Urteil: DSGVO-Rechenschaftspflicht entbindet Aufsichtsbehörde nicht von eigener Prüfung und Sachverhaltsermittlung

Eine Neuerung der DSGVO ist die bekannte Rechenschaftspflicht des Art. 5 Abs. 2 DSGVO, obwohl man auch ehrlich zugeben muss, dass niemand so genau weiß, wie diese in der Praxis konkret umzusetzen ist. Möglich ist sicher eine umfassende Dokumentation und die Einführung eines Datenschutz-Managements. Die Vorschrift selbst lässt aber großen Spielraum für andere Spielarten des Nachweises.

Zuweilen wird auch darüber diskutiert, ob denn mit der Rechenschaftspflicht eine Art Beweislastumkehr für Verantwortliche einhergeht. Dass diese also nachweisen müssten, dass keine Verletzung der DSGVO vorliegt. Insbesondere aus Behördensicht wäre eine solche Auslegung des Art. 5 Abs. 2 DSGVO natürlich immens vorteilhaft, da die Aufsichtsbehörde „nur“ die Nachweise anfordern müsste, aus denen die DSGVO-Compliance hervorgehen müsste.

In einem Urteil aus Dezember 2020 hat sich das Verwaltungsgericht Mainz (Urt. v. 17.12.2020, 1 K 778/19.MZ) zumindest kurz mit dieser Frage beschäftigt und eine für datenverarbeitende Unternehmen eher positive Position eingenommen. Das Urteil wurde in der Datenschutz-Community v.a. wegen des materiellen Kerns des Rechtsstreits, nämlich zur Frage einer Verschlüsselungspflicht bei E-Mails, diskutiert. Ich möchte hier aber auf den, meines Erachtens wirklich sehr relevanten Aspekt des Umfangs der Rechenschaftspflicht und eine daneben weiter existierende Ermittlungspflicht der Datenschutzbehörden eingehen.  

In dem Verfahren erteilte die Datenschutzbehörde Rheinland-Pfalz dem Kläger eine Verwarnung, weil dieser personenbezogene Daten ohne ein dem Risiko angemessenes Schutzniveau verarbeitet habe. Zur Begründung führte die Behörde aus, dass ein Verstoß gegen Art. 5 Abs. 1 lit. f und Abs. 2 DSGVO vorliege. Der Versand per unverschlüsselter E-Mail biete keine ausreichende Sicherheit für Nachrichten, die sensible Informationen enthielten.

Hiergegen klagte der betroffene Rechtsanwalt und das Gericht hob den Bescheid der Datenschutzbehörde auf.

Das VG stellt fest, dass nicht davon auszugehen gewesen sei, dass es sich jedenfalls um derart schutzbedürftige Datenverarbeitungsvorgänge handelte, bei denen für die tatsächlich erfolgte Art der Versendung im Einzelfall kein angemessenes Schutzniveau gewährleistet war.

Und nun eine erste interessante Aussage: „Allein die pauschale subjektive Einschätzung des Beklagten im Bescheid vom 14. August 2019, dass es sich um „sensible“ Informationen handle, kann hier nicht den seinerseits angenommenen erhöhten Schutzbedarf rechtfertigen“.

Bedeutet: nur weil die Behörde davon ausgeht, dass es sich um besonders schützenswerte Daten handelt, muss dies objektiv betrachtet nicht wirklich so sein. Dies bezog sich hier konkret auf die Sensibilität von Daten (und das erforderliche Schutzniveau), kann aber meines Erachtens auch für andere Tatbestandsmerkmal in der DSGVO angewendet werden.

Das VG sieht durchaus, dass es die Rechenschaftspflicht gibt. So ist der Kläger gemäß Art. 5 Abs. 2 DSGVO für die Einhaltung der Voraussetzungen des Art. 32 Abs. 1 DSGVO nachweispflichtig. Und dann kommt die zweite wichtige Aussage:

allerdings entbindet dies die beklagte Aufsichtsbehörde nicht davon, ihre Auffassung – auf Grundlage der (nachgewiesenen) Angaben des Verantwortlichen und sonstiger Ermittlungen – nachvollziehbar darzulegen, warum im Einzelfall das angemessene Schutzniveau durch die entsprechenden Maßnahmen nicht gewahrt war. Es hätte zudem für den Beklagten im Rahmen der Amtsermittlung naheliegen müssen, das entsprechende Schreiben des Klägers schon im Verwaltungsverfahren anzufordern“.

Das Gericht stellt zum einen fest, dass allein die Rechenschaftspflicht nicht dazu führt, dass die Behörde auf eigene Ermittlungen verzichten darf, um ihre rechtliche Position nachvollziehbar begründen zu können. Dies bedeutet, dass mithin Nachweise aus der Rechenschaftspflicht natürlich verwendet werden können. Dennoch aber auch eigene Ermittlungen bzw. Gründe für die Behördenansicht darzulegen sind.

Und zum anderen verweist das Gericht auf den verwaltungsrechtlichen Amtsermittlungsgrundsatz, der ebenfalls unabhängig von der Rechenschaftspflicht besteht.

Insgesamt also aus Sicht der datenverarbeitenden Unternehmen eine interessante Entscheidung, die im Grunde zeigt, dass Behördenansichten erst einmal auch „nur“ Ansichten sind, die aber auch nachvollziehbar begründet werden müssen. Für verwaltungsrechtliche Auseinandersetzungen ist dies einer von mehreren wichtigen Aspekten, auf die Unternehmen bei einer Verteidigung achten sollten.

Drittstaatentransfers: Deutsche Behörden planen Begutachtung der Rechtslage in den USA und Stichprobenprüfung bei Unternehmen

Kürzlich wurde das Protokoll der 100. Sitzung der DSK im Internet veröffentlicht (pdf).

Neben anderen praxisrelevanten Themen haben sich die deutschen Datenschutzbehörden in ihrer Sitzung Ende November 2020 auch mit Umsetzung der Vorgaben des EuGH aus dem Schrems —Urteil befasst (siehe Top 22).

So hat die Behörde aus Berlin vorgeschlagen, „hinsichtlich der Rechtssituation in den USA ein Gutachten zu beauftragen“. Wichtig ist der Behörde ein gemeinsames Vorgehen der Aufsichtsbehörden zur Umsetzung des Urteils. Laut dem Protokoll soll nun der DSK-Vorsitz ein Umlaufverfahren hinsichtlich der Beauftragung eines Gutachtens sowie dessen Finanzierung einzuleiten.

Die Initiative aus Berlin ist meines Erachtens durchaus praxisrelevant. Zum Teil wird ja sowohl dem EuGH als auch den Aufsichtsbehörden vorgehalten, sich nicht genauer mit der Rechtslage in den USA befasst zu haben. Dieses Argument kann auch bei der rechtlichen Beurteilung von Schutzmaßnahmen, die man ergänzend zu EU-Standarddatenschutzklauseln vereinbart, Bedeutung haben. Denn der Exporteur in der EU soll ja nach dem Urteil des EuGH (mit Unterstützung des Importeurs) beurteilen, wie sich die Rechtslage in dem jeweiligen Drittland in Bezug auf den Importeur und durch diesen verarbeitete Daten auswirkt.

