Das Google-Urteil des EuGH – übers Ziel hinaus geschossen?

Mit Urteil vom heutigen Tage hat der EuGH (Az. C-131/12) verschiedene wichtige Entscheidungen in Bezug auf die zukünftige Anwendung und Durchsetzung des europäischen Datenschutzrechts getroffen. Zur Entscheidung lag ihm dabei ein Verfahren zwischen Google und der spanischen Datenschutzbehörde (AEPD) vor. Die von einem spanischen Gericht vorgelegten Fragen betreffen grob folgende Themenkomplexe: 1. den räumlichen Anwendungsbereich der geltenden Datenschutzrichtlinie (DS-RL, RL 95/46/EG, PDF); 2. die Verantwortlichkeit von Suchmaschinenbetreibern für durch sie indexierte Webseiten und darauf befindliche Daten; 3. die Reichweite des Rechts auf Löschung von personenbezogenen Daten.

Sachverhalt
Der dem Urteil zugrunde liegender Sachverhalt stellt sich grob wie folgt dar: gegen einen Betroffenen wurden, aufgrund von Schulden bei der Sozialversicherung, Immobilienversteigerungen betrieben. Diese wurden in einer Zeitung zunächst offline und später auch online veröffentlicht. Die Bekanntmachung erfolgte dabei auf einer gesetzlichen Grundlage. Die AEPD lehnte daher Löschungsansprüche des Betroffenen gegen die online abrufbaren Bekanntmachungen gegen das Presseunternehmen ab. Jedoch wandte sich der Betroffene auch an Google und verlangte, dass die betreffenden Seiten aus dem Index der Suchmaschine zu nehmen seien. Dieser Beschwerde gab die AEPD statt und forderte Google auf, die Seiten aus dem Index zu entfernen. Hiergegen wendete sich Google.

Schlussanträge des Generalanwalts
Am 25.6.2013 präsentierte der zuständige Generalanwalt (GA) am EuGH, Jääskinen, seine Schlussanträge zu dem Verfahren. Hierzu hatte ich bereits einmal gebloggt. Die Ergebnisse der rechtlichen Analyse des GA waren die folgenden:

  • Verarbeitungen personenbezogener Daten werden im Rahmen der Tätigkeiten einer „Niederlassung“ des für die Verarbeitung Verantwortlichen im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Buchst. a der DS-RL ausgeführt, wenn der Suchmaschinenbetreiber in einem Mitgliedstaat für die Vermarktung und den Verkauf von Werbeflächen der Suchmaschine eine Niederlassung oder eine Tochtergesellschaft einrichtet, deren Tätigkeit sich an die Einwohner dieses Staats richtet.

(Diese Auslegung stieß vielfach auf Kritik, da sie über den Wortlaut der Richtlinie hinausgehe und allein das Vorhandensein einer Niederlassung in einem europäischen Land ausreichen lassen würde, um das dortige Datenschutzrecht zur Anwendung zu bringen, auch wenn diese Niederlassung überhaupt nicht in der entscheidungserheblichen Datenverarbeitung beteiligt ist. Der Anwendungsbereich der DS-RL würde damit massiv ausgeweitet.)

