Ist der Versuch einer Datenverarbeitung bereits eine „Verarbeitung“ im Sinne der DSGVO?

In seinem Urteil vom 4.10.2024 (Rs. C‑548/21) hatte der EuGH u.a. die Frage zu beantworten, ob der Anwendungsbereich der Richtlinie (EU) 2016/680 eröffnet ist und eine „Verarbeitung“ nach Art. 3 Nr. 2 der Richtlinie vorliegt, wenn Polizeibehörden versuchen, Zugang zu den auf einem Mobiltelefon gespeicherten Daten zu erlangen – auch wenn dieser Versuch scheitert und Daten faktisch nicht verarbeitet werden.

Zwar erging die Entscheidung zu Art. 3 Nr. 2 der Richtlinie 2016/680 (der Schwesterrichtlinie der DSGVO für den polizeilichen Bereich). Die Definition der „Verarbeitung“ ist jedoch deckungsgleich mit jener Definition in Art. 4 Nr. 2 DSGVO. Daher sind die Erwägungen des EuGH auch auf die DSGVO übertragbar.

„Verarbeitung“ bezeichnet nach Art. 3 Nr. 2 der Richtlinie und auch Art. 4 Nr. 2 der DSGVO jeden mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführten Vorgang oder jede solche Vorgangsreihe im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten wie das Erheben, das Erfassen, die Organisation, das Ordnen, die Speicherung, die Anpassung oder Veränderung, das Auslesen, das Abfragen, die Verwendung, die Offenlegung durch Übermittlung, Verbreitung oder eine andere Form der Bereitstellung, den Abgleich oder die Verknüpfung, die Einschränkung, das Löschen oder die Vernichtung.

Wortlaut

Der EuGH betrachtet zunächst den Wortlaut der Norm. Insbesondere aus der Verwendung der Begriffe „jeder … Vorgang“, „jede … Vorgangsreihe“ und „eine andere Form der Bereitstellung“, ergebe sich, dass der Unionsgesetzgeber den Ausdruck „Verarbeitung“ und damit den sachlichen Anwendungsbereich der Richtlinie weit fassen wollte.

Zudem fügt der EuGH hinzu, dass die Aufzählung an Verarbeitungsformen in der Definition bewusst nicht abschließend sei.

Bereits diese, den Wortlaut betreffenden Gesichtspunkte sprechen nach Auffassung des EuGH somit für eine Auslegung,

wonach Polizeibehörden, wenn sie ein Telefon sicherstellen und versuchen, auf diesem Telefon gespeicherte personenbezogene Daten auszulesen oder abzufragen, eine Verarbeitung im Sinne von Art. 3 Nr. 2 der Richtlinie 2016/680 vornehmen, auch wenn es ihnen aus technischen Gründen nicht gelingen sollte, auf diese Daten zuzugreifen“.

Allein der Versuch einer Verarbeitung stellt also bereits die Verarbeitung dar, auch wenn es faktisch gerade nicht zu der beabsichtigten Verarbeitung kommt.

Grundsatz der Zweckbindung

Zudem betrachtet der EuGH auch den Kontext, in dem Art. 3 Nr. 2 der Richtlinie steht.

Nach Art. 4 Abs. 1 b) sehen die Mitgliedstaaten vor, dass personenbezogene Daten für festgelegte, eindeutige und rechtmäßige Zwecke erhoben und nicht in einer mit diesen Zwecken nicht zu vereinbarenden Weise verarbeitet werden. In der DSGVO entspricht dies dem Grundsatz der Zweckbindung nach Art. 5 Abs. 1 b) DSGVO.

Die Wirksamkeit dieses Grundsatzes setzt nach Ansicht des EuGH aber zwingend voraus, dass der Zweck der Datenerhebung

„schon dann ermittelt wird, wenn die zuständigen Behörden versuchen, auf personenbezogene Daten zuzugreifen, da ein solcher Versuch, wenn er erfolgreich ist, es ihnen u. a. ermöglichen kann, die fraglichen Daten unverzüglich zu erheben, auszulesen oder abzufragen“.