Eventuell ist nun von Behördenseite angedacht, diese „Lücke“ zu schließen und, zumindest auf Behördenseite, eine Begutachtung der Rechtslage in den USA stets verfügbar zu haben. Für Unternehmen, die sich z.B. in einem Prüfverfahren mit der Behörde befinden, kann dies etwa auch dazu führen, dass sie sich gegen Aussagen aus dem Gutachten verteidigen bzw. diese entkräften müssen, wenn die Aufsichtsbehörde das Gutachten zur Grundlage ihrer Argumentation macht.

Wie beschrieben, soll aber nun erst einmal innerhalb der DSK abgefragt werden, ob die Behörden ein solches Gutachten in Auftrag geben möchten.  

In diesem Zusammenhang enthält das Protokoll einen weiteren wichtigen Hinweis: die Datenschutzbehörde aus Hamburg ergänzt in der Sitzung, „dass Stichproben mit Hilfe eines abgestimmten Fragebogens hinsichtlich der Umsetzung des Schrems II-Urteil bei Verantwortlichen durchgeführt werden sollen“. Die Aufsichtsbehörden solle einzeln über eine Teilnahme an dieser Abfrage entscheiden.

Nach meiner Kenntnis, liegt ein innerhalb der DSK abgestimmter Fragebogen zur Prüfung von Drittstaatentransfers aktuell noch nicht vor. Dies schließt freilich nicht aus, dass etwa die Behörde aus Hamburg, wie im Protokoll angekündigt, auch selbstständig entsprechende Prüfungen startet. Letzte Anmerkung dazu: die Prüfung soll bei „Verantwortlichen“ durchgeführt werden. Also wohl nicht bei Dienstleistern mit Sitz in der EU, die Daten in Drittländer übermitteln.  

DSGVO-Bußgeld ohne Sachverhaltsermittlung?

Heute hat die Niedersächsische Datenschutzbehörde bekannt gegeben, dass sie ein Bußgeld in Höhe von über 10 Mio Euro gegen die notebooksbilliger.de AG verhängt hat. Inhaltlich soll es um eine länger andauernde Videoüberwachung von Mitarbeitern gehen, die nach Ansicht der Behörde unzulässig erfolgte.

Das Unternehmen hat sich ebenfalls öffentlich zu dem Bußgeld geäußert und wird gegen den Bescheid vorgehen.

Ich möchte mich hier zu diesem konkreten Verfahren gar nicht äußern. Wir werden (sollte die LfD den Bescheid nicht aufheben) wohl sicher noch eine gerichtliche Entscheidung in dieser Sache erleben.

Auf welchen praxisrelevanten Aspekt ich hinweisen möchte, ist der Vorwurf von notebooksbilliger.de an die LfD, dass die Behörde nicht selbst vor Ort war und die Kamerasysteme in Augenschein genommen hat. Auf der Webseite des Unternehmens heißt es:

Zu keinem Zeitpunkt war das Videosystem darauf ausgerichtet, das Verhalten der Mitarbeiter oder deren Leistungen zu überwachen. Das von der Datenschutzbeauftragten suggerierte Klima der Furcht ist eine haltlose Unterstellung und gefährdet unseren Ruf.

Außerdem hat trotz mehrmaliger Einladung durch NBB kein Mitarbeiter der Behörde in den Lagern oder Versandzentren des Unternehmens mit Mitarbeitern gesprochen. Es wurde sich also weder ein Bild von den Kameras gemacht noch über Arbeitsprozesse und die Unternehmenskultur informiert“.

Untersuchungsgrundsatz nach VwVfG

Im Kern steht hier also der Vorwurf im Raum, dass die Aufsichtsbehörde ihre Pflicht zu Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts (Untersuchungsgrundsatz, § 24 VwVfG) verletzt hat. Diese verwaltungsrechtliche Anforderung entstammt nicht dem Datenschutzrecht, aber ist selbstverständlich von den Datenschutzbehörden zu beachten. Daher ist dieser Aspekt (des möglicherweise anstehenden gerichtlichen Verfahrens) auch generell für Unternehmen von Bedeutung, wenn sie sich einer Untersuchung durch Datenschutzbehörden ausgesetzt sehen.

Es wird davon ausgegangen, dass die Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts eine originäre Pflicht der zuständigen Behörde ist. Hierzu kann sie sich auch der Hilfe Dritter bedienen.

Speziell datenschutzrechtlich sieht die DSGVO eine Befugnis der Datenschutzbehörden vor, die mit der Pflicht zur Sachverhaltsermittlung korreliert. Nach Art. 58 Abs. 1 lit. f DSGVO ist die Datenschutzbehörde etwa befugt, nach dem Verfahrensrecht des Mitgliedstaats Zugang zu den Geschäftsräumen, einschließlich aller Datenverarbeitungsanlagen und -geräte, des Verantwortlichen und des Auftragsverarbeiters zu erhalten. Diese Befugnis dient gerade dazu, eine Prüfung der Einhaltung der DSGVO vornehmen zu können.

Folge bei unterbliebener Ermittlung

Der Vorwurf des Unternehmens lautet hier, dass die Behörde nicht vor Ort war, um die Kameraanlage zu prüfen. Nun könnte man evtl. argumentieren, dass eine Inaugenscheinnahme nicht zwingend erforderlich ist, wenn man stattdessen Kamerapläne und weitere Beschreibungen oder Fotos erhält. Gerade bei dem Einsatz von Kameras erscheint meines Erachtens aber der persönliche Eindruck vor Ort durchaus von Relevanz zu sein. Nicht umsonst gibt es ja viele Urteile, die allein die Wirkung von Kameraattrappen ausreichen lassen, um eine Verletzung von Persönlichkeitsrechten anzunehmen.

Geht man davon aus, dass die Behörde den Untersuchungsgrundsatz aus § 24 VwVfG verletzt hat, muss man auf der Rechtsfolgenseite trennen.

Per se ist die mangelhafte Sachverhaltsermittlung nicht selbstständig anfechtbar, sondern nur bei einem Vorgehen gegen die Sachentscheidung (§ 44a VwGO).

Bei fehlender oder mangelhafter Aufklärung des Sachverhalts liegt ein Verfahrensfehler in Bezug auf den jeweiligen Verwaltungsakt vor, der aber „nur“ zu einer formellen Rechtswidrigkeit führt. Eine Aufhebung kommt dann nur unter den gesteigerten Voraussetzungen des § 46 VwVfG in Betracht.

Aber, und dies ist für die materielle Rechtmäßigkeit der Entscheidung relevant: wenn der Sachverhalt mangelhaft ermittelt ist, kann sich dies bei einer Ermessensentscheidung auf die materielle Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes auswirken. Aber: ein Ermessensfehler liegt grunsätzlich erst dann vor, wenn die Behörde tatsächlich vorhandene entscheidungserhebliche Gesichtspunkte außer acht gelassen oder falsch gewichtet hat.

Eine Entscheidung aus dem Datenschutzrecht (wenn auch noch zum BDSF aF) gibt es zu diesem Thema etwa vom VG Gelsenkirchen (Beschl. v. 14.10.2013 – 17 L 304/13). Dort wurde (im Eilverfahren) gegen einen Bescheid der Datenschutzbehörde NRW vorgegangen. Aus der Begründung des Gerichts:

Es ist anerkannt, dass die rechtsfehlerfreie Ermessensausübung als Grundlage einer Entscheidung die zutreffende und vollständige Sachverhaltsermittlung voraussetzt. Denn die Verwaltung kann ihren Entscheidungsfreiraum nur sachgerecht nutzen, wenn sie den wesentlichen Sachverhalt kennt“.

