Gesetzentwurf zu DSGVO-Bußgeldverfahren – aktuelle Regelungen verfassungswidrig?

Sind Entscheidungen in Bußgeldverfahren über 100.000 EUR wegen Datenschutzverstößen verfassungsrechtlich angreifbar? Diese Ansicht scheint zumindest das Land Hessen in einem aktuellen Gesetzesentwurf im Bundesrat zu vertreten. Wenn dem so ist, wäre das natürlich ein ziemlicher „Knaller“.

Der Gesetzentwurf

Das Land Hessen hat im Bundesrat einen Gesetzentwurf eingebracht. Eventuell geht dieser Entwurf auch auf einen Beschluss der Justizministerkonferenz aus November 2018 zurück (pdf).

In dem „Entwurf eines Gesetzes zur Effektivierung des Bußgeldverfahrens“ (BR Drs 107/20, pdf, 2.3.2020) wird vorgeschlagen, § 41 Abs. 1 S. 3 BDSG zu streichen.

Artikel 2 des Entwurfs sieht vor: § 41 Absatz 1 Satz 3 des Bundesdatenschutzgesetzes vom 30. Juni 2017 (BGBl. I S. 2097) wird aufgehoben.“

§ 41 Abs. 1 S. 3 BDSG bestimmt für das Bußgeldverfahren die Anwendung des § 68 OWiG mit der Maßgabe, dass das Landgericht entscheidet, wenn die festgesetzte Geldbuße den Betrag von einhunderttausend Euro überschreitet. Ungeachtet des Umstandes, dass die Amtsgerichte in anderen Rechtsgebieten befugt sind, Geldbußen in Millionenhöhe festzusetzen (§§ 30, 130 Abs. 3 OWiG),

sind bisher keine verfahrensrechtlichen Vorschriften zur Besetzung der Kammern der Landgerichte in Bußgeldsachen gegeben.

§ 41 Abs. 1 S. 3 BDSG verweist allein auf § 68 OWiG. In dem Entwurf wird als mögliche Neuregelung angedacht, ob man über §§ 46 Abs. 1, 71 Abs. 1 OWiG auf die Vorschriften der Strafprozessordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes Bezug nehmen könnte. Dann, so der Entwurf, müsste man wohl von einer Besetzung der Kammern der Landgerichte mit zwei Richtern und zwei Schöffen ausgehen. Es wird davon ausgegangen, dass dies nicht intendiert war.

Es zeigt sich, dass aktuell tatsächlich unklar und nicht gesetzlich vorgegeben ist, in welcher Besetzung das Landgericht in Bußgeldverfahren bei Datenschutzverstößen entscheidet.

Zwar sieht § 46 Abs. 7 OWiG derzeit vor, dass im gerichtlichen Verfahren beim Landgericht Kammern für Bußgeldsachen entscheiden. Jedoch fehlt es an einer Regelung im GVG und es stellt sich die Frage der Besetzung der Kammer.

Der Entwurf stellt die Folge dieser Situation sehr konkret dar:

Da bisher keine entsprechenden verfahrensrechtlichen Vorschriften existieren, dürfte dies wohl nicht nur bei der entsprechenden Geschäftsverteilung der Landgerichte im Hinblick auf die Fälle des § 41 Absatz 1 Satz 3 BDSG zu Problemen führen können, sondern es dürfte zusätzlich nahezu ausgeschlossen sein, das gerichtliche Verfahren ohne entsprechende Vorschriften ordnungsgemäß vollziehen zu können. (Hervorhebungen durch mich)

Diese Einschätzung hat meines Erachtens durchaus Sprengkraft, zu der ich gleich noch ausführe.

Der Gesetzesentwurf sieht daher die Streichung des § 41 Abs. 1 S. 3 BDSG vor. Hierdurch würde in sämtlichen Fällen von Bußgeldverfahren die Zuständigkeit der Amtsgerichte nach § 68 Abs. 1 OWiG begründet.

Angreifbarkeit landgerichtlicher Entscheidungen in Bußgeldverfahren?

Die soeben dargestellte Situation könnte für Unternehmen, die sich aktuell oder zukünftig (bis zu einer Anpassung) Bußgeldern über 100.000 EUR ausgesetzt sehen, einen möglichen Angriffspunkt gegen entsprechende Entscheidungen der Landgerichte bieten. Dann würde praktisch über all diesen gerichtlichen Verfahren gegen Bußgelder das Damoklesschwert der Verfassungswidrigkeit schweben.

Aufgrund der Einschätzung des Landes Hessen in dem Gesetzesentwurf, wird man meines Erachtens zumindest darüber diskutieren können, ob denn nicht eine Situation, in der es „nahezu ausgeschlossen“ ist, dass gerichtliche Verfahren ordnungsgemäß durchgeführt werden können, auch verfassungsrechtliche Probleme aufwirft.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) sieht etwa von der Garantie des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG) den Bestand von Rechtssätzen umfasst, die für jeden Streitfall den Richter bezeichnen, der für die Entscheidung zuständig ist. Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG verpflichtet auch dazu, Regelungen zu treffen, aus denen sich der gesetzliche Richter ergibt (vgl. etwa BVerfG, Beschl. v. 08.04.1997 – 1 PBvU 1/95). Andererseits ist eine sich aus der Sache ergebende und unvermeidbare Ungewissheit darüber, wer den Rechtsstreit entscheiden wird (insbesondere in Fällen des Ausscheidens, der Krankheit, der Verhinderung, des Urlaubs) hinzunehmen.

Gesetzlicher Richter im Sinne des Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG ist nach der Rechtsprechung des BVerfG

nicht nur das Gericht als organisatorische Einheit oder das erkennende Gericht als Spruchkörper, sondern sind auch die zur Entscheidung im Einzelfall berufenen Richter.

(BVerfG, Beschl. v. 30.03.1965 – 2 BvR 341/60)

Daher müssen die Geschäftsverteilungspläne, die der Bestimmung des gesetzlichen Richters dienen,

von vornherein so eindeutig wie möglich festlegen, welche Spruchkörper und welche Richter zur Entscheidung des Einzelfalls berufen sind

(ebenda)

Übertragen auf die aktuelle Situation mit fehlenden Regelungen zur Besetzung der Spruchkörper, wird man sicher darüber nachdenken können, ob etwa Unternehmen, die sich gegen ein hohes Bußgeld zu Wehr setzen (man denke an die Fälle Delivery Hero, Deutsche Wohnen SE oder 1&1 Telecom GmbH), am Ende gegen eine entsprechende Entscheidung des erkennenden Gerichts bzw. eine ablehnende Entscheidung zu einer Besetzungsrüge nicht eine Verfassungsbeschwerde einlegen können.

Das Recht auf den gesetzlichen Richter steht natürlichen und juristischen Personen zu. Darauf kann sich berufen, wer nach den einschlägigen Prozessnormen parteifähig ist (BVerfG, Beschl. v. 26.02.1954 – 1 BvR 537/53).

Es wird davon ausgegangen, dass für die Verfassungsbeschwerde wegen Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter die üblichen Zulässigkeitsvoraussetzungen gelten. Also auch das Erfordernis der Rechtswegerschöpfung. Daher wäre es wohl erforderlich, Besetzungsrügen schon vor dem zuständigen Gericht zu erheben. Der Beschluss über ein Ablehnungsgesuch ist eine Zwischenentscheidung, die selbstständig mit der Verfassungsbeschwerde angegriffen werden kann (BVerfG, Beschl. v. 25.06.1968 – 2 BvR 599, 677/67).

Zudem muss, für den Erfolg der Verfassungsbeschwerde, die angegriffene Entscheidung auf einer Verletzung des Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG beruhen. Dies könnte dann der Fall sein, wenn eine andere Besetzung des Gerichts ohne den Fehler nicht ausgeschlossen werden kann (BVerfG, Urt. v. 20.03.1956 – 1 BvR 479/55).

Daneben ist meines Erachtens auch über einen Verstoß der Bundesrepublik Deutschland gegen die Vorgabe des Art. 83 Abs. 8 DSGVO nachzudenken: „Die Ausübung der eigenen Befugnisse durch eine Aufsichtsbehörde … muss angemessenen Verfahrensgarantien gemäß dem Unionsrecht und dem Recht der Mitgliedstaaten, einschließlich wirksamer gerichtlicher Rechtsbehelfe und ordnungsgemäßer Verfahren, unterliegen“. Hier könnte das Erfordernis der „ordnungsgemäßen Verfahren“ nicht erfüllt sein.

Fazit

Ich würde mich sehr drüber freuen, wenn wir zu dieser juristisch wirklich spannenden Frage eine Entscheidung sehen. Ob es soweit kommt, wird aber an den Parteien der aktuell bei den Gerichten anhängigen Bußgeldverfahren liegen.

