Art. 12 Abs. 3 und gegen Art. 12 Abs. 1, Art 15 Abs. 3 DSGVO aus.

Ursprünglich wurde im November 2018 Auskunft geltend gemacht und teilweise im August 2020 erfüllt Dies jedoch nicht in Bezug auf Gesprächsaufzeichnungen. Die Behörde stellt diesbezüglich einen Verstoß gegen Art. 12 Abs. 3 DSGVO fest, da das Unternehmen die Auskunft nicht innerhalb der gesetzlichen Frist (maximal 3 Monate) erteilte.

Keine Herausgabe der Gesprächsaufzeichnungen

Der Verantwortliche stellt die Aufzeichnungen von Telefongespräche mit dem Betroffenen im Rahmen der Auskunft nicht zur Verfügung. Zur Begründung führte das Unternehmen Art. 15 Abs. 4 DSGVO und die Rechte von anderen Personen an, die ebenfalls auf den Aufzeichnungen zu hören sind.

Die Aufsichtsbehörde stellt zunächst fest, dass die Stimme einer Person ein personenbezogenes Datum im Sinne der DSGVO ist. Daher geht die Behörde davon aus, dass sich das Recht auf Auskunft im Grundsatz auch auf aufgezeichnete Telefongespräche bezieht.

Interessant ist die Ansicht der Behörde zur Ausnahme vom Anspruch auf Kopie nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO. Nach Art. 15 Abs. 4 DSGVO darf das Recht auf Erhalt einer Kopie gemäß Abs. 3 die Rechte und Freiheiten anderer Personen nicht beeinträchtigen. Das Unternehmen hatte hier Rechte anderer Personen, die ebenfalls auf den Aufzeichnungen zu hören sind, als einschränkende Ausnahme vorgebracht. Im konkreten Fall lies dies die Behörde jedoch nicht geltend. Denn nach Ansicht der Behörden sind keine Rechte anderer Personen beeinträchtigt, wenn diese anderen Personen die Telefonaufzeichnungen im Rahmen der Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit vornehmen.

Es ging hier also wohl um Mitarbeiter im Kundenservice des Verantwortlichen, die auf der Aufzeichnung des Telefongesprächs zu hören waren. Nach Auffassung der Datenschutzbehörde stelle dies aber keinen Fall dar, in dem die Rechte dieser Mitarbeiter beeinträchtigt würden, wenn die Aufzeichnungen der Telefongespräche an den Betroffenen herausgegeben werden. Die Aufsichtsbehörde scheint hierbei an den beruflichen Kontext der Aufzeichnung der Stimme der Mitarbeiter anzuknüpfen und darauf eine fehlende Beeinträchtigung abzuleiten.

Zudem begründet die Behörde ihre Ansicht, dass die Ausnahme nach Art. 15 Abs. 4 DSGVO nicht greift, damit, dass im Fall von aufgezeichneten Telefongesprächen immer auch personenbezogene Daten anderer Personen (der Gesprächsteilnehmer) vorhanden sind. Würde man hier die Ausnahme gelten lassen, würde quasi die Ausnahme zur Regel.

Vorliegend bot das Unternehmen dem Betroffenen an, dass er vor Ort die Aufzeichnung des Telefongesprächs anhören konnte. Die Aufsichtsbehörde lies diese Alternative mit Blick auf die Vorgaben nach Art. 12 Abs. 1 DSGVO und Art. 15 Abs. 3 DSGVO nicht ausreichen. Danach sind die Informationen in einem gängigen elektronischen Format zur Verfügung zu stellen, wenn der Betroffene den Antrag elektronisch stellt und nichts anderes angibt.

Die Aufsichtsbehörde gesteht dem Verantwortlichen zwar als Alternative zu, dass er dem Betroffenen ein Anhören der Aufzeichnung direkt vor Ort anbietet. Jedoch, so die Behörde, kann dies nicht die einzige Form der Zurverfügungstellung der Aufzeichnungen sein, wenn der Betroffene diese Form nicht wünscht.

Da die Aufzeichnungen mittlerweile gelöscht wurden, konnte die Behörde den Verantwortlichen nicht zur Herausgabe der Aufzeichnungen verpflichten. Es erging eine Verwarnung nach Art. 58 Abs. 2 lit. b DSGVO.