Berliner Datenschutzbeauftragte: Verfassung von Berlin ist wegen fehlender Unabhängigkeit der Datenschutzbehörde europarechtswidrig

Die in der Verfassung von Berlin niedergelegte Dienstaufsicht des Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über die Berliner Datenschutzbeauftragte verstößt gegen Europarecht. Diese Ansicht vertritt die Berliner Datenschutzbeauftragte in ihrem aktuellen Jahresbericht (pdf, S. 202 ff)

Diese sehr klar Positionierung ist, soweit ersichtlich, bislang noch nicht öffentlich kommentiert oder diskutiert worden, birgt jedoch durchaus Konfliktpotential. Beispielsweise könnte die Europäische Kommission aufgrund der aktuellen Regelung ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland einleiten.

Derzeit lautet Art. 47 Abs. 1 Verfassung von Berlin (VvB) wie folgt:

Zur Wahrung des Rechts der informationellen Selbstbestimmung wählt das Abgeordnetenhaus einen Datenschutzbeauftragten. Er wird vom Präsidenten des Abgeordnetenhauses ernannt und unterliegt dessen Dienstaufsicht.

Art. 52 Abs. 1 DSGVO sieht vor, dass jede Aufsichtsbehörde bei der Erfüllung ihrer Aufgaben und bei der Ausübung ihrer Befugnisse völlig unabhängig handelt. Nach Ansicht der BlnBfDI wird diese Vorgabe noch durch Art. 52 Abs. 2 DSGVO konkretisiert.

Das Mitglied oder die Mitglieder jeder Aufsichtsbehörde unterliegen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben und der Ausübung ihrer Befugnisse gemäß dieser Verordnung weder direkter noch indirekter Beeinflussung von außen und ersuchen weder um Weisung noch nehmen sie Weisungen entgegen“.

Die BlnBfDI begründet ihre Ansicht insbesondere mit Verweisen auf das europäische Primärrecht sowie die Rechtsprechung des EuGH zur Unabhängigkeit der Datenschutzbehörden (noch zur alten EU Datenschutz-Richtlinie).

Nach Art. 16 Abs. 2 S. 2 AEUV wird die Einhaltung der Vorschriften über den Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten von unabhängigen Behörden überwacht. Ähnliches sieht auch Art. 8 Abs. 3 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union vor:

Die Einhaltung dieser Vorschriften wird von einer unabhängigen Stelle überwacht.

In seinem Urteil vom 9. März 2010 (C-518/07) hatte sich der EuGH mit der entsprechenden Vorgabe zur Unabhängigkeit der Aufsichtsbehörden unter Geltung der EU Datenschutz-Richtlinie befasst (Art. 28 Abs. 1 RL 95/46). Dieser lautete:

Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass eine oder mehrere öffentliche Stellen beauftragt werden, die Anwendung der von den Mitgliedstaaten zur Umsetzung dieser Richtlinie erlassenen einzelstaatlichen Vorschriften in ihrem Hoheitsgebiet zu überwachen. Diese Stellen nehmen die ihnen zugewiesenen Aufgaben in völliger Unabhängigkeit wahr.“

Der EuGH befand, dass die staatliche Aufsicht gleich welcher Art es der Regierung des betroffenen Landes oder einer Stelle der ihr untergeordneten Verwaltung grundsätzlich ermöglicht, auf Entscheidungen der Kontrollstellen unmittelbar oder mittelbar Einfluss zu nehmen bzw. diese Entscheidungen aufzuheben und zu ersetzen.

Zwar mag es sein, dass die staatliche Aufsicht nur sicherstellen soll, dass das Handeln der Kontrollstellen den geltenden nationalen und gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen entspricht, und demnach nicht darauf abzielt, diese Stellen dazu zu zwingen, politische Zielsetzungen zu verfolgen, die dem Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und den Grundrechten zuwiderlaufen.

Jedoch, so der EuGH, lasse sich nicht ausschließen, dass die Aufsichtsstellen, die Teil der allgemeinen Staatsverwaltung und damit der Regierung des jeweiligen Landes unterstellt sind, nicht zu objektivem Vorgehen in der Lage sind, wenn sie die Vorschriften über die Verarbeitung personenbezogener Daten auslegen und anwenden. Hinzu kommt, dass bereits die bloße Gefahr einer politischen Einflussnahme der Aufsichtsbehörden auf die Entscheidungen der Kontrollstellen ausreicht, um deren unabhängige Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu beeinträchtigen.

Nach Ansicht der BlnBfDI ermöglicht eine staatliche Aufsicht „gleich welcher Art“ jedoch eine solche Einflussnahme. Selbst wenn die Aufsicht einer übergeordneten Stelle in der Praxis regelmäßig nicht zu konkreten Weisungen an die Aufsichtsbehörden führe, reiche die bloße Gefahr einer politischen Einflussnahme, um deren unabhängige Aufgabenwahrnehmung zu beeinträchtigen.

Da Art. 47 Abs. 1 Verfassung von Berlin eine Dienstaufsicht über die BlnBfDI vorsieht, verstoße diese Vorschrift gegen die europäischen Vorgaben.

Die in der Berliner Verfassung noch immer geregelte Dienstaufsicht der Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit durch den Präsidenten des Abgeordnetenhauses verstößt gegen Art. 52 Abs. 1 und 2 DS-GVO.

Zudem weist die BlnBfDI darauf hin, dass Art. 52 DSGVO auf nationaler Ebene unmittelbar anwendbares Unionsrecht darstellen und somit dem nationalen Recht vorrangig anzuwenden sind. Die Folge eines Verstoßes des Landes Berlin gegen die DSGVO kann etwa die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen Deutschland sein.

Interessant ist hier zudem ein weiterer Hinweis der BlnBfDI:

Im Fall von Verstößen der Mitgliedsstaaten gegen Art. 52 DS-GVO können sich die Aufsichtsbehörden unmittelbar auf die DS-GVO berufen und gerichtlichen Rechtsschutz suchen.

Die BlnBfDI deutet hier also an, dass sie eventuell selbst gegen die aus ihrer Sicht europarechtswidrige Regelung vorgehen möchte. Zuletzt schlägt die BlnBfDI auch einen neuen Text für Art. 47 Abs. 1 VvB vor.

Hessische Datenschutzbehörde: Keine hohen Anforderungen an „Schriftform“ von Auftragsverarbeitungsverträgen

Der Hessische Datenschutzbeauftragte (HBDI) hat kürzlich seinen neuen, 48. Tätigkeitsbericht veröffentlicht (pdf).

Unter anderem befasst sich die Aufsichtsbehörde dort auch mit einem immer noch praxisrelevanten Thema: in welcher Form dürfen bzw. müssen Verträge zur Auftragsverarbeitung (AVV) abgeschlossen werden?

Bereits in der Vergangenheit hatte ich darauf hingewiesen, dass selbst die Europäische Kommission keine allzu hohen Anforderungen an die Form eines AVV stellt.

Art. 28 Abs. 9 DSGVO gibt vor:

Der Vertrag oder das andere Rechtsinstrument im Sinne der Absätze 3 und 4 ist schriftlich abzufassen, was auch in einem elektronischen Format erfolgen kann.“

Bedeutend ist also, was mit „schriftlich“ und „elektronischen Format“ gemeint ist.

Nach Ansicht des HBDI ist das Schriftformerfordernis des Art. 28 Abs. 9 DSGVO nicht identisch mit der Schriftform nach § 126 BGB. Meines Erachtens ist diese Ansicht zutreffend. Unter anderem auch deshalb, weil es sich bei der DSGVO um EU-Recht handelt und eine europarechtsautonome Auslegung erforderlich ist. Der Verweis auf nationale Formvorschriften im Zivilrecht passt daher nicht.

Der HBDI geht davon aus, dass demnach nicht wie nach § 126 Abs. 1 BGB zwingend eine vom Aussteller eigenhändig unterschriebene Urkunde erstellt werden muss. Oder anders ausgedrückt: ein AVV muss nicht handschriftlich unterzeichnet werden.