  • Ein Internetsuchmaschinen-Diensteanbieter, dessen Suchmaschine nach Informationen sucht, die Dritte im Internet veröffentlicht oder gespeichert haben, diese Informationen automatisch indexiert, vorübergehend speichert und sie schließlich den Nutzern des Internets in einer bestimmten Rangfolge zur Verfügung stellt, „verarbeitet“ personenbezogene Daten im Sinne von Art. 2 Buchst. b der DS-RL, wenn die Informationen personenbezogene Daten enthalten.
  • Der Internetsuchmaschinen-Diensteanbieter kann jedoch hinsichtlich dieser personenbezogenen Daten außer in Bezug auf den Inhalt des Indexes seiner Suchmaschine nicht als der „für die Verarbeitung Verantwortliche“ angesehen werden, es sei denn, er indexiert oder archiviert personenbezogene Daten entgegen den Weisungen oder Aufforderungen des Webseitenurhebers.
  • Das in Art. 12 Buchst. b der DS-RL geregelte Recht auf Löschung und Sperrung von Daten sowie das in Art. 14 Buchst. a der DS-RL vorgesehene Widerspruchsrecht verleihen der betroffenen Person nicht das Recht, sich an den Suchmaschinenbetreiber zu wenden, um die Indexierung auf sie bezogener Informationen zu verhindern, die auf Webseiten von Dritten rechtmäßig veröffentlicht sind, und sich hierzu auf ihren Willen zu berufen, dass diese Informationen den Internetnutzern nicht bekannt werden, wenn sie der Ansicht ist, dass die Informationen ihr schaden könnten, oder sie sich wünscht, dass die Informationen vergessen werden.

Das Urteil des EuGH
Der EuGH geht in seinem Urteil über die vom GA vorgeschlagene rechtliche Lösung hinaus. Man wird wohl bereits jetzt sagen können, dass dieses Urteil in Zukunft teils erhebliche Auswirkungen auf das Geschäftsmodell jeglichen Suchdienstes im Internet haben wird. Thomas Stadler spricht in einem Blogbeitrag davon, dass Urteil habe das Potential, die Funktionsfähigkeit von Suchwerkzeugen erheblich einzuschränken.

1. anwendbares Recht
Hier folgt der EuGH (leider) im Prinzip der Lösung des GA. Der Begriff „im Rahmen der Tätigkeit“ einer Niederlassung i. S. d. Art. 4 Abs. 1 Buchst. a DS-RL sei weit auszulegen. Der durch die DS-RL gewährleistete Schutz dürfe nicht umgangen werden, nur weil ein Diensteanbieter in einem Drittstaat ansässig sei. Daher werden auch Verarbeitungsvorgänge eines Anbieters in einem Drittstaat (hier von Google Search in den USA) „im Rahmen der Tätigkeit“ einer in einem EU Staat befindlichen Niederlassung ausgeführt, wenn diese Niederlassung die Aufgabe hat, in dem Mitgliedstaat für den Verkauf von Werbeanzeigen auf der Internetseite des Anbieters und damit die allgemeine Rentabilität des Unternehmens zu sorgen. Die Tätigkeiten des ausländischen Unternehmens und der europäischen Niederlassung seien dann untrennbar miteinander verbunden.
Diese weite Auslegung des Art. 4 Abs. 1 Buchst. a DS-RL ist aus meiner Sicht kritikwürdig. Denn zum einen besitzt die DS-RL in Art. 4 Abs. 1 Buchst. c einen Tatbestand, der einen Anbieter aus einem Drittstaat europäischen Recht unterwerfen würde, wenn er auf Mittel in der EU zurückgreift. Diese Mittel könnten zB Computer oder aber auch Niederlassungen selbst sein. Mit der weiten Auslegung des Art. 4 Abs. 1 Buchst. a DS-RL durch den EuGH wird diese Tatbestandsalternative praktisch kaum noch relevant werden, obwohl sie aus meiner Sicht gerade diese Konstellationen (Anbieter aus Drittland erhebt Daten im Inland) im Blick hatte. Zum anderen scheint die weite Auslegung des EuGH einfach etwas zu weit zu gehen. Denn die hier relevanten Verarbeitungsprozess (Indexierung und Crawlen) werden eben nicht im „Rahmen der Tätigkeit“ der spanischen Niederlassung durchgeführt. Im Prinzip liest der EuGH den Art. 4 Abs. 1 Buchst. a DS-RL wie „die im wirtschaftlichen Zusammenhang mit den Tätigkeiten der Niederlassung stehe“.