Der EuGH betrachtet hier also nicht isoliert den Versuch, sondern bezieht auch die Folge des erfolgreichen Versuchs (= Zugriff auf Daten) mit ein. Bei erfolgreichem Versuch kommt es zur Verarbeitung. Da dazwischen keine weiteren Schritte liegen, können die datenschutzrechtlichen nur bereits vorab erfüllt werden. Nach erfolgreichem Versuch wäre es etwa für eine Information des Betroffenen zu spät.

Im Ergebnis stellt der EuGH fest, dass ein Versuch von Polizeibehörden, für die Zwecke strafrechtlicher Ermittlungen, Zugang zu den auf einem Mobiltelefon gespeicherten Daten zu erlangen, in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2016/680 fällt. Auch der Generalanwalt hatte in seinen Schlussanträgen diese Ansicht vertreten. Seines Erachtens führt eine Polizeibehörde, die ein Telefon sicherstellt, auf dem solche Daten gespeichert sind, und daran hantiert, um auf die Daten zuzugreifen, einen „Verarbeitungsvorgang“ durch, auch wenn dieser aus technischen Gründen infolge der Verschlüsselung erfolglos bleibt.

Fazit

Ich denke, dass für den EuGH bei seiner Auslegung ein wichtiger Aspekt war, dass der erfolgreiche Versuch direkt zur Verarbeitung geführt hätte. Datenschutzrechtliche Pflichten konnten dann nur bereits vor dem Versuch ordentlich beachtet und erfüllt werden.

Vorbeugende Beschwerde bei der Datenschutzbehörde zulässig?

In seinen Schlussanträgen vom 25.9.2025 (Rs. C‑474/24) befasst sich Generalanwalt Spielmann u.a. auch mit der interessanten Frage, ob Betroffene nach Art. 77 eine Beschwerde bei einer Datenschutzbehörde gegen eine Verarbeitung einlegen können, die noch nicht stattfindet – also eine Art vorbeugende Beschwerde.

Wortlaut sieht diesen Fall nicht explizit vor

Nach Art. 77 DSGVO hat jede betroffene Person das Recht auf Beschwerde bei einer Aufsichtsbehörde hat, „wenn [sie] der Ansicht ist, dass die Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten gegen diese Verordnung verstößt“.

Der Wortlaut der Norm sieht zumindest nicht ausdrücklich den Fall vor, in dem die Verarbeitung noch nicht stattgefunden hat. Es wird der Ausdruck „verstößt“ im Präsens verwendet, was nach Ansicht des Generalanwalt zu bedeuten scheint, dass die Verarbeitung bereits stattgefunden haben muss. Jedoch schließt er die Möglichkeit, dass auch eine künftige Verarbeitung umfasst sein kann, als solche nicht aus).

Zweck der Beschwerde

Danach widmet sich der Generalanwalt im Rahmen der Auslegung dem Sinne und Zweck des Art. 77 DSGVO.

Eine Beschwerde durch Betroffene soll dazu führen, dass Datenschutzbehörden tätig werden, um ihre Aufgaben zu erfüllen und ihre Befugnisse wahrzunehmen.

Der Generalanwalt verweist auf Art. 58 Abs. 1 DSGVO, wonach jeder Aufsichtsbehörde weitreichende Untersuchungsbefugnisse zur Bearbeitung eingereichter Beschwerden zur Verfügung stehen. Zu den Befugnissen der Aufsichtsbehörde nach Art. 58 Abs. 2 a) DSGVO gehört es, einen Verantwortlichen zu „warnen“, dass „beabsichtigte“ Verarbeitungsvorgänge „voraussichtlich“ gegen die DSGVO verstoßen.

Dass die DSGVO hier vorsieht, dass eine Aufsichtsbehörde auch eine zukünftige Verarbeitung prüfen kann, sieht der Generalanwalt als Teil eines Ansatzes,

den man als „vorbeugenden Schutz“ der Rechte der betroffenen Person bezeichnen kann“.

