Verwaltungsgericht Bremen: Keine Auskunft über Betroffenenrechte, wenn der Betroffene diese kennt und selbst erwähnt?

Das Verwaltungsgericht (VG) Bremen hat sich in einem Urteil vom 22.06.2022 (Az. 4 K 1/21; derzeit leider bei BeckOnline kostenpflichtig abrufbar, BeckRS 2022, 16412) mit Fragen rund um das Auskunftsrecht nach Art. 15 DSGVO befasst. Das VG lehnt zum Teil eine Pflicht des Verantwortlichen ab, Informationen nach Art. 15 Abs. 1 lit. a) – h) DSGVO zu erteilen. Der Fall selbst erscheint mir einigermaßen „speziell“.

Sachverhalt

Die Kläger machen gegenüber der Beklagten (einer öffentlichen Stelle) Auskunftsansprüche nach der DSGVO geltend. Mit Schreiben vom 16.06.2020, adressiert an die Beklagte – Amt für Kinder, Jugend und Familie -, beantragte die Klägerin zu 1. für sich und die Kläger zu 2. und 3. bei der Beklagten unter Hinweis auf Art. 15 Abs. 1 lit. a) bis h) DSGVO die Erteilung von Auskünften über die über sie selbst und ihre beiden Söhne erhobenen und verarbeiteten personenbezogenen Daten.

Die Beklagte teilte ihr daraufhin mit, dass es keine zentrale Stelle gäbe, die sämtliche personenbezogenen Daten von Betroffenen erfassen und zusammenführen würde, weswegen sie sich hinsichtlich des geltend gemachten Anspruchs an die jeweilige Stelle in Bremerhaven wenden müsste. Am 03.01.2021 wurde Klage und zugleich ein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes eingereicht und zur Begründung vorgetragen, die Beklagte habe nicht auf ihr Auskunftsbegehren vom 16.06.2020 reagiert. Auch die nachträglich vorgelegten Unterlagen seien unvollständig.

Mit Schreiben vom 03.03.2022 hat die Beklagte der Klägerin zu 1. u.a. eine ExcelTabelle zu den verarbeiteten personenbezogenen Daten übermittelt. Mit Schreiben vom 11.05.2022 hat die Beklagte u.a. auch noch einen Auszug aus der LogoData-Software zu den verarbeiteten personenbezogenen Daten übermittelt. Die Schreiben bzw. Tabellen und Übersichten enthielten jedoch keine Hinweise auf Betroffenenrechte oder Beschwerderechte. Ferner enthielten sie auch keine Informationen über das Bestehen einer automatisierten Entscheidungsfindung einschließlich Profiling.

Die Kläger gingen weiter davon aus, dass ihr Anspruch aus Art. 15 DSGVO nicht erfüllt sei.

Entscheidung

Das VG ging zunächst davon aus, dass der Anspruch nach Art. 15 DSGVO mit der Übersendung der Excel-Tabellen und eines Auszugs aus der verwendeten Software zum Teil erfüllt war.

Erfüllung mit Screenshots und Kopien aus Systemen

Die Aussagen zu der übersendeten Excel-Tabelle (ich vermute, als Screenshot / Ausdruck und Kopie) sind durchaus interessant. Die Excel-Tabelle war so aufgebaut, dass dort sämtliche bei der Beklagten vorhandene personenbezogene Daten i.S.v. Art. 15 Abs. 1 lit. a) bis d) und g) DSGVO zu den Klägern eingetragen werden konnten, was auch geschehen ist.

Aus den LogoData-Softwareauszügen, welche per Schreiben (also wohl auch eine Kopie eines Screenshots bzw. ein Ausdruck) übermittelt wurden, wurde ersichtlich, dass, und darüber hinaus auch konkret welche Daten nach Art. 15 Abs. 1 lit. a) bis d) und g) DSGVO beim Sozialen Dienst der Beklagten zum Zwecke der Bearbeitung des Unterhaltsvorschusses und der wirtschaftlichen Jugendhilfe verarbeitet wurden.

Keine Auskunft über bekannte Betroffenenrechte?

Sehr interessant finde ich die Begründung des VG zu der Frage, ob die beklagte Behörde nicht auch die Informationen nach Art. 15 Abs. 1 lit. e) und h) DSGVO erteilen musste. Es war klar, dass sämtliche der Klägerin übermittelten Unterlagen keine Informationen zu den nach Art. 15 Abs. 1 lit. e) und h) DSGVO zu übermittelnden Angaben enthielten.

Das VG fand hier aber einen Begründungsansatz, warum diese Informationen nicht erforderlich waren.

Für den Hinweis auf das Bestehen eines Rechts auf Berichtigung oder Löschung der die Kläger betreffenden personenbezogenen Daten oder auf Einschränkung der Verarbeitung durch den Verantwortlichen oder eines Widerspruchsrechts gegen diese Verarbeitung (Art. 15 Abs. 1 lit. e) DSGVO) bestand nach Auffassung des VG kein Bedürfnis,

nachdem die Kläger bereits in den Schriftsatz vom 04.01.2021, mit dem sie die Klage eingereicht hatten, Art. 15 Abs. 1 DSGVO vollständig zitiert hatten. Die Kläger können sich im vorliegenden Fall gerade nicht darauf berufen, sie hätten keine Kenntnis von ihren Betroffenenrechten gehabt und die Beklagte müsste nun dazu verpflichtet werden, sie hierauf hinzuweisen.“

(gemeint ist wohl die Klage vom 03.01). Das VG argumentiert hier nicht europarechtlich aus der DSGVO heraus, sondern basierend auf dem deutschen Verwaltungsprozessrecht. Diesen Ansatz finde ich durchaus nachvollziehbar.

Denn auf diese Weise könnten die Kläger keine Verbesserung ihrer Rechtsposition erreichen. Eine Klage, bei der nicht einmal die Möglichkeit einer Verbesserung der eigenen Rechtsposition besteht, ist als rechtsmissbräuchlich zu bewerten und daher unzulässig“.

Es dürfte sich aber eine Gegenposition ebenso vertreten lassen. Im Grunde geht die DSGVO als unmittelbar anwendbares Recht dem nationalen Recht vor. Art. 15 Abs. 1 DSGVO sieht keine Ausnahme der Auskunftspflichten vor, wenn die betroffene Person diese Rechte bereits kennt bzw. selbst zitiert. Am Ende wird man diskutieren müssen, ob das deutsche Prozessrecht von der DSGVO unbeeinflusst gilt und auch Auswirkungen auf materiell-rechtliche Anforderungen der DSGVO haben kann.   

Keine Auskunft, wenn nicht relevant?

Auch die Informationserteilung nach Art. 15 Abs. 1 lit. h) DSGVO lehnt das VG ab.