Rundfunkdatenschutzbeauftragter: Zweistufiges Auskunftsverfahren ist DSGVO-konform

In seinem aktuellen (und ersten) Tätigkeitsbericht für 2019 (pdf, S. 50 ff.) berichtet der  gemeinsame Rundfunkdatenschutzbeauftragter für den Bayerischen Rundfunk, den Saarländischen Rundfunk, den Westdeutschen Rundfunk, das Deutschlandradio und das Zweite Deutsche Fernsehen u.a. auch über die Erteilung von Auskünften durch den Beitragsservice.

In einigen Fällen beschwerten sich Betroffene, dass die ihnen erteilte Auskunft nicht vollständig gewesen sei. Hintergrund dieser Beschwerden ist, dass der Beitragsservice, Auskünfte grundsätzlich im Rahmen eines zweistufigen Verfahrens erteilt.

  • Die Erstauskunft umfasst die wichtigsten Informationen über die Umstände der Datenverarbeitung wie etwa die Herkunft der Daten, die Datenverarbeitungskategorien und die Verarbeitungszwecke. Hierbei orientiert man sich an Daten der Anzeigepflicht nach § 8 Abs. 4 RBStV.
  • Diese Erstauskunft wird um die Mitteilung der etwa vorhandenen weiteren Daten ergänzt, sofern die Antragsteller dies wünschen.

Nach Aussage des Rundfunkdatenschutzbeauftragten genügt den Antragstellern die auf diese Angaben beschränkte Erstauskunft des Beitragsservice in den weitaus meisten Fällen.

Nach Ansicht des Rundfunkdatenschutzbeauftragten erfüllt ein solches zweistufiges Verfahren

sowohl den Sinn und Zweck als auch materiell die Anforderungen des Art. 15 DSGVO.

Zur Begründung führt er aus, dass dies nicht zuletzt den Verwaltungsaufwand deutlich reduziert und damit im Interesse aller Beitragszahler unnötige Kosten vermeidet.

Zudem können Aspekte der

Verhältnismäßigkeit bzw. des vertretbaren Aufwands in die Anwendung bzw. Umsetzung der Vorgaben zum Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO einfließen.

Dies ergibt sich aus ErwG 63 DSGVO sowie Vorschriften wie etwa § 34 Abs. 1, 4 BDSG, § 12 Abs. 1 LDSG NRW, Art. 10 Abs. 2 Nr. 4 und 5 BayDSG oder § 9 Abs. 2 LDSG B-W. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der Beitragsservice einen außerordentlich großen Datenbestand zu verwalten und dabei auf ein Höchstmaß an Effizienz, Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu achten hat, vgl. § 14 RStV.

Der Rundfunkdatenschutzbeauftragte stellt für seine Begründung mit Blick auf ErwG 63 DSGVO wohl vor allem darauf ab, dass dort für Verantwortliche die Möglichkeit der Bitte um Präzisierung vorgesehen ist, wenn der Verantwortliche eine große Menge von Informationen über die betroffene Person verarbeitet.

Das interessante und praxisrelevante an der Begründung ist, dass hier per se ein gestuftes Auskunftsverfahren als zulässig angesehen wird. Der Rundfunkdatenschutzbeauftragte verlangt also nicht eine Prüfung im Einzelfall, ob wirklich eine große Menge an Daten verarbeitet werden. Dieser Faktor wird sicherlich auch bei vielen Unternehmen in der Privatwirtschaft (gerade im B2C Bereich) relevant sein.

Daneben ist die Begründung des Rundfunkdatenschutzbeauftragten basierend auf dem Gebot der Wirtschaftlichkeit interessant. Geht man davon aus, dass die Masse an Anfragen mit der ersten Stufe der Auskunft zufriedenstellend erfüllt ist, würde es unnötigen Aufwand und personellen als auch finanziellen Aufwand bedeuten, wenn man (quasi überschießend) immer eine Vollauskunft erteilt. Die Besonderheit im konkreten Fall dürfte hier darin liegen, dass aufgrund einer ausdrücklichen Regelung (nach § 14 RStV) der Finanzbedarf des öffentlich-rechtlichen Rundfunks regelmäßig entsprechend den Grundsätzen von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit geprüft und ermittelt werden muss. Die Sparsamkeit also gesetzlich angeordnet ist.

Ob man dieses Argument auch auf den privatwirtschaftlichen Bereich übertragen kann, wird man diskutieren können. Unternehmen sind nicht gesetzlich zur Wirtschaftlichkeit oder Sparsamkeit verpflichtet. Andererseits müssen auch Unternehmen die „Kosten im Blick“ behalten, da sich eine Erhöhung eben dieser auch insgesamt negativ auf die wirtschaftliche Entwicklung auswirken kann.

Wichtig ist noch die Klarstellung des Rundfunkdatenschutzbeauftragten, dass das Recht auf Auskunft weder inhaltlich beschränkt noch unzumutbar erschwert werden darf. Der Beitragsservice informiert die Betroffenen hinreichend klar auf das abgestufte Verfahren und das Recht des Betroffenen, die Auskunft vervollständigen zu lassen. Bei einer entsprechenden Umsetzung in Unternehmen, sollten dieser Aspekt der Transparenz und Erleichterung der Geltendmachung des Auskunftsrechts (vgl. Art. 12 Abs. 2 DSGVO) ebenfalls besonders berücksichtigt werden.

Verwaltungsgericht Schleswig: Interne Übertragung der Aufgabe zur Erstellung eines Verarbeitungsverzeichnisses ist zulässig

Das Verwaltungsgericht (VG) Schleswig hat am 31.3.2020 entschieden (Beschl. v. 31.03.202012 B 79/19), dass die Übertagung der von einer öffentlichen Stelle nach der DSGVO zu erfüllenden konkreten Aufgaben im Rahmen der Behördenorganisation zulässig ist.

(Ja, mir ist bekannt, dass es unter der DSGVO nicht mehr „Verarbeitungsverzeichnis“ heißt; wenn ich aber stattdessen „Verzeichnis der Verarbeitungstätigkeiten“ in die Überschrift aufnehme, wird diese zu lang)

Sachverhalt

In dem Verfahren im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes (Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung) ging ein Justizamtmann gegen die dienstliche Weisung an ihn vor, an einem Arbeitskreis zur DSGVO, der bei der Generalstaatsanwaltschaft eingerichtet wurde, teilzunehmen und die Erstellung und Führung des Verarbeitungsverzeichnisses gem. Art. 30 DSGVO zu übernehmen. Zuvor war der Antragsteller gegenüber dem Generalstaatsanwalt als „Datenschutzverantwortlicher“ benannt worden.

Der Antragsteller ging davon aus, dass diese Weisung rechtswidrig sei, weil eine Tätigkeit als „Datenschutzverantwortlicher“ mit seiner Tätigkeit als Personalratsmitglied und als ständiger Vertreter der Personalratsvorsitzenden nicht vereinbar sei. Zudem dürfte eine vollständige Übertragung der Verantwortlichkeit i.S.d. DSGVO nicht möglich sein.

Entscheidung

Das VG lehnte den Antrag als unbegründet ab.

Zunächst stellte das VG zurecht ein paar datenschutzrechtliche Begrifflichkeiten klar.

Die anfängliche Formulierung der Antragsgegnerin, nach der dem Antragsteller die Position als „Datenschutzverantwortlicher“ (vollumfänglich) übertragen werden sollte, dürfte schon aufgrund der Unbestimmtheit nicht zulässig sein.

Sodann führt das VG zu den rechtlichen Möglichkeiten der Übertragung von Pflichten nach der DSGVO aus.

Außerdem dürfte eine vollständige Übertragung der Verantwortlichkeit i.S.d. DSGVO nicht möglich sein, wie der Personalrat mit seinem Schreiben vom 19. Dezember 2019 zutreffend ausführte.

Nach zutreffender Ansicht des VG ist „Datenschutzverantwortlicher“ (nicht gemeint war hier der Datenschutzbeauftragte) nach Art. 4 Nr. 7 DSGVO die natürliche oder juristische Person, Behörde, Einrichtung oder andere Stelle, die allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheidet.

Die Letztverantwortung muss damit bei Behörde selbst als juristischer Person bleiben und kann nicht etwa zur Gänze wie die Position des Datenschutzbeauftragten i.S.v. Art. 37 DSGVO einem Beamten übertragen werden.

Jedoch konkretisierte die Antragsgegnerin die dem Antragsteller übertragenen Aufgaben nachträglich dahingehend, dass mit den übertragenen Aufgaben

  • die Teilnahme an einem Arbeitskreis bei der Generalstaatsanwaltschaft und
  • die Erstellung und Führung des Verarbeitungsverzeichnisses gem. Art. 30 DSGVO gemeint seien.

Die Antragsgegnerin bezog sich hierbei anscheinend auch auf einen Beschluss der DSK, in dem die Empfehlung ausgesprochen wurde, „durch eine allgemeine Aufbauorganisation sicherzustellen, dass im Innenverhältnis die Anwendung des Datenschutzrechts in der Behörde organisiert und gewährleistet wird“.

Aus Sicht des VG bleibt daher die Antragsgegnerin (also die öffentliche Stelle) die eigentliche Verantwortliche, da sie die Verfügungsgewalt über die erhobenen Daten besitzt.