Vorbeugende Pflichten der DSGVO

Zudem stellt der Generalanwalt heraus, dass der Verantwortliche, bestimmte Verpflichtungen erfüllen und insbesondere die betroffene Person vor der Verarbeitung informieren muss.

Aus diesen kontextbezogenen Gesichtspunkten leitet der Generalanwalt ab, ein vorsorglicher oder präventiver Ansatz der Aufsichtsbehörden bei der Bearbeitung von Beschwerden im Kontext der DSGVO nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann.

Ziele der DSGVO

Zuletzt betrachtet der Generalanwalt bei seiner Auslegung des Art. 77 DSGVO auch die generellen Ziele der DSGVO. Aus ErwG 10 geht hervor, dass sie darauf abzielt, ein hohes Schutzniveau für natürliche Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten in der Union zu gewährleisten.

Würde man die den Aufsichtsbehörden in Art. 57 Abs. 1 f) DSGVO auferlegte Verpflichtung, sich mit Beschwerden zu befassen, durch eine Auslegung von Art. 77 Abs. 1 DSGVO einschränken, nach der jede Möglichkeit ausgeschlossen wäre, eine Beschwerde bei einer Aufsichtsbehörde „im Vorfeld einer Verarbeitung“ einzureichen, könnte dies den Zielen dieser Verordnung zuwiderlaufen.

Zulässigkeit der vorbeugenden Beschwerde – aber …

Insgesamt geht der Generalanwalt daher davon aus, dass eine gemäß Art. 77 DSGVO eingelegte Beschwerde zulässig sein kann, obwohl die Verarbeitung personenbezogener Daten der betroffenen Person zum Zeitpunkt der Einreichung ihrer Beschwerde bei der Aufsichtsbehörde noch nicht stattgefunden hat.

Rein praktisch stellt sich dann natürlich die Frage, „wie früh“ die Beschwerde eingelegt werden kann? Wie konkret muss also die geplante Verarbeitung feststehen?

Einschränkend zur generellen Zulässigkeit der vorbeugenden Beschwerde geht der Generalanwalt davon aus, dass der geltend gemachte Verstoß gegen die DSGVO dafür geeignet sein muss und dass die betreffende Verarbeitung

nicht rein hypothetischer Natur sein darf“.

So wäre seiner Ansicht nach etwa eine Beschwerde, die sich auf die in Art. 12 DSGVO vorgesehene Informationspflicht oder auf das in Art. 15 DSGVO vorgesehene Auskunftsrecht bezieht, beispielsweise vor Beginn einer Datenverarbeitung zulässig.

Der Generalanwalt fügt danach ein Beispiel an, wann eine vorbeugende Beschwerde jedoch unzulässig ist. Hierbei stellt er auf den konkret geltend gemachten Verstoß und auch die Möglichkeit des Verantwortlichen ab, diesen Verstoß zu beseitigen.

Im vorliegenden Fall legte die Betroffene eine Beschwerde zur Löschung von Daten nach Art. 17 DSGVO sein, wobei die Daten noch nicht veröffentlicht waren. Die Betroffene hat angegeben, dass die Veröffentlichung ihrer Daten „mit ziemlicher Sicherheit unmittelbar bevorstehe“.

Konkret zu dieser Beschwerde geht der Generalanwalt davon aus, dass die auf das Recht auf Löschung gemäß Art. 17 DSGVO gestützte Beschwerde unzulässig war, weil sie eine Verarbeitung (hier die Veröffentlichung der personenbezogenen Daten der betroffenen Person) betrifft, die, auch wenn sie unmittelbar bevorsteht, weder zum Zeitpunkt der Einreichung der Beschwerde bei der Aufsichtsbehörde noch zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung dieser Aufsichtsbehörde vorlag.

