„Ausblenden“ von Daten ist kein Löschen nach der DSGVO – Gericht: Stammdatensoftware der Bundesagentur für Arbeit nicht datenschutzkonform

Personenbezogene Daten müssen irgendwann gelöscht werden. Art. 17 Abs. 1 DSGVO sieht sowohl ein Recht auf Löschung als auch eine Pflicht vor, Daten zu löschen, wenn keine Ausnahmesituation nach Art. 17 Abs. 3 DSGVO vorliegt – etwa, weil die Daten noch zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung gespeichert werden müssen. Der EuGH hat zu dem korrespondieren Datenschutzgrundsatz der Speicherbegrenzung nach Art. 5 Abs. 1 lit. e) DSGVO festgestellt, dass „dass selbst eine ursprünglich zulässige Verarbeitung von Daten im Lauf der Zeit gegen die DSGVO verstoßen kann, wenn diese Daten für die Erreichung der Zwecke, für die sie erhoben oder später verarbeitet wurden, nicht mehr erforderlich sind, und dass diese Daten gelöscht werden müssen, wenn diese Zwecke erreicht sind“ (Rs. C‑446/21, Rz. 56). 

In der Praxis stellt das Thema „Löschen von Daten“ Verantwortliche und Auftragsverarbeiter oft vor faktische Probleme. „Wir können gar nicht löschen“, ist zu hören. „Unsere Software sieht eine Löschung nicht vor“. 

Genau solch einen Fall hatte kürzlich das Sozialgericht Dresden zu entscheiden (Urt. v. 22.10.2025 – S 15 SF 304/24 DS). Das Pikante an dem Verfahren: in Rede stand dort das Stammdatenerfassungs- und -pflegesystem (STEP) der Bundesagentur für Arbeit (BA).

Sachverhalt

Die Klägerin des Verfahrens betreute verschiedene Personen ausländischer Herkunft bei der Beantragung von Leistungen bei dem beklagten Jobcenter. So erbat sie z.B. unter Vorlage einer Schweigepflichtentbindungserklärung von dem Beklagten Informationen zu einer Klientin. Der Beklagte führt seine Verwaltungsakten elektronisch und nutzt dazu verpflichtend das Stammdatenerfassungs- und -pflegesystem (STEP) der Bundesagentur für Arbeit (BA). Darin war die Klägerin aufgrund früherer eigener Antragsvorgänge mit ihrer Privatadresse gespeichert.

Nach einem Datenschutzvorfall beantragte die Klägerin die Löschung ihrer Privatadresse und persönlichen Daten aus der Verwaltungsakte der Klienten.

Der Beklagte argumentierte, dass Dokumente/Schriftstücke/Vorblätter, die die private Anschrift der Klägerin enthielten, in der elektronischen Akte der Klienten „ausgeblendet“ seien. Damit werde dem Löschanspruch nach Art. 17 DSGVO nachgekommen. Der Beklagte weigere sich nicht, das Löschen vorzunehmen, es sei einfach technisch nicht möglich. Um den datenschutzrechtlichen Bestimmungen trotz der rechtlichen Vorgaben nachkommen zu können, gebe es in der elektronischen Akte die Funktion des Ausblendens von Dokumenten. Dieses Verfahren werde im Vier-Augen-Prinzip durchgeführt. Ein Einblenden der Dokumente ist zwar grundsätzlich wieder möglich, benötige aber ebenso wieder zwei Personen. Eine Löschung von einmal zu den Akten verfügten Dokumenten sei aufgrund kassenrechtlicher Vorgaben des Bundesministeriums für Finanzen untersagt und das Löschen technisch nicht mehr möglich.

Entscheidung

Das Gericht geht in seiner Entscheidung davon aus, dass die personenbezogenen Daten der Klägerin (jedoch nur die private Adresse) gelöscht werden müssen und bisher nicht entsprechend der DSGVO gelöscht wurden. Bezüglich der privaten Adresse sei eine unrechtmäßige Verarbeitung von Daten erfolgt.

Zum Begriff des „Löschens“ stellt das Gericht zunächst fest, dass

ein Ausblenden der Daten mit der technischen Möglichkeit des Wiedereinblendens jedoch kein Löschen i.S. von Art. 17 DSGVO“ darstelle.

Die DSGVO selbst enthalte keine Definition des Begriffs „Löschen“. Der Vorgang des „Löschens“ werde in Art. 4 Nr. 2 DSGVO neben der „Vernichtung“ als eine Form der Verarbeitung genannt.

Unter „Vernichtung“ versteht das Gericht die körperliche Zerstörung des Datenträgers und eine endgültige Löschung der personenbezogenen Daten.

Löschen ist – ohne zwingende körperliche Zerstörung – der Entzug des Personenbezuges in den Daten mit dem Ziel der (faktischen) Unmöglichkeit, die zuvor in den zu löschenden Daten verkörperte Information wahrzunehmen, so dass die personenbezogenen Daten nicht mehr Gegenstand der (produktiven) Datenverarbeitung sind und dies irreversibel sicherzustellen ist„.

Das Gericht geht davon aus, dass „Löschen“ verschiedene Formen haben kann, wie z.B. die vollständige Zerstörung des Datenträgers oder die Löschung von Verknüpfungen oder Codierungen, die zur Wahrnehmung der Information erforderlich sind, wie etwa das Löschen eines Eintrags in einer Pseudonymliste oder andere Formen des dauerhaften Nichtzugriffs wie z.B. das Schwärzen.

Was jedoch nicht genügt

„… sind dagegen Beschränkungen der Verarbeitung i.S. von Art. 18 DSGVO, weil ein dauerhafter Zugriffsausschluss darin nicht enthalten ist„.

Das Ausblenden mit dem vom Beklagten genutzten Programm führe hier gerade nicht zu einem endgültigen Zugriffsausschluss. Vielmehr ist es nach den derzeitigen technischen Begebenheiten nur nicht mehr möglich, die Daten zu sehen. Allerdings bestehe technisch auch nach Ausblendung der Daten die Möglichkeit, dass zwei Führungskräfte oder deren Stellvertreter die ausgeblendeten Daten wieder sichtbar machen können.

Die Möglichkeit des Wiedereinblendens widerspricht dem Löschungsprinzip der DSGVO.“

Das Jobcenter hatte vorgebracht, dass es die Daten ja eigentlich löschen wollen würde und sich nicht weigere, das Löschen vorzunehmen.

„… es sei einfach technisch nicht möglich„.

Dieses faktische Argument lässt das Gericht jedoch mit klaren Worten nicht gelten und verweist in seiner Begründung unter anderem auf die Vorgaben des Art. 25 DSGVO („Datenschutz durch Technikgestaltung“).

Die technischen Programme haben die geltenden Gesetze und Betroffenenrechte umzusetzen (vgl. auch Art. 25 DSGVO) und nicht anders herum. Insofern ist es Aufgabe des Beklagten bzw. der Bundesagentur für Arbeit, sein Programm zur Nutzung seiner elektronischen Akte so umschreiben zu lassen, dass ein irreversibles Löschen technisch tatsächlich auch erfolgen kann„.

Einen ebenfalls geltend gemachten Schadenersatzanspruch nach Art. 82 DSGVO lehnt das Gericht meines Erachtens jedoch zurecht ab. Insbesondere ein Kontrollverlust liege nicht vor. Mit dem derzeitigen Ausblenden bestehe eine begründete Befürchtung der Betroffenen bzgl. dieses Kontrollverlustes nicht. Die Privatadresse sei bereits ausgeblendet und kann weder von dem Klienten noch von einem Mitarbeiter des Beklagten alleine wieder eingeblendet werden.

