Kein Prozess zur regelmäßigen Prüfung von Sicherheitsmaßnahmen: 460.000 EUR Bußgeld

Die polnische Datenschutzbehörde (UODO) hat ein durchaus beachtliches Bußgeld gegen ein Unternehmen verhängt, welches nach Ansicht der UODO gegen den Datenschutzgrundsatz der Vertraulichkeit (Art. 5 Abs. 1 lit. f DSGVO) und die Rechenschaftspflicht (Art. 5 Abs. 2 DSGVO) verstoßen hatte.

Insgesamt wurde ein Bußgeld in Höhe von 460.000 EUR verhängt. Konkret beanstandet die Behörde, dass das Unternehmen keine ausreichenden technischen und vor allem organisatorische Maßnahmen zum Schutz personenbezogener Daten umgesetzt hatte. Bemängelt wurde insbesondere ein unzureichender Prozess der Prüfung und ggfs. Anpassung bereits vorhandener Schutzmaßnahmen.

Nach Art. 5 Abs. 1 lit. f DSGVO dürfen personenbezogene Daten nur in einer Weise verarbeitet werden, die eine angemessene Sicherheit der personenbezogenen Daten gewährleistet, einschließlich Schutz vor unbefugter oder unrechtmäßiger Verarbeitung und vor unbeabsichtigtem Verlust, unbeabsichtigter Zerstörung oder unbeabsichtigter Schädigung durch geeignete technische und organisatorische Maßnahmen („Integrität und Vertraulichkeit“). Die Einhaltung dieses Grundsatzes muss der Verantwortliche ist für die Einhaltung des Absatzes 1 verantwortlich und muss dessen Einhaltung nachweisen können („Rechenschaftspflicht“).

Zudem möchte ich auch noch auf die allgemein gültige Vorgabe des Art. 24 Abs. 1 DSGVO hinweisen (auch wenn ein Verstoß gegen Art. 24 DSGVO selbst nicht bußgeldbewährt ist), die in andere Vorschriften ausstrahlen. Danach muss der Verantwortliche geeignete technische und organisatorische Maßnahmen umsetzen, um sicherzustellen und den Nachweis dafür erbringen zu können, dass die Verarbeitung gemäß der DSGVO erfolgt.

Und wichtig: „Diese Maßnahmen werden erforderlichenfalls überprüft und aktualisiert“.

Genau dieser Aspekt wurde von der UODO moniert.

Nach den Schilderungen in der Mitteilung wurden von dem Unternehmen keine Tests durchgeführt, um die Sicherheitsmaßnahmen in Bezug auf die Übertragung von Daten zwischen Anwendungen, die mit der Betreuung von Käufern von Prepaid-Diensten zusammenhängen, zu überprüfen. Darüber hinaus wurde die mit dem Datenaustausch in diesen Systemen verbundene Schwachstelle von einer unbefugten Person genutzt, um Daten von einigen Kunden des Unternehmens abzuziehen.

Zudem führte das Unternehmen keine regelmäßigen und umfassenden Tests und Bewertungen der Effektivität der angewandten technischen und organisatorischen Maßnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit der verarbeiteten Daten durch. Diesbezügliche Aktivitäten wurden nur bei Verdacht auf eine Schwachstelle oder im Zusammenhang mit organisatorischen Änderungen durchgeführt.

Diese organisatorische Ausgestaltung des Prüfprozesses der Sicherheitsmaßnahmen bewertete die Behörde als ungenügend. Der Vorwurf der Behörde richtet sich hier also vor allem auf eine ungenügende organisatorische Ausgestaltung des Datenschutzmanagement.

Für Unternehmen ergeben sich aus den oben genannten Vorschriften also nicht nur einmalige Pflichten zur Umsetzung von Sicherheitsmaßnahmen. Erforderlich ist auch die Einführung und Umsetzung eines Prozesses zur regelmäßigen Validierung der Maßnahmen. Dieser Prozess darf zudem nicht nur dann in Gang gesetzt werden, wenn „etwas passiert“, sondern muss regelmäßig erfolgen.

DSGVO-Bußgeld ohne Sachverhaltsermittlung?

Heute hat die Niedersächsische Datenschutzbehörde bekannt gegeben, dass sie ein Bußgeld in Höhe von über 10 Mio Euro gegen die notebooksbilliger.de AG verhängt hat. Inhaltlich soll es um eine länger andauernde Videoüberwachung von Mitarbeitern gehen, die nach Ansicht der Behörde unzulässig erfolgte.

Das Unternehmen hat sich ebenfalls öffentlich zu dem Bußgeld geäußert und wird gegen den Bescheid vorgehen.

Ich möchte mich hier zu diesem konkreten Verfahren gar nicht äußern. Wir werden (sollte die LfD den Bescheid nicht aufheben) wohl sicher noch eine gerichtliche Entscheidung in dieser Sache erleben.

Auf welchen praxisrelevanten Aspekt ich hinweisen möchte, ist der Vorwurf von notebooksbilliger.de an die LfD, dass die Behörde nicht selbst vor Ort war und die Kamerasysteme in Augenschein genommen hat. Auf der Webseite des Unternehmens heißt es:

Zu keinem Zeitpunkt war das Videosystem darauf ausgerichtet, das Verhalten der Mitarbeiter oder deren Leistungen zu überwachen. Das von der Datenschutzbeauftragten suggerierte Klima der Furcht ist eine haltlose Unterstellung und gefährdet unseren Ruf.

Außerdem hat trotz mehrmaliger Einladung durch NBB kein Mitarbeiter der Behörde in den Lagern oder Versandzentren des Unternehmens mit Mitarbeitern gesprochen. Es wurde sich also weder ein Bild von den Kameras gemacht noch über Arbeitsprozesse und die Unternehmenskultur informiert“.

Untersuchungsgrundsatz nach VwVfG

Im Kern steht hier also der Vorwurf im Raum, dass die Aufsichtsbehörde ihre Pflicht zu Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts (Untersuchungsgrundsatz, § 24 VwVfG) verletzt hat. Diese verwaltungsrechtliche Anforderung entstammt nicht dem Datenschutzrecht, aber ist selbstverständlich von den Datenschutzbehörden zu beachten. Daher ist dieser Aspekt (des möglicherweise anstehenden gerichtlichen Verfahrens) auch generell für Unternehmen von Bedeutung, wenn sie sich einer Untersuchung durch Datenschutzbehörden ausgesetzt sehen.

Es wird davon ausgegangen, dass die Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts eine originäre Pflicht der zuständigen Behörde ist. Hierzu kann sie sich auch der Hilfe Dritter bedienen.

