UN Menschenrechtsausschuss kritisiert NSA Überwachung

In der Zeit vom 10. bis zum 28. März 2014 hat der Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen während seiner 110. Sitzung unter anderem auch den Landesbericht der USA zur Einhaltung des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR) begutachtet. Am 14. März wurden dazu auch Vertreter der amerikanischen Regierung direkt angehört und befragt (hier der Bericht der Sitzung vom 14. März).

Nun hat der Menschrechtsausschuss, der die Einhaltung der unter dem ICCPR garantierten Rechte kontrollieren soll, seinen (noch unbearbeiteten) Bericht in Bezug auf Amerika und auch die Tätigkeit der NSA veröffentlicht.

Danach ist der Ausschuss in Bezug auf die Überwachung der Kommunikation (innerhalb und außerhalb der USA) im Interesse der nationalen Sicherheit besorgt, welche durch die NSA sowohl durch das massenhafte Sammeln von Telefonmetadaten erfolgt (Abschnitt 215 des Patriot Act), als auch insbesondere die Sammlung von Daten bei US-Unternehmen durch das PRISM Programm (unter Abschnitt 702 des FISA Amendment Act) und das Anzapfen von Internetkabeln in Amerika unter dem Programm UPSTREAM. Diese Programme “wirken sich negativ” auf den Schutz der Privatsphäre aus (Anmerkung des Autors: der Schutz vor einer Überwachung des Privatlebens wird durch Art. 17 ICCPR garantiert). Des Weiteren kritisiert der Ausschuss, dass bis vor kurzem die Auslegung sowie Entscheidungen des zuständigen Gerichts (FISC) zum Großteil geheim gehalten wurden. Hierdurch wurde es von Überwachungsmaßnahmen betroffenen Personen nicht möglich gemacht, über die rechtlichen Grundlagen genaue Kenntnis zu erlangen. Nach der Ansicht des Ausschusses besteht zudem die Besorgnis, dass das derzeitige System der Kontrolle der Tätigkeiten der NSA nicht ausreicht, um die Rechte der Betroffenen wirksam zu schützen. Auch kritisiert der Ausschuss, dass trotz der geplanten Reformen der Schutz für Personen, die keine amerikanischen Staatsbürger sind, nur begrenzt gegeben ist. Zudem merkt der Ausschuss an, dass betroffene Personen im Falle des Missbrauchs der Überwachungsmaßnahmen, keine effektiven Rechtsschutzmöglichkeiten besitzen.

Der Ausschuss empfiehlt der amerikanischen Regierung daher (unter anderem):

  • Alle erforderlichen Maßnahmen zu unternehmen um sicherzustellen, dass die Überwachungsaktivitäten, sowohl innerhalb und außerhalb von Amerika, in Einklang mit Art. 17 ICCPR stehen. Insbesondere sollte sichergestellt werden, dass Eingriffe in das Recht auf Privatsphäre die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit, Gesetzmäßigkeit und Erforderlichkeit beachten, die unabhängig von der Nationalität und dem Aufenthaltsort der Betroffenen.
  • Jeder Eingriff in das Recht auf Privatleben, den Schutz der Familie und der eigenen Wohnung muss auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen, welche öffentlich zugänglich ist und die bestimmt, dass das Sammeln, der Zugang und die Nutzung von Kommunikationsdaten nur zu bestimmten Zwecken erfolgt.
  • Davon Abstand zu nehmen, eine verpflichtende Vorratsdatenspeicherung durch Dritte einzuführen.
  • Sicherzustellen, dass betroffenen Personen Zugang zu wirksamen Rechtsmitteln gegen rechtswidrige Überwachungsmaßnahmen besitzen.