Fazit

Überträgt man diesen Fall und die Ansichten des Gerichts auf den privatwirtschaftlichen Bereich von Unternehmen, dürfte schnell klar werden, dass Verantwortliche bei dem Einsatz von Software, in der personenbezogene Daten verarbeitet werden, als Anforderungsmerkmal darauf achten sollten, dass Daten gelöscht werden können. Wie das Gericht aufzeigt, bedeute dies nicht zwingend eine elektronische / physische Zerstörung. Auch eine Anonymisierung kann den Personenbezug endgültig entfernen.

Meiner Erfahrung nach ist jedoch extrem wichtig, dass Verantwortliche bereits bei der Entwicklung und noch mehr im (IT)Einkaufsprozess darauf achten, dass anzuschaffende Software die Grundprinzipien der DSGVO umsetzen kann. Es lohnen sich hierbei durchaus auch einmal konkrete Nachfragen an den Hersteller (und ja, mir ist bewusst, dass dies nicht in jeder Situation möglich ist).

Wichtig zu beachten ist zudem, dass die Softwarehersteller selbst oft gar nicht in den Anwendungsbereich der DSGVO fallen, da sie nicht zwingend als Verantwortliche agieren, wenn ihr Produkt durch Kunden genutzt und mit Daten gefüllt wird. Der „Verantwortliche“ nach der DSGVO ist in diesem Fall zumeist der Kunde, der die Software für die Datenverarbeitung verwendet.

 

Kontaktaufnahme per E-Mail oder Kontaktformular: bitte ohne Einwilligung

Immer wieder lese ich im Internet Datenschutzhinweise, in denen etwas steht wie:

„Bei Fragen jeglicher Art bieten wir Ihnen die Möglichkeit, mit uns über die auf der Webseite angegebene E-Mailadresse des Kundenservice Kontakt aufzunehmen. Ihre Angaben werden zur Beantwortung Ihrer Anfrage verarbeitet. Die Datenverarbeitung zum Zwecke der Kontaktaufnahme mit uns erfolgt nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. a DSGVO auf Grundlage Ihrer freiwillig erteilten Einwilligung.“

Ähnliche Texte gibt es auch zur Kommunikation via Kontaktformular (was ja im Hintergrund oft auch nur eine Mail auslöst).

Verwendung ohne Not

Und jedes Mal, wenn ich solche Angaben lese, denke ich: ihr glaubt doch nicht wirklich, dass so eine Kontaktaufnahme als Einwilligung nach Art. 6 Abs. 1 DSGVO gewertet werden kann? Wie soll das gehen? Wie dokumentiert ihr die Einwilligung? Wo findet man den Text der Einwilligungserklärung?

Wie so oft im Datenschutzrecht, werden solche Placebo-Hinweise aus Un- und fehlender Fachkenntnis oder mangelndem Willen zur richtigen Beratung in der Sache einfach „rausgefeuert“. Oft auch übernommen aus falschen Standardmustern.

Mit potentiellen Risiken

Für die Unternehmen, Vereine oder öffentliche Stellen, die solche Hinweise verwenden, kann dies (im worst case) durchaus negative Konsequenzen haben. Bsp: jemand ist mit dem Kundenservice nicht zufrieden und beschwert sich bei der Aufsichtsbehörde. Diese schreibt dem Verantwortlichen und fragt etwa nach der Rechtsgrundlage der Verwendung der Daten des Anfragenden. Wenn man nun antwortet „Einwilligung“, dann wird man diese im Zweifel auch nachweisen können müssen. Kann man aber nicht. Wenn man antwortet, „Sorry, wir haben uns vertan. Es ist doch eine andere Rechtsgrundlage“, dann hat man in den Datenschutzhinweisen falsch informiert. Beide Ergebnisse sind nicht gut – und absolut vermeidbar.

Es geht sehr viel ohne Einwilligung

Für mich sind solche Situationen (Anfrage von interessierten Personen per Mail oder Kontaktformular) aber eigentlich ein Paradebeispiel der Rechtsgrundlage nach Art. 6 Abs.  1 f) DSGVO, also der Interessenabwägung. Und für öffentliche Stellen dann ggfs. noch nach Art. 6 Abs. 1 e) DSGVO, zur Aufgabenwahrnehmung.

Nach ErwG 47 DSGVO sind vor allem zwei Aspekte bei Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO relevant:

  • Vernünftige Erwartungen des Betroffenen: gerade in der oben beschrieben Situation weiß doch der Betroffene, dass er Kontakt aufnimmt. Er weiß auch, dass seine Angaben zur Kommunikation genutzt werden. Er erwartet diese Datenverwendung auch.
  • Kann der Betroffene absehen, „dass möglicherweise eine Verarbeitung für diesen Zweck erfolgen wird“: ja natürlich kann er das. Denn er initiiert die Kontaktaufnahme.

Und auch Art. 6 Abs. 1 b) DSGVO, also die Anbahnung eines Vertrags oder die Durchführung (Kommunikation mit Kunden) kann je nach Situation als Rechtsgrundlage dienen.

Auch deutsche Aufsichtsbehörden sind bei der Frage der Rechtsgrundlage gegen die Einwilligung.

Die hessische Datenschutzbehörde (TB 2024, S. 127) geht etwa davon aus: „Hier ist ganz deutlich Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. f DS-GVO die passende und richtige Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung…“. Eine „Einwilligung der Dienstenutzenden in die Verarbeitung ihrer Daten ist in solchen Fällen offensichtlich nicht notwendig“.

Zu Kontaktformularen auf Websites vertritt etwa das BayLDA (TB 2017/18, S. 56) die Ansicht: „Grundsätzlich bedarf es keiner Einwilligung durch den Nutzer, da die Datenverarbeitung auf eine Interessenabwägung nach Art. 6 Abs. 1 Buchstabe f DS-GVO gestützt werden kann“.

Natürlich muss man neben der Rechtsgrundlage auch die übrigen Vorgaben der DSGVO beachten (etwas den Grundsatz der Datenminimierung bei Kontaktformularen, also welche Daten man von Betroffenen erfragt). Aber auch dies ist meiner Erfahrung nach wirklich kein Hexenwerk.

„Zu viel Aufwand“ zählt nicht – EDSA lehnt Verhältnismäßigkeitsprüfung bei Auskunftsanfragen ab

Wenn Unternehmen oder öffentliche Stellen mit Auskunftsanträgen nach Art. 15 DSGVO konfrontiert sind, kann sich deren Erfüllung in der Praxis manchmal als extrem aufwendig herausstellen. Schließlich müssen in diesem Fall intern alle personenbezogenen Daten zu der betroffenen Person herausgesucht werden. Gerade im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern kann dies, bei langjährigen Arbeitsverhältnissen, zu nicht zu unterschätzenden Aufwänden führen.

Im Rahmen einer Stellungnahme zum Entwurf des Durchführungsbeschlusses der Kommission über den angemessenen Schutz personenbezogener Daten im Vereinigten Königreich befasste sich der EDSA – kurz, aber eindeutig – mit der Frage, ob bei der Erfüllung von Auskunftsanfragen ein Verhältnismäßigkeitskriterium angewendet werden darf. Konkret also, ob ein Verantwortlicher berechtigt sein kann, eine Anfrage nicht vollständig zu erfüllen, weil die Suche nach den Daten in internen Systemen zu aufwendig wäre.

Art. 15 Abs. 1A UK GDPR führt eine Verhältnismäßigkeitsprüfung ein, wie es in der britischen Rechtsprechung entwickelt wurde. Nach Absatz 1A

„hat die betroffene Person nur Anspruch auf eine solche Bestätigung, personenbezogene Daten und sonstige Informationen, die der Verantwortliche auf Grundlage einer angemessenen und verhältnismäßigen Suche nach den in diesem Absatz beschriebenen personenbezogenen Daten und sonstigen Informationen bereitstellen kann.“

Verantwortliche müssen daher nur „angemessene und verhältnismäßige Suchvorgänge“ durchführen, um Auskunftsanfragen zu erfüllen.