Speziell datenschutzrechtlich sieht die DSGVO eine Befugnis der Datenschutzbehörden vor, die mit der Pflicht zur Sachverhaltsermittlung korreliert. Nach Art. 58 Abs. 1 lit. f DSGVO ist die Datenschutzbehörde etwa befugt, nach dem Verfahrensrecht des Mitgliedstaats Zugang zu den Geschäftsräumen, einschließlich aller Datenverarbeitungsanlagen und -geräte, des Verantwortlichen und des Auftragsverarbeiters zu erhalten. Diese Befugnis dient gerade dazu, eine Prüfung der Einhaltung der DSGVO vornehmen zu können.

Folge bei unterbliebener Ermittlung

Der Vorwurf des Unternehmens lautet hier, dass die Behörde nicht vor Ort war, um die Kameraanlage zu prüfen. Nun könnte man evtl. argumentieren, dass eine Inaugenscheinnahme nicht zwingend erforderlich ist, wenn man stattdessen Kamerapläne und weitere Beschreibungen oder Fotos erhält. Gerade bei dem Einsatz von Kameras erscheint meines Erachtens aber der persönliche Eindruck vor Ort durchaus von Relevanz zu sein. Nicht umsonst gibt es ja viele Urteile, die allein die Wirkung von Kameraattrappen ausreichen lassen, um eine Verletzung von Persönlichkeitsrechten anzunehmen.

Geht man davon aus, dass die Behörde den Untersuchungsgrundsatz aus § 24 VwVfG verletzt hat, muss man auf der Rechtsfolgenseite trennen.

Per se ist die mangelhafte Sachverhaltsermittlung nicht selbstständig anfechtbar, sondern nur bei einem Vorgehen gegen die Sachentscheidung (§ 44a VwGO).

Bei fehlender oder mangelhafter Aufklärung des Sachverhalts liegt ein Verfahrensfehler in Bezug auf den jeweiligen Verwaltungsakt vor, der aber „nur“ zu einer formellen Rechtswidrigkeit führt. Eine Aufhebung kommt dann nur unter den gesteigerten Voraussetzungen des § 46 VwVfG in Betracht.

Aber, und dies ist für die materielle Rechtmäßigkeit der Entscheidung relevant: wenn der Sachverhalt mangelhaft ermittelt ist, kann sich dies bei einer Ermessensentscheidung auf die materielle Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes auswirken. Aber: ein Ermessensfehler liegt grunsätzlich erst dann vor, wenn die Behörde tatsächlich vorhandene entscheidungserhebliche Gesichtspunkte außer acht gelassen oder falsch gewichtet hat.

Eine Entscheidung aus dem Datenschutzrecht (wenn auch noch zum BDSF aF) gibt es zu diesem Thema etwa vom VG Gelsenkirchen (Beschl. v. 14.10.2013 – 17 L 304/13). Dort wurde (im Eilverfahren) gegen einen Bescheid der Datenschutzbehörde NRW vorgegangen. Aus der Begründung des Gerichts:

Es ist anerkannt, dass die rechtsfehlerfreie Ermessensausübung als Grundlage einer Entscheidung die zutreffende und vollständige Sachverhaltsermittlung voraussetzt. Denn die Verwaltung kann ihren Entscheidungsfreiraum nur sachgerecht nutzen, wenn sie den wesentlichen Sachverhalt kennt“.

Und weiter:
Ermessensfehlerhaft sind daher Entscheidungen, wenn die Behörde von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen oder einer unvollständigen Sachverhaltsvorstellung ausgeht“.

In diesem Verfahren gab das Gericht dem Antragsteller recht und erkannte den Bescheid der Datenschutzbehörde bei summarischer Prüfung als materiell rechtswidrig an. Wegen Verstoßes gegen § 24 VwVfG und dessen Auswirkung auf die Ermessenentscheidung der Behörde.

Gemessen hieran begründen bereits die vorstehend angeführten Unklarheiten hinsichtlich des rechtlich relevanten Sachverhalts die Ermessensfehlerhaftigkeit des angefochtenen Bescheides“.

Auch die Verhängung eines Bußgeldes nach Art. 59 Abs. 2 lit. i, 83 DSGVO steht im Ermessen der Datenschutzbehörde (vgl. etwa VG Ansbach, Urt. v. 16.3.2020 – AN 14 K 19.00464).

Fazit

Sollte sich in einem gerichtlichen Verfahren wirklich herausstellen, dass hier der Untersuchungsgrundsatz nicht beachtet wurde, bestehen also durchaus Chancen dafür, dass der Bescheid der Behörde wegen Ermessensfehlerhaftigkeit aufgehoben wird. Unternehmen sollten diesen, zunächst evtl. rein förmlich anmutenden Aspekt, daher stets im Rahmen von behördlichen Verfahren beachten.  

Sächsische Datenschutzbehörde: keine Möglichkeit der Rechtsdurchsetzung gegenüber allein in Drittländern ansässigen Unternehmen

Am 22.12.2020 hat der Landesdatenschutzbeauftragte für Sachsen seinen neuesten Tätigkeitsbericht veröffentlicht (Berichtsjahr bis 31.12.2019, PDF). In einem kurzen Absatz erwähnt die Datenschutzbehörde dort auch ein praxisrelevantes und für die Durchsetzung der DSGVO seit Beginn der Arbeiten an dem Gesetz bekanntes Problem: die Durchsetzung der DSGVO gegenüber Unternehmen in Drittländern (S. 109).

Bekanntlich unterliegen sowohl Verantwortliche als auch Auftragsverarbeiter mit Sitz in Drittländern und ohne (!) Niederlassung in der EU unter gewissen Voraussetzungen der DSGVO. Meiner Meinung nach ist vielen Unternehmen, die aus Drittländern Dienstleistungen in der EU anbieten, überhaupt nicht bewusst, dass auch für sie die Regelungen der DSGVO gelten.

Die sächsische Behörde berichtet, dass bei ihr zahlreiche Beschwerden gegen Unternehmen mit Sitz außerhalb der Europäischen Union eingingen. Zwar sieht die DSGVO in einem solchen Fall, wenn also keine Niederlassung in der EU besteht, die Pflicht nach Art. 27 DSGVO vor, einen Vertreter in der EU zu benennen. Doch, ketzerisch gefragt, was passiert, wenn auch diese Pflicht nicht eingehalten wird? Wohl nichts, wie nun die Angaben der Behörde aus Sachsen zeigen.

Genau diese Miesere schildert die Behörde nämlich. Im Grunde gibt es in einer solchen Situation keine wirksame Durchsetzungsmöglichkeit europäischen Datenschutzrechts.

