Datenschutzbehörde: „Woher haben Sie meine E-Mail-Adresse“? – Kein Antrag auf volle Auskunft nach Art. 15 DSGVO

Die dänische Datenschutzbehörde hat eine interessante Entscheidung zur Beantwortung von Auskunftsanfragen (oder eben keinen solchen Anfragen) nach Art. 15 DSGVO getroffen (Entscheidung vom 21.6.2021, PDF, Englisch)

Sachverhalt

Der Beschwerdeführer hatte einen Newsletter des betroffenen Unternehmens (Pixojet) erhalten. Am selben Tag bat er Pixojet, ihm mitzuteilen, woher Pixojet seine E-Mail-Adresse erhalten hatte. Pixojet teilte ihm mit, dass er sich für den Newsletter von Pixojet angemeldet habe und dass Pixojet sein Abonnement wieder löschen kann. Der Beschwerdeführer ging jedoch davon aus, dass er sich nie für den Newsletter angemeldet habe, und bat dann um Auskunft darüber, wann er den Newsletter abonniert habe und von welcher Quelle. 

Pixojet antwortete hierauf nicht direkt. Erst nach erneuter Nachfrage, woher Pixojet seine Informationen hatte antwortete ein Mitarbeiter des Kundendienstes, dass er sich nicht sicher ist, dass es aber nach einer manuellen Registrierung durch den Beschwerdeführer aussehe.

Der Beschwerdeführer ging weiter davon aus, dass er sich nie für den Newsletter angemeldet hatte. Er ging von einem Verstoß gegen die DSGVO aus. Sowohl, wie die Daten zu Pixojet gelangten /ggfs. über eine Drittquelle) als auch hinsichtlich der Antwort von Pixojet auf seinen Auskunftsantrag nach Art. 15 DSGVO.

Entscheidung

Die dänische Datenschutzbehörde verweist zunächst allgemein auf den Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO. Danach habe die betroffenen Personen in der Regel das Recht, von dem für die Verarbeitung Verantwortlichen eine Bestätigung darüber zu erhalten ob personenbezogene Daten über die betroffene Person verarbeitet werden und gegebenenfalls, Auskunft über die personenbezogenen Daten und eine Reihe weiterer Informationen.

Nach Art. 15 Abs. 1 lit. g) DSGVO habe die betroffene Person das Recht, alle verfügbaren Informationen über die Herkunft der personenbezogenen Daten zu erhalten, wenn diese nicht bei der betroffenen Person erhoben wurden. 

Die Datenschutzbehörde hat die Beschwerde so verstanden, dass die betroffene Person hier der Meinung ist, Pixojet habe ihm keine Auskunft entsprechend den Vorgaben des Art. 15 DSGVO gewährt. 

Dies sieht die Aufsichtsbehörde jedoch nicht so und geht davon aus, dass kein Verstoß vorliegt. Grund: die Fragen des betroffenen stellten schon keinen Auskunftsantrag nach Art. 15 DSGVO dar.

Die dänische Datenschutzbehörde sieht laut ihrer Begründung keinen Anhaltspunkt, die Einschätzung des Unternehmens, dass die Anfragen des Beschwerdeführers nicht als Antrag auf uneingeschränkte Auskunft gemäß Art. 15 DSGVO zu verstehen sind, zu beanstanden. 

Die Behörde geht also davon aus, dass die oben dargestellten Fragen des Betroffenen keine Ausübung des vollständigen Auskunftsanspruchs nach Art. 15 DSGVO darstellen. Damit treffen das Unternehmen natürlich auch nicht alle Pflichten des Art. 15 DSGVO.

Aus der Begründung (inoffiziell übersetzt): „Die dänische Datenschutzbehörde hat dabei den Schwerpunkt auf den Wortlaut der Anfragen des Beschwerdeführers gelegt, der angibt, dass er konkret wissen möchte, wo Pixojet seine E-Mail-Adresse hatte.

Die Behörde geht also wohl nur von einer sehr begrenzten Ausübung des Auskunftsanspruchs aus; konkret in Bezug auf die Herkunft der Daten. Die dänische Datenschutzbehörde stellt dann fest, dass Pixojet den Beschwerdeführer darüber informiert hat, dass die Informationen über ihn wahrscheinlich aus einem manuellen Eintrag in den Newsletter von Pixojet auf der Website des Unternehmens stammen. Dies war aus Sicht der Behörde ausreichend, da das Unternehmen über keine weiteren Informationen verfügte.

Fazit

Die Entscheidung ist unter zwei Gesichtspunkten praxisrelevant.

Zum einen löst eine konkrete Nachfrage von Betroffenen nicht direkt die volle Verpflichtungskaskade des Art. 15 DSGVO aus. Fraglich ist freilich, ab wann dann von einer vollumfänglichen Ausübung auszugehen ist., Wohl ziemlich sicher, wenn eine Person deutlich macht, dass sie umfassend Auskunft nach Art. 15 DSGVO begehrt.

Zum anderen ist die Auskunftspflicht des Art. 15 Abs. 1 lit. g) DSGVO erfüllt, wenn das Unternehmen seinem Kenntnisstand entsprechend informiert, woher die Daten stammen. Eine weiter Aufklärungs- oder Nachforschungspflicht ist hiervon nicht umfasst.