Der EDSA hebt hervor, dass eine solche Verhältnismäßigkeitsprüfung im EU-Datenschutzrahmen nicht vorgesehen ist:

„Das Unionsrecht sieht keinen allgemeinen Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit in Bezug auf den Aufwand vor, den der Verantwortliche zur Erfüllung von Betroffenenanfragen nach Art. 12 DSGVO zu leisten hat, sondern enthält nur die in Absatz 5 genannten Ablehnungsgründe.“

Ist der Versuch einer Datenverarbeitung bereits eine „Verarbeitung“ im Sinne der DSGVO?

In seinem Urteil vom 4.10.2024 (Rs. C‑548/21) hatte der EuGH u.a. die Frage zu beantworten, ob der Anwendungsbereich der Richtlinie (EU) 2016/680 eröffnet ist und eine „Verarbeitung“ nach Art. 3 Nr. 2 der Richtlinie vorliegt, wenn Polizeibehörden versuchen, Zugang zu den auf einem Mobiltelefon gespeicherten Daten zu erlangen – auch wenn dieser Versuch scheitert und Daten faktisch nicht verarbeitet werden.

Zwar erging die Entscheidung zu Art. 3 Nr. 2 der Richtlinie 2016/680 (der Schwesterrichtlinie der DSGVO für den polizeilichen Bereich). Die Definition der „Verarbeitung“ ist jedoch deckungsgleich mit jener Definition in Art. 4 Nr. 2 DSGVO. Daher sind die Erwägungen des EuGH auch auf die DSGVO übertragbar.

„Verarbeitung“ bezeichnet nach Art. 3 Nr. 2 der Richtlinie und auch Art. 4 Nr. 2 der DSGVO jeden mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführten Vorgang oder jede solche Vorgangsreihe im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten wie das Erheben, das Erfassen, die Organisation, das Ordnen, die Speicherung, die Anpassung oder Veränderung, das Auslesen, das Abfragen, die Verwendung, die Offenlegung durch Übermittlung, Verbreitung oder eine andere Form der Bereitstellung, den Abgleich oder die Verknüpfung, die Einschränkung, das Löschen oder die Vernichtung.

Wortlaut

Der EuGH betrachtet zunächst den Wortlaut der Norm. Insbesondere aus der Verwendung der Begriffe „jeder … Vorgang“, „jede … Vorgangsreihe“ und „eine andere Form der Bereitstellung“, ergebe sich, dass der Unionsgesetzgeber den Ausdruck „Verarbeitung“ und damit den sachlichen Anwendungsbereich der Richtlinie weit fassen wollte.

Zudem fügt der EuGH hinzu, dass die Aufzählung an Verarbeitungsformen in der Definition bewusst nicht abschließend sei.

Bereits diese, den Wortlaut betreffenden Gesichtspunkte sprechen nach Auffassung des EuGH somit für eine Auslegung,

wonach Polizeibehörden, wenn sie ein Telefon sicherstellen und versuchen, auf diesem Telefon gespeicherte personenbezogene Daten auszulesen oder abzufragen, eine Verarbeitung im Sinne von Art. 3 Nr. 2 der Richtlinie 2016/680 vornehmen, auch wenn es ihnen aus technischen Gründen nicht gelingen sollte, auf diese Daten zuzugreifen“.

Allein der Versuch einer Verarbeitung stellt also bereits die Verarbeitung dar, auch wenn es faktisch gerade nicht zu der beabsichtigten Verarbeitung kommt.

Grundsatz der Zweckbindung

Zudem betrachtet der EuGH auch den Kontext, in dem Art. 3 Nr. 2 der Richtlinie steht.

Nach Art. 4 Abs. 1 b) sehen die Mitgliedstaaten vor, dass personenbezogene Daten für festgelegte, eindeutige und rechtmäßige Zwecke erhoben und nicht in einer mit diesen Zwecken nicht zu vereinbarenden Weise verarbeitet werden. In der DSGVO entspricht dies dem Grundsatz der Zweckbindung nach Art. 5 Abs. 1 b) DSGVO.

Die Wirksamkeit dieses Grundsatzes setzt nach Ansicht des EuGH aber zwingend voraus, dass der Zweck der Datenerhebung

„schon dann ermittelt wird, wenn die zuständigen Behörden versuchen, auf personenbezogene Daten zuzugreifen, da ein solcher Versuch, wenn er erfolgreich ist, es ihnen u. a. ermöglichen kann, die fraglichen Daten unverzüglich zu erheben, auszulesen oder abzufragen“.

Der EuGH betrachtet hier also nicht isoliert den Versuch, sondern bezieht auch die Folge des erfolgreichen Versuchs (= Zugriff auf Daten) mit ein. Bei erfolgreichem Versuch kommt es zur Verarbeitung. Da dazwischen keine weiteren Schritte liegen, können die datenschutzrechtlichen nur bereits vorab erfüllt werden. Nach erfolgreichem Versuch wäre es etwa für eine Information des Betroffenen zu spät.

Im Ergebnis stellt der EuGH fest, dass ein Versuch von Polizeibehörden, für die Zwecke strafrechtlicher Ermittlungen, Zugang zu den auf einem Mobiltelefon gespeicherten Daten zu erlangen, in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2016/680 fällt. Auch der Generalanwalt hatte in seinen Schlussanträgen diese Ansicht vertreten. Seines Erachtens führt eine Polizeibehörde, die ein Telefon sicherstellt, auf dem solche Daten gespeichert sind, und daran hantiert, um auf die Daten zuzugreifen, einen „Verarbeitungsvorgang“ durch, auch wenn dieser aus technischen Gründen infolge der Verschlüsselung erfolglos bleibt.

Fazit

Ich denke, dass für den EuGH bei seiner Auslegung ein wichtiger Aspekt war, dass der erfolgreiche Versuch direkt zur Verarbeitung geführt hätte. Datenschutzrechtliche Pflichten konnten dann nur bereits vor dem Versuch ordentlich beachtet und erfüllt werden.

Erlaubte oder geduldete private Nutzung von E-Mail und Internet durch Arbeitnehmer – BNetzA lehnt Anwendung des Fernmeldegeheimnisses ab

Weiter rechtlich umstritten und damit in der Praxis ein wichtiges Beratungsthema ist die Frage, ob Arbeitgeber, die ihren Mitarbeitern die private Nutzung des betrieblichen E-Mail-Postfaches oder des Internets am Arbeitsplatz gestatten oder dies zumindest dulden, als „Anbieter von Telekommunikationsdiensten“ gelten. Die Folge wäre, dass für Arbeitgeber nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 TDDDG das Fernmeldegeheimnis zu beachten wäre. Inklusive des strafrechtlichen Verbots nach § 206 Abs. 1 StGB.

Kurzer Rückblick
Nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 und 2 TDDDG sind zur Wahrung des Fernmeldegeheimnisses

  • Anbieter von öffentlich zugänglichen Telekommunikationsdiensten sowie natürliche und juristische Personen, die an der Erbringung solcher Dienste mitwirken, oder auch
  • Anbieter von ganz oder teilweise geschäftsmäßig angebotenen Telekommunikationsdiensten sowie natürliche und juristische Personen, die an der Erbringung solcher Dienste mitwirken, verpflichtet.

Im Juli 2024 hatte ich hier im Blog zuletzt zu dem Thema geschrieben. Dort habe ich auch auf die (alte) Ansicht der DSK verwiesen, wonach für Arbeitgeber bei erlaubter oder geduldeter Privatnutzung des Internets oder von E-Mail-Postfächern das Fernmeldegeheimnis gelten soll. Die DSK (und auch einige Gerichte in der Vergangenheit) gehen davon aus, dass Arbeitgeber in diesen Fällen als „Anbieter von Telekommunikationsdiensten“ anzusehen sind.

In dem Blogbeitrag habe ich auch die neue, abweichende Ansicht der LDI NRW dargestellt. Nach der LDI gilt das Fernmeldegeheimnis in diesen Fällen nicht.