Soweit die Verantwortlichen kein Vertreter nach Artikel 27 DSGVO benannt haben, stellt sich die Einwirkung auf den Verantwortlichen in seiner Umsetzung als praktisch schwierig dar.“

Zwar merkt die Behörde an, dass soweit Maßnahmen gegenüber diesen Verantwortlichen ergriffen werden sollen, zwar eventuell ein Amtshilfeverfahren und ein Procedere auf dem diplomatischen Weg über die Außenvertretungen der Bundesrepublik Deutschland einzuleiten wäre.

Jedoch scheint dieser Weg für die Behörde praktisch nicht gangbar zu sein. Daher fasst die Datenschutzbehörde ihr derzeitiges Vorgehen wie folgt zusammen:

Aktuell teile ich den Beschwerdeführern mit, dass ich – in Ermangelung zwischenstaatlicher Vereinbarungen – keine Möglichkeiten sehe, meine Rechtspositionen bzw. Anordnungen durchzusetzen“.

Dieses Ergebnis ist meines Erachtens durchaus ernüchternd. Offenbart hier eine Behörde doch ungeschönt, dass sie keine Möglichkeit sieht, das europäische Recht (obwohl anwendbar) durchzusetzen. Meines Erachtens darf man in diesen Situationen aber nicht den Aufsichtsbehörden einen Vorwurf machen. Dieser Fehler einer effektiven Durchsetzung war von Angang an systematisch in der DSGVO angelegt und hängt natürlich eng mit dem (intendierten) sehr weiten räumlichen Anwendungsbereich der Verordnung zusammen.

Datenschutzbeauftragter als Unternehmensvertreter im Verwaltungsverfahren?

Die Stellung und Aufgaben des Datenschutzbeauftragten (DSB) sind ja bekanntlich in Artt. 38, 39 DSGVO festgelegt. Hierbei fokussiert sich das Gesetz natürlich auf datenschutzspezifische Themen, wie etwa die Aufgabe, den Verantwortlichen oder Auftragsverarbeiter zu beraten oder auch als Anlaufstelle für die Datenschutzbehörde zu agieren.

Eine Rolle als Vertreter des Verantwortlichen oder Auftragsverarbeiters nach außen, insbesondere prozessual, ist dem DSB in der DSGVO eigentlich nicht angedacht. Zumindest wird hierauf nicht eingegangen und eigentlich mag man sogar davon ausgehen, dass der DSB eine solche Vertretung gegenüber Aufsichtsbehörden wegen seiner unabhängigen Stellung (Art. 38 Abs. 3 DSGVO) nicht einnimmt.

In diesem Zusammenhang bin ich bei der Analyse der aktuellen Entscheidung des EDSA in dem Verfahren der irischen Aufsichtsbehörde gegen Twitter auf einen sehr interessanten und meines Erachtens hoch praxisrelevanten Aspekt gestoßen.  Die Entscheidung des EDSA ist hier abrufbar und auch ansonsten lesenswert, handelt es sich doch auch um die erste bindende Entscheidung des EDSA in einem Streitbeilegungsverfahren nach Art. 65 DSGVO.

In der Beschreibung des Sachverhalts wird dort auch auf die Frage eingegangen, ob denn Twitter im Rahmen des durch die irische Datenschutzbehörde durchgeführten Verwaltungsverfahrens und der darauf folgenden Einleitung des Verfahrens nach Art. 65 DSGVO beim EDSA zuvor ordentlich angehört und beteiligt wurde. Achtung, es geht hier nicht um die Involvierung des DSB von Twitter an sich, sondern des Unternehmens in dem Verwaltungsverfahren selbst. Das Sekretariat des EDSA fragte hierzu bei der irischen Behörde an:


On 4 September 2020, the Secretariat contacted the IE SA with additional questions in order to confirm whether TIC has been given the opportunity to exercise its‘ right to be heard regarding all the documents that were submitted to the Board for making its decision. On 8 September 2020, the IE SA confirmed that it was the case and provided the documents to prove it”.

Die “IE SA” ist die irische Behörde. „TIC“ ist die Abkürzung für Twitter.

Das EDSA Sekretariat verweist zuvor als Begründung auf Art. 41 Abs. 2 lit. a der Charta der Grundrechte der Europäischen Union. Danach hat jede Person das Recht, gehört zu werden, bevor ihr gegenüber eine für sie nachteilige individuelle Maßnahme getroffen wird. In der Rechtsprechung des EuGH wird stets die Bedeutung des Rechts auf Anhörung und seinen sehr weiten Geltungsumfang in der Unionsrechtsordnung bekräftigt. Das Recht auf Anhörung garantiert jeder Person die Möglichkeit, im Verwaltungsverfahren, bevor ihr gegenüber eine für ihre Interessen nachteilige Entscheidung erlassen wird, sachdienlich und wirksam ihren Standpunkt vorzutragen (EuGH, Urt. v. 22.11.2012 – C-277/11).

Die irische Datenschutzbehörde hat nach den obigen Ausführungen in der Entscheidung Dokumente an den EDSA geleitet, aus denen sich ergibt, dass das Unternehmen in dem Verwaltungsverfahren ordentlich angehört wurde. Hierzu verweist der Beschluss des EDSA in Fußnote 13 auf folgende Information:
Amongst the documents sent by IE SA, there were emails from the Global DPO acknowledging receipt of the relevant documents”.

Der DSB von Twitter hat in dem Verfahren relevante Dokumente von der Behörde erhalten und deren Erhalt auch per E-Mail bestätigt.

Das bedeutet, dass der EDSA anscheinend für eine Anhörung in einem Verwaltungsverfahren auch die Kommunikation mit bzw. Adressierung des DSB, quasi als Vertreter des Unternehmens im Verwaltungsverfahren, als ausreichend ansieht.

In Deutschland kennen wir dieses Recht aus § 28 VwVfG. Danach sind es „Verfahrensbeteiligte“ iSv § 13 Abs. 1 und Abs. 2 bzw. deren Vertreter oder Bevollmächtigte (§ 14 VwVfG), denen das Recht auf Anhörung zusteht. Den DSB an sich würde man bei uns wohl nicht als Verfahrensbeteiligten oder Bevollmächtigten ansehen. Zumindest nicht ohne entsprechende Bevollmächtigung und von Sonderkonstellationen einer Anscheins- oder Duldungsvollmacht abgesehen. Würde sich die Ansicht des EDSA (basierend auf der Auslegung europäischen Rechts) durchsetzen, würde dies in der Praxis für Unternehmen bedeuten, dass eine Kommunikation mit der Aufsichtsbehörde intern auf jeden Fall klar strukturiert erfolgen muss. Denn im schlimmsten Fall haben interne Abteilungen wie Legal oder Compliance keine Kenntnis von der Kommunikation mit der Behörde, diese würde aber von einer ordentlichen Anhördung des Unternehmens ausgehen. Klingt für mich insgesamt auch nach einer spannenden Frage zum Verhältnis zwischen DSGVO (bzw. der Charta) und nationalem Verfahrensrecht.