Diesbezüglich jedoch mit einer anderen Begründung. Für diese Information bestand nach Auffassung des Gerichts kein Bedürfnis,

weil im vorliegenden Fall keinerlei Anhaltspunkte dafür bestanden, dass die personenbezogenen Daten der Kläger zum Zwecke der automatisierten Entscheidungsfindung einschließlich Profiling verarbeitet worden sein könnten.“

Findet eine automatisierten Entscheidungsfindung nicht statt, muss also nach Ansicht des VG darüber auch nicht negativ informiert werden. Diese Begründung halte ich durchaus für gangbar, zumal lit. h) ausdrücklich vorsieht, dass der Verantwortliche über „das Bestehen“ einer automatisierten Entscheidungsfindung einschließlich Profiling informieren soll. Findet dies aber nicht statt, dann liegt auch kein „Bestehen“ vor.

Finnische Datenschutzbehörde: Regelmäßige Prüfung der Kontaktkanäle für Datenschutzanfragen erforderlich

Am 9.5.2022 hat die finnische Datenschutzbehörde gegen ein Unternehmen (einen finnischen Verlag) ein Bußgeld in Höhe von 85.000 EUR wegen mehrerer Verstöße gegen die DSGVO verhängt (Englisch). Die Entscheidung betrifft einige praxisrelevante Fragestellung der Umsetzung von Betroffenenrechten.

Einleitend informiert die Behörde darüber, dass sie insgesamt elf Beschwerden zu dem Unternehmen erhalten hatte. Unter anderem hatten die Betroffenen keine Antwort auf ihre Anträge oder Anfragen zu Datenschutzrechten erhalten.

Kontaktkanäle für betroffene Personen müssen regelmäßig getestet werden

Einige Datenschutzanfragen von Betroffenen wurden aufgrund eines technischen Problems bei der E-Mail-Weiterleitung nicht umgesetzt, als das Unternehmen seinen Dienstleister wechselte.

Dies führte dazu, dass E-Mails, die in dem für Datenschutzfragen reservierten E-Mail-Posteingang eingingen, nicht an die Mitarbeiter des Kundendienstes weitergeleitet wurden. Das Problem wurde erst durch das Auskunftsersuchen der Datenschutzbehörde entdeckt. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Unterbrechung der E-Mail-Weiterleitung bereits sieben Monate gedauert.

Nach Ansicht der Aufsichtsbehörde wäre das Unternehmen verpflichtet gewesen, sich um die Prüfung des E-Mail-Postfachs zu kümmern, da dies der wichtigste elektronische Kontaktkanal der betroffenen Personen in Datenschutzangelegenheiten war.

Aus der offiziellen Pressemitteilung wird leider nicht klar, welche Norm der DSGVO die Behörde hierdurch als verletzt ansieht. Auf der Webseite des EDSA wird u.a. ein Verstoß gegen Art. 12 DSGVO angegeben. Dies scheint mir hier auch die passende gesetzliche Grundlage zu sein. Nach Art. 12 Abs. 2 S. 1 DSGVO muss der Verantwortliche der betroffenen Person die Ausübung ihrer Rechte gemäß den Art. 15 bis 22 DSGVO erleichtern. Wenn aber Anfragen von Betroffenen gar nicht bearbeitet werden (und sei es auch nur aufgrund eines technischen Fehlers), dürfte dies gerade keine Erleichterung, sondern eine Erschwerung darstellen. Praktisch bedeutet dies, dass Unternehmen in regelmäßigen Abständen ihre DSGVO-Kanäle für Betroffene von extern testen sollten.

Unnötige Informationen dürfen nicht zur Identifizierung angefordert werden

Daneben konnten Betroffene mit einem ausdruckbaren Formular auch Anfragen zu ihren eigenen Daten stellen. Hierbei ging es wohl um Auskunftsanfragen nach Art. 15 DSGVO. Das Formular verlangte zur Identifikation jedoch die Unterschrift der betroffenen Person.

Nach Ansicht der Aufsichtsbehörde verarbeitete das Unternehmen aber auf diese Weise eine übermäßige Menge an Informationen zur Identifizierung. Insbesondere konnte das Unternehmen nicht darlegen, dass es die Unterschrift etwa mit bei sich vorhandenen Unterschriften der Betroffenen abglich. Denn es wurden ansonsten keine Unterschriften der Betroffenen erhoben.

Auch dieses Vorgehen dürfte nach Ansicht der Behörde einen Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 DSGVO darstellen. Zudem wird in der Mitteilung auf der Webseite des EDSA auch ein Verstoß gegen Art. 5 Abs. 1 lit. c DSGVO erwähnt, also gegen den Grundsatz der Datenminimierung. Die (nicht erforderliche) Erhebung es Datums „Unterschrift“ dürfte auch gegen diese Norm verstoßen haben.

Bayerischer Landesbeauftragter: Datenlöschung kann grundsätzlich von Verjährungs- oder Klagefristen abhängig gemacht werden

Der Bayerische Landesbeauftragte (BayLfD) hat im Juli eine schöne Orientierungshilfe zu dem Recht auf Löschung nach der DSGVO veröffentlicht (PDF). Hierbei geht die Behörde auch auf die praxisrelevante Frage ein, ob und wenn ja, wann personenbezogene Daten zu löschen sind, wenn diese Daten gegebenenfalls noch im Rahmen von rechtlichen Auseinandersetzungen und zur Verteilung gegen Ansprüche erforderlich sind.

Nach Art. 17 Abs. 1 lit. a) DSGVO sind personenbezogene Daten zu löschen, wenn sie für die Zwecke, für die sie erhoben oder auf sonstige Weise verarbeitet wurden, nicht mehr notwendig sind. Nach dem BayLfD sind die Daten für den Verarbeitungszweck unter anderem nicht mehr notwendig, wenn dieser Zweck schon erreicht wurde, indem die ursprünglich angedachte Maßnahme durchgeführt wurde, und dazu nur die temporäre Datennutzung erforderlich war. Ebenso ist es aber auch möglich, dass die Zwecke nicht erreicht wurden und auch nicht mehr erreichbar sind.

Nach Art. 17 Abs. 3 lit. e) DSGVO gilt Absatz 1 jedoch nicht (es besteht also keine Löschpflicht), soweit die Verarbeitung erforderlich ist zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen. Zweck dieser Vorschrift ist es laut dem BayLfD u.a., einem Beweismittelverlust durch Löschung entgegenwirken. Zudem gelte die Ausnahme sowohl für gerichtliche wie außergerichtliche Verfahren. Diese Klarstellung ist sehr praxisrelevant, da natürlich nicht jede Streitigkeit zu Verträgen oder etwa Ansprüchen von Kunden direkt gerichtlich ausgefochten wird.

Wann darf man sich auf die Ausnahme berufen?

