Generalanwalt: Zulässigkeit der (zweckändernden) Verarbeitung von Kundendaten für Zwecke der Datensicherheit

In seinen Schlussanträgen in der Rs. C-77/21 vom 31.03.2022 des Generalanwalts Pikamäe, äußert sich dieser zu zwei interessanten Fragen, wenn es um eine Verarbeitung von Kundendaten nicht nur für die Vertragsdurchführung, sondern auch für Zwecke der Datensicherheit (insbesondere der Verfügbarkeit der Daten) geht.

  • Zum einen, ob die Verarbeitung, die auf die Einhaltung der Pflichten aus Art. 5 Abs. 1 lit. f, Art. 32 DSGVO gerichtet ist, eine Zweckänderung darstellt
  • Zum anderen, ob, bei Vorliegen eines anderen Zwecks, die Weiterverarbeitung nach Art. 6 Abs. 4 DSGVO zulässig ist

Sachverhalt

In dem Verfahren aus Ungarn ging es um eine Klage eines Anbieters von Internet- und Fernsehdiensten (Digi) gegen eine Entscheidung der ungarischen Datenschutzbehörde.

Im April 2018 richtete Digi, nach einer technischen Serverstörung unter der Bezeichnung „test“ eine Datenbank ein, in die es personenbezogene Daten von ungefähr einem Drittel der Privatkunden kopierte. Am 23.09.2019 erfuhr Digi, dass ein „ethischer Hacker“ auf die personenbezogenen Daten von rund 322.000 Personen zugegriffen hatte. Der Hacker setzte das Unternehmen schriftlich davon in Kenntnis. Digi behob den Fehler, schloss mit dem Hacker eine Vertraulichkeitsvereinbarung und zahlte ihm eine Belohnung.

Digi meldete danach am 25.09.2019 die Verletzung des Schutzes personenbezogener Daten der Datenschutzbehörde, die daraufhin ein Untersuchungsverfahren einleitete. Die Behörde stellte nachfolgend Verstöße gegen Art. 5 Abs. 1 lit. b und e DSGVO fest. U.a. mit dem Argument, dass Digi die Testdatenbank nach der Durchführung der notwendigen Tests und Fehlerbeseitigungen nicht gelöscht und dadurch in dieser Testdatenbank eine große Menge personenbezogener Daten fast 18 Monate ohne irgendeinen Zweck und in einer Weise gespeichert habe, die die Identifizierung der betroffenen Personen ermöglicht habe.

Einschätzung des Generalanwalts

In seinen Schlussanträgen befasst sich der Generalanwalt u.a. mit den beiden oben beschriebenen Fragen.

Liegt eine Zweckänderung vor?

Fraglich war zunächst, ob das Kopieren und Speichern der Daten in der „test“ Datenbank eine Zweckänderung im Vergleich zu dem Zweck der Erhebung der Kundendaten darstellt.

Interessant ist hier, dass die Europäische Kommission nicht von einer zweckändernden Verarbeitung ausgeht. Die Verarbeitung der Daten für den Zweck der Sicherheit der Daten also von dem ursprünglichen Erhebungszweck (Durchführung der Kundenverträge) umfasst sieht. Eine solche Verarbeitung,

die auf die Einhaltung der dem für die Verarbeitung Verantwortlichen durch Art. 5 Abs. 1 Buchst. f der DSGVO auferlegten und in deren Art. 32 näher erläuterten Sicherheitspflicht abziele, könne nicht als Verfolgung eines neuen oder anderen Zwecks angesehen werden“.

Dies würde in der Konsequenz auch bedeuten, dass keine Vereinbarkeitsprüfung der Zweck nach Art. 6 Abs. 4 DSGVO erfolgen müsste.

Der Generalanwalt lehnt diese Auffassung jedoch ab. Dieser, seiner Ansicht nach, abstrakte und systematische Ansatz stehe im Widerspruch zu dem Erfordernis, die Rechtmäßigkeit jedes einzelnen Verarbeitungsvorgangs unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen.

Vereinbarkeit der Zwecke oder gesetzliche Grundlage (Art. 6 Abs. 4 DSGVO)

Daher ist der Generalanwalt gezwungen, in die Prüfung nach Art. 6 Abs. 4 DSGVO einzusteigen.

Er verweist zusätzlich auf die Vorgaben in ErwG 50 DSGVO. Beide Vorschriften bringen seiner Ansicht nach eine Verbindung zwischen dem Grundsatz der Zweckbindung und der Rechtsgrundlage der betreffenden Verarbeitung zum Ausdruck.

Eine Vereinbarkeitsprüfung der Zwecke ist nach Art. 6 Abs. 4 DSGVO nicht erforderlich, wenn die Verarbeitung zu einem anderen Zweck als zu demjenigen, zu dem die Daten erhoben wurden, auf der Einwilligung der betroffenen Person oder auf einer Rechtsvorschrift der Union oder der Mitgliedstaaten beruht. Dann müssen die Zwecke also gerade nicht miteinander vereinbar sein.

Wenn ja, ist der für die Verarbeitung Verantwortliche gemäß Abs. 2 des 50. Erwägungsgrundes der DSGVO berechtigt, personenbezogene Daten unabhängig von der Vereinbarkeit der Zwecke weiterzuverarbeiten“.

Ich bin ja ein Verfechter der Ansicht, dass personenbezogene Daten für Zwecke der Datensicherheit, also der Erfüllung gesetzlicher Pflichten nach Art. 32 DSGVO, auf der Grundlage von Art. 6 Abs. 1 lit. c) (Erfüllung rechtlicher Pflichten) verarbeitet werden dürfen.

Der Generalanwalt scheint diese Ansicht jedoch abzulehnen, wie sich aus seinen Anmerkungen in Fußnote 28 ergibt. Dort begründet er, dass

dass die auf Art. 6 Abs. 1 Buchst. c der DSGVO gestützten Verarbeitungen, die für die Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich sind, der der für die Verarbeitung Verantwortliche unterliegt, und insbesondere die in Art. 5 Abs. 1 Buchst. f dieser Verordnung vorgesehene Verpflichtung zur Gewährleistung einer angemessenen Datensicherheit, nicht zu den vom Erfordernis der Vereinbarkeit befreiten Verarbeitungen gehören“.

Diese „befreite“ Verarbeitung wäre eine solche, die auf Grundlage der Einwilligung oder auf einer Rechtsvorschrift der Union beruht, also etwa Art. 32, Art. 6 Abs. 1 lit. c DSGVO. Der Generalanwalt, lehnt dies jedoch ab. Ich vermute, er würde die Datenverarbeitung dann auf die Interessenabwägung nach Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO stützen.

Danach erfolgt logischerweise der Vereinbarkeitstest der beiden Zwecke nach den Vorgaben des Art. 6 Abs. 4 DSGVO.

Der Generalanwalt geht davon aus, dass

unbestreitbar eine Verbindung zwischen dem Zweck der ursprünglichen Datenerhebung, nämlich der Erfüllung des Vertrags über ein Internet- und Fernsehabonnement, und einer Verarbeitung zur Sicherung dieser Daten in einer zusätzlichen internen Datenbank und zur sicheren Durchführung von Tests zur Behebung einer technischen Störung, die für die Erbringung der vertraglich vereinbarten Dienstleistung potenziell schädlich sein könnte

besteht.

Zwar überschneiden sich die Zwecke nicht. Sie stünden aber dennoch logisch miteinander in Verbindung. Zudem geht der Generalanwalt davon aus, dass eine zusätzliche Speicherung von Daten auf einem internen Datenträger, die durch die Notwendigkeit begründet ist, eine technische Störung zu beheben, die den Zugang zu den Daten in der ursprünglichen Datenbank beeinträchtigt,

nicht als überraschend oder unwahrscheinlich angesehen werden

kann. Diese Feststellung ist sowohl für Art. 6 Abs. 4 DSGVO, aber auch für Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO, nämlich die berechtigten Erwartungen der Betroffenen, relevant.