Die DSK hat sich zu dem Thema bislang jedoch nicht neu geäußert.

Rechtlicher Hintergrund
Wie oben beschrieben, gibt § 3 Abs. 2 TDDDG vor, für wen das Fernmeldegeheimnis gilt. In beiden Varianten, die ggfs. für die Situation der privaten Nutzung von betrieblichen Arbeitsmitteln relevant sein könnten (Nr. 1 und Nr. 2), ist stets erforderlich, dass ein „Telekommunikationsdienst“ vorliegt.

Anbieter von Telekommunikationsdiensten“ ist nach § 3 Nr. 1 TKG „jeder, der Telekommunikationsdienste erbringt“.

Und „Telekommunikationsdienste“ werden in § 3 Nr. 61 TKG legal definiert als „in der Regel gegen Entgelt über Telekommunikationsnetze erbrachte Dienste, die – mit der Ausnahme von Diensten, die Inhalte über Telekommunikationsnetze und -dienste anbieten oder eine redaktionelle Kontrolle über sie ausüben – folgende Dienste umfassen: a) Internetzugangsdienste, b) interpersonelle Telekommunikationsdienste und c) Dienste, die ganz oder überwiegend in der Übertragung von Signalen bestehen, wie Übertragungsdienste, die für Maschine-Maschine-Kommunikation und für den Rundfunk genutzt werden“.

Die Definition verlangt also auch, dass der Dienst „in der Regel gegen Entgelt erbracht wird“.

Ansicht der BNetzA
Neuen Rückenwind erhält die Ansicht, dass auf Arbeitgeber das Fernmeldegeheimnis keine Anwendung findet, nun aber von der Bundesnetzagentur (BNetzA). Die Aufsichtsbehörde hat mit Stand Juli 2025 ein „Hinweispapier zur Einstufung von nummernunabhängigen interpersonellen Telekommunikationsdiensten (NI-ICS)“ (PDF) veröffentlicht.

Dort setzt sich die BNetzA auch mit dem Tatbestandsmerkmal „in der Regel gegen Entgelt erbracht wird“ auseinander (ab S. 11 ff.). Sie verweist für die Auslegung des Begriffs auf die Rechtsprechung des EuGH, der von einem weiten Entgeltbegriff ausgehe. Von einer Entgeltlichkeit der Dienstleistung kann bereits dann ausgegangen werden, wenn es sich um wirtschaftliche Tätigkeiten handelt, die einen Teil des Wirtschaftslebens ausmachen. Das Tatbestandsmerkmal „gewöhnlich bzw. in der Regel gegen Entgelt“ diene nach der Rechtsprechung des EuGH einer Abgrenzung von wirtschaftlichen zu rein privaten Sachverhalten.

Und hier kommt die BNetzA dann auch zu dem für uns wichtigen Fall: Arbeitgeber erlaubt oder duldet die private Nutzung von betrieblichem E-Mail-Postfach.

Die Ansicht der BNetzA: “Ebenfalls nicht erfasst sind in der Regel Angebote zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer.“

Die BNetzA begründet ihre Auffassung damit, dass es sich regemäßig um ein Arbeitsmittel handele, welches der Arbeitnehmer auch privat nutzt. Dies stelle jedoch keine „eigenständige wirtschaftliche Tätigkeit des Arbeitgebers“ dar.

„Auch die private Nutzungsmöglichkeit, zum Beispiel eines E-Mail-Dienstes durch den Arbeitnehmer führt nicht dazu, dass das Angebot des Arbeitgebers vorrangig auf einen geschäftlichen Vorteil oder eine andere Form der Entgeltung gerichtet wäre.“

Fazit
Die Tendenz in der rechtlichen Diskussion um die Anwendung des Fernmeldegeheimnisses auf Arbeitgeber entwickelt sich zurecht immer mehr in die Richtung, § 3 Abs. 2 TDDDG hier nicht als einschlägig anzusehen. Die Folge ist, dass „nur“ datenschutzrechtliche Vorgaben der DSGVO und z.B. des BDSG zu beachten sind. Jedoch keine Verbote nach § 3 Abs. 1 TDDDG oder nach § 206 StGB.

Anwendung der neuen EuGH-Rechtsprechung: keine Information über „berechtigte Interessen“ – keine Interessenabwägung nach Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO

In letzter Zeit hat der EuGH einige relevante Aussagen zum Erlaubnistatbestand der Interessenabwägung nach Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO getroffen. Die Tendenz des Gerichts ist hierbei recht streng. Bekanntlich verknüpft der EuGH die Frage, ob sich ein Unternehmen überhaupt auf diese Rechtsgrundlage berufen kann, auch mit der Transparenzanforderung des Art. 13 Abs. 1 d) DSGVO.

Danach muss der Verantwortliche zum Zeitpunkt der Erhebung von personenbezogenen Daten, wenn die Verarbeitung auf Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO beruht, die berechtigten Interessen, die von dem Verantwortlichen oder einem Dritten verfolgt werden, der betroffenen Person mitteilen.

Rechtssache „Mousse“

In der Rechtssache C‑394/23 („Mousse“, Rz. 52) verknüpft der EuGH die Erfüllung der Transparenzpflicht mit der Rechtsgrundlage nach Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO.

Wie der Generalanwalt in Nr. 58 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, verlangt diese Bestimmung, dass den betroffenen Personen zum Zeitpunkt der Erhebung der Daten unmittelbar das verfolgte berechtigte Interesse mitgeteilt wird, da andernfalls diese Erhebung nicht auf der Grundlage von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f dieser Verordnung gerechtfertigt werden kann.“

Zu den erwähnten Schlussanträgen des Generalanwalts hatte ich hier im Blog berichtet (Blogbeitrag). Er ist sogar noch deutlicher als der EuGH:

Mit anderen Worten: Die aus der Nichteinhaltung der Informationspflicht nach Art. 13 Abs. 1 Buchst. d DSGVO resultierende Sanktion ist die Rechtswidrigkeit der Verarbeitung der betreffenden personenbezogenen Daten.“

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Bereits zuvor, im Oktober 2024, hat der EuGH (Rechtssache C-621/22) im Hinblick auf die Frage, ob sich ein Verantwortlicher auf Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO berufen kann, eine strenge Ansicht vertreten (Rz. 50).

Sollte ein solches Interesse als berechtigt angesehen werden, müsste der Verantwortliche zudem allen anderen ihm obliegenden Pflichten aus der DSGVO nachkommen, damit die Wahrnehmung dieses Interesses eine Verarbeitung personenbezogener Daten gemäß Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DSGVO rechtfertigen kann.“

Im Unterschied zur Entscheidung „Mousse“ verknüpft der EuGH hier die Möglichkeit, sich auf Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO zu berufen, sogar nicht nur mit der Erfüllung der Transparenzpflicht des Art. 13 Abs. 1 d) DSGVO, sondern mit der Einhaltung aller (!) Pflichten aus der DSGVO. Man kann sicher gut darüber diskutieren, ob nun z.B. ein Verstoß gegen Art. 30 Abs. 1 DSGVO, weil es einen Fehler im Verzeichnis gibt, direkt dazu führen sollte, dass ein Verantwortlicher nicht mehr die Rechtsgrundlage des Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO nutzen kann – die Tendenz beim EuGH zu dieser Frage scheint zumindest derzeit aber klar.

Anwendung der Vorgaben in der Praxis

Und wie kommt diese Rechtsprechung in der Praxis an? Sie scheint auf jeden Fall von Gerichten und Aufsichtsbehörden angewendet zu werden – mit entsprechenden (negativen) Folgen für Verantwortliche.

Beispiel 1 – Aufsichtsbehörde Berlin

In ihrem letzten Newsletter berichtet die Datenschutzbehörde Berlin, dass sie die Vorgaben des EuGH aus der Entscheidung „Mousse“ konkret anwendet und eine Rechtmäßigkeit auf Basis von Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO ablehnt, wenn Verantwortliche nicht über die berechtigten Interessen informieren. Konkret ging es um Prüfverfahren im Rahmen der Datenverarbeitung für Zwecke des Einsatzes von KI.