Vereinheitlichung der Datenschutzaufsicht – Keine finale Entscheidung der Wirtschaftsminister

Auf ihrer Sitzung am 30.11.hat sich die Wirtschaftsministerkonferenz bekanntlich auch mit dem Thema der Zentralisierung der deutschen Datenschutzaufsicht befasst. Ein Beschluss auf die Frage, ob eine solche Zentralisierung umgesetzt werden sollte, wurde jedoch nicht gefasst. Jedoch regen die Wirtschaftsminister eine nähere Untersuchung der aktuellen Regelungen und Prüfung auf Verbesserungen an (Beschluss vom 30.11.2020, Punkt 8.3., pdf).

Die Wirtschaftsminister stellen heraus, dass sie die Notwendigkeit einer einheitlichen und verbindlichen Auslegung von datenschutzrechtlichen Anforderungen und Vollzugspraxis erkennen. Ich denke, dass diese Feststellung sowohl von Gegnern und Befürwortern einer Zentralisierung geteilt wird. Die Frage wird am Ende sein, wie man zu diesem Ziel gelangt? Über eine Zentralisierung bei einer Behörde oder zB über eine klarere Verrechtlichung der Zusammenarbeit der deutschen Behörden untereinander (etwa in der DSK).

Die Wirtschaftsministerkonferenz bittet die Bundesregierung,

gemeinsam mit den Ländern und den  Datenschutzaufsichtsbehörden die bestehenden Regelungen in §§ 17ff. BDSG auf praktische Durchführbarkeit, sowie die für eine Verbesserung der Zusammenarbeit der Datenschutzaufsicht erforderlichen Gesetzesänderungen zu prüfen und der Wirtschaftsministerkonferenz hierüber zu berichten“.

Für mich liest sich dieser Beschluss nicht so sehr pro Zentralisierung, sondern eher offen für eine Anpassung der gesetzlichen Rahmenbedingungen, um die einheitliche Anwendung des Datenschutzrechts in Deutschland zu ermöglichen.

Zudem bittet die Wirtschaftsministerkonferenz um Beratung mit der Innenministerkonferenz  und auch der Datenschutzkonferenz

über eine Stärkung der Zusammenarbeit der Datenschutzaufsichtsbehörden von Bund und Ländern mit dem Ziel einer Vereinheitlichung der Auslegung und Anwendung des Datenschutzrechts im Markt“.

Auch dieser Teil des Beschlusses spricht eher gegen eine Zentralisierung bei einer einzigen Behörde. Zumindest scheint diese aktuell nicht die bevorzugte Lösung zu sein. Der Beschluss spricht schließlich ausdrücklich von einer „Stärkung der Zusammenarbeit der Datenschutzaufsichtsbehörden“. Einer solchen Stärkung bedürfte es bei der Zusammenlegung zu einer einzigen Aufsichtsbehörde jedoch nicht.

Man wird nun abwarten müssen, ob und wann die Bundesregierung der Bitte der Wirtschaftsministerkonferenz nachkommt und ggfs. sogar Vorschläge für eine einheitliche und verbindliche Auslegung des Datenschutzrecht und der Vollzugspraxis macht.

Datenschutzbehörde Niedersachsen: Hinweise zu Einwilligungen für Cookies und Consent Management Tools

Die Datenschutzbehörde Niedersachsen hat am 25.11.2020 „Hinweise zu datenschutzkonfomen Einwilligungen auf Webseiten und zu Anforderungen an Consent-Layer“ (PDF) auf ihrer Webseite veröffentlicht. Die Hinweise geben einen guten und praktischen Überblick, was aus Unternehmenssicht bei dem Einsatz von Cookies und auch der Auswahl eines Consent Management Tools zu beachten ist. Zum Teil sind die Empfehlungen tatsächlich eher wirtschaftsfreundlich, jedoch finden sich in den Hinweisen auch einige meiner Ansicht nach rechtlich diskutable Punkte.

Die Hinweise starten mit der Feststellung, dass „sowohl für die Verwendung von Cookies als auch generell für die Einbindung von Drittdienst-leistern auf Webseiten (wie Analyse-, Marketing-, Tracking-, Karten-, Wetter-, Chat-, Video-, Bildoptimierungs-, Push-Nachrichten- und Umfrage-Dienste)“ eine datenschutzrechtliche Einwilligung der Seitennutzerinnen und -nutzer erforderlich sei. In dieser Pauschalität ist diese Aussage jedoch nicht richtig. Natürlich gibt es auch Cookies, für deren Einsatz gerade keine Einwilligung eingeholt werden muss. Beispiele hierfür finden sich etwa im Working Paper 194 der ehemaligen Art. 29 Datenschutzgruppe, welches sich allein mit den Ausnahmen vom Einwilligungserfordernis befasst.

„Werbeversprechen“ von Consent-Tools

Meines Erachtens zurecht weist die Behörde darauf hin, dass sich Unternehmen nicht blind auf Aussagen von Anbietern von Consent Management Tools verlassen dürfen. Also etwa, dass mit deren Einsatz per se DSGVO-konforme Einwilligungen eingeholt werden. Meiner Erfahrung nach können dieses Tools sehrwohl als Werkzeug dienen, um solche Einwilligung einzuholen. Jedoch bedarf es stets einer finalen Prüfung und ggfs. Anpassung durch den Verantwortlichen.

Anforderungen an datenschutzkonforme Einwilligungen

Nachfolgend geht die Behörde dann auf die einzelnen Voraussetzungen einer Einwilligung nach Art. 4 Nr. 11 DSGVO ein. Sie stellt hierzu folgende Prüfpunkte auf:

  • Zeitpunkt der Einwilligung,
  • Informiertheit der Einwilligung,
  • eindeutige bestätigende Handlung,
  • freiwillige Einwilligung,
  • keine unzulässige Einflussnahme auf die Nutzerentscheidung (sog. Nudging),
  • Widerruf der Einwilligung,
  • Einwilligungen für Datenverarbeitungen von Minderjährigen.

Wichtig ist etwa, dass Cookies (oder generell andere Tracker) erst aktiviert werden, wenn die Einwilligung aktiv erteilt wurde. Ansonsten stellt ein Consent Management Tool nur ein Placebo dar.