Und weiter:
Ermessensfehlerhaft sind daher Entscheidungen, wenn die Behörde von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen oder einer unvollständigen Sachverhaltsvorstellung ausgeht“.

In diesem Verfahren gab das Gericht dem Antragsteller recht und erkannte den Bescheid der Datenschutzbehörde bei summarischer Prüfung als materiell rechtswidrig an. Wegen Verstoßes gegen § 24 VwVfG und dessen Auswirkung auf die Ermessenentscheidung der Behörde.

Gemessen hieran begründen bereits die vorstehend angeführten Unklarheiten hinsichtlich des rechtlich relevanten Sachverhalts die Ermessensfehlerhaftigkeit des angefochtenen Bescheides“.

Auch die Verhängung eines Bußgeldes nach Art. 59 Abs. 2 lit. i, 83 DSGVO steht im Ermessen der Datenschutzbehörde (vgl. etwa VG Ansbach, Urt. v. 16.3.2020 – AN 14 K 19.00464).

Fazit

Sollte sich in einem gerichtlichen Verfahren wirklich herausstellen, dass hier der Untersuchungsgrundsatz nicht beachtet wurde, bestehen also durchaus Chancen dafür, dass der Bescheid der Behörde wegen Ermessensfehlerhaftigkeit aufgehoben wird. Unternehmen sollten diesen, zunächst evtl. rein förmlich anmutenden Aspekt, daher stets im Rahmen von behördlichen Verfahren beachten.  

Generalanwalt am EuGH: Rechtsgrundlage für die Erlangung von IP-Adressen zur Rechteverfolgung im Internet

Am 17.12.2020 hat der Generalanwalt am EuGH (GA) Maciej Szpunar in der Rechtssache C‑597/19 seine Schlussanträge vorgelegt.

In dem Verfahren geht es um die Klage einer Lizenzinhaberin aus Zypern (Mircom), die erotische Filme öffentlich wiedergeben darf. Gleichzeitig ist Mircom auch mit der Verfolgung unzulässiger öffentlicher Wiedergaben in Peer-to-Peer-Netz beauftragt.

Mircom erhob in Antwerpen Klage, mit der sie u. a. beantragte, den Internetzugangsanbieter Telenet aufzugeben, die Daten zur Identifizierung ihrer Kunden vorzulegen, deren Internetanschlüsse dazu genutzt worden seien, in einem Peer-to-Peer-Netz mittels des BitTorrent-Protokolls Filme aus dem Repertoire von Mircom zu teilen. Die IP-Adressen dieser Verbindungen wurden für Mircom von der Media Protector GmbH mittels einer speziellen Software erhoben.

Zunächst befasst sich der GA kurz mit der Frage, ob eine IP-Adresse ein personenbezogenes Datum darstellt. Mit Verweis auf das EuGH-Urteil in der Sache Breyer (C‑582/14) bejaht dies der GA, wenn Verantwortliche über ein gesetzliches Mittel zur Identifizierung der Inhaber von Internetanschlüssen verfügen.

Sodann geht es in den Schlussanträgen um die Frage der Zulässigkeit des Umgangs mit den IP-Adressen und die Rechtsgrundlage hierfür. Das vorlegende Gericht möchte wissen, ob Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO dahin auszulegen ist, dass die Speicherung der IP-Adressen der Personen, deren Internetanschlüsse für das Teilen geschützter Werke in Peer-to-Peer-Netzen verwendet wurden, wie die von Media Protector für Mircom vorgenommene, eine rechtmäßige Verarbeitung personenbezogener Daten darstellt. Es geht also um die Erhebung und Verwendung der IP-Adressen zur Verfolgung von Rechtsverletzungen.

Der Erlaubnistatbestand erfordert kumulativ:

(1) Vorliegen eines berechtigten Interesses, das von dem für die Verarbeitung Verantwortlichen oder von dem bzw. den Dritten wahrgenommen wird, denen die Daten übermittelt werden

(2) Erforderlichkeit der Verarbeitung der personenbezogenen Daten zur Verwirklichung des berechtigten Interesses

(3) kein Überwiegen der Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person

Zu (1):

Nach Ansicht des GA hängt das berechtigte Interesse im konkreten Fall auch davon ab, ob der Verantwortliche hier befugt ist, einen Antrag auf Offenlegung der IP-Adresse nach der Richtlinie 2004/48 zu stellen. Sollte dies nicht der Fall sein, bestünde auch kein berechtigtes Interesse. Oder allgemeiner: kein berechtigtes Interesse für eine Datenverarbeitung, die gegen gesetzliche Vorgaben verstößt.

Etwas allgemeiner formuliert der GA zudem, dass die ordnungsgemäße Beitreibung von Forderungen durch einen Zessionar dieser Forderungen ein berechtigtes Interesse darstellen kann, das die Verarbeitung personenbezogener Daten rechtfertigt. Damit eine solche Verarbeitung gerechtfertigt ist, muss der Zessionar jedoch anschließend diese Daten nutzen können, um die Schuldner der erworbenen Forderungen zu ermitteln. Hier kommt im konkreten Fall dann wieder die Frage ins Spiel, ob der Antrag auf Auskunft über die Namen der Inhaber der Internetanschlüsse, die durch die fraglichen IP-Adressen identifiziert wurden, zulässig ist.

Zu (2):

Bei dem Merkmal der „Erforderlichkeit“ hat der GA kein Bedenken. Die Verwendung der IP-Adresse ist seiner Ansicht nach erforderlich, um das berechtigte Interesse zu verwirklichen. Denn die Kommunikation in einem Netz von Rechnern erfolgt zwangsläufig über IP-Adressen, die verschiedenen Routern zugeordnet sind.

Jede Feststellung einer Handlung, mit der eine Datei über ein solches Netz geteilt wird, und damit einer Verletzung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten, wenn die Datei ein geschütztes Werk enthält und das Teilen ohne Zustimmung der Inhaber dieser Rechte geschieht, erfolgt zwangsläufig über die Identifizierung und Speicherung der IP-Adresse, von der aus diese Handlung vorgenommen wurde“.

Interessant an der Begründung des GA ist, dass es für die „Erforderlichkeit“ ausreicht, dass der Inhaber des Anschlusses nicht unbedingt auch der Verletzter sein muss (der die Handlung begangen hat). Doch ist dieser nach Ansicht des GA in der Lage, Auskunft über die verantwortliche Person zu erteilen, oder kann für die über seinen Internetanschluss begangenen Handlungen selbst haftbar gemacht werden. Auch dies reicht also für eine datenschutzrechtliche Erforderlichkeit aus.

Zu (3):

Hinsichtlich der Abwägung des Interesses mit den Grundrechten und ‑freiheiten der betroffenen Personen, verweist der GA darauf, dass es sich um das Vorliegen etwaiger besonderer Umstände des Einzelfalls handelt. Es ist Sache des zuständigen Gerichts, zu prüfen, ob solche besonderen Umstände vorliegen.

Landgericht Frankfurt: Kein Schadensersatzanspruch allein wegen fehlender Vereinbarung zwischen gemeinsam Verantwortlichen

Mit Urteil vom 18.9.2020 (Az. 2-27 O 100/20) hat das Landgericht Frankfurt am Main einige interessante Aussagen rund um Schadensersatzansprüche nach Art. 82 DSGVO getroffen. Ich beschränke mich hier auf solche zur gemeinsamen Verantwortlichkeit nach Art. 26 DSGVO.