Die Übertagung der von der Antragsgegnerin nach der DSGVO zu erfüllenden konkreten Aufgaben im Rahmen der Behördenorganisation ist dagegen zulässig.

Gerade diese letzte Einschätzung des VG ist meines Erachtens auch für den privatwirtschaftlichen Bereich relevant. Es ist innerbetrieblich möglich (und rein faktisch oft anders gar nicht handhabbar), dass die Aufgabenerfüllung von der Führungsebene nach unten delegiert und bestimmten Personen übertragen wird. Wichtig zu beachten ist, dass nicht die gesetzliche Pflicht an sich übertragen werden kann, sondern nur die Aufgabe, bei der Erfüllung dieser Pflicht zu unterstützen.

Fazit

Die Entscheidung des VG ist meines Erachtens richtig und spiegelt auch die tatsächlichen Gegebenheiten in der Praxis wider, wenn man DSGVO-Anforderungen in größeren Einheiten umsetzen möchte. Dies erfordert eine arbeitsteilige Erledigung der verschiedenen Aufgaben. Intern kann eine solche Aufgabe dann im Rahmen des Weisungsrechts auch an Angestellte übertragen werden. Datenschutzrechtlich verpflichtet bleibt aber allein der Verantwortliche (oder Auftragsverarbeiter).

Einsatz von Dienstleistern im Rahmen der Erfüllung von Betroffenenrechten – LDA Brandenburg verhängt 50.000 EUR Bußgeld

In seinem aktuellen Tätigkeitsbericht für 2019 (S. 29 ff, pdf), berichtet das LDA Brandenburg über einen praktisch interessanten und relevanten Fall, in dem gegen ein Unternehmen wegen Verstößen gegen Art. 28 Abs. 9 DSGVO und Art. 12 DSGVO ein Bußgeld verhängt wurde.

Abschluss eines Auftragsverarbeitungsvertrages

Das Unternehmen setzte im Rahmen der Auskunftserteilung nach Art. 15 DSGVO einen Dienstleister ein, der Zugriff auf die für die Auskunftserteilung notwendigen personenbezogenen Daten der betroffenen Person hatte. Die Korrespondenz im Rahmen der Auskunftserteilung wurde unter dem Logo des Dienstleisters durchgeführt.

Erste wichtige Erkenntnis: das LDA scheint grundsätzlich davon auszugehen, dass Dienstleister als Auftragsverarbeiter Betroffenenrechte erfüllen dürfen.

Jedoch wurde hier ein Vertrag nach Art. 28 Abs. 9 DSGVO wohl nicht schriftlich abgeschlossen. Aus den Darstellungen geht nicht klar hervor, ob gar kein Vertrag abgeschlossen wurde oder nur nicht schriftlich. Leider geht das LDA nicht auf die Möglichkeit ein, dass der Vertrag auch in einem elektronischen Format abgeschlossen werden kann. Ich vermute aber daher, dass gar kein Vertrag vorlag.

Das LDA verweist mit Blick auf Art. 28 Abs. 9 DSGVO darauf, dass diese Regelung Dokumentations-, Beweissicherungs- und Authentizitätssicherungszwecke verfolge.

Die Schriftform soll sicherstellen, dass die Parteien, die in dem Dokument genannt sind, sich zu den eingegangenen Verpflichtungen mit dem konkreten Inhalt bekennen.

Ein Verstoß kann nach Art. 83 Abs. 4 lit. a DSGVO mit einer Geldbuße von bis zu 10 Millionen Euro oder im Falle eines Unternehmens mit bis zu 2 % seines gesamten weltweit erzielten Jahresumsatzes des vorangegangenen Geschäftsjahres geahndet werden.

Transparenz der Auskunft

Ein zweiter Aspekt des Falles war, dass die Betroffenen nicht wussten, dass es sich bei dem antwortenden Unternehmen um den Dienstleister des Verantwortlichen handelte. Insofern konnten sie nach Ansicht des LDA nicht erkennen, wer der Verantwortliche der Datenverarbeitung war. Zudem erfolgte die erste Antwort an anfragende Betroffene nach Antragstellung zur Auskunftserteilung zunächst nur in englischer Sprache.

Nach Art. 12 Abs. 1 DSGVO muss der Verantwortliche geeignete Maßnahmen treffen, um der betroffenen Person zum Beispiel alle Mitteilungen gemäß dem Art. 15 DSGVO (also im Rahmen der Auskunftserteilung) in präziser, transparenter, verständlicher und leicht zugänglicher Form zu übermitteln.

Vorliegend befand das LDA, dass das Unternehmen dadurch, dass es die Antragsteller nicht darüber aufklärte, dass es sich bei dem eingesetzten Dienstleister um einen Auftragsverarbeiter handelte und dass, trotz Erteilung der Auskunft unter dem Logo des Dienstleisters, das Unternehmen selbst für die Datenverarbeitung verantwortlich blieb, gegen den in Art. 12 DSGVO niedergelegten Transparenzgrundsatz verstieß.

Gleichzeitig habe das Unternehmen dadurch, dass es die Antragsteller zunächst in englischer Sprache kontaktierte, gegen den in Art. 12 DSGVO niedergelegten Grundsatz der Verständlichkeit verstoßen.

Die Ansicht des LDA ist hier meines Erachtens für die Praxis ziemlich relevant:

Wenn sich ein Unternehmen mit seinem Angebot an den deutschsprachigen Markt richtet, muss die Auskunftserteilung (zumindest auch) auf Deutsch erfolgen.

Das bedeutet, dass selbst international tätige Unternehmen in der jeweiligen Landessprache der von ihnen bedienten Märkte gegenüber Betroffenen kommunizieren müssen, wenn diese von ihren Rechten Gebrauch machen.

Das LDA beurteilte diesen Verstoß gegen Art. 12 DSGVO auf der Grundlage von Art. 83 Abs. 5 DSGVO. Danach können Geldbußen von bis zu 20 Millionen Euro oder im Fall eines Unternehmens von bis zu 4 % seines gesamten weltweit erzielten Jahresumsatzes des vorangegangenen Geschäftsjahres verhängt werden.

Insgesamt verhängte das LDA für die vorbenannten Verstöße ein Bußgeld in Höhe von 50.000 EUR.

Rechtsanwaltskammer Berlin: Tätigkeit als Datenschutzbeauftragter ist für den Rechtsanwalt grundsätzlich kein Nebenberuf, sondern ein Mandat

Anwälte als externe Datenschutzbeauftragte. Ein schon länger berufs- und steuerrechtlich diskutiertes Thema.

In beiden genannten Rechtsgebieten existieren nun auch höchstrichterliche Entscheidungen. Im Oktober 2018 entschied bereits der BGH (Urt. v. 15.10.2018 – AnwZ (Brfg) 20/18) u.a., dass die Tätigkeit als interner Datenschutzbeauftragter grundsätzlich die für eine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt erforderlichen Tätigkeitsmerkmale erfülle und das Arbeitsverhältnis von diesen Merkmalen auch geprägt sein kann. Grund war insbesondere die gestiegene Komplexität des Datenschutzrechts auch im Zuge der Einführung der DSGVO. Das Amt des Datenschutzbeauftragten umfasse Tätigkeiten, welche die Merkmale anwaltlicher Tätigkeit nach § 46 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 BRAO erfüllen.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat nun Anfang dieses Jahres zu der Frage entschieden (Urt. v. 14.1.2020 – VIII R 27/17), wie Umsätze eines als Datenschutzbeauftragter tätigen Rechtsanwalts steuerrechtlich einzuordnen sind. Nach Ansicht des BFH ist der Rechtsanwalt in Bezug auf seine Tätigkeit als externer Datenschutzbeauftragter gewerblicher Unternehmer i.S. des § 141 Abs. 1 AO. Der BFH geht davon aus, dass die Tätigkeit als Datenschutzbeauftragter weder eine dem Beruf des Rechtsanwalts vorbehaltene noch eine berufstypische Tätigkeit sei. Der BFH nimmt hierbei auch Bezug zum Urteil des BGH, verweist aber darauf, dass die Tätigkeit des (internen) Datenschutzbeauftragten zwar mit den für Rechtsanwälte geltenden berufsrechtlichen Vorschriften in Einklang steht. Dies aber für die steuerliche Qualifizierung der Tätigkeit als solche iSd § 18 EStG nicht maßgebend sei, wie der Umstand, dass eine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt im Einzelfall möglich ist.

Man kann daher wohl aktuell folgendes Resümee ziehen: berufsrechtlich ist die Tätigkeit als Datenschutzbeauftragter zulässig. Die steuerrechtliche Beurteilung scheint, nach Ansicht des BFH, jedoch nicht zwingend gleichlaufen zu müssen. Umsätze können daher, auch bei der Tätigkeit als Anwalt, der Gewerbesteuer unterliegen. Insgesamt ist das, mit Blick auf die Rechtssicherheit, natürlich immer noch keine letztlich befriedigende Situation.