Danach geht der HBDI auf den Sinn und Zweck der Formvorschrift in Art. 28 DSGVO ein. Mit der in der DSGVO angeordneten Schriftform soll sichergestellt werden, dass die Beteiligten die Möglichkeit haben, sich dauerhaft und zuverlässig über den Inhalt des AVV oder einer einseitigen Verpflichtungserklärung zu informieren.

Diese dauerhafte Informationsfunktion erfüllt auch die Textform, wie sie in § 126b BGB geregelt ist.

Der HBDI lässt also auch solche AVV als wirksam gelten, die „nur“ das deutsche Erfordernis an die Textform erfüllen würden.

Und dann nennt der HBDI auch konkrete Beispiele, wie in der Praxis ein AVV wirksam abgeschlossen werden kann:

  • Austausch von Computerfaxen
  • Austausch von E-Mails mit oder ohne PDF-Anhang

Beide Varianten genügen dem Schriftformerfordernis des Art. 28 Abs. 9 DSGVO.

Zudem weist der HBDI darauf hin, dass der Auftragsverarbeiter auch einen Vertragstext auf seiner Webseite einstellen und der Verantwortliche die Annahmeerklärung durch Anklicken eines Kästchens wirksam abgeben kann.

Jedoch muss dann sichergestellt sein, dass der Verantwortliche den Vertrag speichern und ausdrucken kann. Nach Ansicht des HBDI verlangt die DSGVO nicht, dass ein Download tatsächlich erfolgt.

Zudem geht der HBDI auch auf das Merkmal „elektronischem Format“ ein. Hiermit kann nicht ein nach § 126 a BGB elektronisch signiertes Dokument gemeint sein. Begründet wird diese Ansicht (meines Erachtens zutreffend) u.a. damit, dass sich in Art. 30 Abs. 3 DSGVO für das Führen des Verarbeitungsverzeichnisses eine wortgleiche Schriftformregelung findet.

Es ist jedoch kein Grund ersichtlich, weshalb ein Verzeichnis von Verarbeitungstätigkeiten mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen werden sollte. Es gibt aber auch keine Anhaltspunkte, dass der Unionsgesetzgeber den Begriff „elektronisches Format“ in den beiden Regelungen mit unterschiedlichem Inhalt verwendet hat.

Rundfunkdatenschutzbeauftragter: Zweistufiges Auskunftsverfahren ist DSGVO-konform

In seinem aktuellen (und ersten) Tätigkeitsbericht für 2019 (pdf, S. 50 ff.) berichtet der  gemeinsame Rundfunkdatenschutzbeauftragter für den Bayerischen Rundfunk, den Saarländischen Rundfunk, den Westdeutschen Rundfunk, das Deutschlandradio und das Zweite Deutsche Fernsehen u.a. auch über die Erteilung von Auskünften durch den Beitragsservice.

In einigen Fällen beschwerten sich Betroffene, dass die ihnen erteilte Auskunft nicht vollständig gewesen sei. Hintergrund dieser Beschwerden ist, dass der Beitragsservice, Auskünfte grundsätzlich im Rahmen eines zweistufigen Verfahrens erteilt.

  • Die Erstauskunft umfasst die wichtigsten Informationen über die Umstände der Datenverarbeitung wie etwa die Herkunft der Daten, die Datenverarbeitungskategorien und die Verarbeitungszwecke. Hierbei orientiert man sich an Daten der Anzeigepflicht nach § 8 Abs. 4 RBStV.
  • Diese Erstauskunft wird um die Mitteilung der etwa vorhandenen weiteren Daten ergänzt, sofern die Antragsteller dies wünschen.

Nach Aussage des Rundfunkdatenschutzbeauftragten genügt den Antragstellern die auf diese Angaben beschränkte Erstauskunft des Beitragsservice in den weitaus meisten Fällen.

Nach Ansicht des Rundfunkdatenschutzbeauftragten erfüllt ein solches zweistufiges Verfahren

sowohl den Sinn und Zweck als auch materiell die Anforderungen des Art. 15 DSGVO.

Zur Begründung führt er aus, dass dies nicht zuletzt den Verwaltungsaufwand deutlich reduziert und damit im Interesse aller Beitragszahler unnötige Kosten vermeidet.

Zudem können Aspekte der

Verhältnismäßigkeit bzw. des vertretbaren Aufwands in die Anwendung bzw. Umsetzung der Vorgaben zum Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO einfließen.

Dies ergibt sich aus ErwG 63 DSGVO sowie Vorschriften wie etwa § 34 Abs. 1, 4 BDSG, § 12 Abs. 1 LDSG NRW, Art. 10 Abs. 2 Nr. 4 und 5 BayDSG oder § 9 Abs. 2 LDSG B-W. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der Beitragsservice einen außerordentlich großen Datenbestand zu verwalten und dabei auf ein Höchstmaß an Effizienz, Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu achten hat, vgl. § 14 RStV.

Der Rundfunkdatenschutzbeauftragte stellt für seine Begründung mit Blick auf ErwG 63 DSGVO wohl vor allem darauf ab, dass dort für Verantwortliche die Möglichkeit der Bitte um Präzisierung vorgesehen ist, wenn der Verantwortliche eine große Menge von Informationen über die betroffene Person verarbeitet.

Das interessante und praxisrelevante an der Begründung ist, dass hier per se ein gestuftes Auskunftsverfahren als zulässig angesehen wird. Der Rundfunkdatenschutzbeauftragte verlangt also nicht eine Prüfung im Einzelfall, ob wirklich eine große Menge an Daten verarbeitet werden. Dieser Faktor wird sicherlich auch bei vielen Unternehmen in der Privatwirtschaft (gerade im B2C Bereich) relevant sein.

Daneben ist die Begründung des Rundfunkdatenschutzbeauftragten basierend auf dem Gebot der Wirtschaftlichkeit interessant. Geht man davon aus, dass die Masse an Anfragen mit der ersten Stufe der Auskunft zufriedenstellend erfüllt ist, würde es unnötigen Aufwand und personellen als auch finanziellen Aufwand bedeuten, wenn man (quasi überschießend) immer eine Vollauskunft erteilt. Die Besonderheit im konkreten Fall dürfte hier darin liegen, dass aufgrund einer ausdrücklichen Regelung (nach § 14 RStV) der Finanzbedarf des öffentlich-rechtlichen Rundfunks regelmäßig entsprechend den Grundsätzen von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit geprüft und ermittelt werden muss. Die Sparsamkeit also gesetzlich angeordnet ist.

Ob man dieses Argument auch auf den privatwirtschaftlichen Bereich übertragen kann, wird man diskutieren können. Unternehmen sind nicht gesetzlich zur Wirtschaftlichkeit oder Sparsamkeit verpflichtet. Andererseits müssen auch Unternehmen die „Kosten im Blick“ behalten, da sich eine Erhöhung eben dieser auch insgesamt negativ auf die wirtschaftliche Entwicklung auswirken kann.

Wichtig ist noch die Klarstellung des Rundfunkdatenschutzbeauftragten, dass das Recht auf Auskunft weder inhaltlich beschränkt noch unzumutbar erschwert werden darf. Der Beitragsservice informiert die Betroffenen hinreichend klar auf das abgestufte Verfahren und das Recht des Betroffenen, die Auskunft vervollständigen zu lassen. Bei einer entsprechenden Umsetzung in Unternehmen, sollten dieser Aspekt der Transparenz und Erleichterung der Geltendmachung des Auskunftsrechts (vgl. Art. 12 Abs. 2 DSGVO) ebenfalls besonders berücksichtigt werden.

Einsatz von Dienstleistern im Rahmen der Erfüllung von Betroffenenrechten – LDA Brandenburg verhängt 50.000 EUR Bußgeld

In seinem aktuellen Tätigkeitsbericht für 2019 (S. 29 ff, pdf), berichtet das LDA Brandenburg über einen praktisch interessanten und relevanten Fall, in dem gegen ein Unternehmen wegen Verstößen gegen Art. 28 Abs. 9 DSGVO und Art. 12 DSGVO ein Bußgeld verhängt wurde.