Sachverhalt

In dem Verfahren ging es (vermute ich), um Ansprüche eines ehemaligen Mitglieds des Bonusprogramms von Mastercard „Priceless Specials“, bei dem es im Jahr 2019 zu einem Sicherheitsvorfall bei einem Dienstleister kam, aufgrund dessen Datensätze der Teilnehmer im Internet landeten. Der Kläger machte aus verschiedenen Gründen Schadensersatzansprüche geltend. U.a. auch mit folgender Begründung:

„Dass zwischen der Beklagten und der XXX eine Vereinbarung nach Art. 26 DSGVO fehle, obwohl beide ausweislich des vorgelegten Datenverarbeitungsvertrages Zwecke und Mittel der Verarbeitung durch die XXX festgelegt hätten, verstoße gleichfalls gegen die DSGVO.“

Der Kläger machte mit der Behauptung, es fehle an einer Vereinbarung zur gemeinsamen Verantwortlichkeit, was ihm zusätzlich nicht mitgeteilt worden sei, einen Schadensersatzanspruch in Höhe von insgesamt 1200 EUR geltend.

Entscheidung

Das LG musste sich also auch mit der Frage befassen, ob das (angebliche) Fehlen einer Vereinbarung nach Art. 26 Abs. 1 S. 2 DSGVO bereits einen ersatzfähigen Schaden für betroffene Personen darstellt. Nach Ansicht des Gerichts ist dies jedoch nicht der Fall.

Das LG führt hierzu aus:
„Überdies regelt Art. 26 DSGVO lediglich, dass bei zwei oder mehr Verantwortlichen festzulegen ist, wer welche Verpflichtung gemäß der Verordnung erfüllt. Wo der Schaden des Klägers liegen soll, wenn dies nicht geschehen ist und er nicht informiert wurde, ist nicht ersichtlich. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund des Art. 26 Abs. 3 DSGVO“.

Das Gericht geht also davon aus, dass allein ein möglichen Fehlen der Vereinbarung zwischen gemeinsam Verantwortlichen noch nicht einen ersatzfähigen Schaden begründet. Dies liegt durchaus auf der Linie auch anderer Gerichte zu dem Schadensersatzanspruch nach Art. 82 DSGVO, die stets verlangen, dass ein konkreter Schaden durch Betroffene auch nachgewiesen wird. Allein der Verstoß gegen eine DSGVO-Pflicht, berechtigt noch nicht per se zum Schadensersatz. Das LG begründet seine Ansicht zudem auch mit einem Verweis auf Art. 26 Abs. 3 DSGVO, wonach Betroffene, unabhängig von Regelungen in der Vereinbarung, ihre Rechte gegen jeden der Verantwortlichen geltend machen können.

Fazit Allein eine fehlende JC-Vereinbarung begründet für sich noch keinen Schadensersatzanspruch. Anders mag dies sein, wenn tatsächlich ein Schaden eingetreten ist, der kausal auf diesem Mangel beruht. Spannend ist sicherlich auch die Frage, ob man die Argumentation des LG auf Verträge nach Art. 28 DSGVO übertragen kann.

Landgericht Landshut: Keine Schadensersatzansprüche nach Art. 82 gegen den Datenschutzbeauftragten

Das Landgericht (LG) Landshut hatte über mögliche Schadenersatzansprüche wegen vorgebrachter Verstöße gegen die DSGVO zu entscheiden. In dem Verfahren machte ein Wohnungseigentümer Ansprüche sowohl gegen die Hausverwaltung als auch gegen den (externen) Datenschutzbeauftragten der Hausverwaltung geltend. Das LG wiese die Klage mit Endurteil vom v. 06.11.2020 – 51 O 513/20 als unbegründet ab.

Sachverhalt

Der Kläger ist Eigentümer der Eigentumswohnung und die Beklagte zu 1) die bis 31.12.2019 zuständige Hausverwaltung. Der Beklagte zu 2) ist der von der Beklagten zu 1) eingesetzte externer Datenschutzbeauftragte.

In der Wohnanlage gab es einen Legionellenbefall, von dem auch die streitgegenständliche Wohnung des Klägers betroffen war. Die Hausverwaltung wurde zu einer Eigentümerversammlung auch eine Tagesordnung an alle Wohnungseigentümer versendet. Dort wurde auch das Thema des Legionellenbefalls angesprochen, sowie die betroffenen Wohnungen und Eigentümer genannt. Hierin sah der Wohnungseigentümer einen Verstoß gegen Art. 6 DSGVO.

Entscheidung

Das LG wies die Klage als unbegründet ab.

Nach Ansicht des Gerichts lag hier durch die Nennung der Wohnung des Klägers sowie die Nennung des Namens des Klägers als Eigentümer der Wohnung kein Verstoß gegen die Vorgaben der DSGVO vor.

Zudem äußert sich das LG daneben auch zu einem möglichen Schadensersatzanspruch. Materielle Schäden wurden vom Kläger weder substantiiert vorgetragen noch belegt. Daher scheide ein solcher Anspruch auf Grundlage von Art. 82 DSGVO aus.

Auch einen Anspruch auf Ersatz eines immateriellen Schadens lehnt das LG ab. Art. 82 Abs. 1 DSGVO sehe zwar eine Erstattungspflicht für immaterielle Schäden vor. Diese Pflicht sei auch nicht nur auf schwere Schäden beschränkt.

Allein die Verletzung des Datenschutzrechts als solche begründet allerdings nicht bereits für sich gesehen einen Schadensersatzanspruch für betroffene Personen“.

Vielmehr, so das LG, muss die Verletzungshandlung in jedem Fall auch zu einer konkreten, nicht nur unbedeutenden oder empfundenen Verletzung von Persönlichkeitsrechten der betroffenen Person geführt haben.

Und zuletzt äußert sich das LG auch zu einem möglichen Schadensersatzanspruch gegen den externen Datenschutzbeauftragten der Hausverwaltung. Zurecht lehnt das LG diesen auf der Grundlage von Art. 82 DSGVO ab.

Der Beklagte zu 2) ist als Datenschutzbeauftragter nicht „Verantwortlicher“ im Sinne des Art. 4 Nr. 7 DSGVO. Verantwortlicher für Verarbeitung von personenbezogenen Daten im datenschutzrechtlichen Sinne war bezüglich der Versendung der Tagesordnung nur die Beklagte zu 1).“

Das LG wendet hier richtigerweise also „stur“ Art. 82 Abs. 1 DSGVO an. Danach besteht der Anspruch auf Schadensersatz „gegen den Verantwortlichen oder gegen den Auftragsverarbeiter“. Der Datenschutzbeauftragte ist aber keines von beiden. Nur, weil er für einen Verantwortlichen oder Auftragsverarbeiter tätig ist, tritt er nicht in dessen Pflichten nach der DSGVO ein.

Fazit

Natürlich sollte man als DSB beachten, dass man nicht im haftungsfreien Raum agiert. Es können, etwa bei rechtlicher Falschberatung, zB Ansprüche des Auftraggebers im Raum stehen. Jedoch zeigt das Urteil, dass der DSB nicht als Haftungssubjekt neben dem Verantwortlichen für Schadensersatzansprüche zur Verfügung steht.