Interessant ist zudem die Ansicht zu dem Merkmal der „Informiertheit der Einwilligung“, also welche Informationen im Einwilligungstext zu erteilen sind. Die Behörde trennt hier strikt zwischen der Informiertheit der Einwilligung und den Informationspflichten nach Art. 13 DSGVO.

Welche Informationen konkret zu erteilen sind, ergibt sich – im Unterschied zu den in Art. 13 DS-GVO normierten Informationspflichten – nicht unmittelbar aus dem Gesetz“. Die Datenschutzbehörde verweist für die „Informiertheit“ auf die Anforderungen des EDSA in den Guidelines 05/2020. Danach müssen folgende Informationen erteilt werden:

  • Identität des Verantwortlichen,
  • Verarbeitungszwecke
  • die verarbeiteten Daten,
  • die Absicht einer ausschließlich automatisierten Entscheidung (Art. 22 Abs. 2 lit. c) und
  • die Absicht einer Datenübermittlung in Drittländer (Art. 49 Abs. 1 S. 1 lit. a).

Erfreulicherweise gibt die Behörde auch Beispiele für Verarbeitungszwecke, die ihrer Ansicht nach nicht ausreichend sind. Etwa: „Webanalyse und Werbemaßnahmen durchzuführen“ und „Marketing, Analytics und Personalisierung“ zu ermöglichen. Und auch bei der Einbindung von Drittdiensten (was in der Praxis zumeist der Fall ist), ist die Behörde recht streng. Es genüge nicht eine Information, dass Daten an „Partner“ weitergegeben werden. Jedoch verlangt die Behörde nicht, dass die einzelnen Dritten direkt auf dem ersten Layer oder der ersten Ebene zu sehen sind. Sie müssen nur ausdrücklich benannt sein. Man könnte als annehmen, dass eine Information über einzelne Dritte auch auf der zweiten Ebene im Consent Management Tool zulässig ist.

Strenger ist die Auffassung hinsichtlich des Hinweises auf das Widerrufsrecht (Art. 7 Abs. 3 S. 3 DSGVO). Dort verlangt die Behörde explizit, dass dieser Hinweis „bereits auf der ersten Ebene des Consent-Fensters erforderlich“ sei. Dass man dies auch anders beurteilen kann, zeigt ein jüngst veröffentlichtes Urteil des LG Rostock (Az. 3 O 762/19). Das Gericht entschied dort: „Soweit der Kläger einwendet, die Information habe im Cookie-Banner selbst erfolgen müssen, so dass ein Verstoß gegen Art. 13 Abs. 2 lit. c DSGVO vorliege, teilt die Kammer diese Ansicht nicht“.

Spannend finde ich zudem noch die Ansicht der Behörde zur „Freiwilligkeit“. Zwar vertritt sie die Ansicht, dass sog. Cookie Walls unzulässig seien. „Es wird allerdings nicht gegen die Freiwilligkeit verstoßen, wenn dem Nutzer neben der Einwilligung die Alternative angeboten wird, die Sichtbarkeit der Inhalte durch eine angemessene Bezahlung herbeizuführen“. Die Datenschutzbehörde aus Niedersachsen bezieht sich hierbei auf einen beispielhaften Screenshot, in dem Nutzern ein Abo für 3 EUR im Monat angeboten wird, welches ohne ein Tracking auskommt. Die Behörde gestattet also das Modell der Alternative zwischen „Kostenlos, dafür Tracking“ und „Kostenpflichtig, dafür ohne Tracking“. Ob die in dem Beispiel genannten 3 EUR pro Monat als Maximalwert anzusetzen sind, würde ich jedoch eher ablehnen.

Neue Rechtslage: Berliner Datenschutzbehörde erhält Zuständigkeit für Bußgelder nach dem TMG

Im Juni diesen Jahres hatte ich im Blog darauf hingewiesen, dass in einigen Bundesländern die Zuständigkeit für die Verhängung von Bußgeldern wegen Verstößen gegen die datenschutzrechtlichen Vorgaben des TMG (insbesondere §§ 13, 14, 15 TMG) gar nicht bei den Datenschutzbehörden liegt. In Berlin waren etwa die jeweiligen Bezirksämter zuständig.

Änderung der Rechtslage

Nun hat der Landesgesetzgeber in Berlin genau diese Situation adressiert und auch geändert. Ab sofort, genauer gesagt ab heute, ist für die Verhängung von Bußgeldern nach § 16 Abs. 2 Nr. 2 bis 5 TMG nicht mehr das jeweilige Bezirksamt, sondern die Landesbeauftragte für Datenschutz zuständig.

Die Anpassung erfolgt im Rahmen der „Verordnung zur Änderung der Verordnung über sachliche Zuständigkeiten für die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten und der Verordnung über die Zuständigkeit für einzelne Bezirksaufgaben“, die gestern im Berliner Gesetzes- und Verordnungsblatt veröffentlicht wurde (PDF).

Es erfolgt eine Änderung in § 1 der Verordnung über sachliche Zuständigkeiten für die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten (ZustVO-OWiG). Die veränderte Verordnung tritt heute in Kraft (vgl. Art. 3 Verordnung zur Änderung der Verordnung über sachliche Zuständigkeiten für die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten und der Verordnung über die Zuständigkeit für einzelne Bezirksaufgaben).

Der neue § 1 Nr. 16 ZustVO-OWiG lautet wie folgt:

Zuständige Verwaltungsbehörde für die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten sind für die Fälle, in denen die zuständige Verwaltungsbehörde nicht durch Gesetz bestimmt ist, die oder der Berliner Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit für Ordnungswidrigkeiten nach § 16 Absatz 2 Nummer 2 bis 5 des Telemediengesetzes vom 26. Februar 2007 (BGBl. I S. 179), das zuletzt durch Artikel 11 des Gesetzes vom 11. Juli 2019 (BGBl. I S. 1066) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung.

Auswirkung

Eine direkte Auswirkung dieser Anpassung ist, dass nun die Berliner Datenschutzbehörde für die Verhängung von Bußgeldern in den benannten Fällen des § 16 Abs. 2 TMG zuständig ist. Dies sollten Unternehmen in Berlin beachten, wenn sie etwa im Rahmen einer internen Risikoprüfung des Trackings auf Webseiten oder Apps über Rechtsfolgen nachdenken.