Kunde trägt falsche E-Mail-Adresse beim Online-Shopping ein – Datenschutzverstoß des Unternehmens?

Im Rahmen des One Stop Shop Verfahrens hat die norwegische Datenschutzbehörde zu einem sehr praxisrelevanten entschieden (pdf, Englisch).

Sachverhalt

Oft kommt es vor, dass Kunden eines Online-Shops aus Versehen eine falsche E-Mail-Adresse im Rahmen des Kaufprozesses eintragen. Oft reicht ja bereits ein falscher Buchstabe oder eine falsche Top Level Domain (.de statt eigentlich .net). Die Folge: Kaufbestätigung, Rechnung etc. gehen an die falsche Adresse und damit die falsche Person (wenn diese E-Mail-Adresse vergeben ist). Genau einen solchen Fall hatte die Datenschutzbehörde zu entscheiden. Der Beschwerdeführer hatte im Bestellprozess seine eigene E-Mail-Adresse falsch eingetragen. Eine andere Person erhielt deshalb die kaufrelevanten Unterlagen. Der Beschwerdeführer ging von einem Verstoß gegen die DSGVO aus, da seiner Ansicht nach das Unternehmen Daten aus zwei Kundenkonten vermischt wurden.

Entscheidung

Die Datenschutzbehörde sah allein durch den Fehlversand von Dokumenten (sicher auch mit personenbezogenen Daten des Beschwerdeführers) an eine andere Person keinen Verstoß gegen die DSGVO.

Das von der Behörde angeschriebene Unternehmen teilte mit, dass es davon ausgeht, dass der Beschwerdeführer versehentlich die falsche E-Mail-Adresse eingegeben hat, als er einen Kauf tätigte. Infolgedessen begann der falsche Kunde, E-Mails zu den Bestellungen des Beschwerdeführers zu erhalten.

Die norwegische Datenschutzbehörde ist der Ansicht, „dass der Fehler für die Registrierung der falschen E-Mail-Adresse beim Beschwerdeführer liegt“. Daher kam die Behörde zu dem Schluss, dass das Unternehmen über angemessene Verfahren und Maßnahmen verfügt um sicherzustellen, dass personenbezogene Daten korrekt aufgenommen werden.

Spannend wäre hier natürlich noch die Frage gewesen, ob auch bei einer normalen Onlinebestellung eine Art Double Opt in Verfahren umzusetzen wäre. Meines Erachtens ist dies nicht zwingend allein wegen Art. 32 DSGVO oder Art. 25 DSGVO erforderlich. Diskutieren mag man diese Option aber sicher.

Aber Achtung: einen DSGVO-Verstoß des Unternehmens gab es dann doch. Der Beschwerdeführer kontaktierte das Unternehmen und forderte eine Berichtigung seiner Daten. Das Unternehmen reagierte auf diese Betroffenenanfrage nach Art. 16 DSGVO (Berichtigung) jedoch zu langsam. Im konkreten Fall dauerte es mehr als 6 Monate, die E-Mail-Adresse zu korrigieren. Die norwegische Datenschutzbehörde ist der Ansicht, dass dies einen Verstoß gegen Art. 12 Abs. 3 DSGVO darstellt. Danach muss der Verantwortliche unverzüglich, in jedem Fall aber innerhalb eines Monats reagieren. Das Unternehmen gelobte diesbezüglich Besserung und die Schaffung eines verbesserten Prozesses zur Berichtigung von Daten.

Rechenschaftspflichten der DSGVO: Rechtmäßigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten in Dokumenten und Aufbewahrungsdauer

Der Bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz (BayLfD) (zuständig für öffentliche Stellen) hat kürzlich eine neue Orientierungshilfe (PDF) zur Einwilligung nach der DSGVO veröffentlicht.

Eine abstrakt relevante Ansicht findet sich dort zu der Frage, ob und wenn ja, auf welcher Grundlage Verantwortliche personenbezogene Daten verarbeiten dürfen bzw. müssen, um ihren Rechenschaftspflichten, etwa Art. 5 Abs. 2 oder Art. 7 Abs. 1 DSGVO, nachzukommen.

Es geht mithin um die Frage, ob die in Dokumenten enthaltenen personenbezogenen Daten von Betroffenen verarbeitet werden dürfen, auch wenn die eigentliche Verarbeitung der Daten schon beendet ist. Beispiel: Aufbewahrung der einmal erteilten Einwilligung im Fall des Widerrufs. Nach Ansicht der Behörde weist der Verantwortliche damit nach, dass mit der Einwilligung eine Rechtsgrundlage bestand und die darauf beruhende Verarbeitung personenbezogener Daten bis zum  Widerruf der Einwilligung rechtmäßig war.

Diese Gedanke, dass der Nachweis zu einer in der Vergangenheit zulässigen Verarbeitung auch nach deren Beendigung aufbewahrt werden muss, lässt sich auch auf andere Konstellationen und Rechtsgrundlagen des Art. 6 Abs. 1 DSGVO übertragen.