Abschluss eines Auftragsverarbeitungsvertrages

Das Unternehmen setzte im Rahmen der Auskunftserteilung nach Art. 15 DSGVO einen Dienstleister ein, der Zugriff auf die für die Auskunftserteilung notwendigen personenbezogenen Daten der betroffenen Person hatte. Die Korrespondenz im Rahmen der Auskunftserteilung wurde unter dem Logo des Dienstleisters durchgeführt.

Erste wichtige Erkenntnis: das LDA scheint grundsätzlich davon auszugehen, dass Dienstleister als Auftragsverarbeiter Betroffenenrechte erfüllen dürfen.

Jedoch wurde hier ein Vertrag nach Art. 28 Abs. 9 DSGVO wohl nicht schriftlich abgeschlossen. Aus den Darstellungen geht nicht klar hervor, ob gar kein Vertrag abgeschlossen wurde oder nur nicht schriftlich. Leider geht das LDA nicht auf die Möglichkeit ein, dass der Vertrag auch in einem elektronischen Format abgeschlossen werden kann. Ich vermute aber daher, dass gar kein Vertrag vorlag.

Das LDA verweist mit Blick auf Art. 28 Abs. 9 DSGVO darauf, dass diese Regelung Dokumentations-, Beweissicherungs- und Authentizitätssicherungszwecke verfolge.

Die Schriftform soll sicherstellen, dass die Parteien, die in dem Dokument genannt sind, sich zu den eingegangenen Verpflichtungen mit dem konkreten Inhalt bekennen.

Ein Verstoß kann nach Art. 83 Abs. 4 lit. a DSGVO mit einer Geldbuße von bis zu 10 Millionen Euro oder im Falle eines Unternehmens mit bis zu 2 % seines gesamten weltweit erzielten Jahresumsatzes des vorangegangenen Geschäftsjahres geahndet werden.

Transparenz der Auskunft

Ein zweiter Aspekt des Falles war, dass die Betroffenen nicht wussten, dass es sich bei dem antwortenden Unternehmen um den Dienstleister des Verantwortlichen handelte. Insofern konnten sie nach Ansicht des LDA nicht erkennen, wer der Verantwortliche der Datenverarbeitung war. Zudem erfolgte die erste Antwort an anfragende Betroffene nach Antragstellung zur Auskunftserteilung zunächst nur in englischer Sprache.

Nach Art. 12 Abs. 1 DSGVO muss der Verantwortliche geeignete Maßnahmen treffen, um der betroffenen Person zum Beispiel alle Mitteilungen gemäß dem Art. 15 DSGVO (also im Rahmen der Auskunftserteilung) in präziser, transparenter, verständlicher und leicht zugänglicher Form zu übermitteln.

Vorliegend befand das LDA, dass das Unternehmen dadurch, dass es die Antragsteller nicht darüber aufklärte, dass es sich bei dem eingesetzten Dienstleister um einen Auftragsverarbeiter handelte und dass, trotz Erteilung der Auskunft unter dem Logo des Dienstleisters, das Unternehmen selbst für die Datenverarbeitung verantwortlich blieb, gegen den in Art. 12 DSGVO niedergelegten Transparenzgrundsatz verstieß.

Gleichzeitig habe das Unternehmen dadurch, dass es die Antragsteller zunächst in englischer Sprache kontaktierte, gegen den in Art. 12 DSGVO niedergelegten Grundsatz der Verständlichkeit verstoßen.

Die Ansicht des LDA ist hier meines Erachtens für die Praxis ziemlich relevant:

Wenn sich ein Unternehmen mit seinem Angebot an den deutschsprachigen Markt richtet, muss die Auskunftserteilung (zumindest auch) auf Deutsch erfolgen.

Das bedeutet, dass selbst international tätige Unternehmen in der jeweiligen Landessprache der von ihnen bedienten Märkte gegenüber Betroffenen kommunizieren müssen, wenn diese von ihren Rechten Gebrauch machen.

Das LDA beurteilte diesen Verstoß gegen Art. 12 DSGVO auf der Grundlage von Art. 83 Abs. 5 DSGVO. Danach können Geldbußen von bis zu 20 Millionen Euro oder im Fall eines Unternehmens von bis zu 4 % seines gesamten weltweit erzielten Jahresumsatzes des vorangegangenen Geschäftsjahres verhängt werden.

Insgesamt verhängte das LDA für die vorbenannten Verstöße ein Bußgeld in Höhe von 50.000 EUR.

Gesetzentwurf des Gesundheitsministeriums: Festlegung der federführenden Datenschutzbehörde für Forschungsvorhaben bei mehreren Verantwortlichen

Das Bundeskabinett hat heute eine Formulierungshilfe des Bundesministeriums für Gesundheit zu einem „Entwurf eines Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ (pdf) beschlossen. Medial wurde vor allem über die vorgeschlagenen Anpassungen des Infektionsschutzgesetzes berichtet.

Jedoch wird daneben in Artikel 4 des Entwurfs auch vorgeschlagen, im SGB V einen neuen § 287a SGB V einzufügen. Dieser Vorschlag ist aus datenschutzrechtlicher Sicht sehr interessant, da er nicht nur Auswirkungen im Gesundheitsbereich oder in der jetzigen Zeit haben könnte.

Der Vorschlag lautet:

§ 287a

Federführende Datenschutzaufsicht in der Versorgungs- und Gesundheitsforschung

Bei länderübergreifen Vorhaben der Versorgungs- und Gesundheitsforschung, an denen nicht-öffentliche Stellen oder öffentliche Stellen des Bundes oder der Länder aus zwei oder mehr Ländern als Verantwortliche beteiligt sind, findet § 27 des Bundesdatenschutzgesetzes Anwendung. Die beteiligten Verantwortlichen benennen einen Hauptverantwortlichen und melden diesen der für die Hauptniederlassung des Hauptverantwortlichen zuständigen Aufsichtsbehörde. Artikel 56 und Artikel 60 der Verordnung (EU) 2016/679 sind entsprechend anzuwenden.

(Hervorhebungen durch mich)

Zweck der Regelung

Was das BMG mit der Regelung bezweckt, wird schon aus der Überschrift deutlich. Es soll eine federführende Datenschutzbehörde für Datenverarbeitungen im Rahmen der Gesundheitsforschung geben, auch wenn mehrere Verantwortliche beteiligt sind.

Warum nach Ansicht des BMG eine solche Regelung erforderlich ist, ergibt sich aus der weiteren Gesetzesbegründung und liest sich durchaus wie eine implizite Kritik an der föderalen Struktur der Datenschutzaufsicht in Deutschland, die oft untereinander abweichende Ansichten der Datenschutzbehörden bedingt.

Die Heterogenität der Landesdatenschutz- und Krankenhausgesetze und die Zuständigkeit verschiedener Landesdatenschutzbehörden erschweren und verlangsamen in Folge derzeit länderübergreifende Vorhaben der Versorgungs- und Gesundheitsforschung.

(S. 15)

Daher sieht der Entwurf für länderübergreifende Vorhaben der Versorgungs- und Gesundheitsforschung an denen öffentliche und nichtöffentliche Stellen des Bundes und der Länder beteiligt sind, Regelungen vor, die eine Klarstellung der Zuständigkeiten der datenschutzrechtlichen Aufsichtsbehörden bei Vorhaben der Versorgungs- und Gesundheitsforschung im Sinne eines „One-Stop-Shop“ ermöglichen sollen. Dadurch soll die die länderübergreifende Versorgungs- und Gesundheitsforschung unter Wahrung des Datenschutzes beschleunigt und eine einheitliche Rechtsauslegung zum Wohle aller Betroffenen gewährleistet werden.

Inhalt der Regelung selbst

Zunächst geht es dem BMG in dem vorgeschlagenen § 287a SGB V um länderübergreifende Forschungsvorhaben, an denen mehrere datenschutzrechtlich Verantwortlichen (ob als öffentliche oder nicht-öffentliche) Stellen beteiligt sind. Die Stellen müssen aber als „Verantwortliche“ beteiligt sein.