Dieser Verstoß gegen die Informationspflichten nach Art. 13 bzw. Art. 14 DSGVO kann sich unmittelbar auf die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung auswirken. Gerade wenn sich Verantwortliche auf die Verarbeitung personenbezogener Daten zur Wahrung berechtigter Interessen berufen, gehen wir nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) davon aus, dass dies unzulässig ist, wenn betroffenen Personen nicht einmal das berechtigte Interesse mitgeteilt wird, auf das sich die Verantwortlichen berufen.“

Beispiel 2 – Bundesverwaltungsgericht Österreich

Und auch die jüngste Rechtsprechung scheint die neuen Vorgaben des EuGH umzusetzen. In einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts Österreich vom 11. Juni 2025 (W211 2308914-1) verweist das Gericht auf die EuGH-Rechtsprechung. Es ging in dem Verfahren um die Frage, ob eine umfassende Videoüberwachung auf Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO gestützt werden konnte. Die Datenschutzbehörde Österreich lehnte dies ab. Das Gericht folgt der Argumentation und sieht Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO als nicht anwendbar, da der Verantwortliche nicht über die „berechtigten Interessen“ informierte.

Auf Basis der neuen Rechtsprechung des EuGH ist es im Fall einer Rechtfertigung gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO erforderlich, dass der:die Verantwortliche in der Phase der Erhebung der in Rede stehenden Daten gemäß Art. 13 DSGVO das konkrete berechtigte Interesse den Betroffenen mitgeteilt hat (vgl. EuGH 09.01.2025, C-394/23 (Mousse), EU:C:2025:2, Rz 52, 63, 64).“

Bereits aufgrund dieses rezenten Judikats des EuGH kann – umgelegte auf den konkreten Sachverhalt – nicht von einer für den vorbrachten Zweck erforderlichen und somit rechtmäßigen Datenverarbeitung ausgegangen werden, welche auf Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO gestützt werden kann.“

Fazit

Die Tendenz ist klar: berechtigte Interessen sollten in jedem Fall so konkret wie möglich in Datenschutzhinweisen bzw. entsprechenden Informationen angegeben werden, wenn sich ein Verantwortlicher auf die Rechtsgrundlage des Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO stützen möchte. Ein Nachschieben dieser Information scheint aufgrund des Wortlauts von Art. 13 Abs. 1 DSGVO („zum Zeitpunkt der Erhebung dieser Daten“) wohl nicht möglich.

DSGVO Update: EU-Kommission plant Anpassungen der Pflicht zum Führen eines Verzeichnisses der Verarbeitungstätigkeiten – was sind die Vorschläge?

In den letzten Monaten wurde bereits öffentlich bekannt, dass die EU-Kommission offen für eine Anpassung einzelner Pflichten der DSGVO ist und diese noch in 2025 vorschlagen möchte. Ziel soll vor allem eine Entlastung von kleinen Unternehmen und NGOs sein.

Ein konkreter Entwurf zu den Anpassungen des Gesetzes wurde noch nicht vorgelegt. Jedoch ergibt sich aus einem nun gemeinsam vom EDSA und dem EDSB veröffentlichten Brief vom 8.5.25 (PDF) an die Kommission, welche Änderungen wohl anstehen könnten. Mit dem Brief nehmen der EDSA und der EDSB Stellung zu einem „Entwurf eines Vorschlags der Kommission zur Vereinfachung der Verzeichnisführungspflicht gemäß der Verordnung (EU) 2016/679 (DSGVO)“ (Commission draft proposal on the simplification of record-keeping obligation under Regulation (EU) 2016/679 (GDPR)).

Welche Änderungen plant die Kommission?
Die vorgeschlagenen Änderungen ergeben sich quasi mittelbar aus den Antworten in dem Brief.

  • Die in Art. 30 Abs. 5 DSGVO vorgesehene Ausnahmeregelung für die Verpflichtung zur Führung von Verzeichnissen über die Verarbeitung, die derzeit für Unternehmen oder Organisationen mit weniger als 250 Beschäftigten (einschließlich kleiner und mittlerer Unternehmen oder KMU) gilt, soll auf „kleine Midcap-Unternehmen“ (SMC) ausgedehnt werden. Von der Ausnahme erfasst wären damit auch Unternehmen mit weniger als 500 Beschäftigten und einem bestimmten Jahresumsatz sowie auf Organisationen wie gemeinnützige Organisationen mit weniger als 500 Beschäftigten.

Neuerung: Anhebung der rein formellen Grenze der Beschäftigtenanzahl, ab der Unternehmen ein Verzeichnis führen müssen.

  • Zudem soll Art. 30 Abs. 5 DSGVO dahingehend geändert werden, dass diese Ausnahmeregelung nicht gilt, wenn die Verarbeitung „wahrscheinlich ein hohes Risiko für die Rechte und Freiheiten natürlicher Personen zur Folge hat“ – in der aktuellen Fassung ist lediglich von einer „Verarbeitung, die wahrscheinlich ein Risiko zur Folge hat“ die Rede.

Neuerung: Anhebung der Risikogrenze, wann ein Verzeichnis zu führen ist. Nur noch, wenn ein „hohes Risiko“ vorliegt.

  • Zudem sollen bestimmte Ausnahmen von der Ausnahmeregelung, ein Verzeichnis der Verarbeitungstätigkeiten zu führen, gestrichen werden. Insbesondere durch Streichung der Verweise auf die gelegentliche Verarbeitung und möglicherweise auch des Verweises auf die Verarbeitung besonderer Datenkategorien.

Neuerung: Entfernen von Rückausnahmen, wie etwa wenn die Verarbeitung nur gelegentlich erfolgen würde.

  • Zudem gehen EDSA und EDSB davon aus, dass ein Erwägungsgrund klarstellen würde, dass die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung im Bereich des Beschäftigungsverhältnisses, der sozialen Sicherheit oder des Sozialschutzes (gemäß Art. 9 Abs. 2 b) DSGVO) nicht der Verpflichtung unterliegt, ein Verzeichnis dieser Verarbeitungstätigkeiten zu führen.

Neuerung: Allein die Verarbeitung von Gesundheitsdaten und ähnlichen sensiblen Informationen von Beschäftigten soll nicht zu einer Pflicht führen, ein Verzeichnis zu erstellen; solange diese Verarbeitung Bezug zum Beschäftigungsverhältnis aufweist.

Einschätzungen von EDSA und EDSB
Vorläufig unterstützen der EDSA und der EDSB die Vorschläge – vorbehaltlich einer tieferen Prüfung des finalen Vorschlags.

Völlig zu Recht wird aber auch darauf hingewiesen, dass eine solche Erleichterung bezüglich der Pflicht zur Führung des Verzeichnisses gerade nicht dazu führt, dass Organisationen und Unternehmen dann die DSGVO gar nicht mehr einhalten müssten. Natürlich gelten die übrigen Pflichten auch weiterhin. Die Anpassung der DSGVO wäre also sehr gezielt und spezifisch auf eine konkrete Pflicht.

Zudem weisen der EDSA und der EDSB darauf hin, dass selbst sehr kleine Unternehmen immer noch eine risikoreiche Verarbeitung vornehmen können und es daher wichtig ist, einen risikobasierten Ansatz beizubehalten. Nach Ansicht der Aufsichtsbehörden kann eine nicht gelegentliche Verarbeitung und die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten, je nach dem Ergebnis der Bewertung aller relevanten Kriterien, immer noch zu einem wahrscheinlich hohen Risiko führen kann.

Eigene Einschätzung
Der Vorschlag der Kommission zielt insbesondere in die (auch auf nationaler Ebene angedachte) Richtung der Entbürokratisierung – im Sinne von weniger Nachweis- und Dokumentationspflichten.