Zudem, so der Generalanwalt, werden die betreffenden Daten weiterhin von demselben Verantwortlichen verarbeitet. Insgesamt scheint er davon auszugehen, dass die Verarbeitung für Zwecke der Sicherheit der Daten also recht unproblematisch den Vereinbarkeitstest nach Art. 6 Abs. 4 DSGVO bestehen würde.

Fazit

Das Ergebnis teile ich. Wie beschrieben, würde ich aber einen anderen Weg wählen und von einer Verarbeitung auf Grundlage von Art. 6 Abs. 1 lit. c DSGVO zur Erfüllung rechtlicher Anforderungen des Art. 32 DSGVO ausgehen. Eventuell äußert sich ja auch noch der EuGH zu der Frage der Rechtsgrundlage. Für die Praxis könnte man natürlich überlegen, ob man bereits bei Erhebung darüber informiert, dass die Daten gerade auch für Zwecke der Datensicherheit (insb. Verfpgbarkeit) verarbeitet werden. Dies könnte gegen eine Zweckänderung sprechen, da man die Daten schon von Beginn an für diesen Zweck verwendet.

Generalanwalt: Öffentlich abrufbare Daten stellen noch keine Übermittlung in ein Drittland dar

Was genau eine „Übermittlung personenbezogener Daten an ein Drittland oder eine internationale Organisation“ (Art. 45 Abs. 1 S. 1 DSGVO) darstellt, definiert die DSGVO nicht. Der EDSA hat ein, wie ich finde, sehr lesenswertes Papier (Leitlinien 05/2021 https://edpb.europa.eu/system/files/2021-11/edpb_guidelinesinterplaychapterv_article3_adopted_en.pdf PDF) zu dem Thema veröffentlicht, in dem er sich diesem Begriff definitorisch nähert und 3 Merkmale herausstellt, die für eine solche Übermittlung erfüllt sein müssen.

Interessant ist, dass der EDSA in seinem Papier eine der alltäglichsten Situationen nicht anspricht, die aber sogar unter der alten Datenschutzrichtlinie 95/46/EG schon einmal vor dem EuGH lag (in der Sache Lindqvist, C-101/01): findet eine Übermittlung in ein Drittland automatisch statt, wenn personenbezogene Daten öffentlich abrufbar im Internet, also auf einer Webseite, bereitgestellt werden?

Die Antwort auf diese Frage ist durchaus von praktischer Relevanz. Bsp: Daten zu Mitarbeitern auf Unternehmenswebseiten; Daten zu Personen auf Webseiten von News-Portalen etc.

EuGH zur alten Rechtslage

Der EuGH entschied mit Urteil vom 6.11.2003 (Rs C-101/01) noch zu Art. 25 der RL 95/46/EG, dass das Einstellen von personenbezogenen Daten auf einer Webseite, die weltweit abgerufen werden kann, keine „Übermittlung von Daten in ein Drittland“ darstellt (Rz. 70). U.a. begründete der EuGH dies damit, dass bei einer extensiven Auslegung der Übermittlung eine solche dann in jedes Land auf der Welt vorliegen würde. Und:

Damit würde die in Kapitel IV der Richtlinie 95/46 vorgesehene Sonderregelung notwendig zu einer allgemeinen Regelung für Vorgänge im Rahmen des Internets werden.

EDSA

Der EDSA äußert sich in seinen Leitlinien wie gesagt nicht konkret zu dieser Konstellation. Zwar deckt das Beispiel 1 in den Leitlinien eventuell einen Teilaspekt der Diskussion ab. Danach liegt keine Übermittlung nach Kap. V DSGVO vor, wenn ein Betroffener auf einer Webseite selbst Daten eingibt und an einen Verantwortlichen sendet, der außerhalb der EU sitzt.

Jedoch wird dort nicht die Frage beantwortet, was bei Webseiten gilt, auf denen schon personenbezogene Daten durch Verantwortliche eingestellt und öffentlich abrufbar sind. Zudem wird nicht die Konstellation angesprochen, dass der Verantwortliche für die Webseite in der EU sitzt und ob dieser dann Daten automatisch an alle Drittländer sendet.  

Generalanwalt

In seinen Schlussanträgen vom 20.1.2022 in den verbundene Rechtssachen C‑37/20 und C‑601/20 äußert sich der Generalanwalt Pitruzzella nun zumindest mittelbar zu dem Thema. Es ging dort um (teilweise) öffentlich abrufbar Daten auf online zugänglichen Registern.

Da es um den Spezialfall eines Registers ging, legt der Generalanwalt Art. 49 Abs. 1 lit. g) DSGVO aus. Es geht dort auch um die Frage, wann eine Übermittlung in ein Drittland vorliegt. Der Generalanwalt verweist darauf (Rz. 239), dass Art. 49 Abs. 1 lit. g) und Abs. 2 DSGVO speziell für jede Übertragung „aus“ einem öffentlichen Register gilt. Und dann kommt die interessante Feststellung bzw. Ansicht:

„Der Umstand, dass ein Register öffentlich ist, stellt an sich aber noch keine Übermittlung dar.“

Jetzt kann man natürlich argumentieren, dass der Generalanwalt hier allein Register und das Merkmal „aus“ interpretieren wollte. Dem lässt sich aber meines Erachtens entgegenhalten, dass der Generalanwalt ziemlich klar der Frage nachgeht, ob überhaupt eine Übermittlung nach Kap. V DSGVO vorliegt oder nicht. Zudem ist die Aussage des Generalanwalts auch abstrakt verwertbar, etwa für die Situation von Daten auf Webseiten. Darauf bezogen könnte man formulieren: der Umstand, dass eine Webseite öffentlich ist, stellt an sich noch keine Übermittlung der auf ihr vorhandenen Daten dar.

Dies lehnt er hier mit dem Argument ab, dass allein der Umstand, dass ein Register (und damit dort enthaltene Daten) öffentlich abrufbar sind, noch nicht ausreicht. Im Grunde dürfte eine solche Sichtweise mit der alten EuGH Rechtsprechung auf einer Linie liegen.

Spannend an dieser Interpretation ist, dass der Generalanwalt damit wohl auf noch keine „Form der Bereitstellung“ im Sinne von Art. 4 Nr. 2 DSGVO erkennt. Nach der Definition der „Verarbeitung“ liegt eine „Offenlegung durch Übermittlung, Verbreitung oder eine andere Form der Bereitstellung“ vor. Der EDSA verweist etwa in seinen Leitlinien auch auf dieses Merkmal der „Bereitstellung“ von Daten.  

Fazit

Der Generalanwalt begründet seine Ansicht nicht weiter. Daher wird man, wie beschrieben, die Aussage auch anders verstehen können. Eventuell wird der EuGH in dem noch folgenden Urteil etwas dazu sagen, ob hier eine Übermittlung im Sinne von Kap. V DSGVO vorliegt.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof: Datenschutz in der Lieferkette – Verantwortlicher muss DSGVO-Konformität von eingekauften Produkten sicherstellen

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat eine, wie ich finde, abstrakt relevante Ansicht zu den datenschutzrechtlichen Anforderungen an Produkte, über die personenbezogene Daten verarbeitet werden, geäußert (Beschluss v. 07.03.2022 – 4 CS 21.2254). Der VGH geht davon aus, dass eine datenverarbeitende Stelle als datenschutzrechtlich Verantwortlicher verpflichtet ist, sich bei Geräteherstellern zu vergewissern, dass die Produkte die DSGVO einhalten.  

Sachverhalt

In dem Verfahren ging es um die Frage, ob Eigentümer eines Hauses den Austausch analoger Wasserzähler durch elektronische Wasserzähler mit Funkmodul durch die öffentliche Wasserversorgungseinrichtung dulden müssen. Die Hauseigentümer wehrten sich hiergegen, u.a. mit Verweis auf das Datenschutzrecht. Ihrer Ansicht nach verfüge das einzusetzende Gerät über keine Zertifizierung durch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik und sei daher nicht sicher. Zudem sei die Erhebung von Wassertemperatur und Außentemperatur sowie das permanente Aufzeichnen zahlreicher weiterer Alarmcodes zum ordnungsgemäßen Betrieb der Wasserversorgung nicht erforderlich.