Besonders interessant ist vor diesem Hintergrund ein Beschluss des Vorstandes der Rechtsanwaltskammer Berlin vom 8. Mai 2019. Die RAK überträgt die vom BGH aufgestellten Grundsätze zur Einordnung des internen Datenschutzbeauftragten folgerichtig auf die des externen Datenschutzbeauftragten.

Nach Ansicht der RAK Berlin unterscheidet die BRAO

nicht zwischen einer anwaltlichen Tätigkeit des Syndikusrechtsanwalts und einer solchen des Rechtsanwalts. Der Gesetzgeber verfolgt ein einheitliches Berufsbild des Rechtsanwalts. Daher ist schon nach dem Wortlaut des Gesetzes zu schlussfolgern, dass Tätigkeiten, die für den Syndikusrechtsanwalt als anwaltliche gelten, auch anwaltliche Tätigkeiten für den Rechtsanwalt sind.

Daher geht die RAK (meines Erachtens zutreffend) davon aus, dass die Tätigkeit als Datenschutzbeauftragter für den Rechtsanwalt regelmäßig kein Nebenberuf ist, wenn er zugleich als Rechtsanwalt auftritt. Dieser Zusatz ist meines Erachtens wichtig. Diese Feststellung ist insbesondere für ein in der Vergangenheit diskutiertes Tätigkeitsverbot nach § 45 Abs. 1 Nr. 4 BRAO relevant, was, nach dem Beschluss der RAK Berlin, nicht vorliegen dürfte. Auch das Risiko eines Widerrufs der Zulassung nach § 14 Abs. 2 Nr. 8 BRAO besteht vor diesem Hintergrund wohl nicht mehr.

Es handelt sich grundsätzlich um ein Mandat, auf das das Berufsrecht Anwendung findet.

Die RAK weist auf das damals noch anhängige Verfahren am BFH und evtl. folgende steuer- und versicherungsrechtliche Auswirkungen hin.

Sehr aufschlussreich, mit weiterem Inhalt und Begründungen zu dem Beschluss, ist das Protokoll (PDF) zur Sitzung des Vorstandes der RAK. Unter anderem wird dort auch ausgeführt, dass ein Vorstandsmitglied die Auffassung des Berichterstatters bestätigt, dass auch bei einer abweichenden Entscheidung des BFH die Arbeit des externen Datenschutzbeauftragten als  anwaltliche Tätigkeit gewertet werden könne.

Eigentlich wäre diese Situation, dass zwei oberste Gerichtshöfe in einer Rechtsfrage unterschiedlicher Auffassung sind, nun ein Fall für den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes. Dieser existiert, um die Einheitlichkeit der Rechtsprechung zu gewährleisten. Er entscheidet, wenn ein Senat eines obersten Gerichtshofs in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines Senats eines anderen obersten Gerichtshofs abweichen will. Dass der BFH, in Kenntnis der Entscheidung des BGH, jedoch keinen entsprechenden Vorlegungsbeschluss gefasst hat, wird man wohl so interpretieren können, dass der BFH gerade nicht von der Auffassung des BGH in berufsrechtlicher Sicht abweichen wollte.

Gesetzentwurf des Gesundheitsministeriums: Festlegung der federführenden Datenschutzbehörde für Forschungsvorhaben bei mehreren Verantwortlichen

Das Bundeskabinett hat heute eine Formulierungshilfe des Bundesministeriums für Gesundheit zu einem „Entwurf eines Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ (pdf) beschlossen. Medial wurde vor allem über die vorgeschlagenen Anpassungen des Infektionsschutzgesetzes berichtet.

Jedoch wird daneben in Artikel 4 des Entwurfs auch vorgeschlagen, im SGB V einen neuen § 287a SGB V einzufügen. Dieser Vorschlag ist aus datenschutzrechtlicher Sicht sehr interessant, da er nicht nur Auswirkungen im Gesundheitsbereich oder in der jetzigen Zeit haben könnte.

Der Vorschlag lautet:

§ 287a

Federführende Datenschutzaufsicht in der Versorgungs- und Gesundheitsforschung

Bei länderübergreifen Vorhaben der Versorgungs- und Gesundheitsforschung, an denen nicht-öffentliche Stellen oder öffentliche Stellen des Bundes oder der Länder aus zwei oder mehr Ländern als Verantwortliche beteiligt sind, findet § 27 des Bundesdatenschutzgesetzes Anwendung. Die beteiligten Verantwortlichen benennen einen Hauptverantwortlichen und melden diesen der für die Hauptniederlassung des Hauptverantwortlichen zuständigen Aufsichtsbehörde. Artikel 56 und Artikel 60 der Verordnung (EU) 2016/679 sind entsprechend anzuwenden.

(Hervorhebungen durch mich)

Zweck der Regelung

Was das BMG mit der Regelung bezweckt, wird schon aus der Überschrift deutlich. Es soll eine federführende Datenschutzbehörde für Datenverarbeitungen im Rahmen der Gesundheitsforschung geben, auch wenn mehrere Verantwortliche beteiligt sind.

Warum nach Ansicht des BMG eine solche Regelung erforderlich ist, ergibt sich aus der weiteren Gesetzesbegründung und liest sich durchaus wie eine implizite Kritik an der föderalen Struktur der Datenschutzaufsicht in Deutschland, die oft untereinander abweichende Ansichten der Datenschutzbehörden bedingt.

Die Heterogenität der Landesdatenschutz- und Krankenhausgesetze und die Zuständigkeit verschiedener Landesdatenschutzbehörden erschweren und verlangsamen in Folge derzeit länderübergreifende Vorhaben der Versorgungs- und Gesundheitsforschung.

(S. 15)

Daher sieht der Entwurf für länderübergreifende Vorhaben der Versorgungs- und Gesundheitsforschung an denen öffentliche und nichtöffentliche Stellen des Bundes und der Länder beteiligt sind, Regelungen vor, die eine Klarstellung der Zuständigkeiten der datenschutzrechtlichen Aufsichtsbehörden bei Vorhaben der Versorgungs- und Gesundheitsforschung im Sinne eines „One-Stop-Shop“ ermöglichen sollen. Dadurch soll die die länderübergreifende Versorgungs- und Gesundheitsforschung unter Wahrung des Datenschutzes beschleunigt und eine einheitliche Rechtsauslegung zum Wohle aller Betroffenen gewährleistet werden.

Inhalt der Regelung selbst

Zunächst geht es dem BMG in dem vorgeschlagenen § 287a SGB V um länderübergreifende Forschungsvorhaben, an denen mehrere datenschutzrechtlich Verantwortlichen (ob als öffentliche oder nicht-öffentliche) Stellen beteiligt sind. Die Stellen müssen aber als „Verantwortliche“ beteiligt sein.

Nicht klar ist, ob hiervon auch eine gemeinsame Verantwortlichkeit umfasst wäre. Zudem geht weder die Vorschrift selbst noch die Begründung darauf ein.

Sind mehrere Verantwortliche beteiligt, so sieht § 287a SGB V die Pflicht vor („benennen“), dass die Beteiligten untereinander einen Hauptverantwortlichen wählen und diesen bei der Datenschutzbehörde seiner Hauptniederlassung als Hauptverantwortlichen des Forschungsvorhabens melden. Der Vorschlag ist hier meines Erachtens nicht besonders präzise, da etwa nicht konkretisiert wird, für das der Hauptverantwortliche als solcher benannt werden soll: allein für das Vorhaben oder die damit zusammenhängende Datenverarbeitung? Die Datenschutzbehörde dürfte sich nur für Letztere interessieren.

Begründung der Regelung

Nach der Gesetzesbegründung werden für länderübergreifende Vorhaben der Versorgungs- und Gesundheitsforschung an denen öffentliche und nichtöffentliche Stellen des Bundes und der Länder beteiligt sind, Regelungen vorgesehen, die eine Klarstellung der Zuständigkeiten der datenschutzrechtlichen Aufsichtsbehörden bei Vorhaben der Versorgungs- und Gesundheitsforschung im Sinne eines „One-Stop-Shop“ ermöglichen (S. 16).

§ 287a SGB V sehe die verfahrensrechtliche Koordinierung der Zuständigkeiten verschiedener datenschutzrechtlicher Landesbehörden vor (S. 30). Hierdurch möchte das BMG den der DSGVO vorgesehene One-Stop-Shop zur Zuständigkeit der Datenschutzaufsichtsbehörden auf die länderübergreifende Versorgungs- und Gesundheitsforschung anwenden.

Der wichtige Unterschied zu den Regeln des Art. 56 und 60 DSGVO ist natürlich, dass es vorliegend um mehrere Verantwortliche (sicher getrennte, evtl. auch gemeinsam Verantwortliche?) geht. Art. 56 und 60 DSGVO beziehen sich jedoch zumindest ausdrücklich nur auf die Zuständigkeit der federführenden Behörde eines Verantwortlichen mit mehreren Niederlassungen (das sieht auch der EDSA in WP 244).