EuGH-Urteil zur Einwilligung: Voraussetzungen der Wirksamkeit und Anforderungen an den Nachweis

Mit Urteil vom 11.11.2020 (Rechtssache C?61/19) hat der EuGH einige relevante Aussagen rund um die Wirksamkeitsanforderungen und Nachweispflichten von Verantwortlichen bei der Einholung von Einwilligungen nach der DSGVO getroffen. Zum Teil wurde das Urteil mit der Information kommentiert, dass der EuGH nur wieder einmal festgestellt habe, dass vorangekreuzte Kästchen nicht als Einwilligung taugen. Meines Erachtens enthält das Urteil jedoch durchaus mehr datenschutzrechtlichen Sprengstoff und damit Praxisauswirkungen.

Sachverhalt

Dem Urteil lag ein Verwaltungsverfahren zwischen Orange Romania und der rumänischen Datenschutzbehörde zugrunde.  Diese stellte fest, dass Orange Romania im Zeitraum vom 1. März 2018 bis zum 26. März 2018 mit natürlichen Personen Verträge über Mobiltelekommunikationsdienste in Papierform geschlossen habe, wobei diesen Verträgen Kopien der Ausweisdokumente dieser Personen angeheftet worden seien. Orange Romania habe nicht nachgewiesen, dass ihre Kunden, deren Verträgen Kopien ihrer Ausweisdokumente angeheftet gewesen seien, eine gültige Einwilligung zur Sammlung und Aufbewahrung von Kopien dieser Dokumente erteilt hätten.

Wichtig zur Einordnung des Urteils, ist die Darstellung des damaligen Verkaufsverfahrens. Es gibt zum einen Verträge, in denen das Kästchen, das die Klausel in Bezug auf die Aufbewahrung der Kopien von Dokumenten, die personenbezogene Daten mit Identifikationsfunktion enthielten, betroffen habe, angekreuzt worden sei, und zum anderen Verträge, bei denen ein solches Kreuz fehle. Orange Romania habe den Abschluss von Abonnementverträgen mit Kunden, die es abgelehnt hätten, in die Einbehaltung einer Kopie ihrer Ausweisdokumente einzuwilligen, nicht abgelehnt.

Interne Verfahren von Orange Romania zum Verkauf haben vorgesehen, dass diese Weigerung der Kunden in einem speziellen Vordruck zu dokumentieren sei, der von diesen Kunden vor Vertragsabschluss zu unterzeichnen sei.

Die Verkäufer haben die betroffenen Kunden während der Verfahren zum Abschluss Verträge vor deren Abschluss u. a. über den Zweck der Sammlung und Aufbewahrung der Kopien der Ausweisdokumente sowie über die Wahl, die die Kunden in Bezug auf diese Sammlung und Aufbewahrung hätten, unterrichtet, bevor sie mündlich die Einwilligung dieser Kunden in die Sammlung und Aufbewahrung dieser Daten erhalten hätten. Das Kästchen in Bezug auf die Aufbewahrung der Kopien von Ausweisdokumenten sei allein auf der Grundlage der von den Betroffenen bei Vertragsschluss erklärten Zustimmung angekreuzt worden. Dieser Umstand ist wichtig: das Kästchen war nicht etwa per se vorangekreuzt. Es wurde aber, nach mündlicher Rückfrage beim Kunden, durch den Verkäufer (quasi für den Kunden) angekreuzt. Im Anschluss haben dann die Kunden den ganzen Vertrag, inklusive des dann natürlich schon angekreuzten Kästchens und der betreffenden Klausel zur Einwilligung unterzeichnet.

Der EuGH hatte hierauf basierend zwei Fragen zu beantworten:

  • ob unter diesen Umständen davon ausgegangen werden kann, dass die betreffenden Kunden in die Sammlung ihrer Ausweisdokumente und der Anheftung von Kopien davon an ihre Verträge gültig eingewilligt haben.
  • ob mit der Unterzeichnung eines Vertrags, in dem es eine Klausel über die Aufbewahrung von Kopien von Dokumenten, die personenbezogene Daten mit Identifikationsfunktion enthalten, gibt, das Vorliegen einer solchen Einwilligung nachgewiesen werden kann.

Entscheidung des EuGH

Wirksamkeit der Einwilligung

Zunächst stellte sich die Frage, ob die Einwilligung zur Verarbeitung der Daten in den Ausweiskopien in der hier durchgeführten Form wirksam erteilt wurde. Der EuGH prüft die Wirksamkeit sowohl anhand der alten EU Datenschutz-Richtlinie, als auch der DSGVO.

Der EuGH verweist zunächst auf ErwG 32 und auch sein Urteil in Planet 49 (C-673/17). Danach wird ausdrücklich ausgeschlossen, dass bei „Stillschweigen, bereits angekreuzte[n] Kästchen oder Untätigkeit“ eine Einwilligung vorliegt. In einem solchen Fall ist es nämlich praktisch unmöglich, objektiv zu bestimmen, ob der Nutzer einer Website tatsächlich seine Einwilligung in die Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten gegeben hat, indem er die voreingestellte Markierung eines Kästchens nicht aufgehoben hat, und ob diese Einwilligung überhaupt in informierter Weise erteilt wurde. Die erforderliche Willensbekundung muss zudem „für den konkreten Fall“ erfolgen, was so zu verstehen sei, dass sie sich gerade auf die betreffende Datenverarbeitung beziehen muss und nicht aus einer Willensbekundung mit anderem Gegenstand abgeleitet werden kann.

Da hier die Einwilligung innerhalb des Vertragstextes enthalten war, referenziert der EuGH zudem auf Art. 7 Abs. 2 S. 1 DSGVO wonach, wenn die Einwilligung der betroffenen Person durch eine schriftliche Erklärung erfolgt, die noch andere Sachverhalte betrifft, das Ersuchen um Zustimmung in einer solchen Form erfolgen muss, dass es von den anderen Sachverhalten klar zu unterscheiden ist.

Allgemein relevant ist auch die Anforderung des EuGH an das Merkmal „in informierter Weise“ (Art. 4 Nr. 11 DSGVO). Zur Ausfüllung dieser Anforderung verweist das Gericht auf die Informationspflichten nach Art. 13 DSGVO. Der für die Verarbeitung Verantwortliche muss der betroffenen Person eine Information über alle Umstände im Zusammenhang mit der Verarbeitung der Daten in verständlicher und leicht zugänglicher Form in einer klaren und einfachen Sprache zukommen lassen. Mindestinhalt der Informiertheit der Einwilligung sind danach:

  • die Art der zu verarbeitenden Daten,
  • die Identität des für die Verarbeitung Verantwortlichen,
  • die Dauer und die Modalitäten dieser Verarbeitung
  • die Zwecke, die damit verfolgt werden,

Diese Informationen müssen den Betroffenen bekannt sein. Die Informationen müssen diese Person in die Lage versetzen, die Konsequenzen einer etwaigen von ihr erteilten Einwilligung leicht zu bestimmen.

Ganz entscheidend ist auch noch der Hinweis auf die erforderliche Freiwilligkeit. Nach dem EuGH muss eine echte Wahlfreiheit bestehen. Vertragsbestimmungen dürfen die Betroffenen nicht über die Möglichkeit irreführen, einen Vertrag abschließen zu können, auch wenn sich die Person weigert, in die Verarbeitung ihrer Daten einzuwilligen. Sind solche Hinweise zur Freiwilligkeit nicht vorhanden, kann die Einwilligung dieser Person in die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten weder als freiwillig erteilt noch im Übrigen als in Kenntnis der Sachlage oder in informierter Weise erteilt angesehen werden.