Entscheidung

Der VGH wies die Beschwerde der Eigentümer (gegen eine Entscheidung der Vorinstanz) zurück.

Der VGH geht zunächst davon aus, dass die in einem elektronischen (Funk-)Wasserzähler erfassten Verbrauchsmengen, wenn und soweit sich daraus Rückschlüsse auf das individuelle Verbrauchsverhalten einzelner Personen ziehen lassen, personenbezogene Daten der Bewohner oder sonstigen Nutzer des betreffenden Anwesens darstellen.

Es reiche nach Art. 4 Nr. 1 DSGVO aus, dass eine bestimmte natürliche Person direkt oder indirekt, insbesondere mittels Zuordnung zu einer Kennung wie etwa einem Namen, zu einer Kennnummer, zu Standortdaten oder zu einem besonderen identitätsprägenden Merkmal identifiziert werden kann. Dies sei bei dem Betrieb eines Wasserzählers zumindest dann der Fall, wenn die aufgezeichneten Verbrauchsdaten eine Wohnung oder eine sonstige Gebäudeeinheit betreffen, die von einer einzelnen Person genutzt wird. Aber auch bei gemeinsamer Nutzung durch mehrere Personen lasse sich, wenn der Wasserverbrauch durch einen elektronischen Zähler kontinuierlich aufgezeichnet wird, unter Umständen mit nur geringem Zusatzwissen Rückschlüsse auf die Verbrauchsgewohnheiten Einzelner ziehen,

Die damit einhergehende Datenverarbeitung qualifiziert der VGH als zulässig. Diese ist nach Art. 6 Abs. 1 lit. e DSGVO nur rechtmäßig, wenn sie für die Wahrnehmung einer im öffentlichen Interesse liegenden Aufgabe erforderlich ist. Die dafür nach Art. 6 Abs. 3 lit. b DSGVO notwendige Rechtsgrundlage habe der Bayerische Gesetzgeber mit der in Art. 24 Abs. 4 Satz 1 GO enthaltenen Sonderregelung zum Einsatz und Betrieb derartiger Wasserzähler geschaffen.

Zudem lehnt der VGH einen Verstoß gegen Vorschriften der DSGVO bzgl. der Sicherheit der Datenverarbeitung (Art. 5 Abs. 1 lit. f, Art. 32 DSGVO) durch den Einsatz der Wasserzähler ab.

Relevant und meines Erachtens zu einem gewissen Grad auch allgemein zu beachten, ist die Ansicht des VGH zu den Anforderungen des Einsatzes von Geräten, über die personenbezogene Daten verarbeitet werden sollen.

Zum einen geht der VGH davon aus, dass der Einsatz der Wasserzähler nicht bereits deshalb datenschutzwidrig sei, weil die Geräte keine Zertifizierung des BSI besäßen.

Der Einsatz elektronischer Verbrauchserfassungsgeräte ist ihnen nicht deshalb verwehrt, weil diese keiner Zertifizierung durch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik bedürfen“.

Diese Ansicht ist meines Erachtens begrüßenswert und richtig. So ist etwa Art. 32 DSGVO bewusst offen formuliert, um verschiedenste Faktoren bei der Prüfung der Sicherheit der Datenverarbeitung berücksichtigen zu können. Eine Zertifizierung, etwas durch das BSI, kann natürlich positiv berücksichtigt werden. Jedoch entscheidet ein solches Zertifikat nicht zwingend allein über die DSGVO-Konformität eines Produkts.

Danach führt der VGH aus:

Die Wasserversorger sind unabhängig davon für die Einhaltung der allgemeinen Sicherheitsanforderungen nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. f, Art. 32 DSGVO verantwortlich. Sie müssen sich daher vor dem Einsatz elektronischer (Funk-) Wasserzähler bei dem Gerätehersteller vergewissern, dass die gespeicherten und übermittelten Daten durch geeignete technisch-organisatorische Maßnahmen ausreichend vor dem Zugriff unberechtigter Dritter geschützt sind (LT-Drs. 17/19804 S. 2).

Das Gericht leitet hier aus Art. 5 Abs. 1 lit. f, Art. 32 DSGVO wohl die Pflicht des Verantwortlichen ab, in seiner Liefer- bzw. Einkaufskette zu prüfen, ob die eingekauften Produkte, über die später personenbezogene Daten verarbeitet werden, den Anforderungen der DSGVO genügen. Der VGH ist zwar nicht absolut klar hinsichtlich des Umfangs und der Tiefe der erforderlichen Prüfung. Er spricht aber zumindest davon, dass sich der Verantwortliche als Ausfluss seiner Pflichten aus Art. 5 Abs. 1 lit. f, Art. 32 DSGVO davon „vergewissern“ muss, dass die Geräte die datenschutzrechtlichen Vorgaben einhalten.

Fazit

Der VGH spricht in seinem Beschluss eine praxisrelevante Schutzlücke der DSGVO an. Diese verpflichtet nur Verantwortliche und Auftragsverarbeiter. Gerätehersteller und Produzenten, die selbst keine Daten verarbeiten, sondern „nur“ das Werkzeug hierfür bereitstellen, unterfallen nicht der DSGVO, im Sinne einer „Vorfeldpflicht“. Daher hängt es derzeit vor allem an den Abnehmern der Produkte, den Verantwortlichen, die DSGVO-Konformität in die Lieferkette (nach vorne) zu tragen. Etwa durch vertragliche Verpflichtungen und Zusicherungen der Hersteller. ErwG 78 DSGVO umschreibt dieses Problem wie folgt: „… sollten die Hersteller der Produkte, Dienste und Anwendungen ermutigt werden, das Recht auf Datenschutz bei der Entwicklung und Gestaltung der Produkte, Dienste und Anwendungen zu berücksichtigen und unter gebührender Berücksichtigung des Stands der Technik sicherzustellen, dass die Verantwortlichen und die Verarbeiter in der Lage sind, ihren Datenschutzpflichten nachzukommen.“

Landgericht Stuttgart: zur Zulässigkeit von Briefwerbung und eine Blacklist für Werbewidersprüche nach der DSGVO

Das LG Stuttgart hat mit Urteil vom 25.02.2022 (Az. 17 O 807/21; derzeit nur bei BeckOnline abrufbar, BeckRS 2022, 4821) einige praxisrelevante Fragen rund um die Brief-/Postwerbung behandelt. Unter anderem ging es um die Zulässigkeit von Postwerbung auf Grundlage der Interessenabwägung nach Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO und die Frage, ob eine Speicherung von personenbezogenen Daten auf einer Blacklist, zur Umsetzung von Werbewidersprüchen, möglich ist.

Sachverhalt

Der Kläger macht gegen die Beklagte Ansprüche wegen behaupteter Verletzung seiner Rechte aus der DSGVO geltend. Der Kläger erhielt an seiner Wohnanschrift postalische Werbung für Produkte einer Versicherung. Dies Werbung wurde nicht von der Versicherung direkt, sondern von der Beklagten als Dienstleisterin für Werbetreibende versendet. Der Kläger machte gegenüber der Beklagten von seinem Recht auf Löschung gemäß Art. 17 DSGVO Gebrauch und forderte die Beklagte auf, ihm Auskunft zur Verwendung seiner Daten zu erteilen sowie die bei der Beklagten vorhandenen personenbezogenen Daten des Klägers zu löschen.