Eine strenge Ansicht vertritt der BayLfD jedoch bei der Frage, wann davon auszugehen ist, dass die Daten für die Geltendmachung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen erforderlich sind. Nach Ansicht der Behörde wäre es nicht mehr erforderlich,

wenn Daten nur zu dem Zweck dauerhaft gesammelt würden, weil diese theoretisch irgendwann Gegenstand eines Rechtsstreits sein könnten. Vielmehr muss die Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen bereits stattfinden oder mit einer hinreichend hohen Wahrscheinlichkeit bevorstehen“.

Diese Ansicht vertreten auch andere deutsche Aufsichtsbehörden. Meines Erachtens benachteiligt eine solche Auffassung aber datenverarbeitende Stellen unangemessen, bei denen es bisher nie zu Problemen kam. Ein Beispiel: der Schönheitschirurg, der sich bisher nie Klagen von Patienten ausgesetzt sah, dürfte Behandlungsdokumentation nicht mit dem Argument speichern, dass eine solche Klage in Zukunft aber theoretisch möglich ist. Andererseits dürfte der Arzt, bei dem es regelmäßig zu Klagen von Patienten wegen schlechter Behandlung kommt, die personenbezogenen Daten speichern, um sich verteidigen zu können. Denn bei ihm bestünde eine „hinreichende Wahrscheinlichkeit“. Dieses Ergebnis ist aus meiner Sicht unangemessen und so auch nicht aus Art. 17 Abs. 3 lit. e) DSGVO ableitbar.

Orientierung an Verjährungs- und Klagefristen

Begrüßenswert ist die Auffassung des LfD, dass sich die zeitliche Dimension der Erforderlichkeit im Grundsatz klar bemessen lässt,

wenn die Möglichkeit der Rechtsdurchsetzung an Fristen (etwa Verjährungs- oder Klagefristen) gebunden ist.“

Die Behörde hält es also für zulässig, wenn sich Verantwortliche bei der Frage der Löschung an laufenden Verjährungsfristen und Klagefristen von Ansprüchen orientieren. Ich würde hier auch entsprechende Fristen zur Verfolgungsverjährung, etwa aus dem OwiG zählen (§ 31 OwiG). Jedoch schränkt der LfD seine Ansicht dahingehend ein, dass insbesondere bei langen Verjährungsfristen eine Abwägung zwischen den Interessen der betroffenen Person auf Löschung der Daten einerseits und der Wahrscheinlichkeit der Geltendmachung von Ansprüchen andererseits vorzunehmen sei. Diesbezüglich stellt sich meines Erachtens erneut das oben angesprochene Problem, dass bei einer solchen Auslegung datenverarbeitende Stellen begünstigt wären (Daten also speichern dürften), wenn sie in der Vergangenheit mit Ansprüchen und Klagen konfrontiert waren; Unternehmen, bei denen es jedoch bislang nie solche Streitigkeiten gab, müssten aber wohl vor Ablauf einer „langen“ Verjährungsfrist löschen. Unklar ist hier, was der LfD unter einer „langen“ Frist versteht.

Datenschutzbehörde Hessen: Auskunftsanspruch kann wegen Zeugen-/Informantenschutz beschränkt werden

In ihrem aktuellen Tätigkeitsbericht 2021 (PDF, ab S. 109 ff.) befasst sich die Hessische Datenschutzbehörde (HBDI) mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Einschränkung des Auskunftsanspruchs nach Art. 15 Abs. 4 DSGVO möglich ist. In der Praxis ist diese Frage oft sehr relevant. Gleichzeitig fehlen jedoch konkrete Beispiele und Anwendungsfälle, wann sich ein Verantwortlicher auf „Rechte anderer Personen“ berufen kann und welche Rechte hiervon umfasst sind.

ErwG 63 DSGVO verweist beispielhaft auf Geschäftsgeheimnisse oder Rechte des geistigen Eigentums und insbesondere das Urheberrecht.

Der HBDI geht davon aus, dass unter diese „Rechte“ auch berechtigte Interessen anderer Personen fallen. Klarstellend fügt die Behörde hinzu, dass dieses Interesse

nicht notwendig durch eine Geheimhaltungsvorschrift geschützt sein“ muss.

Dies ist eine begrüßenswerte und praxisrelevante Ansicht. Denn von den „Rechten“ sind dann nicht nur rechtliche Schutzpositionen umfasst, die sich aus Gesetzen ableiten, wie etwa das Urheberrecht.

Die Behörde erläutert ihre Position anhand eines Beispiels. Umfasst sei insbesondere der Fall, dass der Verantwortliche Informationen über die betroffene Person von einer oder einem Anderen – unter Umständen gegen eine Zusage vertraulicher Behandlung – erhalten hat, die oder der ein z.B. behördliches Einschreiten gegen einen Missstand erreichen möchte.

Die Ausnahme des Abs. 4 erfasst also nach Ansicht des HBDI nicht nur rechtlich verbürgte Schutzpositionen, sondern auch berechtigte Erwartungen auf Geheimhaltung und Vertraulicheit. Dies ist eine relevante Klarstellung, die in der Praxis vor allem den Bereich des Compliance-Managements und eines Hinweisgebersystems betreffen dürfte.

Der HBDI begründet seine Ansicht weiter:

Das Interesse der anderen Person an einer Geheimhaltung ihrer Identität als „Quelle“ überwiegt gegenüber dem Auskunftsinteresse jedenfalls solange, wie Anhaltspunkte dafürsprechen, dass die Offenbarung der Identität der Informantin oder des Informanten zu rechtlichen oder tatsächlichen Benachteiligungen der „Quelle“ führen könnten.“

Dies dürfte man so verstehen, dass eine Information über die meldende Person im Rahmen einer Auskunft nicht herauszugeben ist, solange etwa ein Ermittlungs- oder Gerichtsverfahren läuft und zu befürchten ist, dass etwa der Zeuge oder Informant Nachteile erleiden könnte, sollte die Tatsache seiner Meldung herauskommen. 

Interessenkonflikte bei Datenschutzbeauftragten – Hessische Datenschutzbehörde gibt Beispiele

In seinem 50. Tätigkeitsbericht (PDF) zum Datenschutz hat der Hessische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit (HBDI) einige interessante Hinweise rund um das Thema „Interessenkonflikte bei Datenschutzbeauftragten“ (ab S. 140) veröffentlicht.


Grundsätzlich können nach Ansicht des HBDI Datenschutzbeauftragte natürlich auch andere als die mit ihrer Benennung verbundenen Aufgaben wahrnehmen, sofern diese anderen Tätigkeiten nicht zu einem Interessenkonflikt führen, vgl. Art. 39 Abs. 1 DSGVO. Interessenkonflikte bei Datenschutzbeauftragten ergeben sich i.d.R. aus ihrer Stellung innerhalb des Unternehmens bzw. der datenverarbeitenden Stelle. Wichtig: der HBDI geht davon aus, dass es sich bei der Voraussetzung der Unabhängigkeit bzw. des Fehlens von Interessenkonflikten sowohl um eine Benennungsvoraussetzung als auch – nach der Benennung – um eine Organisationspflicht des Verantwortlichen und des Auftragsverarbeiters handelt. Bei Verstoßen können auch Bußgeldern verhängt werden.