Der UN Menschenrechtsausschuss findet klare Worte, um die Überwachungstätigkeit der NSA und das derzeit bestehende System in den USA als mit dem garantierten Schutz unter dem ICCPR unvereinbar zu erklären. Insbesondere der Hinweis darauf, dass Amerika keine Vorratsdatenspeicherung einführen solle (was jedoch derzeit als Reform in Bezug auf die Telefonmetadaten geplant wird), ist deutlich. Das Grundproblem in der vorliegenden Situation ist jedoch, dass die amerikanische Regierung stets argumentiert, dass die Rechte des ICCPR von ihr nur auf dem eigenen Hoheitsgebiet eingehalten werden müssten. Daher wird die Reform wohl auch nur für die Telefondaten amerikanischer Bürger gelten. Eine Bindung an die durch den ICCPR garantierten Rechte außerhalb des eigenen Staatsgebietes lehnt die amerikanische Regierung ab. Die Frage der extraterritorialen Geltung des ICCPR ist nicht unumstritten, jedoch geht auch der UN Menschrechtsausschuss davon aus, dass die Pflichten für Staaten, welche sich aus dem ICCPR ergeben, nicht auf das eigene Hoheitsgebiet beschränkt sind. Sie gelten vielmehr immer dann, wenn ein Staat effektive Kontrolle über Personen ausübt, was etwa im Fall von Entführungen durch Geheimdienste im Ausland bejaht wird, aber auch bei einer elektronischen Überwachung der Kommunikation (vgl. hierzu etwa die Ausführungen von Prof. Scheinin im LIBE Ausschuss des Europäischen Parlaments, PDF).

EU Kommission fordert Anpassung von Safe Harbor

Die Europäische Kommission hat heute ihre im Juli angekündigte Einschätzung zur Zukunft der Safe Harbor Entscheidung, auf deren Grundlage ein Großteil der Datenströme privater Unternehmen zwischen Europa und den USA beruhen, vorgestellt. Dies ist Teil eines ganzen Maßnahmenpakets: ein generelles Dokument, „Rebuilding trust in EU-US data flows“ welches sich nicht allein auf Safe Harbor bezieht, sondern auf den transatlantischen Datenaustausch und dessen Zukunft insgesamt. Sowie eine eingehendere Untersuchung von Safe Harbor, „Communication on the Functioning of the Safe Harbour from the Perspective of EU Citizens and Companies Established in the EU“ (beide Dokumente stehen derzeit jedoch noch nicht in der endgültigen Version bereit).
Nachfolgend soll das Augenmerk jedoch vor allem auf den Implikationen für die Safe Harbor Entscheidung liegen.
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Safe Harbor – LIBE Untersuchungsausschuss fordert Aussetzung

In der heutigen Anhörung des LIBE Untersuchungsausschusses zu den Überwachungstätigkeiten amerikanischer Geheimdienste und dem Zugriff dieser Dienste auf in die USA übermittelte Daten europäischer Bürger ging es vor allem um die Auswirkungen auf die Safe Harbor Entscheidung der Europäischen Kommission (zum Inhalt von Safe Harbor habe ich bereits hier etwas geschrieben). Hier eine kurze Einschätzung der Sitzung, ohne auf alle aufgeworfenen Fragen eingehen zu können.
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Prism: Europäische Datenschützer fordern Aufklärung und kündigen Untersuchungen an

In einem Brief des Vorsitzenden der Art. 29 Datenschutzgruppe, Jacob Kohnstamm, an die Vizepräsidenten der EU-Kommission, Viviane Reding, vom 13. August 2013, fordern die europäischen Datenschutzbehörden weitere Aufklärung in Sachen Prism und XKeyscore und kündigen zudem an, dass sich die Datenschutzgruppe umfassender mit dem Thema befassen wird.

Auch wenn die Datenschützer einerseits ihr Verständnis dafür zum Ausdruck bringen, dass in Bezug auf die nationale Sicherheit verschiedene Staaten unterschiedliche weite Vorstellungen und Herangehensweisen besitzen, wie sie Informationen sammeln und nutzen, so drücken die Datenschützer dennoch ihre tiefe Besorgnis über die bekannt gewordenen Informationen zu den Überwachungstätigkeiten der USA durch Programme wie Prism und XKeyscore aus.
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Bundesregierung erkannte bereits 2010 Probleme bei Safe Harbor

Wie aus der Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der SPD Fraktion im Bundestag aus dem Jahre 2010 hervorgeht, erkannte die Bundesregierung bereits damals die Gefahr und eventuell sich ergebende völkerrechtliche Probleme beim Zugriff von amerikanischen Behörden auf in den USA gespeicherte Daten europäischer Bürger.