Wenn diese Vorschläge tatsächlich zur Anpassung der DSGVO führen, wird in der Praxis von besonderer Bedeutung sein, wie genau und verständlich die Rückausnahmen gestaltet sind. Die Aufsichtsbehörden erwähnen bereits ein wichtiges Beispiel: so kann etwa auch ein kleines Unternehmen mit 50 Mitarbeitern dennoch verpflichtet sein, ein Verzeichnis zu führen, wenn es als Kerngeschäft (nicht nur gelegentlich) mit sensiblen Daten, etwa Gesundheitsinformationen von Kunden umgeht.

Zudem bin ich persönlich sehr gespannt darauf, wie die Politik derartige Änderungen „verkauft“. Ich ahne leider, mit Blick auf entsprechende Aussagen in der Vergangenheit, etwa zur Anhebung der Grenze zu Benennung eines Datenschutzbeauftragten in Deutschland, dass hier etwa öffentlich z.B. ganz generell von der Entlastung von datenschutzrechtlichen Pflichten gesprochen wird – wobei es sich nur um eine einzelne Pflicht nach Art. 30 DSGVO handelt. Und übrige gesetzliche Anforderungen der DSGVO weiter einzuhalten sind.

Zudem muss man als Unternehmen in jedem Fall beachten, dass die in einem Verzeichnis nach Art. 30 DSGVO enthaltenen Angaben die Umsetzungen vieler weiterer pflichten der DSGVO erleichtern. Bsp: Informationen in den Datenschutzerklärungen ach Art. 13 DSGVO decken sich zu einem guten Teil mit Angaben aus dem Verzeichnis nach Art. 30 DSGVO. Nur weil ein Unternehmen das Verzeichnis nach Art. 30 DSGVO nicht mehr vorhalten muss, bedeutet dies aber nicht, dass es nicht mehr seine Mitarbeiter oder Kunden nach Art. 13 DSGVO informieren müsste – diese Angaben müssen trotzdem erfolgen und das bedeutet, dass Unternehmen diese Informationen trotzdem intern irgendwie und irgendwo zusammensammeln müssen. Eine konsistente Reform der DSGVO müsste also bei den Erleichterungen eigentlich durch verschiedene Pflichten gehen, um tatsächlich weniger Aufwand für Unternehmen zu erreichen.

Landesarbeitsgericht: Ausschluss eines Betriebsratsmitglieds aus dem Betriebsrat wegen eines groben Verstoßes gegen datenschutzrechtliche Pflichten

Welche Folgen kann ein gesetzwidriger Umgang mit Beschäftigtendaten für Betriebsratsmitglieder haben? In gravierenden Fällen kann der Arbeitgeber den Ausschluss des Mitglieds aus dem Betriebsrat verlangen (§ 23 Abs. 1 BetrVG). Einen solchen Fall hatte das Landesarbeitsgericht Hessen (LAG) hat mit Beschluss vom 10.3.2025 (Az. 16 TaBV 109/24) zu entscheiden. Das LAG bestätigte eine Entscheidung des Arbeitsgerichts Wiesbaden, wonach ein Betriebsratsmitglied wegen grober Verstöße gegen datenschutzrechtliche Pflichten aus dem Betriebsrat auszuschließen ist. 

Sachverhalt

Im September 2023 stellte der Arbeitgeber fest, dass im dienstlichen E-Mail-Account des Betriebsratsvorsitzenden eine Regel eingerichtet war, wonach alle eingehenden E-Mails automatisiert an dessen (private) GMX-Adresse weitergeleitet werden. Der Arbeitgeber sah hierin einen Datenschutzverstoß und erteilte dem Betriebsratsvorsitzenden eine Abmahnung. 

Danach stellte der Arbeitgeber erneut fest, dass der Betriebsratsvorsitzende unter anderem Termine an eine neue private E-Mail-Adresse weitergeleitet hat. Zudem wurde ermittelt, dass eine E-Mail mit einer vollständigen Personalliste von der privaten E-Mail-Adresse des Betriebsratsvorsitzenden an seinen dienstlichen E-Mail Account sowie an die E-Mail-Adresse des Betriebsrats versandt wurde. Diese E-Mail enthielt eine Excel-Liste mit den Namen sämtlicher Mitarbeiter, Stellung im Betrieb, Zeitansatz, Tarifgruppe, Stufe, Grundentgelt, zeitliche Stufenverlauf, Tarifeintritt, Eingruppierung, Vergleichsdaten zur Eingruppierung Konzern, zu Grundgehalt Konzern.

Damit dies möglich war, musste der Betriebsratsvorsitzende diese Personalliste vorher von seinem dienstlichen E-Mail Account als Mitarbeiter oder von dem des Betriebsrats an seine private E-Mail-Adresse verschickt haben. Diese E-Mail hat der Betriebsratsvorsitzende (auch aus dem -elektronischen- Papierkorb) gelöscht.

Danach beantragte der Arbeitgeber beim Arbeitsgericht den Ausschluss des Betriebsratsvorsitzenden aus dem Betriebsrat.

Der Betriebsratsvorsitzende und der Betriebsrat haben behauptet, der Betriebsratsvorsitzende habe die E-Mail vom 07.11.2023 nur deshalb an seinen privaten E-Mail-Account geschickt, um eine zeitnahe Bearbeitung der Excel-Tabelle zu Hause auf seinem größeren Bildschirm zu ermöglichen. Nach erfolgter Bearbeitung habe er die Daten vollständig auf seinen privaten Speichermedien gelöscht. Er habe seinen Betriebsratskollegen eine Gegenüberstellung der aktuellen Betriebsvereinbarung „Vergütungsordnung“ und dem Entwurf des Betriebsrats sowie der Konzern- Rahmenvereinbarung für die Betriebsratssitzung zur Verfügung stellen wollen.

Das Arbeitsgericht gab dem Antrag des Arbeitgeber statt, wogegen der Betriebsrat und der Vorsitzende Beschwerde einlegten.

Entscheidung

Das LAG lehnt die Beschwerden des Betriebsratsvorsitzenden und des Betriebsrats als unbegründet ab. 

Datenschutzrechtliche Pflichten des Betriebsrates

Nach § 23 Abs. 1 S. 1 BetrVG kann (unter anderem) der Arbeitgeber den Ausschluss eines Mitglieds aus dem Betriebsrat wegen grober Verletzung seiner gesetzlichen Pflichten verlangen. Gemäß § 79a S. 1 BetrVG hat der Betriebsrat bei der Verarbeitung personenbezogener Daten die Vorschriften über den Datenschutz einzuhalten.

Das LAG geht daher davon aus, dass der Betriebsrat bei jeder Datenverarbeitung -und damit auch bei der Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten- die Datenschutzbestimmungen einzuhalten und ihre Vorgaben zu beachten hat.

Im konkreten Fall lag durch die Weiterleitung der personenbezogenen Daten sämtlicher Mitarbeiter an seinen privaten E-Mail-Account mindestens eine Erhebung der Daten im Sinne von Art. 4 Nr. 2 DSGVO vor. 

Diese Verarbeitung personenbezogener Daten war nicht rechtmäßig.“

§ 26 Abs. 1 BDSG unionsrechtswidrig?

Das LAG befasst sich zunächst kurz mit der Frage, ob § 26 Abs. 1 BDSG, nach dem Urteil des EuGH vom 30.3.2023 zu § 23 HDSIG, noch angewendet werden darf – oder als unionrechtswidrig anzusehen und damit nicht anwendbar ist.  

Im Ergebnis lässt das LAG die Frage offen und prüft die Rechtsmäßigkeit der Datenverarbeitung durch den Betriebsratsvorsitzenden sowohl nach § 26 Abs. 1 BDSG als auch nach den direkt anwendbaren Vorgaben der Art. 5 und 6 DGSVO. 