Grundsätzliche Vorgaben
Sowohl der für die Verarbeitung Verantwortliche als auch die Mitglieder der Geschäftsführung oder des Vorstands tragen die Verantwortung für die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung bei dem für die Verarbeitung Verantwortlichen oder dem Auftragsverarbeiter und können sich selbst nicht wirksam datenschutzrechtlich kontrollieren.


Interessenkonflikte lassen sich auch bei externen Datenschutzbeauftragten nicht vermeiden. Der Verantwortliche oder der Auftragsverarbeiter sollen daher mit dem externen Datenschutzbeauftragten vertraglich vereinbaren, dass dieser keine Tätigkeiten ausübt, die zu potenziellen Interessenkonflikten mit den Aufgaben des Datenschutzbeauftragten für den für die Verarbeitung Verantwortlichen oder den Auftragsverarbeiter führen. Um mögliche Interessenkonflikte von vornherein zu vermeiden, können verschiedene Maßnahmen erwogen werden. Eine denkbare Maßnahme ist eine interne Richtlinie, die die konkreten Aufgaben und Kompetenzen des Datenschutzbeauftragten im Unternehmen klar definiert. Auf diese Weise können potenzielle Interessenkonflikte frühzeitig erkannt und nach Möglichkeit vermieden werden.


Benennung von beispielhaften Personengruppen, bei denen ein Interessenkonflikt vorliegen kann
Außerdem wird in dem Tätigkeitsbericht ausgeführt, welche Personen nicht die Funktion des Datenschutzbeauftragten ausüben sollten. Als Beispiele bzw. Fallgruppen für die Unzulässigkeit nennt die hessische Behörde:

Die Führungskräfte eines Unternehmens, insbesondere die Leitung der Personalabteilung, weil sie für Mitarbeiterdaten zuständig ist, die Leitung der IT-Abteilung, weil sie für technische und organisatorische Maßnahmen verantwortlich ist, und die Leitung der Marketing- oder Vertriebsabteilung, weil sie für die Verarbeitung von Kundendaten zuständig ist.

Ebenso ist es nach Ansicht des HBDI unzulässig, einen Datenschutzbeauftragten zu benennen, der ein besonderes wirtschaftliches Interesse am Erfolg des Unternehmens hat, z. B. wenn er Gesellschafter oder ein Familienmitglied der Geschäftsführung ist.

Als markantes Beispiel für das Vorliegen eines Interessenkonflikts führt die hessische Behörde die Position des IT-Sicherheitsbeauftragten an: Um mögliche Missbräuche aufzudecken und möglichst frühzeitig zu verhindern, hat die IT-Sicherheitsabteilung eines Unternehmens regelmäßig ein erhebliches Interesse an der umfassenden Erhebung personenbezogener Daten. Übernimmt der IT-Sicherheitsbeauftragte Umsetzungsaufgaben mit Budgetverantwortung, ist der Interessenkonflikt aus Sicht des HBDI noch offensichtlicher.

Ein Interessenkonflikt sei auch bei Compliance-Beauftragten und Rechtsabteilungsleitern anzunehmen, da diese regelmäßig stark in interne Prozesse einbezogen sind und damit nicht mehr die notwendige Unabhängigkeit bei der Beurteilung einzelner Datenverarbeitungen hätten.
• Interessant ist, dass der HBDI auch die Benennung eines Datenschutzbeauftragten, der gleichzeitig nur Mitglied (!) oder Vorsitzender des Betriebsrats ist, als kritisch beurteilt. Der HBDI verweist hierzu auf die bei dem EuGH anhängigen Fragen des BAG (BAG, Beschl v. 27.04.2021 – 9 AZR 383/19 (A)).

Insgesamt würde ich die Ansicht des HBDI eher als streng einordnen. Die Behörde weist aber auch darauf hin, dass aufgrund der strukturellen Unterschiede des jeweiligen Unternehmens oder der jeweiligen Branche stets eine Einzelfallbetrachtung vorzunehmen ist.

Baldiges EuGH-Urteil – Auskunft und Information allein über die Kategorien der Empfänger von Daten ausreichend?

Am 9. Juni 2022 hat Generalanwalt Pitruzzella zu einer nahenden Entscheidung des EuGH (Rechtssache C‑154/21) seine Schlussanträge vorgelegt.

In dem Verfahren aus Österreich geht es um die praxisrelevante Frage, ob Verantwortliche im Rahmen der Antwort auf Auskunftsanträge nach Art. 15 DSGVO den Betroffenen die konkreten Empfänger von Daten oder aber nur die Empfängerkategorien zur Verfügung stellen müssen (Art. 15 Abs. 1 lit. c DSGVO). Die Antwort auf diese Frage hat weitreichende Konsequenzen: müssten alle Datenempfänger konkret benannt werden, bedeutet dies, dass der zur Auskunft verpflichtete Verantwortliche jegliche (gemeinsam oder getrennt) Verantwortliche und (!) Auftragsverarbeiter aufführen muss, die Daten von ihm erhalten. Denn „Empfänger“ sind auch die Auftragsverarbeiter.

In der Praxis bedeutet dies natürlich, dass man im Grunde auch alle Stellen kennen muss, die Daten erhalten. Das kann in der heutigen Zeit durchaus herausfordernd sein. Stellen Sie sich hierzu einmal eine Webseite / App vor, auf der verschiedenste Dienstleister eingebunden sind.

Konkret geht es in dem Verfahren um die Auslegung von Art. 15 Abs. 1 lit. c DSGVO, in dem es heißt: „die Empfänger oder Kategorien von Empfängern, gegenüber denen die personenbezogenen Daten offengelegt worden sind oder noch offengelegt werden“.

Der Generalanwalt legt die Norm nach verschiedenen Kriterien, u.a. Wortlaut und Sinn und Zweck aus. Hierbei kommt er zu einem klaren Ergebnis: Art. 15 Abs. 1 lit. c DSGVO ist dahin auszulegen, dass das dort vorgesehene Auskunftsrecht der betroffenen Person auf deren Antrag notwendigerweise auf die Angabe der konkreten Empfänger der Offenlegungen ihrer personenbezogenen Daten zu erstrecken ist.

