LG Wiesbaden: Domaininhaber ist nicht zwingend Diensteanbieter

Mit Urteil vom 18.10.2013 (Az. 1 O 159/13) hat das Landgericht Wiesbaden u. a. entschieden, dass der Inhaber einer Domain und auch der Admin-C nicht zwingend mit dem Diensteanbieter i. S. d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 TMG gleichzusetzen sind.

Der Sachverhalt

Die Kläger machten sowohl vertragliche als auch deliktische Ansprüche wegen der Nichterfüllung eines Reisevertrags geltend. Sie buchten über eine Internetseite eine Reise, wobei der vollständige Reisepreis erst zu spät bezhalt wurde und die Reise dann nicht angetreten werden konnte. Die Kläger verlangten nun zum einen den Reisepreis und Schadenersatz für vertane Urlaubszeit, da sich ihrer Ansicht nach aus der fehlenden Zahlung ohne vorherige Mahnung kein Kündigungsrecht ableiten ließe und infolgedessen ihnen die Reise zu Unrecht verweigert worden sei. Daher verklagten sie zunächst das im Impressum auf der Webseite angegeben Unternehmen. An der dortigen Adresse konnte die Klage jedoch nicht zugestellt werden. Die Kläger berichtigten sodann die Beklagtenpartei in ihrer Klage, nachdem sie über eine Anfrage bei der DENIC eG den Namen und die Anschrift der dort als Domaininhaberin und administrative Ansprechpartnerin eingetragenen Dame herausgefunden hatten. Diese verteidigte sich damit, dass sie lediglich Webmasterin im Dienstleistungsauftrag sei und die nur Webseite aufgebaut und gewartet habe.

Die Entscheidung

Ich möchte hier nur die Ausführungen des Gerichts im Zusammenhang mit § 5 TMG wiedergeben. Das LG lehnte daneben aber sowohl einen Vertragsschluss mit der Webmasterin als auch einen Schadenersatzanspruch wegen einer Schutzgesetzverletzung nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 17 HGB ab.

Die Kläger stützten ihren Schadenersatzanspruch auch auf eine Schutzgesetzverletzung nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 5 TMG, also wegen Verstößen gegen die Impressumspflicht. Das LG erkannte auch in der Tat solche Verstöße. Jedoch war die Webmasterin hier nicht der von § 5 Abs. 1 TMG in Bezug genommene „Diensteanbieter“, den die Impressums- und Informationspflichten treffen. Der „Diensteanbieter“ ist in § 2 Abs. 1 Nr. 1 TMG legaldefiniert. Danach muss die betreffende Person die „Nutzung“ von Telemedien ermöglichen und nach Außen als Erbringer von Diensten auftreten. Wie jedoch lediglich die „Bereitstellung“ ermöglicht wird, ist unbeachtlich. Das LG führt aus, dass als Diensteanbieter regelmäßig der Homepage-Inhaber anzusehen sein wird. Auf die alleinige Inhaberschaft einer Domain lässt sich die telemedienrechtliche Verantwortlichkeit aber nicht stützen. Die Inhaberschaft der Webseite, also des abrufbaren Inhalts an sich, ist nämlich von der Inhaberschaft der Domain und auch von der Stellung als Admin-C zu unterscheiden. Ein zwingender Schluss, dass die unter einer Domain nutzbaren Telemedien tatsächlich vom Domaininhaber und Admin-C angeboten werden, dürfe nicht gezogen werden. Insbesondere fehle es am erforderlichen Auftritt nach außen i.S.d. Definition des Diensteanbieters.

Dieses Ergebnis rechtfertige sich auch vor dem Hintergrund, dass der Abruf der Webseite grundsätzlich auch ohne die Kenntnis und Eingabe des Domainnamens möglich sei, auch wenn dies in der Praxis kaum vorkommen werde. Denn der Abruf erfolgt nicht über den Domeinnamen, sondern durch die diesem Namen zugeordnete IP-Adresse. Das LG weist auch darauf hin, dass dieses Ergebnis mit Sinn und Zweck des § 5 TMG in Einklang steht, da sich die Impressumspflicht parallel zu den presserechtlichen Impressumspflichten verhält, die sich an den Betreiber des Presseorgans richten.