2. Verantwortlichkeit von Google
Der EuGH erkennt, wie der GA, in der Suche, Speicherung und Indexierung von Informationen und eben auch personenbezogenen Daten im Internet durch Google eine „Verarbeitung personenbezogener Daten“ i. S. d. Art. 2 Buchst. b DS-RL. Jedoch geht das Gericht nicht mit der Auslegung des GA konform, dass Google nur dann für die Verarbeitung verantwortlich sei, wenn es um die Daten im Index selbst gehe oder entgegen von technischen Sperren personenbezogene Daten gecrawled habe. Google sei vielmehr für alle selbst ausgeführten Tätigkeiten in Bezug auf personenbezogene Daten auf Webseiten von Dritten verantwortlich. Denn die Tätigkeit der Suchmaschine unterscheide sich von derjenigen der ursprünglichen Herausgeber. Begründet wird diese weite Auslegung des Begriffes der Verantwortlichkeit jedoch auch mit Motiven, die nicht direkt etwas mit dem Verarbeitungsvorgang zu tun haben. Die Tätigkeit von Suchmaschinen habe Anteil an der weltweiten Verbreitung personenbezogener Daten. Sie machen Daten auch solchen Nutzern zugänglich, die die Originalwebseite eventuell gar nicht gefunden hätten. Zudem bestehe die Gefahr, dass bei einer Auflistung von Informationen zu einer Person (die, wohl gemerkt, frei im Netz verfügbar sind) und einer Suche anhand ihres Namens, die Suchenden einen strukturierten Überblick über die betreffende Person erhalten, anhand dessen sie ein Profil dieser Person erstellen können.

3. Löschpflichten
Ist danach klar, dass Google grundsätzlich verantwortlich ist, sobald es mit eigenen Mechanismen Informationen aus dem Netz zusammensucht und als Ergebnislisten darstellt, stellte sich die Frage, ob Google zu einer Löschung von Links in Ergebnislisten auf Webseiten Dritter verpflichtet ist, selbst wenn die Veröffentlichung rechtmäßig erfolgte. Diese Löschpflicht kann sich aus Art. 12 Buchst. b DS-RL ergeben. Dazu müsste ihre Verarbeitung nicht den Bestimmungen der DS-RL entsprechen.

Der EuGH prüft zunächst die Rechtsgrundlage der Datenverarbeitungsvorgänge von Google. Hierbei bezieht er sich auf Art. 7 Buchst. f DS-RL. Diese Grundlage stellt auf die „berechtigten Interessen“ des für die Verarbeitung Verantwortlichen oder Dritten ab. Jedoch dürfen das Interesse oder die Grundrechte oder Grundfreiheiten der betroffenen Person überwiegen. Erforderlich ist also eine Abwägung der sich gegenüberstehenden Rechte und Interessen. Nach dem EuGH

kann eine von einem Suchmaschinenbetreiber ausgeführte Verarbeitung personenbezogener Daten wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende die Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und Schutz personenbezogener Daten erheblich beeinträchtigen, wenn die Suche mit dieser Suchmaschine anhand des Namens einer natürlichen Person durchgeführt wird, da diese Verarbeitung es jedem Internetnutzer ermöglicht, mit der Ergebnisliste einen strukturierten Überblick über die zu der betreffenden Person im Internet zu findenden Informationen zu erhalten, die potenziell zahlreiche Aspekte von deren Privatleben betreffen und ohne die betreffende Suchmaschine nicht oder nur sehr schwer hätten miteinander verknüpft werden können, und somit ein mehr oder weniger detailliertes Profil der Person zu erstellen.

Zudem steigere die Rolle des Internets und damit der weltweite Abruf der Informationen noch die Eingriffsintensität. Nun kommt das Gericht zu den berechtigten Interessen von Google. Hier führt es aus, dass wegen seiner potenziellen Schwere, ein solcher Eingriff nicht allein mit dem wirtschaftlichen Interesse des Suchmaschinenbetreibers an der Verarbeitung der Daten gerechtfertigt werden könne. Die Interessen von Google bügelt der EuGH damit in einem Satz ab.