Zur Begründung führt der Generalanwalt unter anderem folgende Argumente an:

  • Die Begriffe „Empfänger“ und „Kategorien von Empfängern“ sind neutral nebeneinander aufgeführt, ohne dass daraus geschlossen werden kann, dass zwischen diesen Begriffen ein Vorrangverhältnis besteht.
  • Die Struktur der Norm spreche dafür, einer Auslegung den Vorzug zu geben, wonach es der betroffenen Person obliegt, die Wahl zwischen den beiden dort vorgesehenen Alternativen zu treffen.
  • Die Ausübung des Auskunftsrechts muss es der betroffenen Person insbesondere ermöglichen, sich nicht nur zu vergewissern, dass ihre personenbezogenen Daten fehlerfrei verarbeitet werden, sondern auch, dass diese an Empfänger gerichtet sind, die zu ihrer Verarbeitung befugt sind. Das setzt grundsätzlich voraus, dass die Mitteilung von Informationen so präzise wie möglich erfolgt.
  • Würde man die Nennung von Kategorien ausreichen lassen, würde der betroffenen Person die Möglichkeit genommen, in vollem Umfang die Rechtmäßigkeit der vom Verantwortlichen vorgenommenen Verarbeitung und insbesondere die Rechtmäßigkeit der bereits erfolgten Offenlegungen von Daten überprüfen zu können.

Gleichzeitig macht der Generalanwalt zwei Ausnahmen:

  • In einem Fall, in dem aus tatsächlichen Gründen die Erteilung einer Auskunft über konkrete Empfänger nicht möglich ist, z. B. wenn diese tatsächlich noch nicht identifiziert wurden.
  • Zudem sei die Ausübung des Auskunftsrechts der betroffenen Person und die Erfüllung der entsprechenden Verpflichtung des Aufraggebers anhand der Grundsätze der Rechtmäßigkeit und der Verhältnismäßigkeit zu beurteilen. Diese Ausnahme ist spannend, denn hier verweist der Generalanwalt auch auf den möglichen Einwand nach Art. 12 Abs. 5 DSGVO, bei offenkundig unbegründeten oder exzessiven Anträgen.

Es handelt sich „nur“ um die Schlussanträge. Doch wenn man die Rechtsprechung des EuGH im Bereich Datenschutz anschaut, würde ich vermuten, dass er dem Ergebnis des Generalanwalts folgt.

Was bedeutet dies?

  • Sollte der EuGH entsprechend entscheiden, müssen bei der Beantwortung von Auskunftsanträgen jeweils immer die spezifischen Empfänger der Daten angegeben werden. Das setzt voraus, dass datenverarbeitendes Stelle alle Empfänmger auch kennen. Bedeutet: man muss wissen, wo welche Daten hingehen. Das ist in der Praxis eine Herausforderung. Ein gut geführter Verzeichnis nach Art. 30 DSGVO kann in solchen Fällen ein echter Segen sein.
  • Auch Art. 13 Abs. 1 und 14 Abs. 1 DSGVO enthalten eine entsprechende Vorgabe, wie Art. 15 Abs. 1 lit. c DSGVO; ich würde vermuten, dass insbesondere Aufsichtsbehörden die Begründung in diesem Verfahren daher auch auf Datenschutzerklärungen anwenden. Das bedeutet, diese müssten angepasst und um Empfängerlisten ergänzt werden.

Bundesrat: Bayern möchte Benennungspflicht für Datenschutzbeauftragte einschränken

Das Bundesland Bayern hat im Bundesrat einen Antrag für eine „Entschließung des Bundesrates zur Evaluierung des Datenschutz-Anpassungs- und Umsetzungsgesetzes EU“ (PDF) mit Datum vom 10.5.2022 eingebracht. In dem Antrag schlägt Bayern verschiedenste Anpassungen des BDSG vor dem Hintergrund des Berichts des Bundesministeriums des Innern zur Evaluierung des Datenschutz-Anpassungs- und Umsetzungsgesetzes aus 2021 vor.

Pflicht zur Benennung eines Datenschutzbeauftragten

Kernbestandteil des Entwurfs ist die Beschränkung der Benennungspflicht für Datenschutzbeauftragte nach § 38 BDSG. Hinsichtlich dieser nationalen Regelung wird bereits ganz allgemein Kritik geäußert, in dem die Änderungsvorschläge wie folgt eingeleitet werden: „Soll an der zusätzlichen nationalen Regelung überhaupt weiterhin festgehalten werden…“.

In dem Entwurf schlägt Bayern vor, „in Anlehnung an den von der DSGVO verfolgten risikobasierten Ansatz“, § 38 Abs. 1 BDSG anzupassen. Die dort vorgegebene Grenze von mindestens 20 Personen, die ständig mit der automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten beschäftigt sind, soll insofern modifiziert werden, dass als relevante Beschäftigte nur solche Personen gelten, die bei ihrer Tätigkeit die Voraussetzungen des Art. 37 Abs. 1 lit. b, c DSGVO erfüllen.

Derzeit bestehen nur die Anforderungen, dass die 20 Personen ständig mit der automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten beschäftigt sind. Diese Voraussetzung soll nun noch verschärft werden, in dem zusätzlich an die Kriterien aus Art. 37 Abs. 1 lit. b und c DSGVO angeknüpft werden soll.

Der Antrag begründet hierzu:

Die zusätzliche Benennungspflicht nach nationalem Recht sollte demnach nur dann bestehen, soweit der Verantwortliche oder Auftragsverarbeiter mindestens 20 Personen beschäftigen, deren Kerntätigkeit in der Durchführung von Verarbeitungstätigkeiten besteht, welche aufgrund ihrer Art, ihres Umfangs und / oder ihrer Zwecke eine umfangreiche regelmäßige und systematische Überwachung von betroffenen Personen erforderlich machen oder deren Kerntätigkeit in der umfangreichen Verarbeitung sensibler Daten i.S.d. Art. 9, 10 DSGVO besteht.“

Ziel dieses Vorschlags ist es, kleinere und mittlere Unternehmen zu entlasten.

Ich persönlich sehe solche Forderungen kritisch. Denn nur weil ggfs. die Benennungspflicht entfällt, bedeutet dies natürlich nicht, dass die Unternehmen sich nicht mehr an die DSGVO halten müssen. In der Praxis existiert aber leider die Vorstellung: „Kein DSB erforderlich – Keine Vorgaben aus dem Datenschutzrecht zu beachten“. Das ist natürlich falsch und für die Unternehmen im schlimmsten Fall auch rechtlich gefährlich. Politisch klingt ein solcher Vorschlag freilich super: wir entlasten die Unternehmen (von einer Pflicht…).

Verzeichnis von Verarbeitungstätigkeiten

Zudem schlägt Bayern vor, in die gegebenenfalls zu erstellende Gesetzbegründung den Hinweis aufzunehmen, dass Unternehmen, wenn sie nach (einem neuen) § 38 BDSG keinen Datenschutzbeauftragten benennen müssen, auch kein Verzeichnis der Verarbeitungstätigkeiten nach Art. 30 DSGVO führen müssen.