Eine solche Stellung wird weder durch die Domaininhaberschaft, d.h. durch das Recht an der Domain, noch durch die Eigenschaft als Admin-C, d.h. als technischer Ansprechpartner der DENIC eG, vermittelt.

Zuletzt befasste sich das Gericht noch mit dem Schutzgesetzcharakter des § 5 TMG, auch wenn es darauf nicht mehr entscheidungsehrblich ankam. Selbst wenn man § 5 TMG als Schutzgesetz ansehen würde, so bestünden nach Auffassung der Kammer jedenfalls Zweifel, ob der vorliegend geltend gemachte Schaden in den sachlichen Schutzbereich der Norm fällt. Zwar sollen die Informationen, welche über die Impressumspflicht öffentlich gemacht werden müssen, gerade dazu dienen, Betroffenen die effektive Geltendmachung ihrer Rechte zu ermöglichen. Nach Ansicht des LG erschiene es aber zu weitgehend, eine auf § 5 TMG beruhende, deliktische Haftung für die Verletzung von Pflichten aus vertraglichen Schuldverhältnisse, welche mittels des betreffenden Telemediums eingegangen wurden, zu statuieren. Ein solcher deliktischer Schadensersatzanspruch hätte nach Ansicht des Gerichts wohl nur in der Situation eigenständige Bedeutung, wenn der nicht impressumspflichtige Vertragspartne auf der einen Seite und der impressumspflichtige Diensteanbieter auf der anderen Seite personenverschieden sind. Das Gericht möchte die Haftung des Diesteanbieters jedoch nicht derart weit ausdehnen:

Dass der Diensteanbieter in einer solchen Konstellation aufgrund eines Impressumsfehlers für die pflichtgemäße Erfüllung sämtlicher, mittels des Telemediums begründeter Verträge einstehen soll, scheint angesichts des vom Diensteanbieters unter Umständen kaum zu steuernden Haftungsrisikos weder vom Gesetzgeber erstrebt, noch sinnvoll und tragbar.

OLG Celle: Unzulässigkeit der Drohung mit einer Datenübermittlung an die Schufa

Das OLG Celle hat mit Urteil vom 19.12.2013 (Az. 13 U 64/13) entschieden, dass es ein Inkassounternehmen zum einen zu unterlassen hat, personenbezogene Daten eines Betroffenen an die Schufa zu übermitteln, wenn die gesetzlichen Vorgaben fehlen und zum anderen mit solch einer Übermittlung zu drohen.
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Das Grundrecht auf Datenschutz in Europa

Im Zuge der Enthüllungen in der NSA-Affäre und den andauernden Verhandlungen für eine Reform des europäischen Datenschutzrechts wird häufig darauf verwiesen, dass der Schutz personenbezogener Daten in Europa ein Grundrecht darstellt (so etwa die EU Justizkommissarin Viviane Reding in einem Interview). Nachfolgend möchte ich darauf eingehen, wo dieses Grundrecht auf Datenschutz gesetzlich festgeschrieben und wie es tatsächlich ausgestaltet ist. Dazu beschränke ich mich jedoch auf die Ebene der EU und des Europarates (zu weiteren internationalen Datenschutzabkommen hatte ich bereits einmal etwas geschrieben).

A. Europäische Menschenrechtskonvention

Auf der supranationalen Ebene des Europarats, dem sowohl alle europäischen Mitgliedstaaten, aber auch andere Nationen wie die Türkei oder Russland angehören, garantiert die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) Personen, welche der Hoheitsgewalt der einzelnen Mitgliedstaaten unterliegen, gewisse Grundrechte und –freiheiten.
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Französische Datenschutzbehörde eröffnet Verfahren gegen Google

In einer Pressemitteilung gab die französische Datenschutzbehörde (CNIL) heute bekannt, dass sie ein Verfahren gegen Google wegen Verletzungen des französischen Datenschutzrechts einleitet. An dessen Ende könnten Sanktionen gegen das Internetunternehmen stehen.