Jedoch stellt der EuGH dann fest, dass eine Löschung aus den Ergebnislisten die berechtigten Interessen von Dritten, nämlich der Internetnutzer, beeinträchtigen könnte. Nun muss also eine Interessenabwägung in diesem Verhältnis vorgenommen werden. Hierbei stellt der EuGH jedoch als Ausgangspunkt klar:

Zwar überwiegen die durch diese Artikel geschützten Rechte der betroffenen Person im Allgemeinen gegenüber dem Interesse der Internetnutzer;

Jedoch könne der nötige Ausgleich in besonders gelagerten Fällen aber von der Art der betreffenden Information, von deren Sensibilität für das Privatleben der betroffenen Person und vom Interesse der Öffentlichkeit am Zugang zu der Information abhängen, das u. a. je nach der Rolle, die die Person im öffentlichen Leben spielt, variieren. Im Prinzip lässt der EuGH hier eine (meines Erachtens bedenkliche) Tendenz erkennen. Nämlich dass Informationen dann zu löschen sind bzw. das Interesse der betroffenen Person zunächst einmal grundsätzlich überwiege und eben nur in besonderen Fällen, etwa bei Prominenten oder tagesaktuellen oder historischen Geschehnissen, hinter dem Informationsinteresse der Internetnutzer zurückzutreten habe. Damit besteht also im Ausgangspunkt eine Löschpflicht, selbst bei rechtmäßiger Weise veröffentlichten Informationen, wenn die Interessen des Betroffenen überwiegen. Dies ist nach dem EuGH grundsätzlich der Fall, außer in besonderen Situationen. Wohlgemerkt beziehen sich die Ausführungen des Gerichts auf Suchmaschinenbetreiber und die von ihnen generierten Ergebnislisten, vor allem wenn nach Namen von Personen gesucht werden.

4. Recht auf Vergessen werden
Zum Schluss befasst sich der EuGH mit der Frage, ob ein Betroffener ein Recht darauf hat, das Informationen zu ihm, die im Internet veröffentlicht wurden, irgendwann vergessen werden müssen.

Hierzu stellt der EuGH fest, dass Daten nach Art. 12 Buchst. b DS-RL auch dann zu löschen sind, wenn sie nicht den Zwecken der Verarbeitung entsprechen, dafür nicht erheblich sind oder darüber hinausgehen, nicht auf den neuesten Stand gebracht sind oder länger als erforderlich aufbewahrt werden, es sei denn ihre Aufbewahrung ist für historische, statistische oder wissenschaftliche Zwecke erforderlich. Hieraus ergebe sich, dass auch eine ursprünglich rechtmäßige Verarbeitung sachlich richtiger Daten im Laufe der Zeit nicht mehr den Bestimmungen der Richtlinie entsprechen kann, wenn die Daten für die Zwecke, für die sie erhoben oder verarbeitet worden sind, nicht mehr erforderlich sind.

Im Rahmen der Prüfung des Löschungsrechts nach Art. 12 Buchst. b DS-RL gelte es auch die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 DS-RL zu beachten, insbesondere, dass Daten nicht mehr den ursprünglichen Zwecken entsprechen. Wenn sich herausstelle, dass die Informationen in Anbetracht aller Umstände des Einzelfalls den Zwecken der in Rede stehenden Verarbeitung durch den Suchmaschinenbetreiber nicht entsprechen, dafür nicht oder nicht mehr erheblich sind oder darüber hinausgehen, müssen die betreffenden Informationen und Links der Ergebnisliste gelöscht werden, so das Gericht. Daher müsse auch geprüft werden, ob die betroffene Person ein Recht darauf habe, dass die betreffenden Information über sie zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht mehr durch eine Ergebnisliste, die im Anschluss an eine anhand ihres Namens durchgeführte Suche angezeigt wird, mit ihrem Namen in Verbindung gebracht wird. Hierbei weist der EuGH darauf hin, dass die Feststellung eines solchen Rechts nicht voraus setze, dass der betroffenen Person durch die Einbeziehung der betreffenden Information in die Ergebnisliste ein Schaden entstehe.