Nicht klar ist, ob hiervon auch eine gemeinsame Verantwortlichkeit umfasst wäre. Zudem geht weder die Vorschrift selbst noch die Begründung darauf ein.

Sind mehrere Verantwortliche beteiligt, so sieht § 287a SGB V die Pflicht vor („benennen“), dass die Beteiligten untereinander einen Hauptverantwortlichen wählen und diesen bei der Datenschutzbehörde seiner Hauptniederlassung als Hauptverantwortlichen des Forschungsvorhabens melden. Der Vorschlag ist hier meines Erachtens nicht besonders präzise, da etwa nicht konkretisiert wird, für das der Hauptverantwortliche als solcher benannt werden soll: allein für das Vorhaben oder die damit zusammenhängende Datenverarbeitung? Die Datenschutzbehörde dürfte sich nur für Letztere interessieren.

Begründung der Regelung

Nach der Gesetzesbegründung werden für länderübergreifende Vorhaben der Versorgungs- und Gesundheitsforschung an denen öffentliche und nichtöffentliche Stellen des Bundes und der Länder beteiligt sind, Regelungen vorgesehen, die eine Klarstellung der Zuständigkeiten der datenschutzrechtlichen Aufsichtsbehörden bei Vorhaben der Versorgungs- und Gesundheitsforschung im Sinne eines „One-Stop-Shop“ ermöglichen (S. 16).

§ 287a SGB V sehe die verfahrensrechtliche Koordinierung der Zuständigkeiten verschiedener datenschutzrechtlicher Landesbehörden vor (S. 30). Hierdurch möchte das BMG den der DSGVO vorgesehene One-Stop-Shop zur Zuständigkeit der Datenschutzaufsichtsbehörden auf die länderübergreifende Versorgungs- und Gesundheitsforschung anwenden.

Der wichtige Unterschied zu den Regeln des Art. 56 und 60 DSGVO ist natürlich, dass es vorliegend um mehrere Verantwortliche (sicher getrennte, evtl. auch gemeinsam Verantwortliche?) geht. Art. 56 und 60 DSGVO beziehen sich jedoch zumindest ausdrücklich nur auf die Zuständigkeit der federführenden Behörde eines Verantwortlichen mit mehreren Niederlassungen (das sieht auch der EDSA in WP 244).

Laut Begründung sind bei länderübergreifenden Forschungsvorhaben  für die beteiligten verantwortlichen Stellen regelmäßig unterschiedliche Landesaufsichtsbehörden für den Datenschutz zuständig.

Es bedarf daher einer Regelung für eine federführende Aufsichtsbehörde. Hierzu finden sich Vorbilder in der Datenschutz-Grundverordnung selbst (Artikel 56, 60 der Verordnung (EU) 2016/679),…

(S. 31)

Der Entwurf referenziert auf die Regelungen der DSGVO wohl bewusst nur als Beispiel, da, wie beschrieben, gerade nicht ausdrücklich die Festlegung einer federführenden Aufsichtsbehörde bei mehreren Verantwortlichen geregelt wird.

Das BMG begründet die Regelung weiter, dass den Verantwortlichen in der Neuregelung auferlegt (!) wird, eine hauptverantwortliche Stelle zu benennen,

die dann der für sie zuständigen Aufsichtsbehörde die Verantwortung für das länderübergreifende Forschungsvorhaben in der Versorgungs- und Gesundheitsforschung anzuzeigen hat. Maßgeblich ist der in Artikel 4 Nummer 16 der Verordnung (EU) 2016/679 definierte Begriff der „Hauptniederlassung““ (S. 31)

Anmerkung

Meines Erachtens hat der Vorschlag durchaus potential für Diskussionen. Besonders interessant (gerade aus Sicht der Wirtschaft) ist, dass das BMG ganz offensichtlich davon ausgeht, dass mehrere datenschutzrechtlich (ob nun getrennt oder gemeinsam) Verantwortliche einen Verantwortlichen als „Hauptverantwortlichen“ bestimmen können und dann über diese Festlegung auch die Hauptniederlassung und hieran anknüpfend dann die federführende Datenschutzbehörde festlegen können.

Erinnert Sie dieses Thema an ein aktuell immer noch offenes Verfahren? Ja, die Verfahren der Berliner Datenschutzbehörde zum Betrieb von Facebook Fanpages. Dort geht es mitentscheidend um die Frage, ob gemeinsam Verantwortliche einen Verantwortlichen (und damit seine Hauptniederlassung) als umsetzungsbefugt für Entscheidungen zur Datenverarbeitung bestimmen können. Der nun vorliegende Entwurf des BMG spricht meines Erachtens ganz klar für eine solche Möglichkeit.

Daneben ist an der Regelung natürlich noch interessant, dass hier der Gesetzgeber kurzerhand die Datenschutzaufsicht bei Forschungsvorhaben durch die Verantwortlichen zentralisieren lassen möchte, um „eine koordinierte und einheitliche Anwendung der datenschutzrechtlichen Vorschriften ermöglichen und so Verzögerungen und Aufwände bei der Konzeption und Durchführung länderübergreifender Forschungsvorhaben“ (S. 30) verhindern.

Covid-19 als „höhere Gewalt“ im Datenschutzrecht? Unternehmen sind nicht in der Haftung

In mehreren europäischen Ländern wurden aufgrund des sich verbreitenden Corona-Virus bereits Ausgangssperren verhängt. In Bayern wurde der Katastrophenfall ausgerufen. Bürger sind zudem angehalten, im Home-Office zu arbeiten. Für viele Unternehmen bedeutet dies, dass interne (Verwaltungs)Prozesse nicht mehr uneingeschränkt oder, bei einer Schließung des Unternehmens, sogar gar nicht mehr funktionieren.

Die Folge im Datenschutzrecht ist, dass Betroffenenanfragen nach der DSGVO, etwa auf Auskunft nach Art. 15 DSGVO, entweder nur stark verzögert oder in nächster Zeit gar nicht adäquat bearbeitet werden können. So kann es sein, dass aufgrund von Home-Office nicht alle internen Dokumente auf personenbezogene Daten geprüft werden können. Eventuell ist Unternehmen auch generell die Erfüllung von Pflichten nach der DSGVO aufgrund der aktuellen Umstände nicht (mehr) vollumfänglich möglich.

Aus Sicht der Praxis stellt sich für datenverarbeitende Stellen die Frage, wie sie mit dieser Situation umgehen können. Gestattet es die DSGVO etwa, dass vorgegebene Fristen nach Art. 12 Abs. 3 DSGVO (max. 3 Monate zur Beantwortung von Betroffenenanfragen) noch weiter verlängert oder nicht beachtet werden müssen? Kann sich ein Unternehmen im Fall eines Verstoßes gegen die DSGVO, der auf der aktuellen Ausnahmesituation beruht, irgendwie entlasten oder besteht die Gefahr, dass Verwaltungsverfahren oder Bußgelder durch Behörden verhängt (Art. 83 DSGVO) oder Schadensersatzansprüche von Betroffenen geltende gemacht (Art. 82 DSGVO) werden?

Aktuelle Ansichten von Datenschutzbehörden

Die englische Behörde, ICO, wird nach eigenen Angaben bei Verzögerungen der Erfüllung von datenschutzrechtlichen Pflichten die derzeitigen Umstände berücksichtigen (ICO, Data protection and coronavirus: what you need to know). Insoweit nimmt die Behörde an, dass die gesetzlichen Fristen nicht verlängert werden können, aber Verzögerungen in der Bearbeitung der Betroffenenrechte aufgrund des Corona-Virus jedoch nicht geahndet würden.

Der EDSA äußert sich zur (Nicht-)Geltung der Fristen nicht. Allerdings ist der EDSA der Ansicht, dass die besonderen Umstände nichts an den bestehenden Pflichten der Verantwortlichen ändern würden (EDSA, Statement of the EDPB Chair on the processing of personal data in the context of the COVID-19 outbreak, pdf).