Gemeinsame Aktion in Europa
Dieses Vorgehen beruht auf den Ergebnissen einer im Jahre 2012 eingerichteten „Task-Force“ mehrerer europäischer Datenschutzbehörden, die unter Leitung der französischen Behörde die Datenschutzkonformität der Angebote von Google in Europa untersuchte. Nachdem der Abschlussbericht der CNIL mehrere mögliche Rechtsverstöße feststellte, entschlossen sich europäische Datenschutzbehörden in einer koordinierten Aktion gegen diese vorzugehen (hierzu mein Blogbeitrag). Jede nationale Datenschutzbehörde sollte danach für sich prüfen, inwieweit sie ein Verfahren gegen Google wegen der Verletzung nationalen Datenschutzrechts eröffnet.

Neben der spanischen Datenschutzbehörde (AEPD), die bereits im Juni 2013 ein Prüfverfahren eröffnete, leiten nun auch die französischen Datenschützer ein offizielles Verfahren gegen Google ein.
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Landesarbeitsgericht: Wer „krank“ ist, sollte kein Auto waschen

Mit Urteil vom 11.07.2013 hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz (Az. 10 SaGa 3/13) entschieden, dass ein Arbeitnehmer, der sich offiziell „krank“ meldet, dann jedoch in einer öffentlichen Waschstraße sein Auto reinigt, sich nicht dagegen wehren kann, dass von ihm zu Beweiszwecken für einen Verstoß gegen seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis Fotos angefertigt werden.

„Selbst schuld“, könnte man denken. Der klagende Arbeitnehmer war offiziell krank geschrieben, reinigte in dieser Zeit jedoch mit seinem Vater zusammen in einer öffentlichen Waschstraße sein Auto. Wie der Zufall es wollte, kam nicht irgendein Arbeitskollege, sondern sogar sein Vorgesetzter an dieser Waschstraße vorbei. Verständlicherweise verwundert, fertigte dieser von dem anscheinend doch nicht kranken Arbeitnehmer mit seinem Handy mehrere Bilder.

Der Kläger wurde (vor allem auch, weil er mit seinem Vater den Vorgesetzen im Zuge der Anfertigung der Bilder körperlich attackierte) gekündigt.
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1995: Die Überwachungswunschliste der europäischen Behörden

Die Diskussion der letzten Wochen, um die aufgedeckten Überwachungsprogramme der USA (PRISM) und auch etwa des britischen Geheimdienstes (TEMPORA), haben uns gezeigt, dass in dieser digitalen Welt aus Einsen und Nullen, in der wir (ob wir nun wollen oder nicht) leben, ein Großteil staatlicher (Überwachungs-)Tätigkeit unter einem Deckmantel des Schweigens und hinter einer intransparenten Mauer abläuft. Das Bild von der Spitze des Eisberges, dessen gesamter Körper unsichtbar unter der Wasseroberfläche schwimmt, mag hier bemüht werden.

Sicher ist die Empörung der Europäer und auch der Deutschen, als meist überwachtes europäisches Land, gerechtfertigt. Doch zeigt ein Blick in die Geschichte, dass der Wunsch nach umfangreicher Überwachung der internationalen Kommunikation kein rein amerikanischer oder angel-sächsischer, von dem Ziel der Terrorismusbekämpfung getragener, Ausdruck nationalen Sicherheitsdenkens ist. Auch bei uns, in der Europäischen Union, wurde vor über 15 Jahren dieser Wunsch (und das ganz offen) auf höchster Ebene zum Ausdruck gebracht.
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OLG Hamburg: Abmahnung bei fehlenden Datenschutzhinweisen

Das OLG Hamburg hat mit Urteil vom 27.06.2013 (Az. 3 U 26/12) unter anderem entschieden, dass es einen abmahnfähigen Wettbewerbsverstoß darstellt, wenn ein Webseitenbetreiber personenbezogene Daten von Nutzern erhebt, jedoch keine Informationen über Art, Umfang und Zwecke der Erhebung und Verwendung personenbezogener Daten in allgemein verständlicher Form zu Beginn des Nutzungsvorgangs (so die gesetzliche Pflicht aus § 13 Abs. 1 S. 1 TMG) erteilt. Fehlen diese notwendigen Informationen im Rahmen der Vorhaltung einer Eingabemöglichkeit von Nutzerdaten (hier um Informationen zu erhalten bzw. ein Blutzuckermessgerät testen zu können), so verstößt dieses Verhalten nicht nur gegen das Datenschutzrecht, sondern berechtigt Wettbewerber auch dazu, den Webseitenbetreiber abzumahnen.