Auch diesen Vorschlag empfinde ich eher als politisches Geschenk an die wählenden Unternehmen. Denn auch hier gilt: nur, weil ich als Unternehmen evtentuell kein Verzeichnis führen muss, muss ich dennoch die übrigen Pflichten der DSGVO einhalten. UND: das Verzeichnis ist in der Praxis eine extrem relevante Hilfe bei der Erfüllung weiterer Pflichten, wie etwa jener zur Informationserteilung nach Art. 13, 14 DSGVO oder auch zur Erfüllung von Auskunftsanträgen nach Art. 15 DSGVO. Fällt die Pflicht für das Verzeichnis weg, steht das Unternehmen im Zweifel „nackig“, ohne Übersicht zu seinen Datenverarbeitungen da, wenn der erste Betroffene Auskunft über seine Daten, die Empfänger etc. verlangt.

Institutionalisierung der DSK

Auch zur Zukunft der DSK enthält der Entwurf eine Position. So wird die Auffassung des BMI aus seinem Bericht geteilt, dass eine Regelung im BDSG

zur weitergehenden Institutionalisierung der DSK wegen des Verbots der Mischverwaltung an verfassungsrechtliche Grenzen stößt.“

Zudem schlägt Bayern vor, sich gegen Befugnisse der DSK zu verbindlichen Entscheidungen über Auslegungsmaximen des Datenschutzrechts und Angelegenheiten des Datenschutzes auszusprechen.

Datenschutzbehörde Brandenburg: „Einstellungen oder ablehnen“-Button im Cookie-Banner ist nicht ausreichend

Die korrekte (bzw. rechtskonforme) Ausgestaltung von Consent Management Plattformen (und auch von Cookie-Bannern) zur Einholung von Einwilligungen für den Einsatz von Cookies und anderen Tracking-Technologien ist bereits seit einiger Zeit in der Diskussion.

In ihrem jüngsten Tätigkeitsbericht 2021 (PDF) äußert sich die Landesdatenschutzbehörde Brandenburg (LDA) unter anderem auch zu diesem Thema. Das LDA informiert dort (Ziffer 4) über die Prüfung eines brandenburgischen Medienunternehmens im Rahmen der koordinierten Prüfung von Webseiten verschiedener Medienunternehmen in Deutschland.

Eine Anforderung des LDA für eine wirksame Einwilligung nach Art. 7 DSGVO ist, dass diese freiwillig abgegeben wird. Hierfür verlangt das LDA:

Hiervon kann im Kontext der Ausgestaltung des Cookie-Banners nur ausgegangen werden, wenn eine wirkliche Wahl besteht, der Datenverarbeitung zuzustimmen oder diese abzulehnen.“

Dieses Merkmal wird nach Ansicht des LDA jedoch unter gewissen Umständen nicht erfüllt. Insbesondere dann nicht, wenn keine wirkliche Wahlmöglichkeit für Betroffene besteht. Dies ist nach Ansicht des LDA der Fall, wenn eine „eindeutige Ablehnungsmöglichkeit“ auf der ersten Ebene des Cookie-Banners fehlt. Dann

„gilt die Einwilligung als nicht freiwillig erteilt und ist damit unwirksam.“

Das LDA stellt hierbei insbesondere darauf ab, ob die Ablehnung einen Mehraufwand (im Vergleich zur Erteilung der Einwilligung) erfordert. Was nach Ansicht des LDA ein solcher Mehraufwand ist, wird ebenfalls erläutert:

„Der Mehraufwand besteht dabei nicht nur darin, dass die betroffene Person, die eine Ablehnung äußern möchte, einmal mehr klicken muss als für die Zustimmung. Vielmehr müssen die weiteren Informationen und Einstellungsmöglichkeiten, mit denen sie auf einer zweiten Ebene des Einwilligungsdialoges konfrontiert wird, lesen, nachvollziehen und dann unter den weiteren Optionen die richtige auswählen.“

Ein solcher Mehraufwand stelle einen spürbaren Nachteil für die Betroffenen dar und die Einwilligung wäre in diesem Fall nicht wirksam erteilt.

Konkret schildert das LDA dann die Erfahrungen aus der Prüfung eines Unternehmens in Brandenburg.

Das Unternehmen fragte, ob eine Abwandlung des Cookie-Banners – nämlich die Änderung der Bezeichnung der Schaltfläche „Optionen“ in „Einstellungen oder ablehnen“ – eine datenschutzgerechte Verarbeitung ermöglichen würde.

Die Ansicht des LDA:

Auch hier wiesen wir den Verantwortlichen darauf hin, dass diese Form des Einwilligungsdialoges ebenso zu einem spürbaren Nachteil und Mehraufwand für die betroffenen Personen führt und dazu dient, in treuwidriger Art und Weise Einfluss auf sie zu nehmen.“

Das LDA verlangt, dass eine Schaltfläche auf erster Ebene des Cookie-Banners eingerichtet wird, mit der Nutzer den Einsatz von einwilligungsbedürftigen Cookies und Tracking-Maßnahmen sowie die Einbindung von Drittdiensten ablehnen können.

Wie genau diese Schaltfläche grafisch ausgestaltet werden muss, wird nicht beschrieben. Hier dürften in der Praxis also weiterhin verschiedenste Gestaltungsoptionen für Unternehmen in Betracht kommen.

Generalanwalt: Zulässigkeit der (zweckändernden) Verarbeitung von Kundendaten für Zwecke der Datensicherheit

In seinen Schlussanträgen in der Rs. C-77/21 vom 31.03.2022 des Generalanwalts Pikamäe, äußert sich dieser zu zwei interessanten Fragen, wenn es um eine Verarbeitung von Kundendaten nicht nur für die Vertragsdurchführung, sondern auch für Zwecke der Datensicherheit (insbesondere der Verfügbarkeit der Daten) geht.

  • Zum einen, ob die Verarbeitung, die auf die Einhaltung der Pflichten aus Art. 5 Abs. 1 lit. f, Art. 32 DSGVO gerichtet ist, eine Zweckänderung darstellt
  • Zum anderen, ob, bei Vorliegen eines anderen Zwecks, die Weiterverarbeitung nach Art. 6 Abs. 4 DSGVO zulässig ist

Sachverhalt

In dem Verfahren aus Ungarn ging es um eine Klage eines Anbieters von Internet- und Fernsehdiensten (Digi) gegen eine Entscheidung der ungarischen Datenschutzbehörde.