Nach Ansicht der irischen Datenschutzbehörde DPC ist eine Änderung der Fristenregelungen der DSGVO nicht möglich. Jedoch spricht die DPC einige praktische Empfehlungen aus (DPC, Data Protection and COVID-19). Die DPC verweist darauf, dass unter Darlegung der entsprechenden Gründe die Frist zur Bearbeitung des Betroffenenrechts um bis zu zwei Monate verlängert werden. Die Pflicht zur Information über die Fristverlängerung obliegt dabei nach Art. 12 Abs. 3 S. 3 DSGVO dem Verantwortlichen. Zudem ist auch ein gestuftes Vorgehen bei der Beantwortung von Betroffenenanfragen denkbar. So könnte der Verantwortliche elektronisch verfügbare Dokumente, auf die die Mitarbeiter auch im Home-Office zugreifen können, zuerst bearbeiten.

Ausnahmen nach der Fristen-Verordnung?

Die für die Berechnung europarechtlich vorgegebener Fristen (also auch jener nach Art. 12 Abs. 3 DSGVO oder Art. 33 Abs. 1 DSGVO) unmittelbar anwendbare Fristen-Verordnung (Verordnung (EWG, Euratom) Nr. 1182/71) sieht keine Ausnahme von bestehenden Fristen im Ausnahmefall vor.

Ausnahmen in der DSGVO?

Art. 12 DSGVO sieht keine Ausnahmen von den dort geregelten Fristen vor. Hinsichtlich der allgemeinen Pflichten nach der DSGVO finden sich in einzelnen Artikel zum Teil Ausnahmevorschriften. So etwa in Art. 14 Abs. 5 lit. b DSGVO, für den Fall, dass die Erteilung dieser Informationen sich als unmöglich erweist oder einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde. Jedoch gilt diese Ausnahme nur für die Vorgaben des Art. 14 DSGVO. Im Rahmen der Löschpflicht wird etwa in Art. 17 Abs. 3 lit. c DSGVO als Ausnahme auf Gründe des öffentlichen Interesses im Bereich der öffentlichen Gesundheit nach Art. 9 Abs. 2 lit. i DSGVO verwiesen. Auch hierbei handelt es sich aber nur um eine spezielle Ausnahme zu Art. 17 DSGVO.

Höhere Gewalt: keine Haftung der Unternehmen

In der aktuellen Situation ist meines Erachtens über eine, in der DSGVO zwar nicht ausdrücklich benannte, dem Sinn und Zweck nach jedoch angelegte, allgemeine Ausnahme bzw. Privilegierung nachzudenken: das Vorliegen „höherer Gewalt“.

Wichtig ist hierbei, die europarechtlichen Vorgaben zu dieser Ausnahme heranzuziehen, da die DSGVO als europäisches Recht auf europarechtsautonom anzuwenden ist.

Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH sind unter „höherer Gewalt“ ungewöhnliche und unvorhersehbare Ereignisse zu verstehen, auf die derjenige, der sich auf höhere Gewalt beruft, keinen Einfluss hat und deren Folgen trotz Anwendung der gebotenen Sorgfalt nicht hätten vermieden werden können (vgl. etwa EuGH, Urt. v. 18.3.2010, Rs. C?218/09). Zu beachten ist, dass es ebenfalls ständiger Rechtsprechung entspricht, dass die Bedeutung des Begriffs der höheren Gewalt, da er auf den verschiedenen Anwendungsgebieten des Unionsrechts nicht den gleichen Inhalt hat, anhand des rechtlichen Rahmens zu bestimmen ist, innerhalb dessen er seine Wirkungen entfalten soll (EuGH, Urt. v. 25.1.2017, Rs. C?640/15). Maßgebend für seine Anwendung ist insofern die Zweckbestimmung der jeweiligen Verordnung (vgl. EuGH, Urt. v. 17.10.2002). Die Besonderheit des jeweiligen Rechtsgebiets beeinflusst vor allem die Auslegung des Begriffs im Einzelfall (vgl. EuGH, Urt. v. 22.1.1986).

Es ist daher zu prüfen, ob auch die DSGVO eine solche Ausnahme vorsieht, auf die sich eventuell datenverarbeitende Stellen in den aktuellen Zeiten berufen können. Bezogen auf die DSGVO fällt zunächst auf, dass diese den Begriff „höhere Gewalt“ nicht kennt. Zumindest nicht in der finalen Fassung. Betrachtet man den ersten Entwurf der EU Kommission und auch die Vorschläge des EU Parlaments im Gesetzgebungsverfahren, wird deutlich, dass der Umstand höherer Gewalt sehrwohl eine Rolle spielte: konkret im Rahmen der Haftung von Unternehmen auf Schadensersatz gegenüber Betroffenen.

ErwG 146 DSGVO lautet: „Der Verantwortliche oder der Auftragsverarbeiter sollte Schäden, die einer Person aufgrund einer Verarbeitung entstehen, die mit dieser Verordnung nicht im Einklang steht, ersetzen. Der Verantwortliche oder der Auftragsverarbeiter sollte von seiner Haftung befreit werden, wenn er nachweist, dass er in keiner Weise für den Schaden verantwortlich ist.“ (Hervorhebung durch mich)

In den früheren Fassungen der DSGVO war dieser Erwägungsgrund aber noch mit konkretem Verweis auf „höhere Gewalt“ formuliert. ErwG 118 (Ratsdokument 9398/15, 1.6.2015, pdf):

„Schäden, die einer Person aufgrund einer rechtswidrigen Verarbeitung entstehen, sollten von dem für die Verarbeitung Verantwortlichen oder dem Auftragsverarbeiter ersetzt werden, die von ihrer Haftung befreit werden sollten, wenn sie nachweisen, dass ihnen der Schaden nicht angelastet werden kann, insbesondere weil ein Fehlverhalten der betroffenen Person oder ein Fall höherer Gewalt vorliegt.“ (Hervorhebungen durch mich)

Die beispielhafte Aufzählung von Umständen („insbesondere“), wann keine Haftung vorliegen soll, wurde auf Vorschlag des Rates gestrichen und durch eine generelle und umfassende Formulierung („in keiner Weise…verantwortlich ist“) ersetzt.

Zwar fehlt der konkrete Begriff „höhere Gewalt“. Jedoch meiner Meinung nach nicht, weil eine Berufung hierauf nicht mehr möglich sein soll, sondern vielmehr, weil der Gesetzgeber die Möglichkeit der (Ent)Nichthaftung allgemeiner umschreiben wollte, ohne spezielle Beispiele zu nennen.

Daher halte ich es auf jeden Fall für vertretbar, dass Unternehmen sich im Rahmen von Verstößen gegen die DSGVO, die ihren nachweisbaren Grund in den aktuellen Umständen des Corona-Virus und damit einhergehenden staatlichen Maßnahmen haben, auf den Umstand „höhere Gewalt“ berufen können. In diesem Fall haften Unternehmen dann Betroffenen nicht auf Schadensersatz.

Ich würde zudem auch vertreten, dass dieser, in der DSGVO klar angelegte Gedanke der Enthaftung in Ausnahmesituationen, nicht nur in Bezug auf Schadensersatzansprüche nach Art. 82 DSGVO greift, sondern auch hinsichtlich der Einhaltung von Fristen (zB Art. 12 Abs. 3 DSGVO oder Art. 33 Abs. 1 DSGVO) oder gegebenenfalls sogar anderen Pflichten. Denn, wenn schon keine Haftung angenommen wird, wenn ein Schaden eingetreten ist, dann muss es erst recht möglich sein, mit dieser Ausnahme einer Verlängerung gesetzlicher Fristen zu begründen. Es geht Unternehmen ja aktuell nicht darum, dass man Pflichten gar nicht mehr erfüllen möchte. Man kann es derzeit nur nicht in den regulatorisch vorgegebenen Parametern. Dies ist meine (in einer etwas längeren Nachsitzung entstandene) Meinung zur Auslegung und Anwendung der DSGVO in aktuellen Zeiten ist. Das bedeutet aber auch, wie oben schon angemerkt, dass andere Rechtsauffassungen (gerade auch von Aufsichtsbehörden) möglich sind.