Eine auf Löschung der Daten gerichtete Beschwerde setze naturgemäß voraus, dass die betreffende Verarbeitung, in diesem Fall die Veröffentlichung der Daten, tatsächlich stattgefunden hat. Dem Verantwortlichen dürfte es nämlich unmöglich sein, aufgrund einer solchen Beschwerde tätig zu werden und Daten zu löschen, wenn diese noch nicht veröffentlicht wurden.

Bundesverwaltungsgericht Österreich: Falsche Einschätzung des Datenschtzbeauftragten wird dem Verantwortlichen im Bußgeldverfahren zugerechnet

Das Bundesverwaltungsgericht Österreich musste sich in seiner Entscheidung vom 27. Dezember 2024 (Aktenzeichen W258 2227269-1/39E) mit der Rechtmäßigkeit des Verkaufs personenbezogener Daten, darunter auch Angaben zu politischen Affinitäten der betroffenen Personen befassen. Eine wichtige Frage war hier, ob bestimmte Informationen „personenbezogene Daten“ darstellen.


Sachverhalt
Im Jahr 2019 leitete die österreichische Aufsichtsbehörde eine Untersuchung ein, nachdem Medienberichte behauptet hatten, ein Unternehmen habe personenbezogene Daten, einschließlich Angaben zu „politischen Affinitäten“, verkauft. Daraufhin wurde ein Verwaltungsstrafverfahren wegen des Verdachts der unrechtmäßigen Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten ohne Einwilligung, weiterer rechtswidriger Verarbeitungen, Versäumnissen bei der Datenschutz-Folgenabschätzung, sowie unzureichender Transparenz eingeleitet. Nachdem gegen das Unternehmen eine Geldbuße verhängt wurde, legte es Rechtsmittel gegen den Bescheid beim Bundesverwaltungsgericht ein, welches die Entscheidung zunächst aufhob. Diese Aufhebung kassierte allerdings der österreichische Verwaltungsgerichtshof unter Verweis auf das EuGH-Urteil in der Rechtssache C-807/21. Damit landete der Fall wieder beim Bundesverwaltungsgericht.


Entscheidung
Das Urteil ist insbesondere in Bezug auf die Haftung des Verantwortlichen für Fehleinschätzungen des eigenen Datenschutzpersonals und des Datenschutzbeauftragten bemerkenswert.

Im Rahmen der subjektiven Voraussetzungen zur Verhängig einer Geldbuße gemäß Art. 83 DSGVO ist es erforderlich, dass der Verantwortliche einen in Art. 83 Abs 4 bis 6 DSGVO genannten Verstoß vorsätzlich oder fahrlässig begangen hat. Das BVwG geht hier von einem fahrlässigen Verhalten aus, welches u.a. aus den Fehleinschätzungen der Datenschutzmanagerin und der Datenschutzbeauftragten abgeleitet wird.

Kein Ausschluss der Zurechnung durch das existierende Kontrollsystem

Zwar geht das BVwG davon aus, dass sich das Unternehmen auf organisatorischer Seite mit beachtlichen Ressourcen-Aufwand auf die Anwendbarkeit der DSGVO vorbereitet hat.

So wurde intern die datenschutzrechtliche Bewertung wie folgt gegliedert:

  • Erstbeurteilung einer Datenverwendung in dem jeweiligen Fachbereich einerseits.
  • Verpflichtenden Einbindung der Datenschutzbeauftragten andererseits.

Dieses System scheint nach Auffassung des BVwG auf den ersten Blick zweckmäßig zu sein, zumal die Fachbereiche den besten Einblick in die von Ihnen vorgenommenen Datenverwendung haben und die Datenschutzbeauftragte eine rechtlich unabhängige Kontrolle ermöglichen sollte.

„Im konkreten Fall gestaltet sich diese Aufteilung allerdings als problematisch, weil die Erstbeurteilung damit Personen auferlegt worden ist, die – wenngleich datenschutzrechtlich ausgebildeten – juristischen Laien sein konnten/bzw waren und – als aus dem Fachbereich kommend – ein starkes Interesse an der Durchführung der geplanten „eigenen“ Datenverarbeitungen haben können.“

Hieraus folgte nach Ansicht des Gerichts „die beachtliche Gefahr grundlegender juristischer Fehlinterpretationen aufgrund fehlender allgemeiner juristischer Kenntnisse„.