Diese Entscheidung ist deshalb interessant, weil es in der Rechtsprechung und der Literatur allgemein umstritten ist, inwiefern und wenn ja welche datenschutzrechtlichen Vorschriften einen Wettbewerbsbezug aufweisen und bei einer Verletzung solcher Vorschriften der Diensteanbieter eventuell durch Wettbewerber abgemahnt werden kann.
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Kammergericht: „Adresse der elektronischen Post“ meint die Angabe der E-Mail-Anschrift – und nichts anderes

In einem Urteil vom 07.05.2013 (Az 5 U 32/12) hat das Kammergericht in einem Verfahren gegen die irische Fluggesellschaft Ryanair klare Worte zu der aus § 5 Abs. 1 Nr. 2 TMG folgenden (Impressums-)Pflicht für Telemediendiensteanbieter, zur Bereitstellung eine Möglichkeit zur direkten Kontaktaufnahme für Nutzer, gefunden.

Nach § 5 TMG haben die Anbieter geschäftsmäßig betriebener Telemedien gewisse Informationen für ihre Nutzer bereit zu halten, das sog. Impressum. Hierzu gehören auch „Angaben, die eine schnelle elektronische Kontaktaufnahme und unmittelbare Kommunikation mit ihnen ermöglichen, einschließlich der Adresse der elektronischen Post“. Die Fluggesellschaft hatte auf ihrer deutschsprachigen Webseite zwar Kontaktinformationen bereitgehalten, jedoch nur eine Fax- und Telefonnummer, sowie ein Onlineformular, also eine Eingabemaske, mit fest definierten Vorgaben hinsichtlich eines bestimmten Themas und einer begrenzten Anzahl an einzugebenden Wörtern.
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Generalanwalt am EuGH: Für Google gilt spanisches Datenschutzrecht. Wirklich?

In dem Verfahren des Vorabentscheidungsersuchens des Audiencia Nacional (Spanien) zwischen der spanischen Datenschutzbehörde (AEPD) und Google vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) (Aktenzeichen C-131/12), hat der zuständige Generalanwalt Jääskinen heute seine Schlussanträge gestellt. Die Ausführungen zur Anwendbarkeit europäischen bzw. national-staatlich umgesetzten Datenschutzrechts, scheinen jedoch diskussionswürdig. Die Schlussanträge sollen dem EuGH als Leitlinien für seine Entscheidungen dienen. Gebunden ist er hieran freilich nicht.
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Schadenersatz bei unerlaubter Verarbeitung personenbezogener Daten?

Eine kürzlich veröffentlichte Studie der OECD hat die Berechnungsmethoden und offiziellen wie auch inoffiziellen Marktpreise für verschiedene Arten personenbezogener Daten untersucht. Danach liege der Preis für die Daten zur Insolvenzauskunft eines US-Bürgers etwa bei 26.5 US-Dollar, für eine unveröffentlichte Telefonnummer müsste man 10 US-Dollar zahlen.

Schadenersatz bei rechtwidriger Datenverarbeitung?

Häufig wird der Betroffene von derlei Datenhandel überhaupt nichts mitbekommen. Welche rechtliche Möglichkeit besteht aber, wenn er dennoch Kenntnis erlangt? Kann er dann von dem Verantwortlichen Schadenersatz in Höhe des wirtschaftlichen „Wertes“ seiner Daten verlangen? Sollte es sich um besonders sensible Informationen handeln, kann er dann auch einen immateriellen, also finanziell nicht messbaren, Schaden geltend machen?
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