In der Folge erhob der Kläger außergerichtlich Schadensersatzansprüche wegen Verletzung seiner Rechte aus der DSGVO (Art. 82 DSGVO). Der Kläger ist der Ansicht, dass die Beklagte gegen das Recht auf Löschung seiner Daten nach Art. 17 DSGVO verstoßen habe, nachdem sie diese nicht vollständig gelöscht (Sperrung) habe. Zudem ist der Kläger der Auffassung, dass persönlich adressierte Briefsendungen als Form der Direktwerbung hier nicht zulässig waren. Denn Direktwerbung setze nach Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO eine bereits bestehende Kundenbeziehung voraus, weil sie nur dann im berechtigten Interesse des Verantwortlichen liege.

Urteil

Das LG wies die Klage ab. Der Kläger habe gegen die Beklagte wegen der Zusendung der streitgegenständlichen Werbeschreibens keinen Schadensersatzanspruch aus Art. 82 DSGVO, denn es liege kein Verstoß gegen die DSGVO vor. Insbesondere war die Zusendung der Werbeschreiben und die dem zugrunde liegende Verarbeitung seiner Adressdaten rechtmäßig im Sinne von Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO.

Rechtsgrundlage, Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO

Das Gericht geht davon aus, dass die Beklagte als datenschutzrechtlich Verantwortliche ihre Interessen und die ihres Kunden (eines Dritten) an der Werbemaßnahmen als berechtigte Interessen im Sinne des Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO anführen kann. Die Verarbeitung der Kontaktdaten war zur Erreichung dieses Interesses auch erforderlich.

Die Beklagte habe

dargelegt, dass Werbebriefe wie der vorliegende ein notwendiges Mittel sind, um einerseits Bestandskunden zu pflegen, andererseits aber auch – wie hier – Neukunden zu gewinnen“.

Zudem überwiegen die Interessen des Klägers nicht die berechtigten Interessen der Beklagten bzw. die Interessen der (Werbe-) Kundin. Das LG stellt hier deutlich heraus, dass die Interessen des Betroffenen überwiegen müssen.

Bei gleichwertigen Interessen („non liquet“) darf eine Verarbeitung also stattfinden

Zudem sehe die DSGVO das Interesse der Wirtschaft an Direktwerbung als schutzwürdig an. Das LG verweist auf ErwG 47. Zwar sei damit noch nicht gesagt, dass jeder Fall der Direktwerbung gerechtfertigt ist. Allerdings lasse sich dem Erwägungsgrund entnehmen, dass die Beklagte und ihre Werbekunden hieran ein berechtigtes Interesse haben, dem gegenüber widerstreitende Interessen des Klägers überwiegen müssen.

Das LG konkretisiert in diesem Zusammenhang, was unter „Direktwerbung“ zu verstehen sei. Unter Direktwerbung im Sinne des Erwägungsgrundes sei

jede unmittelbare Ansprache der betroffenen Person etwa durch Zusendung von Briefen oder Prospekten, durch Telefonanrufe, E-Mails oder Übermittlung von SMS zu verstehen, unabhängig davon, ob zwischen Werbendem und Betroffenem zuvor ein Kundenverhältnis bestanden hat.“

Zudem lehnt das LG die Ansicht des Klägers ab. Der Wortlaut der Vorschrift setze kein bereits bestehendes Kundenverhältnis der Parteien voraus. „Direktwerbung“ betrifft also vor allem auch die Neukundenwerbung.

Zulässigkeit der Datenverarbeitung für Werbewiderspruch

Praxisrelevant ist auch die Ansicht des LG zu der Zulässigkeit der Datenverarbeitung zur Umsetzung eines Werbewiderspruchs. Der Kläger ging hier davon aus, dass die Beklagte zum Umsetzung seines Widerspruchs keine Daten verarbeiten durfte. Auch dieser Ansicht schließt sich das LG nicht an und liefert die passende Rechtsgrundlage.

Soweit die Beklagte die Daten des Klägers noch zum Zwecke der Berücksichtigung des Widerspruchs des Klägers vorhält, ist dies nach Art. 6 Abs. 1 lit. c) DS-GVO gerechtfertigt.

Fazit

Die Entscheidung des LG ist unter mehreren Gesichtspunkten praxisrelevant. Zum einen stärkt sie die grundsätzliche Zulässigkeit von Briefwerbung unter der DSGVO, die 1) ohne Einwilligung und 2) ohne das Erfordernis einer Kundenbeziehung zulässig ist. Zum andern bestätigt das Gericht die vormalige Rechtsprechung des BGH (unter altem BDSG) zur Zulässigkeit der Datenverarbeitung für die Umsetzung eines Werbewiderspruchs. Auf dieser Grundlage dürfte also etwa eine Blacklist geführt werden.

Französischer Staatsrat: One-stop-shop gilt nicht für das Setzen von Cookies – Geteilte Zuständigkeit für Trackingverfahren?

Die französische Datenschutzbehörde (CNIL) hat eine Pressemitteilung zu einem Urteil des Conseil d’État veröffentlicht (Englisch). Das urteil betrifft ein Verfahren von Google gegen eine Entscheidung der CNIL zur Unzulässigkeit des Einsatzes von Cookies.

Spannend an der Entscheidung ist u.a. die Entscheidung zur Frage der Zuständigkeit der CNIL.

Hier einige Auszüge aus der Pressemitteilung (inoffizielle Übersetzung):

In seinem Urteil vom 28. Januar 2022 hat der Staatsrat anerkannt, dass die CNIL befugt ist, Sanktionen in Bezug auf Cookies außerhalb des in der DSGVO vorgesehenen „One-Stop-Shop“-Mechanismus zu verhängen, und hat daher die von der CNIL gegen die Unternehmen GOOGLE LLC und GOOGLE IRELAND LIMITED verhängte Sanktion bestätigt.“

Der Staatsrat hat bestätigt, dass der in der DSGVO vorgesehene „One-Stop-Shop“-Mechanismus nicht für die Hinterlegung von Cookies gilt, die durch das französische Datenschutzgesetz abgedeckt ist.

Diese Ansicht ist von praktischer Relevanz, da sie zu einer Situation führen könnte, in der die Zuständigkeit für das Platzieren von Cookies (Speicherung von Informationen iSd Art. 5 Abs. 3 ePrivacy Richtlinie) und den Zugriff auf Informationen gemäß Art. 5 Abs. 3 der ePrivacy Richtlinie bei den einzelnen nationalen Behörden liegt, die weitere Verarbeitung derselben (personenbezogenen) Daten (außerhalb des Anwendungsbereichs der ePrivacy Richtlinie) jedoch unter die DSGVO und den OSS Mechanismus fallen würde, so die Voraussetzungen erfüllt sind.

Im Grunde würde also ein technischer Prozess bzw. Lebenssachverhalt auf der Ebene der Zuständigkeit und damit auch auf der Ebene der Durchsetzung aufgeteilt werden. Die Grenze könnte dort verlaufen, wo der Anwendungsbereich der ePrivacy Richtlinie (in Deutschland, das TTDSG) verlassen wird und allein die DSGVO zu beachten ist. Aus Sicht von Unternehmen könnte dies bedeuten, dass man keiner einheitlichen behördlichen Aufsicht für einen Verarbeitungsprozess im Rahmen des Einsatzes von Trackingtechnologien unterliegt, sondern in einem Prüf- oder Sanktionsverfahren zwei europäische Aufsichtsbehörden auf den Plan treten. Und eventuell auch unterschiedliche Ansichten vertreten.

Oberlandesgericht Dresden: Gesetzliche Aufbewahrungspflichten müssen für das einzelne Datum in Dokumenten geprüft werden

In seinem Urteil vom 14.12.2021 (Az 4 U 1278/21) befasst sich das Gericht u.a. mit der Frage, ob nationale Pflichten zur Aufbewahrung von Dokumenten als Rechtsgrundlage für eine weitere Speicherung jeglicher in den Dokumenten enthaltenen Daten dienen können.