Laut Begründung sind bei länderübergreifenden Forschungsvorhaben  für die beteiligten verantwortlichen Stellen regelmäßig unterschiedliche Landesaufsichtsbehörden für den Datenschutz zuständig.

Es bedarf daher einer Regelung für eine federführende Aufsichtsbehörde. Hierzu finden sich Vorbilder in der Datenschutz-Grundverordnung selbst (Artikel 56, 60 der Verordnung (EU) 2016/679),…

(S. 31)

Der Entwurf referenziert auf die Regelungen der DSGVO wohl bewusst nur als Beispiel, da, wie beschrieben, gerade nicht ausdrücklich die Festlegung einer federführenden Aufsichtsbehörde bei mehreren Verantwortlichen geregelt wird.

Das BMG begründet die Regelung weiter, dass den Verantwortlichen in der Neuregelung auferlegt (!) wird, eine hauptverantwortliche Stelle zu benennen,

die dann der für sie zuständigen Aufsichtsbehörde die Verantwortung für das länderübergreifende Forschungsvorhaben in der Versorgungs- und Gesundheitsforschung anzuzeigen hat. Maßgeblich ist der in Artikel 4 Nummer 16 der Verordnung (EU) 2016/679 definierte Begriff der „Hauptniederlassung““ (S. 31)

Anmerkung

Meines Erachtens hat der Vorschlag durchaus potential für Diskussionen. Besonders interessant (gerade aus Sicht der Wirtschaft) ist, dass das BMG ganz offensichtlich davon ausgeht, dass mehrere datenschutzrechtlich (ob nun getrennt oder gemeinsam) Verantwortliche einen Verantwortlichen als „Hauptverantwortlichen“ bestimmen können und dann über diese Festlegung auch die Hauptniederlassung und hieran anknüpfend dann die federführende Datenschutzbehörde festlegen können.

Erinnert Sie dieses Thema an ein aktuell immer noch offenes Verfahren? Ja, die Verfahren der Berliner Datenschutzbehörde zum Betrieb von Facebook Fanpages. Dort geht es mitentscheidend um die Frage, ob gemeinsam Verantwortliche einen Verantwortlichen (und damit seine Hauptniederlassung) als umsetzungsbefugt für Entscheidungen zur Datenverarbeitung bestimmen können. Der nun vorliegende Entwurf des BMG spricht meines Erachtens ganz klar für eine solche Möglichkeit.

Daneben ist an der Regelung natürlich noch interessant, dass hier der Gesetzgeber kurzerhand die Datenschutzaufsicht bei Forschungsvorhaben durch die Verantwortlichen zentralisieren lassen möchte, um „eine koordinierte und einheitliche Anwendung der datenschutzrechtlichen Vorschriften ermöglichen und so Verzögerungen und Aufwände bei der Konzeption und Durchführung länderübergreifender Forschungsvorhaben“ (S. 30) verhindern.

Covid-19 als „höhere Gewalt“ im Datenschutzrecht? Unternehmen sind nicht in der Haftung

In mehreren europäischen Ländern wurden aufgrund des sich verbreitenden Corona-Virus bereits Ausgangssperren verhängt. In Bayern wurde der Katastrophenfall ausgerufen. Bürger sind zudem angehalten, im Home-Office zu arbeiten. Für viele Unternehmen bedeutet dies, dass interne (Verwaltungs)Prozesse nicht mehr uneingeschränkt oder, bei einer Schließung des Unternehmens, sogar gar nicht mehr funktionieren.

Die Folge im Datenschutzrecht ist, dass Betroffenenanfragen nach der DSGVO, etwa auf Auskunft nach Art. 15 DSGVO, entweder nur stark verzögert oder in nächster Zeit gar nicht adäquat bearbeitet werden können. So kann es sein, dass aufgrund von Home-Office nicht alle internen Dokumente auf personenbezogene Daten geprüft werden können. Eventuell ist Unternehmen auch generell die Erfüllung von Pflichten nach der DSGVO aufgrund der aktuellen Umstände nicht (mehr) vollumfänglich möglich.

Aus Sicht der Praxis stellt sich für datenverarbeitende Stellen die Frage, wie sie mit dieser Situation umgehen können. Gestattet es die DSGVO etwa, dass vorgegebene Fristen nach Art. 12 Abs. 3 DSGVO (max. 3 Monate zur Beantwortung von Betroffenenanfragen) noch weiter verlängert oder nicht beachtet werden müssen? Kann sich ein Unternehmen im Fall eines Verstoßes gegen die DSGVO, der auf der aktuellen Ausnahmesituation beruht, irgendwie entlasten oder besteht die Gefahr, dass Verwaltungsverfahren oder Bußgelder durch Behörden verhängt (Art. 83 DSGVO) oder Schadensersatzansprüche von Betroffenen geltende gemacht (Art. 82 DSGVO) werden?

Aktuelle Ansichten von Datenschutzbehörden

Die englische Behörde, ICO, wird nach eigenen Angaben bei Verzögerungen der Erfüllung von datenschutzrechtlichen Pflichten die derzeitigen Umstände berücksichtigen (ICO, Data protection and coronavirus: what you need to know). Insoweit nimmt die Behörde an, dass die gesetzlichen Fristen nicht verlängert werden können, aber Verzögerungen in der Bearbeitung der Betroffenenrechte aufgrund des Corona-Virus jedoch nicht geahndet würden.

Der EDSA äußert sich zur (Nicht-)Geltung der Fristen nicht. Allerdings ist der EDSA der Ansicht, dass die besonderen Umstände nichts an den bestehenden Pflichten der Verantwortlichen ändern würden (EDSA, Statement of the EDPB Chair on the processing of personal data in the context of the COVID-19 outbreak, pdf).

Nach Ansicht der irischen Datenschutzbehörde DPC ist eine Änderung der Fristenregelungen der DSGVO nicht möglich. Jedoch spricht die DPC einige praktische Empfehlungen aus (DPC, Data Protection and COVID-19). Die DPC verweist darauf, dass unter Darlegung der entsprechenden Gründe die Frist zur Bearbeitung des Betroffenenrechts um bis zu zwei Monate verlängert werden. Die Pflicht zur Information über die Fristverlängerung obliegt dabei nach Art. 12 Abs. 3 S. 3 DSGVO dem Verantwortlichen. Zudem ist auch ein gestuftes Vorgehen bei der Beantwortung von Betroffenenanfragen denkbar. So könnte der Verantwortliche elektronisch verfügbare Dokumente, auf die die Mitarbeiter auch im Home-Office zugreifen können, zuerst bearbeiten.

Ausnahmen nach der Fristen-Verordnung?

Die für die Berechnung europarechtlich vorgegebener Fristen (also auch jener nach Art. 12 Abs. 3 DSGVO oder Art. 33 Abs. 1 DSGVO) unmittelbar anwendbare Fristen-Verordnung (Verordnung (EWG, Euratom) Nr. 1182/71) sieht keine Ausnahme von bestehenden Fristen im Ausnahmefall vor.

Ausnahmen in der DSGVO?

Art. 12 DSGVO sieht keine Ausnahmen von den dort geregelten Fristen vor. Hinsichtlich der allgemeinen Pflichten nach der DSGVO finden sich in einzelnen Artikel zum Teil Ausnahmevorschriften. So etwa in Art. 14 Abs. 5 lit. b DSGVO, für den Fall, dass die Erteilung dieser Informationen sich als unmöglich erweist oder einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde. Jedoch gilt diese Ausnahme nur für die Vorgaben des Art. 14 DSGVO. Im Rahmen der Löschpflicht wird etwa in Art. 17 Abs. 3 lit. c DSGVO als Ausnahme auf Gründe des öffentlichen Interesses im Bereich der öffentlichen Gesundheit nach Art. 9 Abs. 2 lit. i DSGVO verwiesen. Auch hierbei handelt es sich aber nur um eine spezielle Ausnahme zu Art. 17 DSGVO.

Höhere Gewalt: keine Haftung der Unternehmen

In der aktuellen Situation ist meines Erachtens über eine, in der DSGVO zwar nicht ausdrücklich benannte, dem Sinn und Zweck nach jedoch angelegte, allgemeine Ausnahme bzw. Privilegierung nachzudenken: das Vorliegen „höherer Gewalt“.

Wichtig ist hierbei, die europarechtlichen Vorgaben zu dieser Ausnahme heranzuziehen, da die DSGVO als europäisches Recht auf europarechtsautonom anzuwenden ist.

Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH sind unter „höherer Gewalt“ ungewöhnliche und unvorhersehbare Ereignisse zu verstehen, auf die derjenige, der sich auf höhere Gewalt beruft, keinen Einfluss hat und deren Folgen trotz Anwendung der gebotenen Sorgfalt nicht hätten vermieden werden können (vgl. etwa EuGH, Urt. v. 18.3.2010, Rs. C?218/09). Zu beachten ist, dass es ebenfalls ständiger Rechtsprechung entspricht, dass die Bedeutung des Begriffs der höheren Gewalt, da er auf den verschiedenen Anwendungsgebieten des Unionsrechts nicht den gleichen Inhalt hat, anhand des rechtlichen Rahmens zu bestimmen ist, innerhalb dessen er seine Wirkungen entfalten soll (EuGH, Urt. v. 25.1.2017, Rs. C?640/15). Maßgebend für seine Anwendung ist insofern die Zweckbestimmung der jeweiligen Verordnung (vgl. EuGH, Urt. v. 17.10.2002). Die Besonderheit des jeweiligen Rechtsgebiets beeinflusst vor allem die Auslegung des Begriffs im Einzelfall (vgl. EuGH, Urt. v. 22.1.1986).