Hinweise

Weiterhin bisher nicht angepasst wurde aber § 16 Abs. 2 TMG selbst; konkret Nr. 5. Als Bußgeldtatbestand wurde dort „nur“ eine Verletzung von § 15 Abs. 3 S. 3 TMG aufgeführt, nicht jedoch ein Verstoß gegen die übrigen Sätze des § 15 Abs. 3 TMG, in denen es um die Erstellung von Profilen und den Einsatz von Cookies geht. Zudem gilt auch weiterhin die Obergrenze für Bußgelder von 50.000 EUR nach § 16 Abs. 3 TMG. Dies aber natürlich nur, soweit man sich nicht im Anwendungsbereich der DSGVO befindet.

Man wird nun abwarten müssen, ob die Berliner Aufsichtsbehörde von ihrer neu geschaffenen Zuständigkeit Gebrauch macht.

Bundesdatenschutzbeauftragter: Prüfschema für Datentransfers in Drittländer

Die Auswirkungen des EuGH-Urteils in Schrems II (C-311/18) sind in der Praxis weiterhin ein wichtiges Thema. Viele Unternehmen versuchen (Anm: viel mehr geht aktuell wohl auch nicht), ihre eigenen Datentransfers zu prüfen und, wo möglich, zusätzliche Garantien mit Datenempfängern zu vereinbaren. Wie diese vom EuGH angesprochenen „zusätzlichen Maßnahmen“ (Rz. 133) konkret aussehen, wissen wir immer noch nicht. Der EDSA soll hierzu wohl noch Leitlinien veröffentlichen.

Bis es soweit ist, könnte für Unternehmen eventuell auch eine Veröffentlichung des Bundesbeauftragten für Datenschutz (BfDI) interessant sein. Der BfDI veröffentlicht auf seiner Webseite ein „Prüfschema Drittländertransfer“ (PDF). Laut den Angaben auf der Webseite dient das Prüfschema „der strukturierten Überprüfung zum Datentransfer in Drittländer“. Zudem verlangt der BfDI, dass das Ergebnis dieser Prüfung nachvollziehbar und überprüfbar dokumentiert wird. Zwar ist der BfDI vor allem für die öffentlichen Stellen des Bundes und im privatwirtschaftlichen Bereich für Unternehmen aus den Branchen Post und Telekommunikation zuständig. Nichts desto trotz kann ein Blick in das Prüfschema meines Erachtens auch für Unternehmen, die nicht direkt der Aufsicht des BfDI unterliegen, sinnvoll sein. Denn wie sagt ein von mir sehr geschätzter Landesbeauftragter immer (frei zitiert): „Kein Unternehmen muss schlauer als die Aufsichtsbehörde sein“.

Das Prüfschema enthält verschiedene Prüfschritte:

  • Datentransfers prüfen
  • Vorliegen Angemessenheitsbeschluss
  • Schutzniveau im Drittland: Einzelfallanalyse
  • Prüfung Schutzmechanimus
  • Definierung zusätzlicher Maßnahmen
  • Implementierung zusätzlicher Maßnahmen
  • Ausnahmen nach Art. 49 DSGVO
  • Dokumentation
  • Meldung an die Aufsichtsbehörde

Ganz interessant in Bezug auf die Frage, ob Standardvertragsklauseln (SCC) genehmigungsfrei angepasst werden dürfen (hier meine Meinung zu dieser Frage), finde ich die folgende Aussage des BfDI:

Hinweis: Eigenständige vertragliche Lösungen bedürfen als ad-hoc-Klauseln einer Genehmigung durch die zuständige Aufsichtsbehörde. Änderungen an Standard-Datenschutzklauseln behalten ihre Gemehmigungsfreiheit nur, solange diese weder mittelbar noch unmittelbar im Widerspruch zum Inhalt der erlassenen Standard-Datenschutzklauseln stehen“.

Der BfDI geht also meiner Ansicht davon aus, dass 1) eine Anpassung der SCC nicht per se zur Genehmigungspflicht führt und 2), dass die Genehmigungsfreiheit dann besteht, wenn die Anpassungen nicht im „Widerspruch“ zu den Klauseln stehen. Dies ist aus praktischer Sicht auf jeden Fall begrüßenswert. Natürlich wird in der Praxis dann immer die entscheidende Frage sein, wann denn ein solcher Widerspruch vorliegt.

Europäischer Datenschutzbeauftragter: Strategie für EU-Institutionen zur Einhaltung des „Schrems II“-Urteils

Der Europäische Datenschutzbeauftragte (EDPS), also die Aufsichtsbehörde für die Institutionen der EU, hat gestern ein interessantes Papier für eine Stratege zur Einhaltung der Vorgaben des Schrems II Urteils des EuGH veröffentlicht (pdf). Dort wird dargelegt, wie nach Ansicht der Aufsichtsbehörde die EU-Institutionen nun kurz- und mittelfristig mit Datentransfers in Drittländer (insbesondere die USA) umgehen sollten.

Die Vorgaben und Empfehlungen des EDPS sind meines Erachtens auch eine gute Arbeitshilfe für Unternehmen im privatwirtschaftlichen Bereich, die ja vor derselben Herausforderung stehen.

Ziel der Strategie

Nach Aussage des EDPS zielen die Strategie und darin enthaltende Empfehlungen darauf ab, die Einhaltung des Urteils durch die Organe, Einrichtungen, Ämter und Agenturen der Europäischen Union zu gewährleisten und zu überwachen. Das Dokument befasst sich sowohl mit kurz- als auch mit mittelfristigen Maßnahmen für die EU-Institutionen und den EDPS.

Inhalt der Strategie

Die Vorgaben unterscheiden zwischen kurzfristigen und mittelfristigen Einhaltungsmaßnahmen wurde. Als kurzfristige Maßnahme erließ der EDPS am 5. Oktober 2020 eine Anweisung an die EU-Institutionen, eine Bestandsaufnahme durchzuführen, um festzustellen, bei welchen laufenden Verträgen, Beschaffungsverfahren und anderen Arten der Zusammenarbeit Daten übertragen werden. Als mittelfristige Maßnahme wird der EDPS Leitlinien bereitstellen und von Fall zu Fall Maßnahmen zur Einhaltung und/oder Durchsetzung der Datenschutzvorschriften bei Übermittlungen in die Vereinigten Staaten oder andere Drittländer verfolgen. Zudem sollen die EU-Institutionen aufgefordert werden, von Fall zu Fall Transfer Impact Assessments (TIAs) durchzuführen, um für den jeweiligen Transfer zu ermitteln, ob im Bestimmungsdrittland ein im Wesentlichen gleichwertiges Schutzniveau, wie es in der EU/EWR vorgesehen ist, gewährleistet ist.