Nach Auffassung des Gerichts stellen gesetzliche Aufbewahrungspflichten keine Rechtfertigung dar, um nicht rechtmäßig erhobene Daten dauerhaft speichern zu dürfen.

es ist Aufgabe des Aufbewahrungspflichtigen, seinen Datenbestand so zu organisieren, dass der Zugriff auf rechtswidrig erlangte Daten des Betroffenen nicht möglich ist.“

Konkret befasst sich das Gericht auch mit einer möglichen Rechtsgrundlage nach Art. 6 Abs. 1 lit. c DSGVO in Verbindung mit der nationalen Regelung des § 147 AO. Nach dieser Regelung ist die Verarbeitung rechtmäßig, wenn sie zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich ist, der der Verantwortliche unterliegt.

Die Datenverarbeitung könne zwar erforderlich sein, um Dokumentationspflichten z. B. nach § 147 AO zu erfüllen.

Die Erlaubnis zur Datenverarbeitung ist jedoch nach Ansicht des OLG auf die Erfüllung der jeweiligen gesetzlichen Pflicht beschränkt. Von der Aufbewahrungspflicht erfasst sind die gesamte, den betrieblichen Bereich des Kaufmanns betreffende Korrespondenz, soweit sie sich auf die Vorbereitung, Durchführung oder Rückgängigmachung eines Handelsgeschäftes bezieht, also z. B. Aufträge, Auftragsbestätigungen, Lieferscheine, Frachtbriefe oder Rechnungen.

Das OLG verweist hier darauf, dass es auf die Form der Korrespondenz nicht ankommt, so dass Briefe im Sinne der Vorschrift auch Telefaxe, Telegramme, E-Mails und auch andere durch Datenübertragung übersendete Nachrichten sind.

Die gesetzlichen Aufbewahrungspflichten gemäß § 147 AO werden von der Löschungspflicht aber nicht berührt. Nach Ansicht des OLG sind im vorliegenden Fall die Beklagten nicht verpflichtet die geschäftliche Korrespondenz zu löschen. Ihre Löschungspflicht beschränkt sich auf den Namen, die Anschrift und das Geburtsdatum des Klägers, und damit auf die Daten, mit denen er eindeutig identifiziert werden kann. HIer wird deutlich, dass das Gericht die Löschpflicht (und damit im Gegensatz dazu die legitimierende Ausnahme nach Art. 17 Abs. 3 lit. b DSGVO) datumsbezogen versteht.

Das Gericht betrachtet folglich nicht das Dokument an sich (mit allen dort enthaltenen Daten) und knüpft daran eine mögliche Pflicht zur weiteren Speicherung der enthaltenen Daten. Sondern das Gericht verlangt wohl eine Prüfung der Rechtsgrundlge für jedes in dem Dokument enthaltene Datum.

Enthalten elektronisch gespeicherte Datenbestände nicht aufzeichnungs- und aufbewahrungspflichtige, personenbezogene oder dem Berufsgeheimnis unterliegende Daten, so obliegt es dem Steuerpflichtigen, die Datenbestände so zu organisieren, dass der Prüfer nur auf die aufzeichnungspflichtige – und aufbewahrungspflichtige Daten zugreifen kann“.

Dies könne in der Praxis z. B. durch geeignete Zugriffsbeschränkungen oder „digitales Schwärzen“ der zu schützenden Information erfolgen.

Die Entscheidung des Gerichts ist praktisch relevant, da sie datenverarbeitende Stellen vor die Herausforderung stellt, Aufbewahrungspflichten nicht allein anhand von Dokumenten zu prüfen, sondern in dem Dokument jedes Datum näher zu betrachten und ggfs. entsprechene Maßnahmen zur Löschung, zB als Schwärzung, zu ergreifen.

Cookie-Einwilligung: Ist die Information, dass Dritte keinen (!) Zugriff auf Cookies haben, zwingend erforderlich?

Nach § 25 Abs. 1 TTDSG sind die Speicherung von Informationen in der Endeinrichtung des Endnutzers oder der Zugriff auf Informationen, die bereits in der Endeinrichtung gespeichert sind, sind nur zulässig, wenn der Endnutzer auf der Grundlage von klaren und umfassenden Informationen eingewilligt hat. (Hervorhebung durch mich)

Diese Information des Endnutzers und die Einwilligung haben gemäß Satz 2 nach der DSGVO zu erfolgen.

Wenn nun Unternehmen darüber nachdenken, ihre Produkte, Apps und Webseiten diesen Vorgaben anzupassen, wird sich unweigerlich die Frage stellen, welche „umfassenden Informationen“ hier zu erteilen sind?

Da § 25 TTDSG auf Art. 5 Abs. 3 ePrivacy-Richtlinie beruht, lohnt sich natürlich ein Blick in die Rechtsprechung des EuGH zu dieser Vorschrift. In Art. 5 Abs. 3 S. 1 ePrivacy-Richtlinie ist geregelt: „… wenn der betreffende Teilnehmer oder Nutzer auf der Grundlage von klaren und umfassenden Informationen, die er gemäß der Richtlinie 95/46/EG u. a. über die Zwecke der Verarbeitung erhält, seine Einwilligung gegeben hat“.

In dem Planet49 Verfahren (C-673/17) haben sich sowohl der Generalanwalt (Schlussanträge) als auch danach der EuGH (Urteil) mit der Frage auseinandergesetzt, welche Angaben unter den „klaren und umfassenden Informationen“ zu verstehen sind.

Was gilt, wenn keine personenbezogenen Daten vorliegen?

Sowohl der Generalanwalt als auch der EuGH verweisen für die Informationspflichten auf die entsprechenden Vorgaben der alten DS-RL und der DSGVO (dort: 13, 14 DSGVO). Hier dürfte bereits eine erste Anmerkung wichtig sein: in dem Verfahren ist der EuGH davon ausgegangen, dass personenbezogene Daten vorlagen. Daher war es auch kein Problem, auf Artt. 13, 14 DSGVO zu verweisen. Für die Praxis interessant ist aber sicher die Frage, ob man die Informationspflichten der DSGVO auch (entsprechend) beachten muss, wenn „nur“ Informationen und noch keine personenbezogenen Daten verarbeitet werden.

Zwei mögliche Lösungsansätze: entweder, man geht davon aus, dass die DSGVO mangels personenbezogener Daten keine Anwendung findet. Oder man wendet die Informationspflichten auf „Informationen“ nach der ePrivacy-Richtlinie zumindest entsprechend. Ich würde eher zur zweiten Sichtweise tendieren. Schlicht aus dem Grund, weil Art. 5 Abs. 3 S. 1 ePrivacy-Richtlinie für die zu erteilenden Informationen ausdrücklich auf die alte DS-RL und damit (nach Art. 94 DSGVO) jetzt auf die DSGVO verweist.

Spezifische Anforderungen an „klare und umfassende Informationen“ bei Cookies?

Sowohl der Generalanwalt als auch der EuGH gehen mithin davon aus, dass die allgemeinen Informationspflichten der Art. 13, 14 DSGVO zu erfüllen sind. Etwa in einer Datenschutzerklärung.

Spannend sind jedoch cookie-spezifsche Informationspflichten, die zusätzlich erfüllt werden müssen.

„Klare und umfassende Informationen“ bedeutet nach Ansicht des Generalanwalts, dass „ein Nutzer imstande ist, die Konsequenzen jeder etwa von ihm erteilten Einwilligung leicht zu ermitteln“. Und, speziell mit Blick auf Cookies: „Sie müssen detailliert genug sein, um es dem Nutzer zu ermöglichen, die Funktionsweise der tatsächlich verwendeten Cookies zu verstehen“ (Rz. 115)

Und hiervon sind zwei spezielle Merkmale umfasst:

  • die Funktionsdauer der Cookies
  • die Frage, ob Dritte auf die Cookies Zugriff erhalten (Rz. 116)

Das Merkmal der „Funktionsdauer“ erhebt der Generalanwalt sogar zum Bestandteil einer wirksamen Einwilligung. Nach seiner Ansicht hängt die Funktionsdauer des Cookies „mit den die Einwilligung in Kenntnis der Sachlage betreffenden ausdrücklichen Erfordernissen bezüglich der Qualität und Zugänglichkeit der Information für die Nutzer zusammen“ (Hervorhebung durch mich; Rz. 118).