Es ist daher zu prüfen, ob auch die DSGVO eine solche Ausnahme vorsieht, auf die sich eventuell datenverarbeitende Stellen in den aktuellen Zeiten berufen können. Bezogen auf die DSGVO fällt zunächst auf, dass diese den Begriff „höhere Gewalt“ nicht kennt. Zumindest nicht in der finalen Fassung. Betrachtet man den ersten Entwurf der EU Kommission und auch die Vorschläge des EU Parlaments im Gesetzgebungsverfahren, wird deutlich, dass der Umstand höherer Gewalt sehrwohl eine Rolle spielte: konkret im Rahmen der Haftung von Unternehmen auf Schadensersatz gegenüber Betroffenen.

ErwG 146 DSGVO lautet: „Der Verantwortliche oder der Auftragsverarbeiter sollte Schäden, die einer Person aufgrund einer Verarbeitung entstehen, die mit dieser Verordnung nicht im Einklang steht, ersetzen. Der Verantwortliche oder der Auftragsverarbeiter sollte von seiner Haftung befreit werden, wenn er nachweist, dass er in keiner Weise für den Schaden verantwortlich ist.“ (Hervorhebung durch mich)

In den früheren Fassungen der DSGVO war dieser Erwägungsgrund aber noch mit konkretem Verweis auf „höhere Gewalt“ formuliert. ErwG 118 (Ratsdokument 9398/15, 1.6.2015, pdf):

„Schäden, die einer Person aufgrund einer rechtswidrigen Verarbeitung entstehen, sollten von dem für die Verarbeitung Verantwortlichen oder dem Auftragsverarbeiter ersetzt werden, die von ihrer Haftung befreit werden sollten, wenn sie nachweisen, dass ihnen der Schaden nicht angelastet werden kann, insbesondere weil ein Fehlverhalten der betroffenen Person oder ein Fall höherer Gewalt vorliegt.“ (Hervorhebungen durch mich)

Die beispielhafte Aufzählung von Umständen („insbesondere“), wann keine Haftung vorliegen soll, wurde auf Vorschlag des Rates gestrichen und durch eine generelle und umfassende Formulierung („in keiner Weise…verantwortlich ist“) ersetzt.

Zwar fehlt der konkrete Begriff „höhere Gewalt“. Jedoch meiner Meinung nach nicht, weil eine Berufung hierauf nicht mehr möglich sein soll, sondern vielmehr, weil der Gesetzgeber die Möglichkeit der (Ent)Nichthaftung allgemeiner umschreiben wollte, ohne spezielle Beispiele zu nennen.

Daher halte ich es auf jeden Fall für vertretbar, dass Unternehmen sich im Rahmen von Verstößen gegen die DSGVO, die ihren nachweisbaren Grund in den aktuellen Umständen des Corona-Virus und damit einhergehenden staatlichen Maßnahmen haben, auf den Umstand „höhere Gewalt“ berufen können. In diesem Fall haften Unternehmen dann Betroffenen nicht auf Schadensersatz.

Ich würde zudem auch vertreten, dass dieser, in der DSGVO klar angelegte Gedanke der Enthaftung in Ausnahmesituationen, nicht nur in Bezug auf Schadensersatzansprüche nach Art. 82 DSGVO greift, sondern auch hinsichtlich der Einhaltung von Fristen (zB Art. 12 Abs. 3 DSGVO oder Art. 33 Abs. 1 DSGVO) oder gegebenenfalls sogar anderen Pflichten. Denn, wenn schon keine Haftung angenommen wird, wenn ein Schaden eingetreten ist, dann muss es erst recht möglich sein, mit dieser Ausnahme einer Verlängerung gesetzlicher Fristen zu begründen. Es geht Unternehmen ja aktuell nicht darum, dass man Pflichten gar nicht mehr erfüllen möchte. Man kann es derzeit nur nicht in den regulatorisch vorgegebenen Parametern. Dies ist meine (in einer etwas längeren Nachsitzung entstandene) Meinung zur Auslegung und Anwendung der DSGVO in aktuellen Zeiten ist. Das bedeutet aber auch, wie oben schon angemerkt, dass andere Rechtsauffassungen (gerade auch von Aufsichtsbehörden) möglich sind.

Für die hier gefundene Lösung spricht meines Erachtens auch das Verständnis des Bundesverwaltungsgerichts zu diesem Begriff: „Der Begriff der höheren Gewalt ist ein allgemeiner Begriff des Gemeinschaftsrechts, dessen Funktion es ist, Härten aus der Anwendung von Präklusions- und Sanktionsvorschriften in besonders gelagerten Fällen zu vermeiden und damit dem Gebot der Verhältnismäßigkeit im Einzelfall zu entsprechen“ (BVerwG, Urt. v. 29.4.2004 – BVerwG 3 C 27.03; Hervorhebung durch mich)

Zuletzt sei im Hinblick auf mögliche Bußgelder wegen Verstößen gegen die DSGVO darauf verwiesen, dass nach Art. 82 Abs. 2 lit. k DSGVO von den Aufsichtsbehörden zwingend „jegliche anderen erschwerenden oder mildernden Umstände im jeweiligen Fall“ beachtet werden müssen. Hierzu zählt meines Erachtens auch ein Fall „höherer Gewalt“.

Wichtig ist jedoch, dass die Anforderungen des EuGH an die Anwendbarkeit der Ausnahme „höhere Gewalt“ beachtet werden und, dass Unternehmen nachweisbar dokumentieren, warum diese Voraussetzungen vorliegen. Es muss also ein ungewöhnliches und unvorhersehbares Ereignisse vorliegen, auf das derjenige, der sich darauf beruft, keinen Einfluss hat und deren Folgen trotz Anwendung der gebotenen Sorgfalt nicht hätten vermieden werden können.

Hessische Datenschutzbehörde zum Umfang des Auskunftsrechts und zur Einsicht in Patientenakten

Der Hessische Datenschutzbeauftragte (HBDI) hat auf seiner Webseite eine kurze Information mit seiner Position zu der Frage veröffentlicht, wie der datenschutzrechtliche Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO und das Recht auf Einsichtnahme in die Patientenakte nach § 630g BGB zueinander stehen.

Genau zu diesem Thema hatte sich auch schon zuvor das BayLDA in seinem Tätigkeitsbericht 2017/18 (pdf, S. 46) geäußert. Dort geht das BayLDA davon aus, dass § 630g BGB, als bereichsspezifische Vorschrift, über den datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO hinausgeht. In Bezug auf Art. 15 Abs. 3 DSGVO („Kopie“) geht das BayLDA darauf ein, dass nur eine „Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind“, zur Verfügung zu stellen ist. Es sei hier jedoch nicht die Rede von Kopien der betreffenden Akten oder von sonstigen Unterlagen.

Die nun veröffentlichte Position des HBDI geht im Grunde in dieselbe Richtung.

Art. 15 DSGVO

Art. 15 Abs. 3 DSGVO normiert ein Recht auf Zurverfügungstellung einer Kopie der personenbezogenen Daten.

Einen Anspruch auf Herausgabe einzelner Kopien, z. B. im Sinne einer Fotokopie bestimmter Dokumente, enthält Art. 15 Abs. 3 DS-GVO in aller Regel jedoch nicht. Vielmehr ist der Kopie-Begriff des Art. 15 Abs. 3 DS-GVO im Sinne einer sinnvoll strukturierten Zusammenfassung zu verstehen.

Der HBDI begründet weiter, dass dem Betroffenen daher nicht sämtliche, ihn betreffenden Dokumente in Kopie zur Verfügung gestellt werden müssen. Denn der Wortlaut von Art. 15 Abs. 3 S. 1 DSGVO spreche lediglich von einer Kopie der „personenbezogenen Daten“ und gerade nicht von einer Kopie der Unterlagen, Dokumente oder Akten, in denen diese enthalten sind.

Meines Erachtens ist diese Ansicht richtig und auch gut vertretbar.

§ 630g BGB

Danach geht der HBDI auf den Anspruch des Patienten auf Einsicht in die ärztlichen Patientenunterlagen nach § 630g BGB ein, der von Art. 15 DSGVO zu unterscheiden ist. Danach hat der Patient das Recht auf Kopie der gesamten Akte unter den Voraussetzungen der Absätze 1 und 2. Dies sind vor allem der therapeutische Vorbehalt und Rechte Dritter. Der Patient hat dem Behandelnden die entstandenen Kosten zu erstatten. Der HBDI verweist darauf, dass diese Norm vom Bundesgesetzgeber trotz der Vorschrift des Art. 15 DSGVO nicht geändert wurde.