Nachfolgend eine Übersicht zu den Vorgaben mit einer eigenen Übersetzung. Ich denke, dass man aus Sicht eines Unternehmens nicht alle Vorgaben direkt übernehmen kann. Jedoch ist dieser Umsetzungsplan des EDPS ein guter Anhaltspunkt, wie man im Unternehmen sein eigenes „Schrems II-Projekt“ aufsetzen könnte.

Der EDPS hält einen zweigleisigen Ansatz für den geeignetsten:

(1) Ermittlung dringender Maßnahmen zur Einhaltung und/oder Durchsetzung der Vorschriften durch einen risikobasierten Ansatz für Übermittlungen in die USA, die für die betroffenen Personen mit hohen Risiken verbunden sind, und parallel dazu

(2) Bereitstellung von Leitlinien und Verfolgung mittelfristiger fallweiser Maßnahmen zur Einhaltung und/oder Durchsetzung der Vorschriften des EDPS für alle Übermittlungen in die USA oder in andere Drittländer.

Die Strategie des EDPS zur Gewährleistung und Überwachung der Einhaltung des Urteils ist im Wesentlichen in zwei Phasen mit kurz- und mittelfristigen Maßnahmen unterteilt.

1. Kurzfristig – Bestandsaufnahme (mapping) und unmittelbare Einhaltungsprioritäten

Bestandsaufnahme

Der EDPS erteile EU-Institutionen die Anweisung, eine Bestandsaufnahme aller laufenden Verarbeitungsvorgänge und Verträge durchzuführen, die Übermittlungen in Drittländer beinhalten. Die Institutionen werden aufgefordert, bis Ende Oktober eine Bestandsaufnahme durchzuführen, um Datenübermittlungen für laufende Verträge, Beschaffungsverfahren und andere Arten der Zusammenarbeit zu ermitteln. Die Bestandsaufnahme der EU-Institutionen sollte folgend Daten enthalten:

  • die Verarbeitungsvorgänge,
  • die Bestimmungsorte,
  • die Empfänger,
  • die verwendeten Übertragungsinstrumente,
  • die Arten der übertragenen personenbezogenen Daten,
  • die Kategorien der betroffenen Personen sowie
  • Informationen über Weiterleitungen beschreiben.

Rückmeldung an den EDPS

Bis spätestens 15. November 2020 sollen die EU-Institutionen dem EDPS über spezifische Risiken und Lücken berichten, die sie bei dieser Bestandsaufnahme ermittelt haben. Darüber hinaus müssen sie dem EDPS spezifische und transparente Informationen über drei Hauptkategorien von Datenübermittlungen vorlegen, die wahrscheinlich höhere Risiken für die Rechte und Freiheiten natürlicher Personen bergen und vom EDPS vor Ende 2020 als Aufsichtsprioritäten ermittelt wurden:

  • illegale Übermittlungen, die nicht auf einem Übermittlungsinstrument beruhen;
  • Übermittlungen, die auf einer Ausnahmeregelung nach Artikel 50 der Verordnung beruhen; und
  • „risikoreiche Übermittlungen“ in die USA an Stellen, die eindeutig unter Abschnitt 702 FISA oder E.O. 1233319 fallen und bei denen es sich entweder um groß angelegte Verarbeitungsvorgänge oder komplexe Verarbeitungsvorgänge oder um die Verarbeitung sensibler Daten oder Daten sehr persönlicher Art handelt.

Auf der Grundlage dieser ersten Berichterstattung kann der EDPS Durchsetzungsmaßnahmen ergreifen, um diese Übermittlungen mit der Verordnung in Einklang zu bringen oder diese Übermittlungen gegebenenfalls auszusetzen.

2. Mittelfristig – Leitlinie des EDSA und Transfer Impact Assessments

Transfer Impact Assessments (TIAs)

Die EU-Institutionen werden aufgefordert, von Fall zu Fall Transfer Impact Assessments (TIAs) durchzuführen, um festzustellen, ob im Bestimmungsdrittland ein im Wesentlichen gleichwertiges Schutzniveau wie in der EU/EWR gewährleistet ist.

Im Anschluss an die erwartete Leitlinie des Europäischen Datenschutzausschusses zu geeigneten ergänzenden Maßnahmen wird der EDPS eine Liste von Vorfragen für Verantwortliche zur Verfügung stellen, damit diese TIAs mit Datenimporteuren einleiten können.

Auf der Grundlage dieser Bewertungen, die mit Hilfe von Datenimporteuren durchgeführt werden, sollten die EU-Institutionen eine Entscheidung darüber treffen, ob es möglich ist, die in der Bestandsaufnahme ermittelten Transfers fortzusetzen.

Rückmeldung an den EDPS

Abhängig vom Ergebnis der TIAs sollen die EU-Institutionen dem EDPS im Laufe des Frühjahrs 2021 über die folgenden drei Kategorien von Datentransfers Bericht zu erstatten:

  • Übermittlungen in ein Drittland, die kein im Wesentlichen gleichwertiges Schutzniveau gewährleisten;
  • Übermittlungen, die ausgesetzt oder beendet werden, sind gemäß Art. 47 Abs. 2 der Verordnung 2018/1725 zu melden, wenn die EU-Institution der Auffassung ist, dass das Drittland kein im Wesentlichen gleichwertiges Schutzniveau gewährleistet;
  • Bei Übertragungen, die auf Ausnahmeregelungen beruhen, sind Kategorien von Fällen, in denen Art. 50 der Verordnung 2018/1725 angewandt wurde, gemäß Art. 50 Abs. 6 der Verordnung zu melden.

Schrems II: US CLOUD Act kein Problem? Zumindest nach Ansicht der Landesregierung NRW

Nach dem Schrems II Urteil des EuGH (C-311/18) versuchen europäische Verantwortliche und Auftragsverarbeiter, den Einsatz von Dienstleistern aus Drittstaaten und natürlich insbesondere aus den USA den Anforderungen des EuGH anzupassen. Immer wieder diskutiert wird in diesem Zusammenhang auch, ob nicht eine Verlagerung der Daten auf Server in der EU eine Lösung wäre, selbst wenn diese durch ein Tochterunternehmer einer US-Muttergesellschaft betrieben werden. Denn in diesem Fall würde ja keine Übermittlung von Daten in die USA stattfinden.

US CLOUD Act

Wenn personenbezogene Daten über eine Tochtergesellschaft (oder direkt eine Niederlassung) einer amerikanischen Muttergesellschaft auf Server in Europa gehostet werden, wird in der Diskussion um mögliche Alternativen nach Schrems II oft der US CLOUD Act als Problem angeführt. Der US CLOUD Act (PDF) wurde im Jahr 2018 vom US-Kongress verabschiedet. Ziel des Gesetzes ist es u.a., US-Behörden das Recht zu geben, Daten von Unternehmen, die dem US-Recht unterliegen, für Strafverfolgungszwecke anzufordern. Explizit auch solche Daten, die außerhalb der USA gespeichert sind. Das bedeutet, dass auch personenbezogene Daten auf Servern in Europa angefordert werden können.