Konkret auf den Fall der Einwilligung führt die Behörde aus:

„Die in der Einwilligungserklärung und dem Widerruf enthaltenen personenbezogenen Daten unterliegen ihrerseits auch dem Recht auf Löschung“.

Diese personenbezogenen Daten werden durch den Verantwortlichen aber nach Art. 6 Abs. 1 lit. c, Abs. 3 lit. a DSGVO verarbeitet. Die vom Verantwortlichen zu erfüllende gesetzliche Verpflichtung ist hier die Nachweispflicht aus Art. 7 Abs. 1 DSGVO. Diese Begründung lässt sich verallgemeinert auf die Rechenschaftspflicht nach Art. 5 Abs. 2 DSGVO übertragen.

Die in den Nachweisen enthaltenen Daten sind gemäß Art. 17 Abs. 1 lit. a DSGVO zu löschen, wenn sie für die Zwecke, für die sie erhoben wurden, nicht mehr notwendig sind, wenn also Nachweis- und Rechenschaftspflichten eine weitere Aufbewahrung nicht mehr erfordern.

Und wann enden solche Aufbewahrungsfristen? Die DSGVO macht hierzu keine spezifischen Vorgaben.

Nach Ansicht des BayLfD enden sie dann, wenn die Verarbeitung vollständig abgeschlossen ist, die aufgrund der Einwilligung verarbeiteten personenbezogenen Daten beim Verantwortlichen nicht mehr vorhanden sind

und der Verantwortliche kein rechtliches Interesse (etwa mit Blick auf Schadensersatzprozesse, vgl. Art. 17 Abs. 3 lit. e DSGVO) mehr daran hat, den Nachweis noch führen zu können.“

Die Behörde akzeptiert hiermit als wohl auch auch eine Orientierung an Verjährungsvorschriften für Schadensersatzansprüche nach Zivilrecht. Ergänzend würde ich zudem auch noch Verjährungsvorschriften für eine Verhängung von Bußgeldern durch eine Aufsichtsbehörde (§ 31 Abs. 2 OwiG) erwähnen.

Gerade im Bereich der Einwilligung ist zudem eine Änderung im UWG für Telefonwerbung zu beachten. Am 1.10.2021 tritt ein neuer § 7a UWG in Kraft. In Abs. 1 wird vorgegeben, dass Einwilligungen für Telefonwerbung gegenüber einem Verbraucher zum Zeitpunkt der Erteilung in angemessener Form zu dokumentieren und gemäß Abs. 2 S. 1 aufzubewahren. Und Abs. 2 S. 1 gibt vor: „Die werbenden Unternehmen müssen den Nachweis nach Absatz 1 ab Erteilung der Einwilligung sowie nach jeder Verwendung der Einwilligung fünf Jahre aufbewahren„.

Schwedische Datenschutzbehörde: wann werden personenbezogene Daten „unverzüglich“ gelöscht?

Nach Art. 17 Abs. 1 DSGVO hat die betroffene Person hat das Recht, von dem Verantwortlichen zu verlangen, dass sie betreffende personenbezogene Daten unverzüglich gelöscht werden, und der Verantwortliche ist verpflichtet, personenbezogene Daten unverzüglich zu löschen.

In der Praxis stellt sich oft die Frage, wie schnell denn nun Daten zu löschen sind? Was also „unverzüglich“ bedeutet (ausführlicher haben sich Philipp Quiel und ich hiermit in unserem Beitrag zur Herbstakademie 2020 „Bestimmt unbestimmt – Vorschläge zur Auslegung und Anwendung unklarer Formulierungen in der Datenschutz-Grundverordnung“ (DSRITB 2020, 1) befasst).

Generell ist bei der Anwendung von Unionsrecht (wie hier der DSGVO) zu beachten, dass bei einer unionsrechtlich autonom erfolgenden Interpretation rein nationale Rechtsverständnisse in der Regel nur sehr begrenzt zur Klärung des Regelungsinhalts einer Norm hinzugezogen werden können. Daher ist es meines Erachtens auch nicht richtig, bei der Auslegung eines europäischen Rechtsbegriffs wie „unverzüglich“ allein auf tradierte nationale Verständnisse abzustellen, wie etwa auf § 121 Abs. 1 S. 1 BGB und das Verständnis von „ohne schuldhaftes Zögern (unverzüglich)“. Hierfür wird davon ausgegangen, dass ein Zuwarten von zwei Wochen als nicht mehr unverzüglich anzusehen ist, wenn keine besonderen Umstände vorliegen (MüKom/BGB, 8. Aufl. 2018, § 121 Rn. 7).

Die schwedische Datenschutzbehörde hat nun in einem Prüfverfahren (PDF) (welches im One Stop Shop Verfahren nach der DSGVO bearbeitet wurde) entschieden, dass eine Löschung von personenbezogenen Daten innerhalb von 16 Tagen als „unverzüglich“ anzusehen war. Dies zeigt deutlich, dass bei Auslegung und Anwendung der DSGVO der rein nationale Blick oft zu kurz greift. Zum anderen gibt diese Entscheidung für die Praxis zumindest einen ersten Anhaltspunkt dafür, was aus Behördensicht eine „unverzügliche“ Löschung bedeuten kann.