Verhältnis

Bei der Darstellung des Verhältnisses der Normen geht der HBDI zunächst auf einen weiteren relevanten Aspekt ein.

Im Hinblick auf den therapeutischen Vorbehalt sei es vertretbar davon auszugehen, dass

§ 630g BGB eine zulässige Beschränkung des Art. 15 DS-GVO gem. Art. 23 Abs. 1 lit. i) DS-GVO darstellt (Schutz der betroffenen Person), im Hinblick auf die Kostenerstattung wäre diese Beschränkung jedoch unzulässig.

Der HBDI wertet denUmstand der unterbliebenen Gesetzesanpassung daher in dem Sinne, dass der Bundesgesetzgeber in der Akteneinsicht nach § 630g BGB eine von dem Auskunftsanspruch und dem Recht auf Kopie des Art. 15 DSGVO unabhängige Regelung mit anderem Inhalt und anderem Zweck sehe. § 630g BGB sei damit keine Einschränkung des Rechts auf Auskunft nach Art. 15 DSGVO. Die Norm diene vielmehr ganz anderen Patienteninteressen als Art. 15 DSGVO, wie etwa eine gut geführte Patientenakte für den Arztwechsel zu erhalten und dadurch die nochmalige Durchführung diagnostischer oder therapeutischer Maßnahmen zu vermeiden. Auch die Beweissicherungsfunktion der Dokumentation bzw. ihre Funktion als Beweismittel in einem Arzthaftungsprozess sei vom Gesetzgeber anerkannt worden.

Dieser Ansicht widersprechen auch nicht die in ErwG 63 S. 2 DSGVO enthaltenen Ausführungen, dass die betroffene Person das Recht auf Auskunft über ihre eigenen gesundheitsbezogenen Daten hat, etwa Daten in ihren Patientenakten, die Informationen wie beispielsweise Diagnosen, Untersuchungsergebnisse, Befunde der behandelnden Ärzte und Angaben zu Behandlungen oder Eingriffen enthalten.

Denn diese sollen der betroffenen Person zu den in Satz 1 des ErwG genannten Zwecken zur Verfügung gestellt werden, namentlich um sich der Verarbeitung bewusst zu sein und deren Rechtmäßigkeit überprüfen zu können.

Weitergehende Zwecke, wie die des § 630g BGB, würden hier in der DSGVO aber gerade nicht genannt.

Im Ergebnis geht der HBDI davon aus, dass es zur Erfüllung des Anspruchs aus Art. 15 Abs. 1 und 3 DSGVO reichen muss, wenn die in ErwG 63 DSGVO genannten Daten vom Verantwortlichen zusammengefasst werden. Aus Praktikabilitätsgründen dürfen die Verantwortlichen natürlich auch für die Herausgabe von gesamten Dokumenten entscheiden.

Die Kopie der gesamten Krankenhausakte des Patienten wäre aber nur nach § 630g BGB herauszugeben.

Generalanwalt am EuGH: hohe Anforderungen an eine wirksame Einwilligung und ihre Nachweisbarkeit

Im Rahmen der am 4.3.2020 veröffentlichten Schlussanträge in der Rechtssache C?61/19, hat Generalwalt (GA) Szpunar seine Interpretation zu den Anforderungen an eine datenschutzrechtliche Einwilligung nach Art. 6 Abs. 1 lit. a DSGVO dargelegt. Die Ausführungen des GA sind für den EuGH (wie immer) nicht bindend. Dennoch lohnt sich ein Blick in die Begründung.

Nachfolgend möchte ich auf einige „Highlights“ der Schlussanträge eingehen.

Was bedeutet der Grundsatz des Art. 5 Abs. 1 lit. a DSGVO?

Nach Art. 5 Abs. 1 lit. a DSGVO müssen personenbezogene Daten auf rechtmäßige Weise, nach Treu und Glauben und in einer für die betroffene Person nachvollziehbaren Weise verarbeitet werden („Rechtmäßigkeit, Verarbeitung nach Treu und Glauben, Transparenz“).

Zu der entsprechenden Vorgängernorm in der RL 95/46/EG (Art. 6 Abs. 1 lit. a) stellt der GA fest, dass in den Erlaubnistatbeständen (jetzt in Art. 6 Abs. 1 DSGVO) der in Art. 6 Abs. 1 lit. a der Richtlinie niedergelegte Grundsatz zum Ausdruck, dass personenbezogene Daten nach Treu und Glauben und auf rechtmäßige Weise verarbeitet werden müssen. Hieraus lässt sich mit Blick auf die DSGVO ableiten, dass mit der Erfüllung eines Erlaubnistatbestandes somit auch die Anforderungen der Datenschutzgrundätze „Rechtmäßigkeit sowie Verarbeitung nach Treu und Glauben“ erfüllt sind.

Freiwilligkeit der Einwilligung

Hinsichtlich des Merkmals der „Willensbekundung“ der betroffenen Person führt der GA aus, dass dies klar auf ein aktives und nicht passives Verhalten hindeute und erfordere, dass die betroffene Person über ein hohes Maß an Autonomie verfügt, wenn sie sich entscheidet, ihre Einwilligung zu erteilen oder nicht zu erteilen. Der GA verweist insoweit auf das Urteil des EuGH in Sachen Planet49.

Nach Ansicht des GA gelten die dort getroffenen Feststellungen auch gleichermaßen für die analoge Welt.

Wenn es schon zu hohe Anforderungen an den Kunden stellt, das in einem Ankreuzkästchen auf einer Website voreingestellte Häkchen zu entfernen, dann kann von einem Kunden vernünftigerweise erst recht nicht erwartet werden, dass er seine Verweigerung der Einwilligung in handschriftlicher Form erklärt.

In einer solchen Situation wisse man nämlich nicht, ob ein solcher vorformulierter Text gelesen und verstanden wurde. Die Situation sei nicht frei von Zweifeln. Der Text mag gelesen worden sein oder auch nicht. Der „Leser“ mag dies aus reiner Nachlässigkeit vergessen haben; es sei daher unmöglich, klar festzustellen, ob die Einwilligung freiwillig erteilt wurde.

„in informierter Weise“

Dieses Merkmal legt der GA so aus, dass völlig außer Zweifel stehen muss, dass die betroffene Person ausreichend informiert wurde.

Er fordert:

Die betroffene Person muss über alle die Datenverarbeitung und deren Folgen betreffenden Umstände informiert werden. Insbesondere muss sie wissen, welche Daten verarbeitet werden, wie lange die Verarbeitung andauert, in welcher Weise und zu welchem spezifischen Zweck sie erfolgt.

Leider wird nicht deutlich, ob der GA hier den Inhalt der Einwilligung selbst anspricht oder ob diese Information nicht auch über die Erfüllung der Informationspflichten entsprechend Art. 13 DSGVO erfolgen kann. Denn sollte es zu einer Dopplung von Informationen kommen, einmal in der Erklärung, einmal in den Datenschutzinformationen, dürfte man wohl die Frage stellen, welchen Sinn eine doppelte Informationserteilung hat.

Doch die Anforderungen gehen weiter:

Die betroffene Person muss außerdem wissen, wer die Daten verarbeitet und ob die Daten dazu bestimmt sind, an Dritte übermittelt zu werden.

Zudem sei entscheidend, dass der Betroffene darüber informiert wird, welche Folgen es hat, wenn er die Einwilligung verweigert, d. h., ob die Einwilligung in die Datenverarbeitung Voraussetzung für den Vertragsabschluss ist oder nicht. Dem Betroffenen wurde hier im konkreten Fall jedoch nicht unmissverständlich erklärt, dass der Vertragsabschluss dadurch, dass er die Anfertigung und Aufbewahrung einer Kopie seines Personalausweises verweigert, nicht unmöglich wird.

Wenn man die Anforderungen des GA allesamt in dem Text der Einwilligungserklärung selbst abbilden wollen würde, müsste diese folgende Informationen beinhalten:

  • alle die Datenverarbeitung betreffenden Umstände
  • deren Folgen betreffenden Umstände (Anm: was immer mit den Folgen gemeint ist)
  • welche Daten verarbeitet werden
  • wie lange die Verarbeitung andauert
  • in welcher Weise sie erfolgt
  • zu welchem spezifischen Zweck sie erfolgt
  • wer die Daten verarbeitet
  • ob die Daten dazu bestimmt sind, an Dritte übermittelt zu werden
  • welche Folgen es hat, wenn sie die Einwilligung verweigert

Ich persönlich bin auf transparente und verständliche Einwilligungserklärungen gespannt, die diesen Anforderungen gerecht werden. Zudem muss beachtet werden, dass der Text der Einwilligung ja eine statische Momentaufnahme ist. Was geschieht, wenn sich die „Folgen“ der Datenverarbeitung ändern oder Daten nun etwa nicht mehr an Dritte übermittelt werden sollen? Ist die Einwilligung dann unwirksam?