Im April 2018 richtete Digi, nach einer technischen Serverstörung unter der Bezeichnung „test“ eine Datenbank ein, in die es personenbezogene Daten von ungefähr einem Drittel der Privatkunden kopierte. Am 23.09.2019 erfuhr Digi, dass ein „ethischer Hacker“ auf die personenbezogenen Daten von rund 322.000 Personen zugegriffen hatte. Der Hacker setzte das Unternehmen schriftlich davon in Kenntnis. Digi behob den Fehler, schloss mit dem Hacker eine Vertraulichkeitsvereinbarung und zahlte ihm eine Belohnung.

Digi meldete danach am 25.09.2019 die Verletzung des Schutzes personenbezogener Daten der Datenschutzbehörde, die daraufhin ein Untersuchungsverfahren einleitete. Die Behörde stellte nachfolgend Verstöße gegen Art. 5 Abs. 1 lit. b und e DSGVO fest. U.a. mit dem Argument, dass Digi die Testdatenbank nach der Durchführung der notwendigen Tests und Fehlerbeseitigungen nicht gelöscht und dadurch in dieser Testdatenbank eine große Menge personenbezogener Daten fast 18 Monate ohne irgendeinen Zweck und in einer Weise gespeichert habe, die die Identifizierung der betroffenen Personen ermöglicht habe.

Einschätzung des Generalanwalts

In seinen Schlussanträgen befasst sich der Generalanwalt u.a. mit den beiden oben beschriebenen Fragen.

Liegt eine Zweckänderung vor?

Fraglich war zunächst, ob das Kopieren und Speichern der Daten in der „test“ Datenbank eine Zweckänderung im Vergleich zu dem Zweck der Erhebung der Kundendaten darstellt.

Interessant ist hier, dass die Europäische Kommission nicht von einer zweckändernden Verarbeitung ausgeht. Die Verarbeitung der Daten für den Zweck der Sicherheit der Daten also von dem ursprünglichen Erhebungszweck (Durchführung der Kundenverträge) umfasst sieht. Eine solche Verarbeitung,

die auf die Einhaltung der dem für die Verarbeitung Verantwortlichen durch Art. 5 Abs. 1 Buchst. f der DSGVO auferlegten und in deren Art. 32 näher erläuterten Sicherheitspflicht abziele, könne nicht als Verfolgung eines neuen oder anderen Zwecks angesehen werden“.

Dies würde in der Konsequenz auch bedeuten, dass keine Vereinbarkeitsprüfung der Zweck nach Art. 6 Abs. 4 DSGVO erfolgen müsste.

Der Generalanwalt lehnt diese Auffassung jedoch ab. Dieser, seiner Ansicht nach, abstrakte und systematische Ansatz stehe im Widerspruch zu dem Erfordernis, die Rechtmäßigkeit jedes einzelnen Verarbeitungsvorgangs unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen.

Vereinbarkeit der Zwecke oder gesetzliche Grundlage (Art. 6 Abs. 4 DSGVO)

Daher ist der Generalanwalt gezwungen, in die Prüfung nach Art. 6 Abs. 4 DSGVO einzusteigen.

Er verweist zusätzlich auf die Vorgaben in ErwG 50 DSGVO. Beide Vorschriften bringen seiner Ansicht nach eine Verbindung zwischen dem Grundsatz der Zweckbindung und der Rechtsgrundlage der betreffenden Verarbeitung zum Ausdruck.

Eine Vereinbarkeitsprüfung der Zwecke ist nach Art. 6 Abs. 4 DSGVO nicht erforderlich, wenn die Verarbeitung zu einem anderen Zweck als zu demjenigen, zu dem die Daten erhoben wurden, auf der Einwilligung der betroffenen Person oder auf einer Rechtsvorschrift der Union oder der Mitgliedstaaten beruht. Dann müssen die Zwecke also gerade nicht miteinander vereinbar sein.

Wenn ja, ist der für die Verarbeitung Verantwortliche gemäß Abs. 2 des 50. Erwägungsgrundes der DSGVO berechtigt, personenbezogene Daten unabhängig von der Vereinbarkeit der Zwecke weiterzuverarbeiten“.

Ich bin ja ein Verfechter der Ansicht, dass personenbezogene Daten für Zwecke der Datensicherheit, also der Erfüllung gesetzlicher Pflichten nach Art. 32 DSGVO, auf der Grundlage von Art. 6 Abs. 1 lit. c) (Erfüllung rechtlicher Pflichten) verarbeitet werden dürfen.

Der Generalanwalt scheint diese Ansicht jedoch abzulehnen, wie sich aus seinen Anmerkungen in Fußnote 28 ergibt. Dort begründet er, dass

dass die auf Art. 6 Abs. 1 Buchst. c der DSGVO gestützten Verarbeitungen, die für die Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich sind, der der für die Verarbeitung Verantwortliche unterliegt, und insbesondere die in Art. 5 Abs. 1 Buchst. f dieser Verordnung vorgesehene Verpflichtung zur Gewährleistung einer angemessenen Datensicherheit, nicht zu den vom Erfordernis der Vereinbarkeit befreiten Verarbeitungen gehören“.

Diese „befreite“ Verarbeitung wäre eine solche, die auf Grundlage der Einwilligung oder auf einer Rechtsvorschrift der Union beruht, also etwa Art. 32, Art. 6 Abs. 1 lit. c DSGVO. Der Generalanwalt, lehnt dies jedoch ab. Ich vermute, er würde die Datenverarbeitung dann auf die Interessenabwägung nach Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO stützen.

Danach erfolgt logischerweise der Vereinbarkeitstest der beiden Zwecke nach den Vorgaben des Art. 6 Abs. 4 DSGVO.

Der Generalanwalt geht davon aus, dass

unbestreitbar eine Verbindung zwischen dem Zweck der ursprünglichen Datenerhebung, nämlich der Erfüllung des Vertrags über ein Internet- und Fernsehabonnement, und einer Verarbeitung zur Sicherung dieser Daten in einer zusätzlichen internen Datenbank und zur sicheren Durchführung von Tests zur Behebung einer technischen Störung, die für die Erbringung der vertraglich vereinbarten Dienstleistung potenziell schädlich sein könnte

besteht.

Zwar überschneiden sich die Zwecke nicht. Sie stünden aber dennoch logisch miteinander in Verbindung. Zudem geht der Generalanwalt davon aus, dass eine zusätzliche Speicherung von Daten auf einem internen Datenträger, die durch die Notwendigkeit begründet ist, eine technische Störung zu beheben, die den Zugang zu den Daten in der ursprünglichen Datenbank beeinträchtigt,

nicht als überraschend oder unwahrscheinlich angesehen werden

kann. Diese Feststellung ist sowohl für Art. 6 Abs. 4 DSGVO, aber auch für Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO, nämlich die berechtigten Erwartungen der Betroffenen, relevant.

Zudem, so der Generalanwalt, werden die betreffenden Daten weiterhin von demselben Verantwortlichen verarbeitet. Insgesamt scheint er davon auszugehen, dass die Verarbeitung für Zwecke der Sicherheit der Daten also recht unproblematisch den Vereinbarkeitstest nach Art. 6 Abs. 4 DSGVO bestehen würde.