Jedoch zeigt das LAG klare Tendenzen dafür, dass § 26 Abs. 1 BDSG wohl nicht mehr angewendet werden kann:

Vor dem Hintergrund, dass § 26 Abs. 1 BDSG weitgehend wortgleich mit § 23 HDSIG ist (siehe die Gegenüberstellung in EuGH 30.03.2023 C-34/21, Rn. 11 und 12) könnte diese Vorschrift unionsrechtlich unanwendbar sein.“

Keine Erforderlichkeit der Verarbeitung

Im Falle einer Anwendung von § 26 Abs. 1 S. 1 BDSG geht das LAG von dem Fehlen der Erforderlichkeit der Weiterleitung der Daten an die private E-Mail-Adresse aus. 

Es wäre des Betriebsratsvorsitzenden möglich gewesen, die zur Vorbereitung der abzuschließenden Betriebsvereinbarung erforderliche Verarbeitung der Daten der Beschäftigten von dem ihm für die Betriebsratstätigkeit vom Arbeitgeber gemäß § 40 Abs. 2 BetrVG zur Verfügung gestellten Computer zu bearbeiten.

Die Weiterleitung auf private Systeme, sieht das LAG hier daher keine Veranlassung.

Verstöße gegen Art. 5 und 6 DSGVO

Zunächst geht das LAG von einem Verstoß gegen Art. 5 Abs. 1 a) DSGVO aus. Die Verarbeitung muss auf „rechtmäßige Weise“ erfolgen. Dies bedeutet u.a., dass die Verarbeitung auf der Einwilligung der betroffenen Person oder auf einer anderweitigen Rechtsgrundlage beruhen muss.

Hier lag weder eine Einwilligung sämtlicher Beschäftigter hinsichtlich der Weiterleitung ihrer persönlichen Daten an den privaten E-Mail-Account des Betriebsratsvorsitzenden vor, noch eine anderweitige Rechtsgrundlage hierfür.“

Zudem erfolgte die Verarbeitung der Daten nicht in einer für die betroffene Person nachvollziehbaren Weise. Damit ist der Ausschluss heimlicher Verarbeitungen personenbezogener Daten und die umfassende Information der betroffenen Person über die Verarbeitung der auf sie bezogenen Daten gemeint. 

„Auch eine derartige Information der Beschäftigten ist nicht erfolgt.“ 

Die Betroffenen hatten keine Kenntnis von der Weiterleitung ihrer Daten. Der Betriebsratsvorsitzende hat diese nicht darüber informiert, dass er deren personenbezogene Daten vom Betriebsratsaccount an seinen privaten E-Mail-Account weitergeleitet und von dort aus im Rahmen der Vorbereitung auf eine abzuschließende Betriebsvereinbarung verarbeitet hat.

Zudem geht das LAG bei der Weiterleitung der personenbezogenen (Entgelt-) Daten sämtlicher Beschäftigter an die private E-Mail-Adresse von einem Verstoß gegen Art. 5 Abs. 1 c) DSGVO (Grundsatz der Datenminimierung) aus. Dieser Grundsatz wurde vom Betriebsratsvorsitzenden hier deshalb nicht beachtet, 

weil er auf dem ihm in seiner Eigenschaft als Betriebsrat zur Verfügung gestellten Computer Zugang zu den für die Wahrnehmung seiner Mitbestimmungsrechte ihm vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Daten hatte und -wie ausgeführt- keine Veranlassung bestand, diese Daten an sein privates Endgerät weiterzuleiten und auch dort zu verarbeiten.“

Zuletzt prüft das LAG, ob eine Rechtsgrundlage nach Art. 6 Abs. 1 DSGVO für die Weiterleitung vorlag. 

Weder lag eine Einwilligung der Beschäftigten vor, noch bestand eine rechtliche Verpflichtung, die Daten an die private E-Mail-Adresse zu senden. 

Es bestand gerade keine Verpflichtung zur Weiterleitung der personenbezogenen Daten an den privaten E-Mail Account des Betriebsratsvorsitzenden. Dies auch nicht im Hinblick auf die Vorbereitung der abzuschließenden Betriebsvereinbarung.“

Auch eine Rechtfertigung auf der Grundlage einer Interessenabwägung nach Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO lehnt das LAG ab. 

Grober Verstoß im Sinne des § 23 BetrVG

Zuletzt teilt das LAG auch die Ansicht des Arbeitsgerichts, dass die Pflichtverletzung im vorliegenden Fall auch „grob“ im Sinne von § 23 Abs. 1 BetrVG war. 

Der Verstoß gegen den Datenschutz wirkt zunächst deshalb schwer, weil es sich um die Mitteilung der Höhe der Vergütung jedes einzelnen Mitarbeiters handelte.“ 

Das LAG stellt hierbei auf die Art und damit die Sensibilität der Daten ab. Mit dem Umgang solcher Daten müsse allergrößte Sensibilität verbunden sein. 

Zum wertet das LAG negativ, dass dem Betriebsratsvorsitzenden bereits aufgrund der vorangegangenen Auseinandersetzung mit seinem Arbeitgeber wegen der Weiterleitung dienstlicher E-Mails an seinen privaten E-Mail-Account bekannt war, dass der Arbeitgeber hierin einen (gravierenden) Datenschutzverstoß sieht. 

Zuletzt verweist das LAG auch auf das persönliche Fehlverhalten des Betriebsratsvorsitzenden. Dieser zeigte sich als unbelehrbar.

Er handelte bewusst zur Umgehung der ihm vom Arbeitgeber im Interesse des Datenschutzes der Beschäftigten auferlegten Verpflichtung. Dieses Fehlverhalten war durch nichts zu rechtfertigen.“ 

DSGVO-Auskunft über Daten in Backups – wann liegt ein „unverhältnismäßiger Aufwand“ vor?

In der Praxis stellt sich im Rahmen der Erfüllung von Auskunftsansprüchen nach Art. 15 DSGVO sehr oft die Frage, ob auch solche personenbezogenen Daten zu beauskunften sind, die nur noch in Backups gespeichert werden.

§ 34 Abs. 1 Nr. 2 b) BDSG sieht hierzu eine mögliche Ausnahme für Verantwortliche vor.

Danach besteht das Recht auf Auskunft der betroffenen Person gemäß Art. 15 DSGVO nicht, wenn die Daten 1) ausschließlich Zwecken der Datensicherung oder der Datenschutzkontrolle dienen und 2) die Auskunftserteilung einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde sowie 3) eine Verarbeitung zu anderen Zwecken durch geeignete technische und organisatorische Maßnahmen ausgeschlossen ist.

Rechtsprechung zu diesem Thema, findet sich kaum. Daher lohnt sich für die praktische Umsetzung durchaus der Blick in Hinweise von Aufsichtsbehörden, die sich mit dem Thema befassen.

Konkret hat etwa der BayLfD in seiner Orientierungshilfe „Das Recht auf Auskunft nach der Datenschutz-Grundverordnung“ zu einer solchen, wie in § 34 BDSG vorgesehenen Ausnahme, im Rahmen des § 83 Abs. 1 Nr. 2 SGB X Stellung genommen. Der BayLfD weist auch ausdrücklich darauf hin, dass sich die Ausschlussgründe des § 83 Abs. 1 Nr. 2 SGB X auch in Parallelbestimmungen in § 34 Abs. 1 Nr. 2 BDSG finden.

Aus diesem Grund ist die Auslegung des BayLfD auch für den Anwendungsberiech von § 34 BDSG nutzbar. Nachfolgen stelle ich kurz die Ansicht zu den obigen Anforderungen nach 1) und 2) dar.