Die Anfrage der SPD bezog sich konkret auf die auch derzeit in der Kritik stehende Safe Harbor Entscheidung (2000/520/EG) der Europäischen Kommission (dazu mein Blogbeitrag). Unter Antwort Nr. 25 führt die Bundesregierung aus:

Es ist schon heute absehbar, dass eine Einbeziehung von Daten europäischen Ursprungs, die unter „Safe Harbor“ in die Vereinigten Staaten von Amerika übermittelt wurden und dort dem Zugriff von US-Behörden ausgesetzt sind, völkerrechtliche Fragen der territorialen Souveränität aufwerfen würde, welche einer erfolgreichen Einigung im Wege stehen könnten.

Bei dieser „Einigung“ ging es um Verhandlungen der Europäischen Union und den USA um ein internationales Datenschutzabkommen zum Austausch von Daten im Rahmen der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit. Die Verhandlungen hierzu sind im Übrigen immer noch nicht abgeschlossen. Streitgegenstand: Rechtsschutz für Europäer in den USA (hierzu mein Beitrag).
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Irische Datenschutzbehörde: PRISM von Safe-Harbor gedeckt

Die österreichische Initiative europe-v-facebook (evf) berichtet in einer Pressemitteilung, dass die irische Datenschutzbehörde keinen Handlungsbedarf hinsichtlich einer möglichen Unzulässigkeit des massenhaften Abgreifens und der Weitergabe von personenbezogenen Daten europäischer Bürger durch amerikanische Unternehmen an ausländische Behörden und Geheimdienste sieht.

Safe-Harbor eingehalten
Evf veröffentlicht ein Antwortschreiben der irischen Datenschutzbehörde, in welchem die Behörde ausführt, dass nach ihrer Meinung die Europäische Kommission bei ihrer Entscheidung über das Safe-Harbor-Abkommen im Jahre 2000 die Weitergabe von personenbezogenen Daten europäischer Bürger durch in Amerika ansässige Datenverarbeiter bereits vorhergesehen habe. Solange sich ein amerikanisches Unternehmen an dem Safe-Harbor-Programm beteilige, geht die Behörde davon aus, dass dieses Unternehmen auch seine Pflichten in Bezug auf eine Datenübertragung von Europa in die USA ausreichend erfüllt habe.
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Deutsche Datenschützer: keine neuen Genehmigungen für Datenübermittlungen

Kommt der Datenfluss zwischen deutschen und amerikanischen Unternehmen bald zum erliegen? Wohl nicht. Dennoch könnten sich für international tätige, in Deutschland ansässige Unternehmen in den nächsten Monaten erhebliche Probleme bei der Übermittlung von personenbezogenen Daten in die USA ergeben. Denn: In einer Presseerklärung stellt die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder (der sog. Düsseldorfer Kreis) fest, dass

„die Aufsichtsbehörden für den Datenschutz keine neuen Genehmigungen für die Datenübermittlung in Drittstaaten (zum Beispiel auch zur Nutzung bestimmter Cloud-Dienste) erteilen und prüfen, ob solche Datenübermittlungen auf der Grundlage des Safe-Harbor-Abkommens und der Standardvertragsklauseln auszusetzen sind“.
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Ein Grundrecht auf Verschlüsselung

Im Zuge der Enthüllungen der letzten Wochen um die großflächigen Überwachungstätigkeiten ausländischer Geheimdienste im Internet und die möglicherweise unterstützende Beteiligung deutscher Behörden, erfreuen sich sog. Cryptopartys immer größerer Beliebtheit. Dort geben fachkundig und technisch versierte Nutzer ihr Wissen zu Möglichkeiten der Verschlüsselung der eigenen digitalen Kommunikation an den „normalen“ Internetnutzer weiter (der FDP Bundestagsabgeordnete Jimmy Schulz denkt aufgrund des Intereses unter Kollegen sogar über eine Veranstaltung im Bundestag nach).