Internes EDSA Dokument: Territoriale Anwendung der ePrivacy-Richtlinie und Zuständigkeit der Aufsichtsbehörden

Im Rahmen der 50. Sitzung des Europäischen Datenschutzausschusses (EDSA) vom 18.6.2021 hat das Gremium ein internes Dokument mit dem Titel „Dokument 04/2021 über Kriterien der territorialen Zuständigkeit der Aufsichtsbehörden für die Durchsetzung von Artikel 5 Absatz 3 der Datenschutzrichtlinie für die elektronische Kommunikation“ (PDF) angenommen. Im Rahmen eines Antrags auf Zugang zu öffentlichen Dokumenten nach den Vorgaben des EU-Rechts, habe ich das Dokument nun erhalten.

Nach Angaben des federführenden Berichterstatters ziele das Dokument darauf ab, gemeinsame Kriterien für die territoriale Zuständigkeit der Aufsichtsbehörden gemäß Art. 5 (3) der Richtlinie 2002/58/EG (ePrivacy-RL) festzulegen, insbesondere in Situationen, in denen ein für die Verarbeitung Verantwortlicher bzw. Diensteanbieter Niederlassungen in mehreren Mitgliedstaaten hat.

Hintergrund

Hintergrund des Dokuments sind verschiedene Entscheidungen von Aufsichtsbehörden in Mitgliedstaaten zur Durchsetzung der Vorgaben des Art. 5 Abs. 3 ePrivacy-RL, also der Regelung zur Einwilligung (und den Ausnahmen) beim Einsatz von Cookies und anderen Trackingtechnologien. In dem ab 1.12.2021 geltenden § 25 TTDSG wird diese Vorgabe nun auch in deutsches Recht umgesetzt. Das EDSA-Dokument dürfte daher auch für Unternehmen von praktischer Relevanz sein, etwa im Fall ein Prüfverfahrens zum Einsatz von Cookies auf Webseiten oder in Apps, wenn ein Unternehmen mehrere Niederlassungen in der EU hat.

Inhalt

Grundsätzlich stellt der EDSA fest, dass es nach den Bestimmungen der ePrivacy-RL jedem Mitgliedstaat obliegt, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass die Ziele der Richtlinie erreicht werden. Jedoch enthält die ePrivacy-RL keine Angaben zu ihrem räumlichen Geltungsbereich.

Der EDSA trennt in dem Dokument zwei Situationen.

Zum einen den Fall, dass ein Unternehmen Niederlassungen in mehreren Mitgliedstaaten hat. Nach Ansicht der Datenschutzbehörden gibt die Rechtsprechung des EuGH zur territorialen Anwendung der aufgehobenen Richtlinie 95/46/EG einen Hinweis darauf, wie die territoriale Anwendung geregelt werden sollte. Der EDSA verweist hier auf die „Fanpage“-Entscheidung des EuGH, C-210/16 vom 5.6.2018. Bemerkenswert an dieser Einordnung ist freilich, dass die ePrivacy-RL diesen Verweis auf Vorgaben zum Anwendungsbereich und Zuständigkeit von Behörden nach der Richtlinie 95/46/EG gerade nicht vorsieht. Zwar stellen nach Art. 1 Abs. 2 ePrivacy-RL deren Bestimmungen eine „Detaillierung und Ergänzung der Richtlinie 95/46/EG“ dar. Gerade für den praktisch extrem relevanten Bereich des Art. 5 Abs. 3 ePrivacy-RL, passt dieser Verweis aber nicht, da es dort gerade nicht (!) um personenbezogene Daten geht.

Anknüpfungspunkt für den EDSA ist (durchaus verständlich, mit Blick auf den alten Art. 4 Richtlinie 95/46/EG) also das Vorhandensein einer Niederlassung in einem Mitgliedstaat. Daraus folgert der EDSA, dass jeder Mitgliedstaat berechtigt ist, sein nationales Recht zur Umsetzung der ePrivacy-RL durchzusetzen, „soweit es Nutzer betrifft, die sich in ihrem Hoheitsgebiet befinden“. Dies bedeutet nach Auffassung der Behörden auch, dass keine Gesetzgebung zur Umsetzung der ePrivacy-RL die Aufsichtsbehörde eines anderen Mitgliedstaats daran hindern kann die Richtlinie im Einklang mit ihren innerstaatlichen Bestimmungen in Bezug auf Nutzer in ihrem Hoheitsgebiet durchzusetzen.

Der EDSA orientiert sich also tatsächlich stark an dem vorbenannten Urteil des EuGH.

Zum anderen den Fall, dass keine Niederlassung in der EU vorhanden ist. In diesem Fall, so der EDSA, kann das nationale Recht eines Mitgliedstaats andere Kriterien als die Niederlassung vorsehen, um sein nationales Recht in Bezug auf diesen für die Verarbeitung Verantwortlichen bzw. Diensteanbieter durchsetzen.

Zusammengefasst, folgt daraus aus Sicht der europäischen Datenschutzbehörden.