Beweislast und Nachweispflicht

Zudem geht der GA auf die praktisch sehr relevante Frage ein, was konkret durch den Verantwortlichen nachzuweisen ist, wenn er darlegen will oder muss, dass eine Einwilligung vorliegt.

Der GA bezieht sich ganz konkret auf Art. 7 Abs. 1 DSGVO. Danach muss der Verantwortliche nachweisen können, dass die betroffene Person in die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten eingewilligt hat. Nach Ansicht des GA ist Art. 7 Abs. 1 DSGVO eindeutig und lässt keinen Raum für Zweifel:

Beruht die Verarbeitung auf einer Einwilligung, so muss der Verantwortliche nachweisen, dass die betroffene Person in die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten eingewilligt hat. Diese Bestimmung stellt einen besonderen Ausdruck des in Art. 5 Abs. 2 der Verordnung 2016/679 verankerten Grundsatzes der Rechenschaftspflicht dar.

Der GA verknüpft hier also die Rechenschaftspflicht, die ja ansonsten oft doch recht alleine in der DSGVO steht bzw. sich „nur“ auf die Grundsätze nach Art. 5 Abs. 1 DSGVO bezieht, nicht mit einem solchen Grundsatz, sondern mit einem anderen Artikel der DSGVO, der auf einen Nachweis abstellt.

Und nun eine entscheidende Aussage:

Meines Erachtens erfordert der Zweck dieser Bestimmung eine weite Auslegung, da der Verantwortliche nicht nur nachweisen muss, dass die betroffene Person ihre Einwilligung erteilt hat, sondern auch nachweisen muss, dass sämtliche Wirksamkeitsvoraussetzungen vorliegen.

Das bedeutet, dass Verantwortliche nicht nur das Vorliegen der Einwilligung nachweisen müssen. Also etwa den abgehakten Text. Zudem muss der Verantwortliche die Erfüllung aller gesetzlichen Anforderungen nach der DSGVO nachweisen, die sich auf die Einwilligung beziehen.

Und wenn es zum Streit kommt? Auch hier ist der GA klar.

Jegliche Zweifel an der Erteilung der Einwilligung durch die betroffene Person müssen durch vom Verantwortlichen zu erbringenden Beweis ausgeräumt werden. Die Beweislast dafür, dass die betroffene Person in die Lage versetzt wurde, ihre Einwilligung ohne Zwang, auf den konkreten Fall bezogen und in voller Kenntnis der Sachlage zu erteilen, liegt daher eindeutig bei der Stelle, die die Verarbeitung durchführt.

Meines Erachtens legt der GA hier strenge Anforderungen an. Sollte der EuGH dieser Argumentation folgen, würde dies bedeuten, dass Verantwortliche also nicht nur den einzelnen Text der Einwilligung, sondern tatsächlich alle Umstände der Abgabe bzw. Einholung der Einwilligung nachweisen können müssen. Nicht unerwähnt sollte bleiben, dass für einen solchen Nachweis wohl zusätzlich personenbezogene Daten (etwa eine Klickstrecke, Screenshots, usw.) verarbeitet werden müssen.

Bayerisches Oberstes Landesgericht: Kein Anspruch auf Datenlöschung gegen Staatsanwaltschaft, solange keine Verjährung eingetreten ist

Mit Beschluss vom 27.01.2020 (Az. 203 VAs 1846/19) hat das Bayerische Oberste Landesgericht zu der Frage entschieden, ob eine Person, gegen die ein Ermittlungsverfahren geführt wurde, nach der Einstellung einen datenschutzrechtlichen Anspruch auf Löschung und Berichtigung ihrer Daten bei der Staatsanwaltschaft hat.

Sachverhalt

Gegen den Antragsteller wurde bei der Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Totschlags geführt, welches mit Verfügung gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt wurde. Die durchgeführten Ermittlungen hatten keinen hinreichenden Tatverdacht gegen den Beschuldigten ergeben. Zu der Person des Betroffenen speicherte die Staatsanwaltschaft seine Personalien und persönlichen Verhältnisse zum Zwecke der Durchführung des gegen ihn geführten Ermittlungsverfahrens. Die Daten sind Bestandteil der Ermittlungsakte und wurden zur Durchführung der Ermittlungen gespeichert.

Zudem wurde darauf hingewiesen, dass die Aufbewahrungsfrist vorliegend nach der Aufbewahrungsverordnung vom 29.7.2010 30 Jahre betrage, beginnend mit Ablauf des Jahres 2018, in welchem die das Verfahren einstellende Entscheidung getroffen worden sei.

Daraufhin beantragte der Beschuldigte die genaue Angabe, welche konkreten Daten gespeichert seien. Hierauf wurden ihm entsprechende Daten mitgeteilt, u.a. „Stellung im Verfahren 105 Js 4832/18: Beschuldigter wegen Totschlags (§ 212 StGB), Tatzeit vom 10.9.2009 bis 8.1.2017, zum Nachteil von C.M.“. § 170 Abs. 2 StPO als Verfahrensbeendigungsgrund sei nicht gespeichert.

Der Beschuldigte stellte daraufhin Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen die abgelehnte Löschung/Berichtigung seiner Daten. Er beantragte die Löschung der Daten, hilfsweise die Speicherung nur der notwendigen Daten sowie die zusätzliche Aufnahme von § 170 Abs. 2 StPO.

Entscheidung

Das Gericht entschied, dass der Antragsteller weder Anspruch auf Berichtigung noch auf Löschung der durch die Staatsanwaltschaft gespeicherten Daten habe.

Zunächst verweist das Gericht auf die hier anwendbaren datenschutzrechtlichen Regelungen. Nach § 500 Abs. 1 StPO i.V.m. § 75 Abs. 1 BDSG bestehe einen Berichtigungsanspruch, wenn gespeicherte personenbezogene Daten unrichtig oder unvollständig sind.

Nach § 500 Abs. 1 StPO i.V.m. § 75 Abs. 2 BDSG, § 500 Abs. 2 Nr. 1 StPO i.V.m. § 489 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 3 StPO (als ergänzende Sonderregelungen) bestehe ein Löschungsanspruch hinsichtlich gespeicherter personenbezogener Daten, wenn das Ermittlungsverfahren erledigt ist, d.h. bei einer Einstellung, die die Wiederaufnahme (wie bei § 170 Abs. 2 StPO) nicht hindert, mit Eintritt der Verjährung.

Es besteht aber kein Berichtigungsanspruch, da die gespeicherten Daten nicht unrichtig und nicht unvollständig sind. Der Tatvorwurf sei zu Recht gespeichert, denn der Gegenstand eines Ermittlungsverfahrens muss zweifelsfrei erfasst sein, insbesondere auch um den Eintritt der Verjährung konkret bestimmen zu können, der maßgeblich ist für den Zeitpunkt der Löschung. Das Interesse der Strafverfolgungsbehörden an der Speicherung der Daten gehe dem Interesse des Beschuldigten an der Vermeidung einer Stigmatisierung vor.

Zudem sei auch nicht erforderlich, dass die Vorschrift des § 170 Abs. 2 StPO auch ausdrücklich genannt wird, da die gewählte Formulierung eindeutig ergibt, dass eine Sachbehandlung nach § 170 Abs. 2 StPO erfolgt ist.

Zudem bestehe auch kein Löschungsanspruch. Denn eine Löschung sei erst dann vorzunehmen, wenn das Ermittlungsverfahren erledigt ist, d.h. bei einer Verfahrenseinstellung nach § 170 Abs. 2 StPO mit Eintritt der Verjährung. Hier stellt das Gericht auf den Straftatbestand des Totschlags ab. Dieser verjährt nach § 78 Abs. 3 Nr. 1 StGB in dreißig Jahren.

Während des Laufs der Verjährungsfrist ist die Datenspeicherung zur Aufgabenerfüllung der Staatsanwaltschaft erforderlich, weil während dieses Zeitraums neue Beweismittel auftauchen könnten, die Anlass zur Wiederaufnahme der Ermittlungen geben.

Fazit

Auch wenn der Beschluss in einem datenschutzrechtlichen Spezialbereich erging, so lässt sich der Argumentation des Gerichts doch auch für den privatwirtschaftlichen Bereich eine relevante Begründung zur Aufbewahrung von Daten entnehmen. Personenbezogene Daten sind nicht zu löschen, wenn ihre Aufbewahrung dem Zweck eines Unternehmens dient, innerhalb von Verjährungs- oder etwa Gewährleistungsfristen eigene Ansprüche durchzusetzen oder sich gegen solche Ansprüche verteidigen zu können. Die weiterhin gespeicherten Daten können in diesem Zusammenhang als wertvolle Tatsachenbasis für eine notwendige Beweisführung dienen. Entsprechend sieht Art. 17 Abs. 3 lit. e DSGVO vor, dass personenbezogene Daten nicht zu löschen sind, wenn ihre Speicherung (bzw. weitere Verarbeitung) zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen erforderlich ist.