Im konkreten Fall sah der EuGH diese Anforderungen nicht als erfüllt an.

Zum einen wurde die (durch das Verkaufspersonal) angekreuzte Klausel in Bezug auf die Verarbeitung dieser Daten nicht in einer Form präsentiert, die sie klar von anderen Vertragsklauseln unterscheidet. Zum anderen hegt das Gericht Zweifel, ob die Einwilligung in informierter Weise erteilt wurde. Kritisch sieht der EuGH den Umstand, dass sich die in Rede stehende Vertragsklausel darauf beschränkt, „ohne irgendeinen anderen Hinweis die Identifikation als Zweck für die Aufbewahrung der Kopien der Personalausweise anzugeben“. Der EuGH sieht hier wohl nicht alle Anforderungen der Informiertheit als erfüllt an. Dies muss aber das vorlegende Gericht feststellen.

Zudem sieht der EuGH wohl auch die erforderliche Freiwilligkeit hier kritisch. Das vorlegende Gericht muss prüfen, „ob die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Vertragsbestimmungen die betroffene Person mangels näherer Angaben zu der Möglichkeit, den Vertrag trotz der Weigerung, in die Verarbeitung ihrer Daten einzuwilligen, abzuschließen, hinsichtlich dieses Punkts irreführen konnten und ob damit in Frage gestellt wird, dass die in dieser Unterschrift zum Ausdruck gebrachte Einwilligung in informierter Weise und in Kenntnis der Sachlage erfolgt ist“.

Was bedeutet dies für die Praxis? Die Anforderungen an eine wirksame Einwilligung bleiben hoch. Der EuGH dekliniert hier noch einmal sehr gut die wichtigsten Anforderungen an eine Einwilligung nach der DSGVO durch. Besonderes Augenmerk muss in der Praxis in jedem Fall auf eine transparente und klare Erteilung der Einwilligung, umfassende Informationen und die Sicherstellung der Freiwilligkeit und der Hinweis auf eben diese gelegt werden.

Nachweis der Einwilligung

Spannend sind sodann die Ausführungen des EuGH zu der Nachweispflicht des Verantwortlichen. Der EuGH verweist zunächst auf die Datenschutzgrundsätze. Der Verantwortliche hat nach Art. 5 Abs. 1 lit. a DSGVO u. a. die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung dieser Daten zu gewährleisten. Zudem muss er, wie Art. 5 Abs. 2 DSGVO klarstellt, in der Lage sein, diese Rechtmäßigkeit nachzuweisen. Nach Art. 7 Abs. 1 DSGVO muss der Verantwortliche nachweisen können, dass die betroffene Person in die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten eingewilligt hat, wenn die Verarbeitung auf einer Einwilligung beruht.

Vorliegend sind die Kunden nach Aussage von Orange Romania während der Verfahren zum Abschluss der Verträge vor deren Abschluss u. a. über den Zweck der Sammlung und Aufbewahrung der Kopien der Ausweisdokumente sowie über die Wahl, die die Kunden in Bezug auf diese Sammlung und Aufbewahrung hätten, unterrichtet worden. Danach hätten die Mitarbeiter mündlich die Einwilligung dieser Kunden in die Sammlung und Aufbewahrung dieser Daten erhalten und das Kästchen in Bezug auf die Aufbewahrung der Kopien von Ausweisdokumenten angekreuzt.

Dies genügt dem EuGH offensichtlich nicht.

Da die betroffenen Kunden das Kästchen, das diese Klausel betrifft, anscheinend

nicht selbst angekreuzt haben, ist der bloße Umstand, dass dieses Kästchen angekreuzt wurde, nicht geeignet, eine positive Einwilligungserklärung dieser Kunden in die Sammlung und Aufbewahrung einer Kopie ihrer Personalausweise nachzuweisen“.

Nach Ansicht des EuGH reicht der Umstand, dass die Kunden die Verträge mit dem angekreuzten Kästchen unterzeichnet haben,

„für sich genommen nicht aus, um eine solche Einwilligung nachzuweisen, sofern keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass diese Klausel tatsächlich gelesen und verstanden worden ist“.

Meines Erachtens bedeutet dies für die Praxis, dass etwa allein der interne Vermerk „Kunde hat zugestimmt“ durch einen Mitarbeiter im Rahmen von Kundengesprächen nicht als Nachweis einer erteilten Einwilligung ausreicht. Dies dürfte vor allem für Telefongespräche oder auch allgemein Verkaufsgespräche relevant sein, in denen der Mitarbeiter des Unternehmens während des Gesprächs parallel zB einen Vertrag ausfüllt. Man denke hier insbesondere auch an Call-Center. Im Grunde ist das Urteil für jegliche Situation relevant, in der die Einwilligung mündlich erteilt wird.

Der EuGH sieht diese Art der Nachweisführung jedoch nicht per se als ungeeignet an. Er ergänzt ausdrücklich „sofern keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass diese Klausel tatsächlich gelesen und verstanden worden ist“. Das bedeutet, dass Unternehmen in der Praxis durchaus das Häkchen für den Kunden setzen dürfen, dies jedoch nur dann der Nachweispflicht genügt, wenn zusätzlich (prozessuale) Maßnahmen vorgesehen sind, die belegen können, dass der Betroffene die Einwilligung selbst und die dazugehörigen Informationen auch zur Kenntnis genommen hat. Der Nachweis, dass der Vertrag mit der entsprechenden Klausel unterzeichnet wurde, reicht nicht aus.

Die Anforderung des EuGH, dass der Kunde die Klausel wirklich auch gelesen haben muss, ist meines Erachtens eher im Sinne einer „Kenntnisnahme“ zu verstehen. Denn wir soll man als Verantwortlicher in der Praxis sicherstellen, dass ein Betroffener wirklich den Text liest? Selbst wenn man ihm die Klausel zum Lesen vorlegt, könnte er ja (salopp formuliert) nur auf das Blatt starren. In diesem Fall zu fordern, dass das Unternehmen den Nachweis des Lesens erbringt, halte ich persönlich für überspitzt.

Bundesdatenschutzbeauftragter: Prüfschema für Datentransfers in Drittländer

Die Auswirkungen des EuGH-Urteils in Schrems II (C-311/18) sind in der Praxis weiterhin ein wichtiges Thema. Viele Unternehmen versuchen (Anm: viel mehr geht aktuell wohl auch nicht), ihre eigenen Datentransfers zu prüfen und, wo möglich, zusätzliche Garantien mit Datenempfängern zu vereinbaren. Wie diese vom EuGH angesprochenen „zusätzlichen Maßnahmen“ (Rz. 133) konkret aussehen, wissen wir immer noch nicht. Der EDSA soll hierzu wohl noch Leitlinien veröffentlichen.

Bis es soweit ist, könnte für Unternehmen eventuell auch eine Veröffentlichung des Bundesbeauftragten für Datenschutz (BfDI) interessant sein. Der BfDI veröffentlicht auf seiner Webseite ein „Prüfschema Drittländertransfer“ (PDF). Laut den Angaben auf der Webseite dient das Prüfschema „der strukturierten Überprüfung zum Datentransfer in Drittländer“. Zudem verlangt der BfDI, dass das Ergebnis dieser Prüfung nachvollziehbar und überprüfbar dokumentiert wird. Zwar ist der BfDI vor allem für die öffentlichen Stellen des Bundes und im privatwirtschaftlichen Bereich für Unternehmen aus den Branchen Post und Telekommunikation zuständig. Nichts desto trotz kann ein Blick in das Prüfschema meines Erachtens auch für Unternehmen, die nicht direkt der Aufsicht des BfDI unterliegen, sinnvoll sein. Denn wie sagt ein von mir sehr geschätzter Landesbeauftragter immer (frei zitiert): „Kein Unternehmen muss schlauer als die Aufsichtsbehörde sein“.