Für die hier gefundene Lösung spricht meines Erachtens auch das Verständnis des Bundesverwaltungsgerichts zu diesem Begriff: „Der Begriff der höheren Gewalt ist ein allgemeiner Begriff des Gemeinschaftsrechts, dessen Funktion es ist, Härten aus der Anwendung von Präklusions- und Sanktionsvorschriften in besonders gelagerten Fällen zu vermeiden und damit dem Gebot der Verhältnismäßigkeit im Einzelfall zu entsprechen“ (BVerwG, Urt. v. 29.4.2004 – BVerwG 3 C 27.03; Hervorhebung durch mich)

Zuletzt sei im Hinblick auf mögliche Bußgelder wegen Verstößen gegen die DSGVO darauf verwiesen, dass nach Art. 82 Abs. 2 lit. k DSGVO von den Aufsichtsbehörden zwingend „jegliche anderen erschwerenden oder mildernden Umstände im jeweiligen Fall“ beachtet werden müssen. Hierzu zählt meines Erachtens auch ein Fall „höherer Gewalt“.

Wichtig ist jedoch, dass die Anforderungen des EuGH an die Anwendbarkeit der Ausnahme „höhere Gewalt“ beachtet werden und, dass Unternehmen nachweisbar dokumentieren, warum diese Voraussetzungen vorliegen. Es muss also ein ungewöhnliches und unvorhersehbares Ereignisse vorliegen, auf das derjenige, der sich darauf beruft, keinen Einfluss hat und deren Folgen trotz Anwendung der gebotenen Sorgfalt nicht hätten vermieden werden können.

Hessische Datenschutzbehörde zum Umfang des Auskunftsrechts und zur Einsicht in Patientenakten

Der Hessische Datenschutzbeauftragte (HBDI) hat auf seiner Webseite eine kurze Information mit seiner Position zu der Frage veröffentlicht, wie der datenschutzrechtliche Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO und das Recht auf Einsichtnahme in die Patientenakte nach § 630g BGB zueinander stehen.

Genau zu diesem Thema hatte sich auch schon zuvor das BayLDA in seinem Tätigkeitsbericht 2017/18 (pdf, S. 46) geäußert. Dort geht das BayLDA davon aus, dass § 630g BGB, als bereichsspezifische Vorschrift, über den datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO hinausgeht. In Bezug auf Art. 15 Abs. 3 DSGVO („Kopie“) geht das BayLDA darauf ein, dass nur eine „Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind“, zur Verfügung zu stellen ist. Es sei hier jedoch nicht die Rede von Kopien der betreffenden Akten oder von sonstigen Unterlagen.

Die nun veröffentlichte Position des HBDI geht im Grunde in dieselbe Richtung.

Art. 15 DSGVO

Art. 15 Abs. 3 DSGVO normiert ein Recht auf Zurverfügungstellung einer Kopie der personenbezogenen Daten.

Einen Anspruch auf Herausgabe einzelner Kopien, z. B. im Sinne einer Fotokopie bestimmter Dokumente, enthält Art. 15 Abs. 3 DS-GVO in aller Regel jedoch nicht. Vielmehr ist der Kopie-Begriff des Art. 15 Abs. 3 DS-GVO im Sinne einer sinnvoll strukturierten Zusammenfassung zu verstehen.

Der HBDI begründet weiter, dass dem Betroffenen daher nicht sämtliche, ihn betreffenden Dokumente in Kopie zur Verfügung gestellt werden müssen. Denn der Wortlaut von Art. 15 Abs. 3 S. 1 DSGVO spreche lediglich von einer Kopie der „personenbezogenen Daten“ und gerade nicht von einer Kopie der Unterlagen, Dokumente oder Akten, in denen diese enthalten sind.

Meines Erachtens ist diese Ansicht richtig und auch gut vertretbar.

§ 630g BGB

Danach geht der HBDI auf den Anspruch des Patienten auf Einsicht in die ärztlichen Patientenunterlagen nach § 630g BGB ein, der von Art. 15 DSGVO zu unterscheiden ist. Danach hat der Patient das Recht auf Kopie der gesamten Akte unter den Voraussetzungen der Absätze 1 und 2. Dies sind vor allem der therapeutische Vorbehalt und Rechte Dritter. Der Patient hat dem Behandelnden die entstandenen Kosten zu erstatten. Der HBDI verweist darauf, dass diese Norm vom Bundesgesetzgeber trotz der Vorschrift des Art. 15 DSGVO nicht geändert wurde.

Verhältnis

Bei der Darstellung des Verhältnisses der Normen geht der HBDI zunächst auf einen weiteren relevanten Aspekt ein.

Im Hinblick auf den therapeutischen Vorbehalt sei es vertretbar davon auszugehen, dass

§ 630g BGB eine zulässige Beschränkung des Art. 15 DS-GVO gem. Art. 23 Abs. 1 lit. i) DS-GVO darstellt (Schutz der betroffenen Person), im Hinblick auf die Kostenerstattung wäre diese Beschränkung jedoch unzulässig.

Der HBDI wertet denUmstand der unterbliebenen Gesetzesanpassung daher in dem Sinne, dass der Bundesgesetzgeber in der Akteneinsicht nach § 630g BGB eine von dem Auskunftsanspruch und dem Recht auf Kopie des Art. 15 DSGVO unabhängige Regelung mit anderem Inhalt und anderem Zweck sehe. § 630g BGB sei damit keine Einschränkung des Rechts auf Auskunft nach Art. 15 DSGVO. Die Norm diene vielmehr ganz anderen Patienteninteressen als Art. 15 DSGVO, wie etwa eine gut geführte Patientenakte für den Arztwechsel zu erhalten und dadurch die nochmalige Durchführung diagnostischer oder therapeutischer Maßnahmen zu vermeiden. Auch die Beweissicherungsfunktion der Dokumentation bzw. ihre Funktion als Beweismittel in einem Arzthaftungsprozess sei vom Gesetzgeber anerkannt worden.

Dieser Ansicht widersprechen auch nicht die in ErwG 63 S. 2 DSGVO enthaltenen Ausführungen, dass die betroffene Person das Recht auf Auskunft über ihre eigenen gesundheitsbezogenen Daten hat, etwa Daten in ihren Patientenakten, die Informationen wie beispielsweise Diagnosen, Untersuchungsergebnisse, Befunde der behandelnden Ärzte und Angaben zu Behandlungen oder Eingriffen enthalten.

Denn diese sollen der betroffenen Person zu den in Satz 1 des ErwG genannten Zwecken zur Verfügung gestellt werden, namentlich um sich der Verarbeitung bewusst zu sein und deren Rechtmäßigkeit überprüfen zu können.

Weitergehende Zwecke, wie die des § 630g BGB, würden hier in der DSGVO aber gerade nicht genannt.

Im Ergebnis geht der HBDI davon aus, dass es zur Erfüllung des Anspruchs aus Art. 15 Abs. 1 und 3 DSGVO reichen muss, wenn die in ErwG 63 DSGVO genannten Daten vom Verantwortlichen zusammengefasst werden. Aus Praktikabilitätsgründen dürfen die Verantwortlichen natürlich auch für die Herausgabe von gesamten Dokumenten entscheiden.

Die Kopie der gesamten Krankenhausakte des Patienten wäre aber nur nach § 630g BGB herauszugeben.

Verwaltungsgericht Mainz: Betroffene haben keinen Anspruch auf die Vornahme bestimmter aufsichtsbehördlicher Maßnahmen

Kann eine betroffene Person, wen sie sich bei einer Datenschutzbehörde beschwert hat, von dieser Datenschutzbehörde die Vornahme einer ganz bestimmten aufsichtsbehördlichen Maßnahme verlangen und dies auch einklagen? Um diese Frage ging u.a. in einem Fall, den das Verwaltungsgericht Main (VG) entschieden hat (Beschluss vom 29.08.2019 – 1 L 605/19.MZ).