Wenn die Verarbeitung ausschließlich durch die nationalen Rechtsvorschriften zur Umsetzung von Art. 5 Abs. 3 ePrivacy-RL geregelt ist, ist die für die Durchsetzung zuständige Behörde berechtigt, ihre Befugnisse auszuüben, wenn:

  • der für die Verarbeitung Verantwortliche/Dienstleister ist in ihrem Hoheitsgebiet niedergelassen;
  • die Verarbeitung erfolgt im Rahmen der Tätigkeiten einer Niederlassung in ihrem Hoheitsgebiet, auch wenn die ausschließliche Verantwortung für Erhebung und Verarbeitung für das gesamte Gebiet der Europäischen Union bei einer Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat liegt;
  • bei Fehlen eines für die Verarbeitung Verantwortlichen/Diensteanbieters oder einer Niederlassung in ihrem Hoheitsgebiet, das nationale Recht ein weiteres Kriterium für seine Durchsetzung enthalten kann.

Aus meiner Sicht dürfte für die Praxis vor allem die Interpretation in dem zweiten Bulletpoint relevant sein, wenn also mehrere Niederlassungen in mehreren Mitgliedstaaten vorhanden sind. Dann kommt es nach dem EDSA, auch im Anwendungsberiech des Art. 5 Abs. 3 ePrivacy-RL, auf die Frage an, ob der Zugriff auf Informationen oder das Speichern von Informationen in Endgeräten „im Rahmen der Tätigkeiten“ einer Niederlassung in dem jeweiligen Mitgliedstaat erfolgen. Ob diese analoge Anwendung der Vorgaben der Richtlinie 95/46/EG bzw. der Rechtsprechung des EuGH hierzu zwingend ist, erscheint mir jedoch (wie beschrieben) mindestens diskutabel. Zudem muss beachtet werden, dass zur Durchsetzung der e-Privacy-RL nicht zwingend die Datenschutzbehörden berufen sind. Die ePrivacy-RL eröffnet dem nationalen Gesetzgeber entsprechenden Spielraum bei der Umsetzung, was im Ergebnis bedeuten würde, die Rechtsprechung des EuGH zur Zuständigkeit von Datenschutzbehörden auf die Zuständigkeit anderer Behörden zu übertragen. Ich bin sehr gespannt, wie dieses Papier in Zukunft in Behördenentscheidungen Eingang findet.

BayLDA: Newsletter-Anmeldungen als Gegenleistung für kostenlose Produkte – „freiwillig“ nach DSGVO?

In seinem jüngsten Tätigkeitsbericht (PDF, 13.7.2021) befasst sich das BayLDA mit der Vorgabe des Art. 7 Abs. 4 DSGVO und der Frage, wann eine Einwilligung „freiwillig“ abgegeben wurde.

Die Behörde berichtet von einem Fall, in dem ein Verlag eine nahezu kostenlose Software auf einem Online-Portal im Gegenzug zu einer verpflichtenden Einwilligung in die Newsletter-Anmeldung zur Verfügung gestellt hat. Alternativ konnte die Software auf einem eigenen Portal des Verlags kostenpflichtig ohne Einwilligung in die werbliche Nutzung erworben werden.

Dabei spielt bei der Beurteilung der Freiwilligkeit der Einwilligung das Vorhandensein von Wahlmöglichkeiten eine zentrale Rolle.

Die Behörde verweist auf die Leitlinien des EDSA zur Einwilligung. Die dortigen Erläuterungen versteht die Behörde so, dass Anmeldungen zu einem Newsletter im Gegenzug zu einen kostenlosen Produkt nur dann freiwillig sind, wenn das gleiche Produkt auf derselben Plattform kostenpflichtig und ohne Pflicht zur Newsletter-Anmeldung angeboten wird.

Ansicht der Behörde: „Es reicht dabei nicht aus, dieses Produkt kostenpflichtig auf einer völlig anderen Plattform von einem Drittanbieter anzubieten„.

Denn, so die Behörde, dies würde bedeuten, dass der Verantwortliche die Entwicklungen des Marktes verfolgen müsste, um eine fortgesetzte Gültigkeit der Einwilligung in die Datenverarbeitungstätigkeiten sicherzustellen, da der Drittanbieter seine Dienstleistungen zu einem späteren Zeitpunkt ändern könnte.

Die Ansicht der Behörde finde ich nachvollziehbar. Aber man mag auch anders argumentieren. Etwa, dass eine fortgesetzte Überwachung der Gültigkeit der Einwilligung in der DSGVO nicht vorgesehen ist. Man könnte zB argumentieren, dass im Moment der Abgabe der Einwilligung die Voraussetzungen erfüllt sein müssen. Auch die Freiwilligkeit. Wenn dann auf dieser Grundlage Daten verarbeitet werden, erfolgt diese auf der einmal erteilten Einwilligung. So hat etwa auch das OVG Saarlouis in einem Urteil zum Nachweis der erteilten Einwilligung entschieden, „dass der für die Verarbeitung Verantwortliche den Umstand einer wirksamen Einwilligungserteilung – wie hier z.B. gegenüber der Beklagten als Aufsichtsbehörde – nachweisen muss„. Das OVG stellt klar auf die Situation der Erteilung ab. Auch der EuGH ging in Orang Romania davon aus, dass sich der Nachweis einer wirksamen Einwilligung auf die Situation der Erteilung bezieht („dass es dem für die Verarbeitung von Daten Verantwortlichen obliegt, nachzuweisen, dass die betroffene Person ihre Einwilligung in die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten durch aktives Verhalten bekundet hat„).