Das Prüfschema enthält verschiedene Prüfschritte:

  • Datentransfers prüfen
  • Vorliegen Angemessenheitsbeschluss
  • Schutzniveau im Drittland: Einzelfallanalyse
  • Prüfung Schutzmechanimus
  • Definierung zusätzlicher Maßnahmen
  • Implementierung zusätzlicher Maßnahmen
  • Ausnahmen nach Art. 49 DSGVO
  • Dokumentation
  • Meldung an die Aufsichtsbehörde

Ganz interessant in Bezug auf die Frage, ob Standardvertragsklauseln (SCC) genehmigungsfrei angepasst werden dürfen (hier meine Meinung zu dieser Frage), finde ich die folgende Aussage des BfDI:

Hinweis: Eigenständige vertragliche Lösungen bedürfen als ad-hoc-Klauseln einer Genehmigung durch die zuständige Aufsichtsbehörde. Änderungen an Standard-Datenschutzklauseln behalten ihre Gemehmigungsfreiheit nur, solange diese weder mittelbar noch unmittelbar im Widerspruch zum Inhalt der erlassenen Standard-Datenschutzklauseln stehen“.

Der BfDI geht also meiner Ansicht davon aus, dass 1) eine Anpassung der SCC nicht per se zur Genehmigungspflicht führt und 2), dass die Genehmigungsfreiheit dann besteht, wenn die Anpassungen nicht im „Widerspruch“ zu den Klauseln stehen. Dies ist aus praktischer Sicht auf jeden Fall begrüßenswert. Natürlich wird in der Praxis dann immer die entscheidende Frage sein, wann denn ein solcher Widerspruch vorliegt.

Europäischer Datenschutzbeauftragter: Strategie für EU-Institutionen zur Einhaltung des „Schrems II“-Urteils

Der Europäische Datenschutzbeauftragte (EDPS), also die Aufsichtsbehörde für die Institutionen der EU, hat gestern ein interessantes Papier für eine Stratege zur Einhaltung der Vorgaben des Schrems II Urteils des EuGH veröffentlicht (pdf). Dort wird dargelegt, wie nach Ansicht der Aufsichtsbehörde die EU-Institutionen nun kurz- und mittelfristig mit Datentransfers in Drittländer (insbesondere die USA) umgehen sollten.

Die Vorgaben und Empfehlungen des EDPS sind meines Erachtens auch eine gute Arbeitshilfe für Unternehmen im privatwirtschaftlichen Bereich, die ja vor derselben Herausforderung stehen.

Ziel der Strategie

Nach Aussage des EDPS zielen die Strategie und darin enthaltende Empfehlungen darauf ab, die Einhaltung des Urteils durch die Organe, Einrichtungen, Ämter und Agenturen der Europäischen Union zu gewährleisten und zu überwachen. Das Dokument befasst sich sowohl mit kurz- als auch mit mittelfristigen Maßnahmen für die EU-Institutionen und den EDPS.

Inhalt der Strategie

Die Vorgaben unterscheiden zwischen kurzfristigen und mittelfristigen Einhaltungsmaßnahmen wurde. Als kurzfristige Maßnahme erließ der EDPS am 5. Oktober 2020 eine Anweisung an die EU-Institutionen, eine Bestandsaufnahme durchzuführen, um festzustellen, bei welchen laufenden Verträgen, Beschaffungsverfahren und anderen Arten der Zusammenarbeit Daten übertragen werden. Als mittelfristige Maßnahme wird der EDPS Leitlinien bereitstellen und von Fall zu Fall Maßnahmen zur Einhaltung und/oder Durchsetzung der Datenschutzvorschriften bei Übermittlungen in die Vereinigten Staaten oder andere Drittländer verfolgen. Zudem sollen die EU-Institutionen aufgefordert werden, von Fall zu Fall Transfer Impact Assessments (TIAs) durchzuführen, um für den jeweiligen Transfer zu ermitteln, ob im Bestimmungsdrittland ein im Wesentlichen gleichwertiges Schutzniveau, wie es in der EU/EWR vorgesehen ist, gewährleistet ist.

Nachfolgend eine Übersicht zu den Vorgaben mit einer eigenen Übersetzung. Ich denke, dass man aus Sicht eines Unternehmens nicht alle Vorgaben direkt übernehmen kann. Jedoch ist dieser Umsetzungsplan des EDPS ein guter Anhaltspunkt, wie man im Unternehmen sein eigenes „Schrems II-Projekt“ aufsetzen könnte.

Der EDPS hält einen zweigleisigen Ansatz für den geeignetsten:

(1) Ermittlung dringender Maßnahmen zur Einhaltung und/oder Durchsetzung der Vorschriften durch einen risikobasierten Ansatz für Übermittlungen in die USA, die für die betroffenen Personen mit hohen Risiken verbunden sind, und parallel dazu

(2) Bereitstellung von Leitlinien und Verfolgung mittelfristiger fallweiser Maßnahmen zur Einhaltung und/oder Durchsetzung der Vorschriften des EDPS für alle Übermittlungen in die USA oder in andere Drittländer.

Die Strategie des EDPS zur Gewährleistung und Überwachung der Einhaltung des Urteils ist im Wesentlichen in zwei Phasen mit kurz- und mittelfristigen Maßnahmen unterteilt.

1. Kurzfristig – Bestandsaufnahme (mapping) und unmittelbare Einhaltungsprioritäten

Bestandsaufnahme

Der EDPS erteile EU-Institutionen die Anweisung, eine Bestandsaufnahme aller laufenden Verarbeitungsvorgänge und Verträge durchzuführen, die Übermittlungen in Drittländer beinhalten. Die Institutionen werden aufgefordert, bis Ende Oktober eine Bestandsaufnahme durchzuführen, um Datenübermittlungen für laufende Verträge, Beschaffungsverfahren und andere Arten der Zusammenarbeit zu ermitteln. Die Bestandsaufnahme der EU-Institutionen sollte folgend Daten enthalten:

  • die Verarbeitungsvorgänge,
  • die Bestimmungsorte,
  • die Empfänger,
  • die verwendeten Übertragungsinstrumente,
  • die Arten der übertragenen personenbezogenen Daten,
  • die Kategorien der betroffenen Personen sowie
  • Informationen über Weiterleitungen beschreiben.

Rückmeldung an den EDPS

Bis spätestens 15. November 2020 sollen die EU-Institutionen dem EDPS über spezifische Risiken und Lücken berichten, die sie bei dieser Bestandsaufnahme ermittelt haben. Darüber hinaus müssen sie dem EDPS spezifische und transparente Informationen über drei Hauptkategorien von Datenübermittlungen vorlegen, die wahrscheinlich höhere Risiken für die Rechte und Freiheiten natürlicher Personen bergen und vom EDPS vor Ende 2020 als Aufsichtsprioritäten ermittelt wurden:

  • illegale Übermittlungen, die nicht auf einem Übermittlungsinstrument beruhen;
  • Übermittlungen, die auf einer Ausnahmeregelung nach Artikel 50 der Verordnung beruhen; und
  • „risikoreiche Übermittlungen“ in die USA an Stellen, die eindeutig unter Abschnitt 702 FISA oder E.O. 1233319 fallen und bei denen es sich entweder um groß angelegte Verarbeitungsvorgänge oder komplexe Verarbeitungsvorgänge oder um die Verarbeitung sensibler Daten oder Daten sehr persönlicher Art handelt.