Gegebenenfalls kann es dann zu einem Konflikt zwischen US-Recht und der DSGVO kommen. Hierzu hatten sich schon einmal der EDSA und der EDSB in einer Stellungnahme geäußert (PDF).

Ein wichtiger Punkt im Rahmen des US CLOUD Act ist die Möglichkeit für betroffene Unternehmen, gegen eine behördliche Anfrage vorzugehen („may file a motion to modify or quash the legal process“). Zwar besteht diese Möglichkeit im Grundsatz, jedoch nur, wenn gewisse Voraussetzungen erfüllt sind. Eine dieser Voraussetzungen ist, dass das Unternehmen gegen das Recht einer sog. „qualifying foreign government“ verstößt. Hierbei handelt es sich um Länder, die mit den USA ein spezielles executive agreement unter dem CLOUD Act abgeschlossen haben (“with which the United States has an executive agreement that has entered into force under section 25239”). Ein solches Abkommen hat bisher nur das Vereinigte Königreich mit den USA abgeschlossen. Die EU verhandelt zu diesem Thema noch mit den USA.

Ansicht der Landesregierung NRW

In einer aktuellen Antwort (PDF) aus Anfang Oktober 2020 im Landtag NRW hat sich die Landesregierung NRW nun zu diesem Themenkomplex geäußert. Es ging dort um „LOGINEO NRW“, konkret den LOGINEO NRW Messenger. Der Messenger wird über einen AVV mit einem Dienstleister betrieben, der wiederum als Subdienstleister die „AWS EMEA SARL, 38 Avenue John F. Kennedy, L-1855 Luxembourg“ einsetzt, also ein Tochterunternehmen von Amazon Web Services, Inc. In der Frage an die Landesregierung wird daher auch auf den US CLOUD Act und einen möglichen Konflikt mit der DSGVO eingegangen.

Die Landesregierung führt zunächst aus, dass sich die Betriebsserver für den Messengerdienst in einem zertifizierten Rechenzentrum in Frankfurt am Main befinden. Damit würden die Datenschutzgrundverordnung und das nationale Datenschutzrecht gelten. Diese Aussage ist meines Erachtens zumindest missverständlich. Denn allein der Serverstandort (oder: Ort der Datenspeicherung) ist für die Anwendbarkeit der DSGVO nicht relevant. Man wird hier aber in Bezug auf AWS mindestens von der Anwendbarkeit der DSGVO über Art. 3 Abs. 1 DSGVO ausgehen können.

Sodann verweist die Landesregierung für die DSGVO-Compliance darauf, dass es AWS, nach der zu schließenden Auftragsverarbeitungsvereinbarung (diese ist auf der Webseite des Messengers abrufbar), untersagt sei, Daten außerhalb der EU und des europäischen Wirtschaftsraumes zu verarbeiten. Damit verweist die Landesregierung im Grunde auf den Zielkonflikt, dem Unternehmen unterliegen: welches Recht halten wir ein bzw. brechen wir? Wenn sich also hier z.B. der CLOUD Act und die DSGVO gegenüberstehen und die Unternehmen zwischen den Stühlen sitzen. Natürlich ist es möglich, dass vertraglich eine Weitergabe untersagt ist. Rein objektiv betrachtet wird es aber Situationen geben, in denen Unternehmen vor die Wahl gestellt sind, welcher Rechtsordnung sie den Vorzug geben. Dass dies nicht die gewünschte Situation sein kann, ist natürlich auch klar.

Zudem führt die Landesregierung konkret zum US CLOUD Act an:

Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass der CLOUD Act nur dann einen Zugriff auf Daten zulässt, wenn eine rechtmäßige Verfügung einer amerikanischen Ermittlungsbehörde oder eines amerikanischen Gerichts vorausgegangen ist. Insofern unterscheidet sich die Rechtslage nicht von der Rechtslage in anderen Staaten, einschließlich Deutschlands.

Diese Aussage ist sicher auf für Unternehmen interessant, die gerade über eine Verlagerung der Datenspeicherung nach Europa denken. Nach Ansicht der Landesregierung ist der Prozess, der dem US CLOUD Act zugrunde liegt, nämlich jenem in Deutschland vergleichbar. Die Landesregierung argumentiert für die Zulässigkeit des Einsatzes von US-Dienstleistern (bzw. deren Tochtergesellschaften) also mit einer Vergleichbarkeit der Rechtslagen in den USA und Deutschland. Oder anders ausgedrückt: die Landesregierung sieht hier wohl Argumentationsspielraum dafür, von einer Gleichwertigkeit des Schutzniveaus für Daten auszugehen. Ich möchte hinsichtlich des Prozesses und konkret der Widerspruchsmöglichkeit für Unternehmen aber auch auf meine Ausführungen oben verweisen.

Interessant ist auch der Hinweis der Landesregierung, dass die Daten der Kommunikation sowohl „bei der Übertragung zwischen den Endgeräten der Nutzer und AWS als auch während der Speicherung bei AWS verschlüsselt“ seien und von an der Kommunikation Unbeteiligten nicht gelesen werden könnten. Meines Erachtens stellt sich dann aber die Frage, ob denn überhaupt eine Auftragsverarbeitungssituation vorliegt, wenn AWS keinen Zugriff auf verschlüsselte Daten hat. Bzw. wozu wird ein AVV abgeschlossen, wenn der Dienstleister gar nicht auf personenbezogene Daten zugreifen kann?

Ob die Ansicht zum US CLOUD Act auch deutsche Datenschutzbehörden teilen würden, ist meines Erachtens zumindest fraglich. Denn wie oben verlinkt, hat der EDSA sich zum US CLOUD Act bereits einmal inhaltlich geäußert und sieht wohl datenschutzrechtliche Probleme. Ich finde die Ansicht der Landesregierung dennoch interessant und meines Erachtens macht es für Unternehmen im Rahmen des internen Mappings von Drittlandsübermittlungen und der Prüfung des Schutzniveaus bei Empfängern in Drittländern durchaus Sinn, auch die Vorgaben des US CLOUD Act zu betrachten. Denn sollte es von Aufsichtsbehörden diesbezüglich, zB im Rahmen einer Prüfung, zu Rückfragen kommen, ist eine entsprechend dokumentierte Auseinandersetzung mit der Rechtslage in dem Drittland zu empfehlen.