Wann können Verantwortliche sich weigern, einer Anfrage der betroffenen Person nachzukommen?

Nach Art. 12 Abs. 5 DSGVO muss der Verantwortliche grundsätzlich „Maßnahmen gemäß den Artikeln 15 bis 22 und Artikel 34“ unentgeltlich zur Verfügung stellen. Also insbesondere auch den Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO per se unentgeltlich erfüllen. Hiervon macht die DSGVO jedoch zwei Ausnahmen.

Bei offenkundig unbegründeten oder exzessiven Anträgen einer betroffenen Person kann der Verantwortliche entweder ein angemessenes Entgelt verlangen oder sich weigern, aufgrund des Antrags tätig zu werden.

Die Datenschutzbehörde des Vereinigten Königreichs (ICO) hat auf ihrer Webseite einige interessante Aussagen dazu veröffentlicht, wann ihrer Ansicht nach ein Antrag eines Betroffenen als „offensichtlich unbegründet“ bewertet werden kann.

Die kann der Fall sein, wenn:

  • die Person eindeutig nicht die Absicht hat, ihr Recht auf Auskunft auszuüben. Zum Beispiel stellt eine Person einen Antrag, bietet dann aber an, ihn im Gegenzug für irgendeine Form von Vorteil für die Organisation zurückzuziehen; oder
  • der Antrag in böswilliger Absicht gestellt wird und dazu dient, eine Organisation zu schikanieren, ohne einen anderen Zweck als die Störung zu verfolgen.

Gerade die zuerst genannte Fallgruppe kommt meiner Erfahrung nach in der Praxis durchaus öfter vor, insbesondere in streitigen Verfahren im Arbeitsrecht wird ein Auskunftsantrag durchaus verwendet, um auf der Gegenseite für Aufwand zu sorgen und um auf Fehler zu hoffen. Wenn dann aber z. B. ein monetärer Vergleich angeboten wird, wird der Antrag zurückgenommen.

Die ICO geht davon aus, dass die zweite Fallgruppe zum Beispiel vorliegen kann, wenn die betroffene Person:

  • in der Anfrage selbst oder in anderen Mitteilungen ausdrücklich erklärt, dass sie beabsichtigt, eine Störung zu verursachen;
  • unbegründete Anschuldigungen gegen die Organisation oder bestimmte Mitarbeiter erhebt, die eindeutig durch Böswilligkeit veranlasst sind;
  • auf einen bestimmten Mitarbeiter abzielt, gegen den sie einen persönlichen Groll hegt; oder
  • systematisch verschiedene Anfragen an die Organisation als Teil einer Kampagne sendet, z. B. einmal pro Woche, mit der Absicht, Störungen zu verursachen.

Die Datenschutzbehörde weist zurecht darauf hin, dass diese Fallgruppen und Beispiele natürlich stets im Einzelfall geprüft werden müssen. Organisationen müssen eine Anfrage in dem Kontext betrachten, in dem sie gestellt wird. Wenn die Person wirklich ihre Rechte wahrnehmen möchte, ist es unwahrscheinlich, dass die Anfrage offensichtlich unbegründet ist.

Zuletzt weist die ICO noch darauf hin, dass aggressive oder beleidigende Ausdrücke zwar nicht akzeptabel sind, aber die Verwendung solcher Ausdrücke eine Anfrage nicht unbedingt offensichtlich unbegründet macht.

Bayerische Datenschutzbehörde: Auskunftsanspruch von Beschäftigten kann gestuft beantwortet werden

Das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht (BayLDA) hat seinen neuen Tätigkeitsbericht (PDF) für das Jahr 2020 vorgelegt. Die Behörde äußert sich auch zu dem (praktisch wichtigen) Thema des Auskunftsanspruch von (ehemaligen) Beschäftigten gegenüber ihrem Arbeitgeber.

Nach Ansicht der Behörde genügt es, wenn Beschäftigte von ihren Arbeitgebern pauschal Auskunft über die zu ihrer Person gespeicherten Daten begehren, dass Arbeitgeber zunächst eine konkrete Auskunft zu den Personalstammdaten und im Übrigen zu den Kategorien verarbeiteter personenbezogener Daten erteilen. Für eine weitergehende Auskunft dürfen Arbeitgeber die Betroffenen bitten, ihren Anspruch zu präzisieren.

Die Behörde hält – angesichts der typischerweise größeren Anzahl unterschiedlicher vom Arbeitgeber durchgeführten Verarbeitungstätigkeiten und von verarbeiteten Daten der Beschäftigten – eine gestufte Vorgehensweise für gut vertretbar.

Schritt 1: Auskunft über die Personalstammdaten im Klartext, so dass der Beschäftigte erkennen kann, ob sie richtig sind. Das betrifft Name, Vorname, Geburtstag, Adresse und Geburtsort. Ansonsten genügt es, wenn Auskunft zu den Kategorien von personenbezogenen Daten, erteilt wird.