Die Frage, ob Dritte Zugriff auf verwendete Cookies haben oder nicht, scheint aus Sicht des Generalanwalts im Grunde auch zur Einwilligung selbst zu gehören. Praxisrelevant ist die Ansicht des Generalanwalts vor allem deshalb, da er fordert, dass Nutzer „ausdrücklich darüber informiert werden, ob Dritte Zugriff auf die gesetzten Cookies haben oder nicht“ (Rz. 120). Dem Generalanwalt reicht es ausdrücklich gerade nicht aus, nur dann zu informieren, wenn tatsächlich ein Zugriff durch Dritte erfolgt. Er verlangt, dass auch eine Negativ-Information erteilt wird, dass ein solcher Zugriff nicht erfolgt.

Interessanterweise verlangt der EuGH ebenfalls, dass beide oben benannten cookie-spezifischen Informationen erteilt werden. Jedoch verknüpft er diese Anforderung sehr konkret mit dem zu beurteilenden Fall und den Zwecken der Cookies: es geht um „Cookies zur Sammlung von Informationen zu Werbezwecken für Produkte der Partner des Veranstalters eines Gewinnspiels dienen“. Nach dem EuGH „zählen Angaben zur Funktionsdauer der Cookies und dazu, ob Dritte Zugriff auf die Cookies erhalten können“ (Rz. 75) in diesem Fall zu den zu erteilenden umfassenden Informationen. Bedeutet: wenn man denn möchte, könnte man bei dem Einsatz von Cookies für andere Zwecke (zB statistische Analyse) argumentieren, dass dann nicht die strengen cookie-spezifischen Vorgaben gelten.

Das Merkmal „Funktionsdauer der Cookies“ verortet der EuGH in Art. 13 Abs. 2 lit. a DSGVO: danach sind Informationen über die Dauer, für die die personenbezogenen Daten gespeichert werden, zu erteilen.

Interessant und meines Erachtens eventuell abweichend vom Generalanwalt ist die Ansicht des EuGH zu dem Merkmal, „ob Dritte auf die Cookies Zugriff erhalten“. Der EuGH verweist hierzu auf Art. 13 lit. e DSGVO „denn dort sind ausdrücklich die Empfänger oder Kategorien von Empfängern der Daten genannt“ (Rz. 80). Der Unterschied zur Ansicht des Generalanwalts ist, dass der EuGH nicht ausdrücklich verlangt, dass auch negativ informiert werden muss, wenn kein Zugriff erfolgt. Er bestätigt, dass Informationen dazu, „ob Dritte Zugriff auf die Cookies erhalten können, zu den Informationen zählen, die der Diensteanbieter dem Nutzer einer Website zu geben hat“ (Rz. 81). Durch den Verweis auf die DSGVO-Informationspflicht bzgl. der Empfänger kann man meines Erachtens aber argumentieren, dass dies allein eine positive Information umfasst. Wenn also tatsächlich Zugriffe auf die Cookies stattfinden (übertragen auf DSGVO: wenn Empfänger vorhanden sind). Denn Art. 13 Abs. 2 lit. e DSGVO verpflichtet gerade nicht dazu, auch zu informieren, wenn keine Empfänger vorhanden sind.

Verwaltungsgericht: Keine Ermächtigung für Datenschutzbehörde zur zwangsweisen (Ab-)Berufung eines Datenschutzbeauftragten?

Das Verwaltungsgericht Köln hat im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes eine interessante Entscheidung getroffen (Az. 13 L 1707/21). Geklagt (und parallel im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die aufschiebende Wirkung betragt) hat eine Behörde gegen einen Bescheid des Bundesdatenschutzbeauftragten (BfDI). In diesem sollte die Behörde dazu verpflichtet werden, entweder einen Datenschutzbeauftragten (DSB) zu benennen oder den aktuellen abzuberufen; das wird aus der Begründung leicht nicht ganz klar.

Interessant ist die Begründung des Verwaltungsgerichts zu der Frage, ob denn die Datenschutzbehörde überhaupt eine Ermächtigungsgrundlage nach der DSGVO besitzt, um Verantwortliche oder Auftragsverarbeiter anzuweisen, einen DSB zu benennen oder einen bereits benannten abzuberufen (z.B. wegen mangelnder Qualifikation oder Interessenkonflikten).

Das Verwaltungsgericht führt zu dieser Frage aus:

Weiter maßgeblich zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang, dass nach der im vorliegenden Eilverfahren allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung voraussichtlich die tatbestandlichen Voraussetzungen der vom Antragsgegner herangezogene Ermächtigungsgrundlage des Art. 58 Abs. 2 lit. d) DSGVO ohnehin nicht gegeben sind“.

In der Tat verlangt Abs. 2 lit. d) für die Anweisung durch den BfDI, dass „Verarbeitungsvorgänge“ vorliegen, die nach Ansicht der Aufsichtsbehörde auf bestimmte Weise und innerhalb eines bestimmten Zeitraums in Einklang mit dieser Verordnung zu bringen sind.

Die Tätigkeit des DSB und auch seine (Ab-)Berufung stellt jedoch nach Ansicht des Verwaltungsgerichts keinen solchen tatbestandlichen Verarbeitungsvorgang dar.

Das Verwaltungsgericht dazu: „Dass die (Ab-)Berufung eines behördlichen Datenschutzbeauftragten hierunter fallen könnte, ist nicht ersichtlich.“

Und es gibt in Art. 58 Abs. 2 DSGVO auch keine andere Ermächtigung, die speziell die Benennung des DSB adressieren würde. Man könnte nun spitzfindig überlegen, dass etwa die Benennung eines DSB schon eine Verarbeitung darstellt und diese Verarbeitung nur zulässig sein kann, wenn etwa der DSB auch qualifiziert und geeignet ist. Es würde dann um die personenbezogenen Daten dieses DSB gehen, etwa um zu dokumentieren, dass Herr / Frau XYZ zum DSB benannt wurde. Die Verarbeitung könnte dann die Aufsichtsbehörde eventuell angreifen oder eine solche Verarbeitung in Einklang mit der DSGVO verlangen. Jedoch dürfte dies ggfs. nicht ausreichen, da in Bezug auf die Daten des DSB wohl nur die Frage zu beantworten ist, ob diese Verarbeitung (Verwendung des Namens des DSB) zulässig war? Im Zweifel wird die Verarbeitung zulässig gewesen sein, um eine gesetzliche Pflicht (Art. 37 DSGVO) zu erfüllen. Eventuell mag man aber auch (ein wenig von hinten durch die Brust) den Schluss ziehen, dass wenn die Benennung (oder fehlende Benennung) nicht zulässig im Sinne des Art. 37 DSGVO war, dann dürfte auch die Verarbeitung der Daten des DSB unzulässig sein.

Mal sehen, wie die Sache im Hauptverfahren ausgeht.

Update vom 13.12.2021: der Bescheid erging nicht durch die LDI, sondern den BfDI.

OLG München: Anspruch auf Kopie nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO ist weit auszulegen

Das OLG München hat mit Urteil vom 4.10.2021 (Az 3 U 2906/20) eine praxisrelevante Entscheidung zur Geltendmachung und zum Umfang des Anspruchs auf Herausgabe von Kopien personenbezogener Daten nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO gefällt. Das OLG legt den Begriff „personenbezogene Daten“ weit aus und sieht in Art. 15 Abs. 3 DSGVO einen eigenständigen Anspruch, neben jenem auf Auskunft nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO.