Sachverhalt

In dem Verfahren im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes (§ 123 Abs. 1 VwGO) hat die Antragstellerin vorgetragen, sie führe einen Rechtsstreit mit ihrem früheren Anwalt, der sie gegen die B. GmbH vertreten habe. Der Anwalt sei später als Zeuge von der B. GmbH angeboten worden, was ihrer Ansicht nach dafür spreche, dass er einen Geheimnisverrat begangen habe. Um dies feststellen zu können, benötige sie nunmehr die Auskunft von der B. GmbH.

Hierzu hatte die Antragstellerin offensichtlich einen Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO gegenüber der B. GmbH geltend gemacht. Dieser scheint nicht erfüllt worden zu sein, worauf hin sich die Antragstellerin bei dem Landesbeauftragten für Datenschutz in Rheinland-Pfalz (LfDI) beschwerte. Der LfDI hat das Beschwerdeverfahren durch einen rechtsverbindlichen Beschluss, der auch mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen war, abgeschlossen.

Die Antragstellerin begehrte nun vom LfDI, dass er das gegen die B. GmbH gerichtete Beschwerdeverfahren nach Art. 77 Abs. 1 DSGVO wieder aufnimmt und fortsetzt.

Entscheidung

Das VG lehnt die begehrte einstweilige Anordnung gegenüber dem LfDI ab. Die Antragstellerin habe einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Es könne damit offenbleiben, ob ein Anordnungsanspruch bestehe.

Der Antrag der Antragstellerin ist quasi auf eine Fortsetzung des Beschwerdeverfahrens gerichtet. Nach Art. 77 Abs. 1 DSVGO hat jede betroffene Person das Recht auf Beschwerde bei einer Aufsichtsbehörde, wenn die betroffene Person der Ansicht ist, dass die Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten gegen die DSGVO verstößt.

Da hier die Fortsetzung des Verfahrens Antragsziel ist, könnte die besondere Form der Untätigkeitsklage nach Art. 78 Abs. 2 DSGVO statthaft sein. Danach hat jede betroffene Person das Recht auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf, wenn die zuständige Aufsichtsbehörde sich nicht mit einer Beschwerde befasst oder die betroffene Person nicht innerhalb von drei Monaten über den Stand oder das Ergebnis der erhobenen Beschwerde in Kenntnis gesetzt hat.

Jedoch verweist das VG in seiner Begründung zurecht darauf, dass der LfDI als Aufsichtsbehörde hier das Verfahren bereits durch einen rechtsverbindlichen Beschluss abgeschlossen hat.

Gegen diesen Verwaltungsakt als Abschlussverfügung des LfDI kann die betroffene Person grundsätzlich nach Art. 78 Abs. 1 DSGVO vorgehen. Jedoch ist der Antrag hier gerade nicht nur auf die Aufhebung eines Verwaltungsakts bzw. die Anfechtung eines rechtsverbindlichen Beschlusses der Aufsichtsbehörde gerichtet, sondern zumindest auch auf ein Tätigwerden des LfDI.

Grundsätzlich relevant ist die Ansicht des VG, dass Art. 78 Abs. 1 DSGVO nicht nur auf Anfechtungsklagen gegen die rechtsverbindlichen Beschlüsse der Aufsichtsbehörde beschränkt ist, sondern darüber hinaus

auch Verpflichtungs- und Leistungsklagen zur Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes für die betroffene Person

umfasst.

Danach geht das VG noch auf die Frage ein, was konkret die Antragstellerin überhaupt von dem LfDI verlangen könnte.

In diesem Zusammenhang verweist das VG auf die durchaus (auch schon gerichtlich) divers diskutierte Frage nach dem Umfang der – gerichtlich gegebenenfalls durchsetzbaren – Pflichten der Auskunftsbehörde.

Zum einen wird die Auffassung vertreten, dass von der Aufsichtsbehörde gemäß Art. 77 Abs. 1 DSGVO und Art. 57 Abs. 1 lit. f) DSGVO nur eine Bearbeitung der Beschwerde bzw. eine zeitnahe Unterrichtung über den Stand und das Ergebnis der Untersuchungen verlangt werden kann.

Andererseits gibt es aber auch die Rechtsmeinung, dass die Aufsichtsbehörde zu konkreten Maßnahmen verpflichtet werden kann.

Nach Ansicht des VG (nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung) spricht einiges dafür,

dass der Aufsichtsbehörde ein (weiter) Ermessensspielraum zusteht, ob und welche Maßnahmen sie ergreift, um einen etwaigen Verstoß gegen die DSGVO festzustellen oder einen Auskunftsanspruch des Beschwerdeführers durchzusetzen.

Danach kann eine betroffene Person nur Ermessensfehler rügen, jedoch nicht in Form eines Anspruchs direkt nur eine bestimmte aufsichtsbehördliche Maßnahme fordern. Vorliegend begehrt die Antragstellerin aber nicht den Erlass einer ermessensfehlerfreien Entscheidung und etwa einen Anspruch auf behördliches Einschreiten des Antragsgegners gegen die B. GmbH, sondern sie hat nur eine Fortsetzung des Beschwerdeverfahrens beantragt.

Offen lässt das VG im Rahmen der Prüfung des Anordnungsanspruchs, welche Pflichten die nach Art. 77 Abs. 1 DSGVO angerufene und mit einer Beschwerde befasste Aufsichtsbehörde hat, ob ein (weiter) Ermessensspielraum besteht oder ob sie zum Erlass bestimmter Maßnahmen verpflichtet ist bzw. verpflichtet werden kann. Denn das Gericht lehnt den Antrag bereits wegen Fehlens eines Anordnungsgrundes (keine hinreichende Glaubhaftmachung, dass ihr ein Abwarten einer Entscheidung in der Hauptsache nicht zumutbar ist) ab.

Datenschutzbehörde Hamburg: Gemeinsame Verantwortlichkeit beim Einsatz von Google Analytics (in der Standardeinstellung)

In seinem aktuellen Tätigkeitsbericht für das Jahr 2019 (S. 126 ff.) befasst sich der Datenschutzbeauftragte aus Hamburg auch mit dem Thema Google Analytics. Nach seiner Ansicht sei eine Anonymisierung der Daten und damit Ausschluss des  Anwendungsbereichs der DSGVO allein durch die Kürzung der IP-Adresse schon vor dem Hintergrund, dass diese nur ein Nutzungsdatum unter vielen ist, nicht möglich.

Nach Angabe der Behörde diene das Tool außer dem Nutzen für den Webseitenbetreiber in Form von Nutzungsstatistiken auch der Informationsgewinnung durch Google.

In der von der Behörde beanstandeten und von Google den Webseitenbetreibern empfohlenen Standardeinstellung soll zunächst zwischen der Google LLC und dem Webseitenbetreiber ein Auftragsverarbeitungsvertrag gemäß Art. 28 DSGVO abgeschlossen werden. Darüber hinaus werde dem Webseitenbetreiber, soweit die Standard-Einstellung ausgewählt wird, zusätzlich der Abschluss eines „Controller-Controller-Agreement“ zur zwingenden Bedingung gemacht, aus dem sich ergibt, dass sowohl Google als auch der Webseitenbetreiber in eigener Verantwortlichkeit handeln und die Möglichkeit einer eigenen anderweitigen Verarbeitung der Daten vorbehalten bleibt. Nach Ansicht der Behörde sei eine derartige Aufspaltung von Verarbeitungsvorgängen allerdings lebensfremd.

Die Kritik der Behörde zielt darauf ab, dass es sich bei dem durch Google Analytics im Rahmen des Seitenbesuchs durch den Nutzer ausgelösten technischen Vorgangs, der gleichzeitig Daten sowohl für den Webseiten-Betreiber selbst erhebt als auch an Google überträgt, um einen einzigen Lebenssachverhalt handele. Ein „Aufschwingen“ vom Auftragsverarbeiter zum eigenverantwortlichen Datenverarbeiter innerhalb einer Verarbeitungstätigkeit sei dem gesetzlichen Rollenverständnis der DSGVO fremd.