Schritt 2: Möchte der Betroffene mehr Daten, muss er seinen Auskunftsanspruch gemäß ErwG 63 Satz 7 DSGVO dahingehend präzisieren, auf welche Informationen und/oder Verarbeitungstätigkeiten sich das Auskunftsersuchen bezieht.

Erst nach dieser erfolgten Präzisierung ist dann der Arbeitgeber in der Pflicht, die entsprechenden Auskünfte mit konkreten Daten zu erteilen„.

Scope of the new SCC – discussions about recital 7

Is it possible to transfer data to third countries without concluding SCC as long as the GDPR applies to processing by the recipient? A closer look at recital 7 of the new SCC decision by Philipp Quiel & me.

Sentence 2 and 3 of recital 7 of the European Commissions’ newly released SCC (Decision (EU) 2021/914) for the GDPR have raised one heavily debated and not so easy to answer question stipulating from the scope of applicability of the SCC referred to in recital 7. This question is the following: is it possible to transfer data to third countries without concluding SCC as long as the GDPR applies?

You can download the full article here (PDF).

(Räumlicher) Anwendungsbereich des neuen TTDSG – Rechtsunsicherheit vorprogrammiert

Am 20. Mai hat der Bundestag bekanntlich das neue „Gesetzes zur Regelung des Datenschutzes und des Schutzes der Privatsphäre in der Telekommunikation und bei Telemedien“ (TTDSG) in der Fassung des federführenden Ausschusses für Wirtschaft angenommen. Die Beschlussempfehlung mit dem angenommenen Gesetzestext findet sich hier (PDF).

Das neue TTDSG tritt zum 1. Dezember 2021 in Kraft.

In § 26 TTDSG enthält das Gesetz auch eine Vorschrift zur Umsetzung von Art. 5 Abs. 3 ePrivacy-Richtlinie, also dem Einwilligungserfordernis im Fall des Zugriffs auf Informationen in Endgeräten oder des Speichern von Informationen in Endgeräten. Oder kurz: für das (Online)Tracking.

In diesem Beitrag möchte ich aber nicht hierauf eingehen, sondern möchte auf einen Aspekt hinweisen, der meines Erachtens aus praktischer Sicht noch einige Fragen (oder auch unschöne Situationen) hervorrufen dürfte. Es geht um die Frage, wann denn das TTDSG und damit auch die Regelung des § 26 TTDSG überhaupt anwendbar ist. Im Rahmen der Stellungnahmen zu  Ausschussanhörung sind auf diesen Aspekt auch der BITKOM (PDF) und der Kollege Alexander Golland (PDF) eingegangen.

§ 1 Abs. 3 TTDSG

Die relevante Vorgabe zum Anwendungsbereich (insbesondere auch räumlich) enthält § 1 Abs. 3 TTDSG: „Diesem Gesetz unterliegen alle Unternehmen und Personen, die im Geltungsbereich dieses Gesetzes eine Niederlassung haben oder Dienstleistungen erbringen oder daran mitwirken oder Waren auf dem Markt bereitstellen. § 3 des Telemediengesetzes bleibt unberührt“.

Zunächst fällt auf, dass die Anwendung des TTDSG nicht von einer Verarbeitung personenbezogener Daten abhängt. Das ist natürlich auch richtig, da die ePrivacy-Richtlinie ebenfalls nicht (erst) beim Umgang mit personenbezogenen Daten gilt, was auch der EuGH in seinem Urteil in der Rs C‑673/17 ebenfalls klargestellt hat (Rz. 70„Dieser Schutz erstreckt sich auf alle in solchen Endgeräten gespeicherten Informationen, unabhängig davon, ob es sich um personenbezogene Daten handelt“).

Die Vorschrift ist in mehrere Alternativen unterteilt. Voraussetzung ist stets, dass Unternehmen oder Personen handeln und diese, entweder

  • 1) im Geltungsbereich des TTDSG eine Niederlassung haben oder
  • 2) Dienstleistungen erbringen oder daran mitwirken oder
  • 3) Waren auf dem Markt bereitstellen.

Kurz ein paar kritische Anmerkungen zu 1) und 2).

Zu 1)

Für die Anwendbarkeit des TTDSG reicht es aus, dass ein Unternehmen eine Niederlassung in Deutschland hat. Es ist nicht erforderlich, dass diese Niederlassung irgendwie aktiv in Tätigkeiten eingebunden ist, die zB ein Tracking beinhalten. Allein das Vorhandensein einer Niederlassung ist ausreichend. Das ist ein sehr weiter Anwendungsbereich und geht sogar noch über Art. 3 Abs. 1 DSGVO hinaus, der ja zumindest verlangt, dass eine Datenverarbeitung „im Rahmen der Tätigkeiten einer Niederlassung eines Verantwortlichen oder eines Auftragsverarbeiters in der Union erfolgt“ (Hervorhebung durch mich).

Man kann natürlich politisch eine solche weite Ausdehnung verlangen. Nur sollte man sich dann auch mit der praktischen Umsetzung und vor allem Durchsetzung des Rechts auseinandersetzen. Ein Beispiel: ein Unternehmen aus der Schweiz bietet über einen Online-Shop Waren in der Schweiz und Frankreich an. Das Unternehmen hat auch eine Niederlassung in Deutschland, die jedoch nur für den Einkauf von Waren verantwortlich ist.