Zwecke der Datensicherung oder der Datenschutzkontrolle

Zunächst müsste ein Backup unter das Merkmal der „Datensicherung“ oder „Datenschutzkontrolle“ fallen. Nach Ansicht des BayLfD ist dies für personenbezogene Daten in Backups der Fall:

Der Datensicherung dienen insbesondere Backup-Dateien, der Datenschutzkontrolle etwa Protokolldateien.“

Wichtig: § 34 BDSG fordert ausdrücklich, dass die Daten in Backups ausschließlich für die Zwecke der Datensicherung oder Datenschutzkontrolle vorgehalte werden würfen. Sollten die Daten auch für andere Zweck verwendet werden, greift die Ausnahme nicht.

Unverhältnismäßiger Aufwand

Besonders schwierig stellt sich in der Praxis die Antwort auf die Frage dar, wann denn eine Auskunftserteilung mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden ist?

Zunächst geht der BayLfD davon aus, dass „die Erteilung von Auskunft genauso zum Aufgabenkreis der öffentlichen Stelle gehört wie alle anderen Aufgaben“.

Bedeutet, dass also der Grundsatz stets die Pflichtenerfüllung sein muss – in unserem Fall, die Auskunft zu erteilen. Ausnahmen sind grundsätzlich restriktiv auszulegen.

Nach Ansicht des BayLfD zielt § 83 Abs. 1 Nr. 2 SGB X (und parallel auch § 34 Abs. 1 Nr. 2 b) BDSG) auf einen „ausgewogenen“ Ressourceneinsatz.

Dies bedeutet, dass das begrenzte personelle und sachliche Leistungspotenzial möglichst so genutzt werden, dass im öffentlichen Bereich des SGB X alle Bürgerinnen und Bürger eine ordnungsgemäße, insbesondere auch zeitgerechte Bearbeitung für ihre Anliegen erhalten.

Übertragen auf den weiteren öffentlichen und privatwirtschaftlichen Anwendungsbereich des § 34 Abs. 1 Nr. 2 b) DSGVO könnte mal umformulieren: im Rahmen der dem Verantwortlichen zur Verfügung stehenden Kapazitäten sollen Bürger/Kunden/Nutzer etc. zunächst und primär jene Leistungen erhalten, auf die sie einen gesetzlichen oder vertraglichen Anspruch haben.

Zu § 83 SGB X erläutert der BayLfD dann:

wird – bei einer Sozialbehörde – die für das „Kerngeschäft“ der Leistungsgewährung zur Verfügung stehende Zeit knapp, erlaubt es § 83 Abs. 1 Nr. 2 SGB X, auf die typischerweise aufwändige Auswertung von Backup- oder Protokolldateien zu verzichten.“

Für § 34 BDSG im privatwirtschaftlichen Bereich könnte man etwa ableiten, dass die Ausnahme dann greifen kann, wenn die Hauptleitungen an Kunden und Nutzer durch die Arbeit an einer (oder mehreren) Auskünften die Erfüllung der Hauptleitungen, also Tätigkeiten des Kerngeschäfts, für andere Personen erschweren oder einschränken.

Hiergegen mag man einwenden, dass das Beispiel des BayLfD ja in einem sensiblen und gesellschaftlich wichtigen Bereich der Leistungsgewährung des Staates gegenüber Bürgern spielt. Dort müsse quasi die „Daseinsvorsorge Vorrang haben“. Diesem Argument könnte man aber entgegenhalten, dass der Staat, wenn er hier personelle Engpässe sieht, genauso wie ein Unternehmen entsprechend reagieren kann und müsste. Der BayLfD verweist jedoch nicht auf ein solches Kriterium.

Weiter führt die Aufsichtsbehörde Kriterien an, wann die Unverhältnismäßigkeit angenommen werden könnte:

  • wenn die betroffene Person aus der Ankunft zu den Backups keinen „Mehrwert“ erlangen kann, weil etwa feststeht, dass Backup-Dateien keine zusätzlichen Informationen bieten können, oder
  • wenn bei einer kleineren Behörde trotz anlassbezogener organisatorischer Vorkehrungen das „Kerngeschäft“ über einen längeren Zeitraum nicht ordnungsgemäß durchgeführt werden könnte.

Insbesondere das zweite Kriterium könnte im privatwirtschaftlichen Bereich für kleine Unternehmen ein guter Anhaltspunkt sein. Wenn man sich als Unternehmen, im Rahmen seiner Möglichkeiten und verhältnismäßigem Aufwand, ordentlich um den Datenschutz kümmert, dann kann die Auskunft zu Daten aus Backups unverhältnismäßig sein, wenn dadurch die Hauttätigkeit des Unternehmens beeinträchtigt wird (etwa durch personellen Zusatzaufwand). Zum Abschluss ist noch darauf hinzuweisen, dass im Fall der Ablehnung einer Auskunft der Verantwortliche nach § 34 Abs. 2 BDSG in jedem Fall die Gründe der Auskunftsverweigerung zu dokumentieren hat und auch die Ablehnung der Auskunftserteilung gegenüber der betroffenen Person begründen muss.

VG Wiesbaden: nicht oder fehlerhaft durchgeführte DSFA wirkt sich nicht auf die materielle Zulässigkeit der Verarbeitung aus

Mit Urteil vom 18.12.2024 (Az. 6 K 1563/21.WI; aktuell noch nicht öffentlich abrufbar) hat das VG Wiesbaden im Nachgang zur Entscheidung des EuGH vom 21.3.2024 (Rechtssache C-61/22) u.a. dazu entschieden, wie sich Verstöße gegen die Pflicht zur Durchführung einer Datenschutzfolgeabschätzung (DSFA) nach Art. 35 DSGVO auf die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung auswirken.

In seiner Entscheidung verweist das VG Wiesbaden insbesondere auch auf das EuGH-Verfahren in der Rechtssache C-60/22 (Urt. v. 4.5.2023).

In dem Verfahren ging es um die Frage, ob ein Betroffener einen Anspruch auf Ausstellung eines Personalausweises ohne die Aufnahme von Fingerabdrücken hat – dies lehnt das VG ab.

Datenverarbeitung ohne DSFA?

Der Betroffene argumentierte gegen die Zulässigkeit der Verarbeitung von Fingerabdrücken unter anderem, ob denn die Stadt Wiesbaden nicht verpflichtet sei, eine DSFA durchzuführen. Und wenn diese nicht (richtig) durchgeführt worden sei, ob sich dies nicht auf die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung auswirke.

Das VG lehnt die Relevanz der Durchführung einer DSFA für die Frage der Rechtmäßigkeit einer Datenverarbeitung ab. „Dies hat keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit der konkreten Datenverarbeitung.“

Keine Auswirkung auf die Rechtmäßigkeit

Nach Ansicht des VG wirkt sich eine nicht oder fehlerhaft durchgeführte DSFA nicht auf die materielle Zulässigkeit des Verarbeitungsvorgangs personenbezogener Daten aus.

Der EuGH habe in der Rechtssache C-60/22 ausgeführt, dass Art. 26 und Art. 30 DSGVO, die wie Art. 35 DSGVO ebenfalls zu Kapitel IV zählen, nur Pflichten des Verantwortlichen beziehungsweise Auftragsverarbeiters betreffen, jedoch nicht die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung beeinflussen.

Kapitel IV der DSGVO betreffe die Pflichten des Verantwortlichen.

„Die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung wird, wie sich aus der Überschrift von Art. 6 der DSGVO selbst ergibt, gerade in Art. 6 DSGVO geregelt.“

Diese Liste der Fälle, in denen eine Verarbeitung personenbezogener Daten als rechtmäßig angesehen werden kann, ist erschöpfend und abschließend, sodass eine Verarbeitung unter einen der in Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der DSGVO vorgesehenen Fälle subsumierbar sein muss, um als rechtmäßig angesehen werden zu können.

„Die Einhaltung der in Art. 35 DS-GVO vorgesehenen Pflicht zur Vornahme einer Datenschutzfolgeabwägung zählt nicht zu den in Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 DS-GVO genannten Gründen für die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung.“