Und auch hier rückt der EuGH nicht von seiner eingeschlagenen Linie (des grundsätzlichen Vorrangs des Schutzes der Privatsphäre vor Informationsinteressen) ab. Er stellt vielmehr ausdrücklich klar, dass wenn die betroffene Person in Anbetracht ihrer Grundrechte aus den Art. 7 und 8 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verlangen kann, dass die betreffende Information der breiten Öffentlichkeit nicht mehr durch Einbeziehung in eine derartige Ergebnisliste zur Verfügung gestellt wird, ist davon auszugehen, dass diese Rechte grundsätzlich nicht nur gegenüber dem wirtschaftlichen Interesse des Suchmaschinenbetreibers, sondern auch gegenüber dem Interesse der breiten Öffentlichkeit daran, die Information bei einer anhand des Namens der betroffenen Person durchgeführten Suche zu finden, überwiegen.

Fazit
Die Entscheidung des EuGH übertrifft wohl sämtliche Erwartungen an das Verfahren. Nicht nur weil das Gericht über die Linie des GA hinausgegangen ist, sondern vor allem mit welcher Deutlichkeit dies geschieht. Die Tendenz, dem Recht auf Schutz personenbezogener Daten grundsätzlich einen Vorrang einzuräumen und nur in besonderen Situationen eine Veröffentlichung zuzulassen, sollte man kritisch betrachten. Zudem scheint sich das Urteil vielerorts weniger durch juristische oder an Datenverarbeitungsprozessen ausgerichteten faktischen Feststellungen, sondern oft auch die allgemeine, aus Sicht der EuGH, negative Wirkung und das Geschäftsmodell von Google und dessen Suche in den Blick zu nehmen.

Baden-Württemberg: Landesdatenschützer untersuchen rechtskonformen Einsatz von Google Analytics

Der Landesdatenschutzbeauftragte in Baden-Württemberg erklärt heute in einer Pressemitteilung (PDF), dass seine Behörde den datenschutzkonformen Einsatz von Google Analytics auf 2.533 Internetseiten baden-württembergischer Betreiber untersucht hat. Hierbei seien bei ca. 65% der untersuchten Internetseiten Mängel bei der datenschutzrechtlichen Einbeziehung des Analyse-Tools festgestellt worden. Die Betreiber wurden daraufhin von der Behörde angeschrieben und aufgefordert, die festgestellten Mängel zu beseitigen.

Diese Aktion der Untersuchung von Webseiten auf den datenschutzkonformen Einsatz von Google-Analytics oder anderen Analyse-Tools, ist bereits letztes Jahr auch z. B. in Bayern erfolgt.
In meinem Blogbeitrag hierzu finden Sie Informationen zu den von den Datenschutzbehörden verlangten Anforderungen. In einem anderen Blogbeitrag hatte ich mich auch mit den datenschutzrechtlichen Voraussetzungen zu Google Universal Analytics befasst.

Datenschutz-Grundverordnung: Missverständnisse rund um #EUDataP

Nach der positiven Beschlussfassung (hier die inoffizielle, konsolidierte Version) im LIBE-Ausschuss des Europäischen Parlaments zur Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO), wurde in den Medien erneut breit über das Thema Datenschutz in Europa berichtet. Diese öffentliche Berichterstattung und Diskussion ist wichtig und auch richtig. Wer hätte sich vor 2 Jahren vorstellen können, dass die dröge Materie „Datenschutzrecht“ zu so einer medialen Aufmerksamkeit gelangt?

Ich möchte nachfolgend jedoch einige Punkte ansprechen, die in der öffentlichen Berichterstattung zur DS-GVO häufig ungenau, verzerrt oder schlicht falsch dargestellt werden. Dabei geht es mir nicht um die Belehrung von oben herab. Es erscheint vielmehr essentiell notwendig zu sein, den Bürgerinnen und Bürgern von Anfang an reinen Wein einzuschenken. Denn wenn mit Errungenschaften und Vorzügen eines neuen Gesetzes geworben wird, welche es aber per se schon nicht leisten kann oder von Anfang an nicht leisten wollte, dann wird Glaubwürdigkeit und Vertrauen verspielt. Sobald sich der erste Betroffene fragt „Aber das wurde uns doch versprochen?“, ist es hierfür zu spät.