Die Behörde kommt zu dem Ergebnis, dass unter Berücksichtigung der europäischen Rechtsprechung (EuGH, Urteil v. 29.07.2019, Az: C-40/17) daher in der von Google empfohlenen Standardeinstellung von einer gemeinsamen Verantwortlichkeit gemäß Art. 26 DSGVO auszugehen sei.

Kritik

Die Einordnung der Behörde, die Aufspaltung von Verarbeitungsvorgängen nach verschiedenen Zwecken der Nutzung und verschiedenen Verantwortlichkeitsrollen, sei lebensfremd, würde ich so nicht teilen. Meines Erachtens kommt es hierbei stets auch darauf an, zu welchem Zweck Daten verarbeitet werden sollen. Natürlich ist es möglich, dass ich eine Datenverarbeitung zu einem bestimmten Zweck (hier: Erstellung von Analysen) als Auftragsverarbeiter ausführe, daneben, zu einem anderen (eigenverantwortlichen) Zweck, aber eine weitere Verarbeitung der Daten vornehme. Schon die Art. 29 Gruppe hat in ihrem WP 169 (pdf, S. 30) festgestellt, dass „ein und dieselbe Organisation gleichzeitig hinsichtlich bestimmter Verarbeitungen als für die Verarbeitung Verantwortlicher und hinsichtlich anderer Verarbeitungen als Auftragsverarbeiter handeln“ kann.

Auch das Argument, dass ein „Aufschwingen“ vom Auftragsverarbeiter zum eigenverantwortlichen Datenverarbeiter innerhalb einer Verarbeitungstätigkeit dem gesetzlichen Rollenverständnis der DSGVO fremd sei, würde ich anders sehen. Denn genau für diesen Fall gibt es eine gesetzliche Regelung: Art. 28 Abs. 10 DSGVO. Dieser Exzess des Auftragsverarbeiters muss aber einen Verstoß gegen die DSGVO als Voraussetzung beinhalten. Wenn jedoch die Parteien eines AV-Vertrages regeln, wann eine Partei Auftragsverarbeiter ist und wann sie mit den Daten als eigener Verantwortlicher agiert, sehe ich nicht, wie man hierin einen Verstoß gegen die DSGVO (zB die Weisungen) verstehen könnte. Denn die Rollenverteilung ist ja gerade vertraglich vereinbart und klar abgegrenzt.

 

Österreichische Datenschutzbehörde: Fehlendes Double-Opt-In-Verfahren als Verstoß gegen Art. 32 DSGVO

Die österreichische Datenschutzbehörde (DSB) hat mit Bescheid (pdf) vom 9.10.2019 einen Verstoß eines Unternehmens gegen die Vorgaben des Art. 32 DSGVO festgestellt. Der Verstoß lag nach Ansicht der DSB in der fehlenden Umsetzung eines Double-Opt-In-Verfahrens für Registrierungen auf einer Onlinedating-Plattform.

Sachverhalt

Der Beschwerdeführer erhielt auf seine E-Mail-Adresse „Kontaktvorschläge“ und Benachrichtigungen der Beschwerdegegnerin zugesendet. Er selbst hatte sich aber gar nicht auf den Dating-Portalen der Beschwerdegegnerin angemeldet. Zur Erstellung eines Profils bzw. zur Registrierung auf den Dating-Portalen muss der User sein Geschlecht, seinen gewünschten Benutzernamen, ein Passwort und eine E-Mail-Adresse angeben. Die bei Registrierung angegebene E-Mail-Adresse wird ab Erstellung des Profils fortlaufend mit Benachrichtigungen der Beschwerdegegnerin beschickt. Nutzern ist bereits nach erfolgter Registrierung durch Einloggen in die Profile möglich, die Onlinedating-Portale zu nutzen. Für die Nutzung der Onlinedating-Portale der Beschwerdegegnerin muss der User die E-Mail-Adresse, die er bei Registrierung angegeben hat, nicht noch einmal durch Anklicken eines „Aktivierungslinks“, der ihm auf die – bei Registrierung angegebene – E-Mail-Adresse zugeschickt wurde, bestätigen.

Entscheidung

Die DSB sieht in dem hier umgesetzten Registrierungsverfahren einen Verstoß gegen Art. 32 DSGVO. Eine, wie hier vorliegende, unberechtigte Verwendung von E-Mail-Adressen kann nach Ansicht der DSB gegen Art. 5, Art. 6 und Art. 32 DSGVO verstoßen.

Die von Art. 32 DSGVO verlangten technischen und organisatorischen Maßnahmen zur Herstellung der Sicherheit der Datenverarbeitung können nach Ansicht der DSB auf mehrere Arten gewährleistet sein kann.

Beispielsweise kann eine solche Datenschutzsicherheitsmaßnahme in der Implementierung eines Double-Opt-In-Verfahrens zur rechtskonformen Erlangung einer Einwilligung bestehen“.

Die DSB versteht unter dem Double-Opt-In-Verfahren die Einholung der Zustimmungserklärung des Teilnehmers in einem zweistufigen System, das eine Anmeldung zum Bezug elektronischer Informationen etwa auf der Webseite des Anbieters vorsieht. Erst nach einer auf die Aktivierungsmail bzw. die Kurznachricht gegebenen, die Anmeldung bestätigenden Antwort oder vergleichbaren Reaktion (zB Anklicken eines Links) erfolgt die Zusendung von Werbenachrichten.

Ein solches Verfahren wurde hier nicht umgesetzt, da Nachrichten und Kontaktvorschläge schon vor der Aktivierung eines versandten Links übersendet wurden.

Somit ist es möglich, dass sich ein User nicht mit seiner eigenen E-Mail-Adresse, sondern mit der E-Mail-Adresse eines unbeteiligten Dritten auf den Onlinedating-Portalen registriert.

Dadurch, dass die Beschwerdegegnerin keine ausreichenden, Art. 32 DSGVO entsprechenden Datensicherheitsmaßnahmen gesetzt hat, war es möglich, dass personenbezogene Daten des Beschwerdeführers (nämlich seine E-Mail-Adresse) unrechtmäßig verarbeitet wurden.

Fazit

Leider geht die DSB nicht auf die relevante Frage ein, ob das hier beanstandete System, dass bereits nach erfolgter Registrierung durch Einloggen auf den Webseiten die Onlinedating-Portale genutzt werden können, ohne dies von der Aktivierung im Rahmen des Double-Opt-In abhängig zu machen, gegen den damals geltenden „Stand der Technik“ verstößt. Auf diesen unbestimmten Begriff stellt Art. 32 DSGVO hinsichtlich der Anforderungen an die Maßnahmen ab.

Als Besonderheit kam hier sicherlich hinzu, dass auch ohne separate Bestätigung der E-Mail-Adresse direkt Kontaktvorschläge und andere Informationen (vermutlich werblicher Natur) versendet wurden. Hinsichtlich der Anmeldung zum Erhalt von Werbemails ist das Vorhalten eines Double-Opt-In-Verfahrens schon seit längerer Zeit in der Praxis üblich. Auch wenn man hinzufügen muss, dass dies keine gesetzliche Anforderung darstellt, sondern vielmehr der Nachweisbarkeit einer Anmerkung und damit verbundenen Einwilligung dienen soll.

Womöglich muss man, hinsichtlich der Praxisrelevanz der Entscheidung, auch in Bezug auf den Zweck der Anmeldung unterscheiden. Die DSB bezieht sich in ihrer Begründung ausdrücklich darauf, dass es hier um die Erlangung einer Einwilligung ging. Für diese sollte das Double-Opt-In genutzt werden.

Wie sieht es aber aus, wenn schlicht eine Angabe der E-Mail-Adresse erforderlich ist, die zB im Rahmen eines Kaufs eingegeben wird (etwa für den Versand der Rechnung)? Hier wird man sicherlich diskutieren, ob das geforderte Double-Opt-In Verfahren stets als die erforderliche Sicherheitsmaßnahme anzusehen ist oder ob es nicht Alternativen gibt.