Digitale Selbstverteidigung?

Der Einsatz von entsprechender Software oder Diensten, welche zumindest einen höheren Schutz vor einer ungewollten, identifizierenden Überwachung durch den Staat bieten, wird derzeit vor allem mit den Schlagwörtern der digitalen Gegenwehr oder Selbstverteidigung umschrieben. Durch die Aussage von Innenminister Dr. Friedrich, die Bürger sollten selbst etwas tun und eben ihre Daten verschlüsseln, könnte man jedoch den Eindruck gewinnen, dass der deutsche Internetnutzer hier auf sich gestellt ist und keine Hilfe vom Staat erwarten könne oder dürfe. Doch dem ist nicht so!
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1995: Die Überwachungswunschliste der europäischen Behörden

Die Diskussion der letzten Wochen, um die aufgedeckten Überwachungsprogramme der USA (PRISM) und auch etwa des britischen Geheimdienstes (TEMPORA), haben uns gezeigt, dass in dieser digitalen Welt aus Einsen und Nullen, in der wir (ob wir nun wollen oder nicht) leben, ein Großteil staatlicher (Überwachungs-)Tätigkeit unter einem Deckmantel des Schweigens und hinter einer intransparenten Mauer abläuft. Das Bild von der Spitze des Eisberges, dessen gesamter Körper unsichtbar unter der Wasseroberfläche schwimmt, mag hier bemüht werden.

Sicher ist die Empörung der Europäer und auch der Deutschen, als meist überwachtes europäisches Land, gerechtfertigt. Doch zeigt ein Blick in die Geschichte, dass der Wunsch nach umfangreicher Überwachung der internationalen Kommunikation kein rein amerikanischer oder angel-sächsischer, von dem Ziel der Terrorismusbekämpfung getragener, Ausdruck nationalen Sicherheitsdenkens ist. Auch bei uns, in der Europäischen Union, wurde vor über 15 Jahren dieser Wunsch (und das ganz offen) auf höchster Ebene zum Ausdruck gebracht.
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Europe vs. Facebook erstattet Anzeige gegen Facebook, Microsoft, Apple, Skype und Yahoo

Wie europe-v-facebeook.org (evf) heute in einer Pressemitteilung bekannt gibt, hat die Vereinigung zusammen mit Nutzern mehrere Beschwerden bei verschiedenen nationalen Datenschutzbehörden eingereicht.

Inhalt der Beschwerden
Evf stützt sein Vorbringen auf eine mögliche Verletzung europäischen Datenschutzrechts durch europäische Tochtergesellschaften großer amerikanischer Unternehmen. Ziel der Beschwerden sind Facebook, Apple, Microsoft, Skype und Yahoo. Die Beschwerden gingen an die Datenschutzbehörden in Irland (für Facebook und Apple), Deutschland (für Yahoo) und Luxemburg (für Skype und Microsoft).

Evf sieht in dem Export von Nutzerdaten von europäischen Tochterfirmen an ihre amerikanischen Muttergesellschaften einen Verstoß gegen die Vorgaben der geltenden Datenschutzrichtlinie (RL 95/46 EG, DS-RL), wenn sich die Vermutungen in Bezug auf die aufgedeckten Informationen zu dem Überwachungsprogramm Prism des amerikanischen Geheimdienstes als wahr herausstellen sollten. Ein Export von personenbezogenen Daten in ein Drittland außerhalb der EU ist nach geltendem Recht nur zulässig, wenn in diesem Drittland ein „angemessenes Datenschutzniveau“ besteht. Diese Feststellung wir durch die Europäische Kommission getroffen.
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