Die DSG-VO wird der NSA das Handwerk legen

Wie Thomas Stadler heute in seinem Blog richtig schreibt, wird die DS-GVO Geheimdiensten keine Pflichten auferlegen und daher etwa ihre Tätigkeiten beschränken können. Zum einen, weil die Europäische Union im Bereich der nationalen Sicherheit nicht gesetzgebungsbefugt ist. Daher sind auch folgerichtig Gebiete „der nationalen Sicherheit“ (bzw. nach dem LIBE Entwurf, solche, „die außerhalb des Geltungsbereichs des Unionsrechts liegen“) aus dem Anwendungsbereich ausgeschlossen (Art. 2 a DS-GVO). Zum anderen kann die Europäische Union nicht Gesetze erlassen, an die sich ein drittstaatlicher Geheimdienst, wie die NSA, halten müsste. Grundlage deren Tätigkeit sind zunächst allein amerikanische Gesetze.
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Datenschutz-Grundverordnung: LIBE-Ausschuss verständigt sich auf Änderungen

Am Montag, den 21. Oktober 2013, wird der federführende Ausschuss für Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) des Europäischen Parlaments zum Entwurf des Berichts von Jan Philipp Albrecht und über die Änderungsanträge zur vorgeschlagenen Datenschutz-Grundverordnung (KOM (2012)11, DS-GVO) der Europäischen Kommission abstimmen. Kommt es hier zu einer Einigung, würde dies die Tür für informelle, interinstitutionelle Verhandlungen zwischen der Europäischen Kommission, dem Europäischen Parlament und dem Rat der Europäischen Union (sog. Trilog) öffnen. Ziel dieser Verhandlungen ist es, eine Einigung zwischen den drei Parteien zu erzielen, um so den Gesetzgebungsprozess zu beschleunigen.

Aufgrund der enormen Anzahl an Änderungsanträgen zum Verordnungsvorschlag der Kommission sah es, nach mehrmaligen Verlegungen bereits geplanter Abstimmungen, nicht unbedingt danach aus, dass der LIBE Ausschuss alsbald zu einer Einigung kommen würde. Nach ersten Medienberichten (EUobserver; Guardian) wurde nun jedoch ein Vorschlag erarbeitet, den alle vertretenen Parteien im Ausschuss unterstützen.
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Google ändert Nutzungsbedingungen – was es zu beachten gilt

Heute gab Google bekannt, dass es mit Wirkung zum 11. November 2013 neue Nutzungsbedingungen in all seinen Diensten verwenden wird.

Die Zusammenfassung der Änderungen (für Personen mit, wörtlich, „Abneigung gegen Juristendeutsch“) führt als wohl aus Sicht der Nutzer wichtigsten Punkt die folgende Anpassung auf:

Zunächst erläutern wir, wie und in welchem Rahmen Ihr Profilname und Foto in Google-Produkten erscheinen kann, etwa in Erfahrungsberichten, Bewertungen, Werbung oder in anderen kommerziellen Kontexten.
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Französische Datenschutzbehörde eröffnet Verfahren gegen Google

In einer Pressemitteilung gab die französische Datenschutzbehörde (CNIL) heute bekannt, dass sie ein Verfahren gegen Google wegen Verletzungen des französischen Datenschutzrechts einleitet. An dessen Ende könnten Sanktionen gegen das Internetunternehmen stehen.