Fazit

Das Ergebnis teile ich. Wie beschrieben, würde ich aber einen anderen Weg wählen und von einer Verarbeitung auf Grundlage von Art. 6 Abs. 1 lit. c DSGVO zur Erfüllung rechtlicher Anforderungen des Art. 32 DSGVO ausgehen. Eventuell äußert sich ja auch noch der EuGH zu der Frage der Rechtsgrundlage. Für die Praxis könnte man natürlich überlegen, ob man bereits bei Erhebung darüber informiert, dass die Daten gerade auch für Zwecke der Datensicherheit (insb. Verfpgbarkeit) verarbeitet werden. Dies könnte gegen eine Zweckänderung sprechen, da man die Daten schon von Beginn an für diesen Zweck verwendet.

Missbräuchliche Ausübung von Betroffenenrechten – Klarheit durch neuen Richtlinienvorschlag der EU-Kommission?

In der Praxis ist die Geltendmachung und Bearbeitung von Betroffenenrechten der DSGVO ein wichtiges Thema. Dabei fällt auf, dass gerade Rechte wie der Auskunftsanspruch (Art. 15 DSGVO) oder das Recht auf Löschung (Art. 17 DSGVO) auch in Situationen geltend gemacht werden, in denen der Datenschutz ganz offensichtlich nicht im Fokus der Betroffenen steht. Sondern es geht, etwa in Verfahren vor Arbeitsgerichten, darum, der Gegenseite weiteren Aufwand zu machen bzw. diese, wenn möglich „auszuforschen“ (je nachdem, wie das Gericht den Umfang des Auskunftsrechts versteht). Oft stellt sich dann die Frage, ob denn der Verantwortliche nicht eine missbräuchliche Geltendmachung des Betroffenenrechts einwenden und die Erfüllung ablehnen kann. Mein Kollege Johannes Zwerschke und ich haben zu dem Thema „Missbräuchliche Ausübung von DS-GVO-Betroffenenrechten – zulässiger Verteidigungseinwand für Verantwortliche?“ einen Aufsatz in Heft 1/2022 der RDV veröffentlicht.

Merkmal „offenkundig unbegründet“

Fraglich ist hierbei unter anderem, wie das Merkmal „offenkundig unbegründet“ in Art. 12 Abs. 5 DSGVO in Bezug auf Anträge von Betroffenen zu verstehen ist. Die DSGVO gibt hierauf keine konkrete Antwort. Da es sich hierbei um unmittelbar anwendbares europäisches Recht handelt, ist das Merkmal nicht allein aus nationaler Sicht, sondern europarechtsautonom auszulegen.

Richtlinienvorschlag der Kommission zu missbräuchlichen Gerichtsverfahren

Spannend ist daher ein neuer Richtlinienvorschlag der EU-Kommission vom 27.4.2022. Es geht um eine Richtlinie zum Schutz von Personen, die sich öffentlich beteiligen, vor offenkundig unbegründeten oder missbräuchlichen Gerichtsverfahren („strategische Klagen gegen öffentliche Beteiligung“) (COM(2022) 177 final, PDF). Hintergrund des Vorschlags ist der Wunsch, Maßnahmen zur Verbesserung des Schutzes von Journalisten und Menschenrechtsverteidigern vor missbräuchlichen Gerichtsverfahren zu schaffen. „Strategische Klagen gegen öffentliche Beteiligung“ oder „SLAPP-Klagen“ (strategic lawsuits against public participation) sind nach Ansicht der Kommission eine besondere Form der Belästigung, um Äußerungen zu Angelegenheiten im öffentlichen Interesse zu verhindern oder zu sanktionieren. Die vorgeschlagene Richtlinie „ermöglicht es Richtern, offenkundig missbräuchliche Klagen gegen Journalisten und Menschenrechtsverteidiger rasch abzuweisen“.

Und hier wird es natürlich für uns aus DSGVO-Sicht interessant. Zum einen verwendet die Richtlinie exakt dasselbe Merkmal wie die DSGVO („offenkundig unbegründet“). Zum anderen ist die Ausgangssituation auch sehr ähnlich: es geht darum zu verhindern, dass Rechte missbräuchlich genutzt werden. Die Parallele zu Situationen unter der DSGVO, ergibt sich etwa aus ErwG 20 der Richtlinie: „Bei missbräuchlichen Gerichtsverfahren handelt es sich in der Regel um bösgläubige Verfahrenstaktiken, z. B. die Verzögerung von Verfahren, das Verursachen unverhältnismäßig hoher Kosten für den Beklagten im Verfahren oder die Wahl des günstigsten Gerichtsstands“. Und: „Diese Taktiken werden von den Klägern zu anderen Zwecken eingesetzt, als um Zugang zur Justiz zu erhalten“.

Was versteht die Kommission unter „offenkundig unbegründet“?

Und was versteht die Kommission nun unter dem Begriff „offenkundig unbegründet“? Eine abschließende Definition dieses Merkmals bzw. des Oberbegriffs „missbräuchliche Gerichtsverfahren“ liefert die Richtlinie nicht. Art. 3 der Richtlinie zählt eine nicht erschöpfende Liste der häufigsten Indikatoren von Missbrauch auf. Darunter fallen nach Ansicht der Kommission:

  • Unverhältnismäßigkeit,
  • Maßlosigkeit oder
  • Unangemessenheit der Forderung oder eines Teils davon,
  • Vorhandensein mehrerer Verfahren, die vom Antragsteller oder mit ihm verbundenen Parteien in ähnlichen Angelegenheiten angestrengt wurden,
  • Einschüchterungen, Belästigungen oder Drohungen von Seiten des Klägers oder seiner Vertreter.

In den Erläuterungen zu dem Entwurf geht die Kommission noch etwas genauer auf mögliche Merkmale ein, die meines Erachtens durchaus auch im Bereich der DSGVO herangezogen werden können.

Bei missbräuchlichen Gerichtsverfahren handelt es sich häufig um bösgläubige Verfahrenspraktiken, z. B. die Verzögerung von Verfahren, das Verursachen unverhältnismäßig hoher Kosten für den Beklagten im Verfahren oder die Wahl des günstigsten Gerichtsstands. Diese Taktiken, die von den Klägern zu anderen Zwecken als dem Zugang zur Justiz eingesetzt werden…

Gerade diese letzte Erläuterungen ist meiner Ansicht nach sehr gut auf die missbräuchliche Geltendmachung von Betroffenenrechten übertragebar (wie etwa: Verursachen unverhältnismäßig hoher Kosten; zu anderen Zwecken als dem Zugang zur Justiz (bzw. dem Schutz personenbezogener Daten)).