Auf der Grundlage dieser ersten Berichterstattung kann der EDPS Durchsetzungsmaßnahmen ergreifen, um diese Übermittlungen mit der Verordnung in Einklang zu bringen oder diese Übermittlungen gegebenenfalls auszusetzen.

2. Mittelfristig – Leitlinie des EDSA und Transfer Impact Assessments

Transfer Impact Assessments (TIAs)

Die EU-Institutionen werden aufgefordert, von Fall zu Fall Transfer Impact Assessments (TIAs) durchzuführen, um festzustellen, ob im Bestimmungsdrittland ein im Wesentlichen gleichwertiges Schutzniveau wie in der EU/EWR gewährleistet ist.

Im Anschluss an die erwartete Leitlinie des Europäischen Datenschutzausschusses zu geeigneten ergänzenden Maßnahmen wird der EDPS eine Liste von Vorfragen für Verantwortliche zur Verfügung stellen, damit diese TIAs mit Datenimporteuren einleiten können.

Auf der Grundlage dieser Bewertungen, die mit Hilfe von Datenimporteuren durchgeführt werden, sollten die EU-Institutionen eine Entscheidung darüber treffen, ob es möglich ist, die in der Bestandsaufnahme ermittelten Transfers fortzusetzen.

Rückmeldung an den EDPS

Abhängig vom Ergebnis der TIAs sollen die EU-Institutionen dem EDPS im Laufe des Frühjahrs 2021 über die folgenden drei Kategorien von Datentransfers Bericht zu erstatten:

  • Übermittlungen in ein Drittland, die kein im Wesentlichen gleichwertiges Schutzniveau gewährleisten;
  • Übermittlungen, die ausgesetzt oder beendet werden, sind gemäß Art. 47 Abs. 2 der Verordnung 2018/1725 zu melden, wenn die EU-Institution der Auffassung ist, dass das Drittland kein im Wesentlichen gleichwertiges Schutzniveau gewährleistet;
  • Bei Übertragungen, die auf Ausnahmeregelungen beruhen, sind Kategorien von Fällen, in denen Art. 50 der Verordnung 2018/1725 angewandt wurde, gemäß Art. 50 Abs. 6 der Verordnung zu melden.

Verwaltungsgericht Berlin: wann bestehen „begründete Zweifel“ an der Identität des Betroffenen im Rahmen einer Auskunft?

Das Verwaltungsgericht Berlin (VG) hatte mit Urteil vom 31.8.2020 (1 K 90.19) in einem Fall zu entscheiden, in dem es um die Frage ging, wann ein datenschutzrechtlich Verantwortlicher (hier: das Amtsgericht Tiergarten) „begründete Zweifel“ an der Identität eines Betroffenen gegen einen Auskunftsanspruch vorbringen kann.

Sachverhalt

Der Kläger begehrte schriftliche Auskunft über die beim Amtsgericht Tiergarten zu seiner Person gespeicherten persönlichen Daten. Diesen Auskunftsantrag lehnte der Präsident des Amtsgerichts Tiergarten mit Bescheid vom 17. Januar 2019 ab, weil der Kläger seine Identität nicht in der erforderlichen Form nachgewiesen habe. Der Präsident des Amtsgerichts Tiergarten verlangte hierzu die Vorlage einer Kopie des Personalausweises des Klägers. Der Widerspruch des Klägers hatte keinen Erfolg und er klagte schließlich gegen die Ablehnung.

Entscheidung

Das VG gab der Klage statt. Nach Ansicht des Gerichts konnte sich das Amtsgericht hier nicht auf die Ausnahmeregelung in § 59 Abs. 4 BDSG berufen. Dort ist geregelt, dass der Verantwortliche, wenn er begründete Zweifel an der Identität einer betroffenen Person hat, er von ihr zusätzliche Informationen anfordern kann, die zur Bestätigung ihrer Identität erforderlich sind. Die Vorschrift geht auf Art. 12 der Richtlinie 2016/680 zurück, die für Datenverarbeitungen im Bereich Polizei und Justiz.

Eine ähnliche Regelung findet sich praktisch wortgleich auch in Art. 12 Abs. 5 DSGVO. Aus diesem Grund ist die Begründung des VG in seiner Entscheidung meines Erachtens auch für Unternehmen im Anwendungsberiech der DSGVO interessant.

Strittig war hier also allein die Frage, ob der Kläger sich in der vom Beklagten verlangten qualifizierten Form legitimieren muss, um die beantragte schriftliche Auskunft erhalten zu können. Dies sieht das VG nicht so.

Zunächst interpretiert das VG den Begriff der „begründeten Zweifel“. Es geht davon aus, dass der auskunftspflichtige Verantwortliche ohne besonderen keinen Identitätsnachweis von einem Antragsteller verlangen darf.

Fraglich war dann, ob ein solcher besonderer Anlass oder besondere Umstände vorlagen. Auch dies lehnt das Gericht ab. Der Kläger als Betroffener begehrte Auskunft (wohl) auf postalischem Weg. Die Anschrift des Klägers war dem Amtsgericht aber schon seit längerem bekannt. Das Amtsgericht Tiergarten hatte dem Kläger schon in der Vergangenheit verschiedene Entscheidungen unter seiner gegenwärtigen Adresse übersandt.

Zudem, und dies ist auch ein interessanter Punkt in der Begründung, fehlt nach Ansicht des VG jeder Anhaltspunkt dafür, dass ein Dritter Interesse an der begehrten Auskunft haben könnte und deshalb unter Benutzung einer falschen Identität die Auskunft erschleichen könnte.

Das VG argumentiert also wie folgt: wenn die postalische Adresse schon bisher genutzt wurde, um mit dem Betroffenen zu kommunizieren und keine Anhaltspunkte für unzulässiges Handeln Dritter erkennbar sind, kann man nicht von „begründeten Zweifeln“ ausgehen.

Zuletzt führt das VG aus, dass das Amtsgericht als Verantwortlicher durch eine förmliche Zustellung seines Auskunftsschreibens dessen Fehlleitung unterbinden kann. Auch dieser Hinweis ist für den Anwendungsbereich der DSGVO relevant und meines Erachtens auch in der Praxis dringend anzuraten. Der Versand von Auskunftsschreiben sollte nachweisbar erfolgen (allein um auch die Fristen einzuhalten). Also etwa per Einschreiben.

Fazit

Die Begründung des VG ist meines Erachtens schlüssig. Auch wenn man für den postalischen Auskunftsweg hypothetische Unsicherheitsfaktoren berücksichtigen kann (Bsp: jemand fängt den Brief ab), darf dies nicht per se dazu führen, dass eine Auskunft verweigert wird. Ist aus vergangener Korrespondenz klar, dass der Betroffene unter dieser Adresse kommuniziert, müssten besondere Anhaltspunkte hinzutreten, um „begründete Zweifel“ an der Identität annehmen zu können.