Gemeinsame Aktion in Europa
Dieses Vorgehen beruht auf den Ergebnissen einer im Jahre 2012 eingerichteten „Task-Force“ mehrerer europäischer Datenschutzbehörden, die unter Leitung der französischen Behörde die Datenschutzkonformität der Angebote von Google in Europa untersuchte. Nachdem der Abschlussbericht der CNIL mehrere mögliche Rechtsverstöße feststellte, entschlossen sich europäische Datenschutzbehörden in einer koordinierten Aktion gegen diese vorzugehen (hierzu mein Blogbeitrag). Jede nationale Datenschutzbehörde sollte danach für sich prüfen, inwieweit sie ein Verfahren gegen Google wegen der Verletzung nationalen Datenschutzrechts eröffnet.

Neben der spanischen Datenschutzbehörde (AEPD), die bereits im Juni 2013 ein Prüfverfahren eröffnete, leiten nun auch die französischen Datenschützer ein offizielles Verfahren gegen Google ein.
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Digitale Wirtschaft: Britischer Ausschuss tadelt Google und unterstützt Online-Werbung

Die Mitglieder des Ausschusses für Kultur, Medien und Sport des Britischen Unterhauses haben in einem Bericht (Supporting the creative economy) vom 26.09.2013 unter anderem ihre Ansichten zur Entwicklung der digitalen Wirtschaft in Großbritannien dargelegt.

Dabei geht es auch um Probleme und Herausforderungen auf dem Gebiet des Urheberrechts und des Datenschutzrechts, sowie um Implikationen für britische Unternehmen der kreativen und digitalen Wirtschaft.
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Google Glass: US-Senatoren sind über Antworten enttäuscht

Nachdem im Mai einige US-Senatoren einen Brief mit verschiedenen Fragen an Google zu dessen Datenbrille Glass und damit verbundenen datenschutzrechtlichen Problemen und Auswirkungen auf die Privatsphäre übersandt hatten, erhielten sie jüngst eine Antwort des Unternehmens. Aus Sicht des Senators Joe Barton stellen sich diese jedoch als „enttäuschend“ dar, da manche Fragen nur ungenügend und einige sogar gar nicht beantwortet worden seien.

Auch internationale Datenschützer hatten jüngst einen ähnlichen Brief in Bezug auf die rechtlichen Implikationen des geplanten Verkaufstartes von Google Glass versendet (hierzu mein Beitrag).
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Generalanwalt am EuGH: Für Google gilt spanisches Datenschutzrecht. Wirklich?

In dem Verfahren des Vorabentscheidungsersuchens des Audiencia Nacional (Spanien) zwischen der spanischen Datenschutzbehörde (AEPD) und Google vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) (Aktenzeichen C-131/12), hat der zuständige Generalanwalt Jääskinen heute seine Schlussanträge gestellt. Die Ausführungen zur Anwendbarkeit europäischen bzw. national-staatlich umgesetzten Datenschutzrechts, scheinen jedoch diskussionswürdig. Die Schlussanträge sollen dem EuGH als Leitlinien für seine Entscheidungen dienen. Gebunden ist er hieran freilich nicht.
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Wir leben nicht in Nordkorea – Wie das Internet die Territorialität heraufbeschwört

Eigentlich ist es paradox. Das Internet, Sinnbild für ein weltumspannendes und offenes Netzwerk, grundsätzlich jedem zugänglich und plastisches Abbild der Internationalität, beschwört in der derzeitigen öffentlichen Debatte mehr und mehr die Rufe nach nationaler Abschottung, nach dem Einziehen von strikten einzelstaatlichen Grenzen herauf.

Nationale Überwacher zapfen die Kabel, über welche die Datenpakete im Internet versendet werden, entweder gleich direkt an oder nutzen als Anlaufstelle für Auskunftsbegehren weltweit agierende Unternehmen, die in den letzten Jahren durch ihre Internetangebote einen immensen Berg an Daten angehäuft haben. Meist sind diese Überwachungsmaßnahmen, wie etwa im Fall der Auskünfte unter dem amerikanischen Foreign Intelligence Surveillance Act (FISA), auf die Daten von ausländischen Bürgern gerichtet.
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