Nach § 1 Abs. 3 TTDSG unterliegt ein Tracking auf der Webseite des Schweizer Unternehmens dem TTDSG. Ohne dass der Online-Shop überhaupt Waren in Deutschland anbietet oder darauf ausgerichtet ist. Man mag mich dafür schelten, aber ich glaube nicht, dass dies die gesetzgeberische Intention war.

Zu 2)

Doch es geht noch weiter. Auch wenn keine Niederlassung in Deutschland vorhanden ist, soll das TTDSG Anwendung finden. Dies dann, wenn Unternehmen im Geltungsbereich des TTDSG „Dienstleistungen erbringen oder daran mitwirken“. Wenn also Dienstleistungen in Deutschland erbracht werden.

Wen diese Vorschrift an eine andere Regelung erinnert, der liegt richtig, wenn er in Art. 3 Abs. 2 DSGVO sucht. Dort wird das sog. Marktortprinzip festgeschrieben. Die Aufnahme dieses Prinzips im Anwendungsberiech des TTDSG ist auch ausdrücklich vom Gesetzgeber gewollt (S. 34 des Gesetzentwurfs, PDF): „Dabei gilt nach wie vor das Marktortprinzip. Die im Verhältnis zur E-Privacy-Richtlinie subsidiär geltende DSGVO enthält bereits das Marktortprinzip, das damit auch für die Verarbeitung von personenbezogenen Daten durch Telekommunikationsanbieter gilt“. Und: „§ 1 Absatz 3 TTDSG hat daher Bedeutung für alle Bestimmungen, die sich nicht auf die Verarbeitung personenbezogener Daten beziehen und die nicht unter § 3 des Telemediengesetzes fallen, so dass das Marktortprinzip bei der Anwendung dieses Gesetzes gilt, soweit nicht § 3 des Telemediengesetzes Anwendung findet„.

Auch ohne Niederlassung in Deutschland, gilt also § 26 TTDSG für ein Unternehmen aus Indien, welches über eine Webseite Dienstleistungen in Deutschland erbringt. Aber, nur weil ein Gesetz gilt, bedeutet dies nicht, dass es auch eingehalten bzw. durchgesetzt wird.

Der Gesetzgeber des TTDSG hat jedoch auf halber Strecke halt gemacht und keine entsprechenden Folgereglungen zur Durchsetzung des TTDSG ggü. Unternehmen in Drittstaaten erlassen. In Art. 27 DSGVO ist etwa für diesen Fall vorgesehen, dass ein Vertreter in der EU zu benennen ist. Eine solche Pflicht enthält das TTDSG nicht.

Und noch zwei Anmerkungen zum Tatbestand selbst.

Erfasst ist dem Wortlaut nach allein das „Erbringen“ von Dienstleistungen. Nicht erwähnt ist das „Anbieten“. Versteht man dies so, dass nur die aktive Ausführung einer Dienstleistung relevant ist, würde zB ein Tracking auf Webseiten nicht in den Anwendungsbereich des TTDSG fallen, soweit etwa ein Online-Shop Waren und Dienstleistungen nur präsentiert; also „anbietet“. Erst, wenn eine Person eine Dienstleistung bestellt und einen Vertrag hierüber schließt („erbringen“), würden die Vorgaben des TTDSG greifen. Ist das gewollt? Ich meine nein. So steht es aber in § 1 Abs. 3 TTDSG.

Zum anderen wird nicht nur das „Erbringen“ erwähnt, sondern sogar ein „Mitwirken“ hieran. Also Unterstützungsleistungen im Hintergrund. Man denke an Auftragsverarbeiter oder andere Dienstleister. Auch diese Unternehmen wären, ohne Niederlassung in Deutschland, von den Vorgaben des TTDSG erfasst, wenn sie bei der Erbringung von Dienstleistungen (in welcher Form auch immer?) mitwirken. Im TTDSG selbst wird der Begriff nicht definiert. Nach § 2 Abs. 1 TTDSG gelten die Begriffsbestimmungen des TKG. Dort kennt man den Begriff des „Mitwirkens“ (zB in § 3 Nr. 6 TKG). Möchte man diese Parallele zwischen TKG und TMG ziehen (was mE zumindest in der Pauschalität auch schon diskutiert werden kann), dann zeigt sich eine weites Verständnis des Begriffs. So etwa die BNetzA: „Das Eröffnen dieser Nutzungsmöglichkeit stellt im Regelfall kein eigenständiges Erbringen, sondern lediglich eine “Mitwirkung an der Erbringung von Telekommunikationsdiensten“ (vgl. § 3 Nr. 6 b TKG) eines Dritten (Netzbetreiber und/oder TK-Diensteanbieter, einschließlich Wiederverkäufer) dar“ (S. 1, PDF).

Fazit Diese Anmerkungen stellen nur eine erste kleine Einschätzung zu möglichen Praxisproblemen bei der Anwendung des neuen TTDSG, insbesondere im Fall von Auslandsbezügen, dar. Ich bin sehr gespannt, ob und wenn ja wie die Datenschutzbehörden mit möglichen Durchsetzungslücken in der Praxis umgehen.