Sachverhalt

In der Vorinstanz verurteilte das Landgericht München I die Beklagten dazu, der Klägerin Kopien aller personenbezogenen Daten – insbesondere in Form von Telefonnotizen, Aktenvermerken, Protokollen, E-Mails, Briefen und Zeichnungsunterlagen für Kapitalanlagen – auszuhändigen. Vorgerichtlich forderte die Klägerin die Beklagten nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO zur Überlassung von Kopien aller bei den Beklagten vorhandenen personenbezogenen Daten der Klägerin auf. Die Beklagten übersandten eine Auskunft der einzelnen bei ihnen gespeicherten Daten der Klägerin, Kopien wurden jedoch nicht überlassen.

Die Beklagten legten gegen dieses Urteil Berufung ein. Die Beklagten gehen u.a. davon aus, dass die Klageerweiterung bezüglich des Anspruchs aus Art. 15 Abs. 3 DSGVO bereits unzulässig war. Auch sei der Antrag in der gestellten Form zu unbestimmt.

Entscheidung

Das OLG wies die Berufung als unbegründet zurück.

Interessant ist zunächst die Ansicht des OLG zur Bestimmtheit des Klageantrags. Wie erinnern und an die Entscheidung des BAG (2 AZR 342/20).

Vorliegend hat das OLG keine Bedenken hinsichtlich der Bestimmtheit des Klageantrages. Dieser lautete wie folgt:
Die Beklagten werden verurteilt, der Klägerin Kopien der von den Beklagten verarbeiteten personenbezogenen Daten der Klägerin betreffend die Datenkategorien Telefonnotizen, Aktenvermerke, Gesprächsprotokolle, E-Mails, Briefe und Zeichnungsunterlagen für Kapitalanlagen im Zeitraum vom 01.01.1997 bis ein 31.03.2018 zu überlassen.“

Das OLG begründet, dass für die Klägerin als Gläubigerin eines Anspruchs aus Art. 15 Abs. 3 DSGVO im Regelfall nicht ersichtlich sein wird, welche Unterlagen sich bei dem Auskunftsverpflichteten befinden.

Damit ist jedoch eine Konkretisierung der einzelnen herauszugebenden Schriftstücke nicht möglich“.

Nach Ansicht des OLG begegnet der Antrag (der noch minimal klargestellt wurde) im Hinblick auf die Bestimmtheit im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO keinen Bedenken.

Sodann geht das OLG davon aus, dass das Landgericht die Beklagten zu Recht zur Herausgabe von Kopien der bei ihnen gespeicherten persönlichen Daten verurteilte.

Das OLG geht von einem weiten Verständnis des Begriffs „personenbezogene Daten“ aus.

Bei den aus dem Tenor der erstinstanzlichen Entscheidung ersichtlichen Informationen handelt es sich um personenbezogene Daten“.

In dieser Entscheidung wurden personenbezogenen Daten „insbesondere in Form von Telefonnotizen, Aktenvermerken, Protokollen, E-Mails, Briefen und Zeichnungsunterlagen für Kapitalanlagen“ aufgezählt. Diese Dokumente sieht das OLG insgesamt als personenbezogene Daten an.

Das OLG begründet seine Ansicht u.a. damit, dass sich jeweils aus dem Betreff bzw. dem Gesprächspartner eine Verbindung zu der Klägerin ziehen lasse. Schreiben und E-Mails der Klägerin an die Beklagten seien

grundsätzlich ihrem gesamten Inhalt nach als personenbezogene Daten gem. Art. 4 Nr. 1 DS-GVO anzusehen“.

Dies ist meines Erachtens eine relevante Ansicht des OLG. Nicht allein die in einem Dokument enthaltenen Daten sind personenbezogen, sondern das sie umschließende Dokument. Die Daten „infizieren“ quasi das Dokument mit dem Personenbezug.

Zuletzt geht das OLG noch auf den in der Literatur und Rechtsprechung geführten Streit ein, ob aus Art. 15 Abs. 3 D-GVO ein eigenständiger Anspruch auf Herausgabe von Kopien folge.

Zum Teil werde ein entsprechender Anspruch auf Herausgabe von Kopien verneint. Nach anderer Auffassung enthält Art. 15 Abs. 3 S. 1 DSGVO einen eigenständigen Herausgabeanspruch.

Das OLG positioniert sich wie folgt:

Der Senat folgt der Ansicht, wonach der Auskunftsberechtigte neben dem Anspruch auf Auskunft gemäß Art. 15 Abs. 1 DS-GVO auch ein eigenständiger Anspruch auf Überlassung von Kopien gemäß Art. 15 Abs. 3 DS-GVO zusteht. Es handelt sich bei Abs. 1 und Abs. 3 des Art. 15 DS-GVO um zwei unterschiedliche Ansprüche,…

Zudem erläutert das OLG, dass der Gegenstand dieses Anspruchs sich nicht lediglich auf eine abstrakte Aufzählung der vorhandenen Informationen richte, da dieser bereits in dem Auskunftsanspruch nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO enthalten ist.

Vielmehr hat der Gläubiger einen Anspruch auf Überlassung der Informationen in der Form, wie sie dem Verantwortlichen vorliegen

Das OLG scheint also die Ansicht zu vertreten, dass tatsächlich eine eins zu eins Kopie der Dokumente herauszugeben ist. Wie oben beschrieben, wird dies in Literatur und Rechtsprechung kontrovers diskutiert. Anders sah dies etwa das LAG Baden-Württemberg (Urt. v. 17.3.2021, Az 21 Sa 43/20):

besteht aus Sicht der erkennenden Kammer kein Anspruch der von der Datenverarbeitung betroffenen Person gegen den Verantwortlichen auf den Abdruck/Ausdruck/die elektronische Datei in der Form, in der die entsprechenden Daten der betroffenen Person beim Verantwortlichen verarbeitet worden sind.“

Nach Ansicht des OLG sei aber ein notwendiger Schutz des Schuldners durch die Möglichkeit der Schwärzung nach Art. 15 Abs. 4 DSGVO gewährleistet. Leider geht das OLG dann aber nicht weiter darauf ein, was und wie konkret der Verantwortliche vortragen muss, um sich auf diese Aufnahme berufen zu können. Zum Teil werden in der Rechtsprechung hier ja hohe Anforderungen an die Darlegung und Begründung gestellt.

OVG Berlin-Brandenburg: Social Media Auftritt einer Behörde mit Kommentarfunktion ist nicht mitbestimmungspflichtig (Abweichung von BAG Ansicht)

Das OVG Berlin-Brandenburg hat am 4.8.2021 (Az. 62 PV 5.20) einen auch für die Privatwirtschaft relevanten Beschluss zu der Frage gefasst, ob Behördenauftritte auf Social Media Plattformen, wie Facebook oder Twitter, die eine Kommentarfunktion enthalten, als technischen Einrichtungen, die  zur Überwachung des Verhaltens oder der Leistung der Beschäftigten in der Dienststelle bestimmt sind, gelten. Das OVG lehnt diese Einordnung mit umfassender Begründung und ausdrücklich unter Abweichung von der Entscheidung des BAG vom 13.12.2016 (Az. 1 ABR 7/15) ab. Zwar urteilt das Gericht hier auf der Grundlage des § 80 Abs. 1 Nr. 21 BPersVG; diese Vorschrift stimmt im Wortlaut aber praktisch mit § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG (für die Mitbestimmung des Betriebsrates) überein.

Sachverhalt

In dem Verfahren ging es u.a. um die Facebook-Seite @DeutscheRentenversicherungBund und den Instagram-Kanal @drvbunt. Der Antragsteller (wohl der Personalrat) forderte den wegen des Facebook-Auftritts zur Einleitung eines Mitbestimmungsverfahrens gemäß § 75 Abs. 3 Nr. 17 BPersVG unter Hinweis auf den Beschluss des BAG vom 13.12.2016 (Az. 1 ABR 7/15) auf.

Danach hat der Antragsteller einen Antrag beim Verwaltungsgericht Berlin anhängig gemacht, der darauf zielt festzustellen, dass der Antragsteller aus Anlass der Kommentarfunktion auf der bzw. dem vom Beteiligten betriebenen 1. Facebook-Seite, 2. lnstagram-Kanal „drvbunt“, 3. Twitter-Kanal @die_rente und 4. eine weitere Facebook-Seite jeweils nach § 75 Abs. 3 Nr. 17 BPersVG zu beteiligen ist.

Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag stattgegeben (Az. VG 72 K 7.19 PVB) und sich in der Begründung dem Beschluss des BAG angeschlossen. Es meint, Nutzerkommentare könnten abhängig von ihrem Inhalt dazu geeignet sein, zur Überwachung von Leistung bzw. Verhalten der Beschäftigten beizutragen. Das reiche zur Mitbestimmungspflicht aus. Hiergegen wendet sich der Beteiligte mit seiner Beschwerde.

Entscheidung

Das OVG lehnt, anders als noch das VG, den Feststellungantrag des Antragstellers als unbegründet ab.

Nach Auffassung des OVG sind die vom Beteiligten zu verantwortenden Auftritte in den sozialen Medien

auch im Hinblick auf die den Nutzern ermöglichte Kommentierung nicht gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 21 BPersVG mitbestimmungspflichtig“.

Nach dieser Vorschrift bestimmt der Personalrat mit, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, über die Einführung und Anwendung technischer Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Beschäftigten zu überwachen. Maßgeblich ist nach Ansicht des OVG eine objektiv-finale Betrachtungsweise: Diejenigen technischen Einrichtungen unterliegen der Mitbestimmung des Personalrats, die nach ihrer Konstruktion oder konkreten Verwendungsweise eine Überwachung von Verhalten oder Leistung der Beschäftigten ermöglichen.

Besonderes Augenmerk legt das OVG auf die „objektive Eignung zur Überwachung“. Dies unterscheidet eine gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 21 BPersVG mitbestimmungspflichtige technische Einrichtung von anderen technischen Einrichtungen, die sich lediglich zur technischen Hilfe eignen und nicht unter den Mitbestimmungstatbestand fallen.

Das OVG macht deutlich:

Nach dem Schutzzweck des Mitbestimmungstatbestands ist nicht schlechterdings jeder Technisierungsfortschritt mitbestimmungspflichtig.“

Das Mitbestimmungsrecht des Personalrats soll sicherstellen, dass die Beeinträchtigungen und Gefahren für den Schutz der Persönlichkeit des Beschäftigten am Arbeitsplatz, die von der Technisierung der Verhaltens- und Leistungskontrolle ausgehen, auf das erforderliche Maß beschränkt bleiben. Daher, so das OVG, ist auch ein Überwachungsdruck, der sich durch eine womöglich kleinliche, jedenfalls engmaschige persönliche Kontrolle seitens der Vorgesetzten aufbaut, nach § 80 Abs. 1 Nr. 21 BPersVG unbeachtlich.

Die Kontrolle muss vielmehr mit Hilfe einer technischen Einrichtung erfolgen“.

Für den Mitbestimmungstatbestand ist spezifisch, dass die Überwachung gerade mit Hilfe einer als technisch zu bewertenden Einrichtung erfolge. Das BVerwG habe die Überwachung „mit Hilfe technischer oder elektronischer Kontrolleinrichtungen“ so interpretiert, dass technische Einrichtungen Anlagen oder Geräte seien, die unter Verwendung nicht menschlicher, sondern anderweit erzeugter Energie mit den Mitteln der Technik, insbesondere der Elektronik, eine selbständige Leistung erbrächten.

Entscheidend stellt das OVG auf eine selbständige Leistung der technischen Einrichtung ab. Diese kann bei der Erhebung von Daten oder bei deren Auswertung zum Tragen kommen. Es reiche auch aus, wenn nur die Erhebung durch einen Automaten erfolgt und die Auswertung von Menschen durchgeführt wird.

Aber: „Wird hingegen sowohl die Eingabe leistungs- und verhaltensrelevanter Daten als auch deren Auswertung von Menschen vorgenommen, erbringt die Einrichtung keine selbständige Leistung“.

Die selbständige Leistung zur Überwachung ist nach Ansicht des OVG nicht schon darin zu sehen, dass Daten gespeichert werden. Nach diesen Maßstäben seien die hier in Rede stehenden sozialen Medien auch im Hinblick auf die Kommentarfunktion keine technischen Einrichtungen im Sinn des § 80 Abs. 1 Nr. 21 BPersVG, sondern technische Hilfsmittel, weil weder die Datenerhebung noch die Datenauswertung ganz oder teilweise automatisch erfolgt.

Der Grund: Die womöglich mitbestimmungsrelevanten Daten werden von Nutzern händisch eingegeben. Und die Anbieter der sozialen Medien stellen den Seiteninhabern weder die Möglichkeit einer automatisierten (Teil-)Auswertung der Kommentare bereit noch sehen die Programme den nachträglichen Anschluss eines zur Auswertung bestimmten Programms vor.

Es fehlt insgesamt eine selbständige Leistung der Einrichtung, ein datenverarbeitendes Programm im Sinne des Bundesverwaltungsgerichts, das die Dienststelle zur Überwachung von Beschäftigten nutzen könnte“.

Das OVG lässt zudem eine Auswertungsmöglichkeit durch Dritte außer Betracht. Eine automatisierte Auswertung von Daten durch die Anbieter der sozialen Medien wie auch die Möglichkeit einer Ausspähung durch Geheim- bzw. Nachrichtendienste seien für den Mitbestimmungstatbestand, der allein die Überwachung durch den Dienstherrn bzw. Arbeitgeber der Beschäftigten in den Blick nimmt, unerheblich.

Das OVG macht deutlich, dass es mit seiner Begründung vom Beschluss des BAG vom 13.12.2016 (Az. 1 ABR 7/15) abweicht. Das BAG hielt es für ausreichend, dass die Informationen durch die Nutzer der Facebookseite aufgrund der dort vorhandenen Funktion eingegeben und mittels der von Facebook eingesetzten Software einer dauerhaften Speicherung und zeitlich unbegrenzten Zugriffsmöglichkeit zugeführt würden. Zwar traf das BAG traf seine Entscheidung zu § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Diese Vorschrift stimme aber im Wortlaut praktisch mit § 80 Abs. 1 Nr. 21 BPersVG überein. Zudem seien nach der Rechtsprechung des BVerwG beide Vorschriften im Wesentlichen gleich auszulegen.

Nach Ansicht des OVG wich angesichts dessen das BAG im Jahr 2016 von der vorhergehenden Rechtsprechung des BVerwG dadurch ab, „dass es nicht auf eine selbstständige Leistung der Einrichtung, auf ein datenverarbeitendes Programm abstellte“.

Das OVG verweist, als Grund für seine Abweichung, darauf, dass das BAG in seiner Entscheidung ein neuen Merkmal bzw. einen neuen Schutzgegenstand in die Auslegung des Mitbestimmungstatbestands einführt: die Prangerwirkung öffentlich zugänglicher Beschwerden / Kommentare über Beschäftigte.

Diese Aspekt, so das OVG, findet sich so in der Rechtsprechung des BVerwG noch nicht. Bislang war von den Gefahren der Technisierung nur der erhöhte Überwachungsdruck relevant, dem die Beschäftigten ausgesetzt sind.

Der Senat hält es allerdings für falsch, aus solchen Erwägungen heraus den Gesetzeszweck von § 80 Abs. 1 Nr. 21 BPersVG um einen vom Gesetzgeber nicht vorgesehenen Schutzgegenstand zu erweitern“.

Fazit

Das OVG ist ersichtlich um eine Eingrenzung des Mitbestimmungstatbestandes bemüht, der nach seiner Ansicht ansonsten das Potential hat, praktisch bei jeglicher Technologie anwendbar zu sein. Aufgrund der im Wesentlichen gleichen Auslegung des hier relevanten § 80 Abs. 1 Nr. 21 BPersVG mit § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG, dürfte die Begründung zudem für privatwirtschaftliche Unternehmen und eine mögliche Beteiligung des Betriebsrates relevant sein.