Das BVwG geht daher hinsichtlich des Kontrollsystemens davon aus, dass dies nicht ausreichend war.

„entgegen ihrer Meinung lag damit auch kein wirksames Überwachungs- und Kontrollsystem vor, dass eine verschuldensbegründende Zurechnung an die Beschwerdeführerin ausschließen könnte“

Fehlerhafte Einschätzungen der Mitarbeiter

Hinsichtlich der Datenverarbeitungen sind die Datenschutzmanagerin und die Datenschutzbeauftragte davon ausgegangen, dass es sich bei statistischen Werten nicht um personenbezogene Daten handelt, und zwar auch dann, wenn sie konkreten Personen zugeschrieben werden.

Nach Auffassung des BVwG war diese Rechtsansicht

„insbesondere vor dem Hintergrund der bereits vor Anwendbarkeit der DSGVO zur in diesen Aspekten vergleichbaren Datenschutz-Richtlinie (95/46/EG) und dem DSG 2000 vorliegenden Judikatur der Datenschutzkommission, der Datenschutzbehörde (…) und des EuGH (EuGH 22.06.2017, C-434/16, Nowak) unvertretbar“

Das Gericht geht in seiner Begründung danach u.a. darauf ein, welches Verhalten den beteiligten Personen vorzuwerfen ist.

„Der Datenschutzmanagerin ist vorzuwerfen, dass sie bei ihrer Meinungsbildung auffallend sorglos war, zumal sie eine einschlägige datenschutzrechtliche Entscheidung denkunmöglich interpretiert…“

„Die weiteren von der Datenschutzmanagerin ergriffen Recherchetätigkeiten waren ungeeignet ihren Fehler aufzudecken,…“

„Der Datenschutzbeauftragten ist vorzuwerfen, dass sie sich – in offenbarer Unkenntnis der bestehenden Rechtsprechung sowie trotz einer neuen Rechtslage – auf ihre bestehende (irrige) Meinung verlassen hat, dass es sich bei statistischen Daten auch dann um keine personenbezogenen Daten handelt, wenn sie konkreten Personen zugeschrieben werden, und keine eigenen relevanten Recherchen durchgeführt hat.“

Die führte im Ergebnis dazu, dass das Unternehmen die „ XXXX -Affinitäten“ nicht weiter dahingehend überprüft hat, ob es sich tatschlich um eine besondere Kategorie von Daten nach Art. 9 Abs. 1 DSGVO handelt und ob und unter welchen Voraussetzungen ihre Verarbeitung zulässig sein könnte.

Hieraus folgert das BVwG:

„Dieses fahrlässige Verhalten muss sich die Beschwerdeführerin zurechnen lassen; eine Handlung oder Kenntnis eines Leitungsorgans der Beschwerdeführerin, ist hierfür nicht erforderlich (EuGH 05.12.2023, C-807/21, Deutsche Wohnen SE, Rz 77).“

Bedeutung für die Praxis
Die Entscheidung zeigt, dass Verantwortliche auch für fehlerhafte Einschätzungen bzw. Handlungen ihrer Datenschutzbeauftragten haften müssen. Bereits in der Entscheidung C-807/21 (Deutsche Wohnen) hat der EuGH klargestellt, dass Art. 83 DSGVO keine Handlung und nicht einmal eine Kenntnis seitens des Leitungsorgans des Verantwortlichen voraussetzt. Diese Position wurde vom Kammergericht Berlin in seiner Entscheidung vom 22. Januar 2024 bestätigt. Die vorliegende Entscheidung folgt dem Ansatz, dass die Unternehmen auch für solche Verstöße haften, die von jeder anderen Person begangen wurden, die im Rahmen der unternehmerischen Tätigkeit und im Namen dieser juristischen Person gehandelt hatte.

Das BVwG geht sogar noch einen Schritt weiter: Trotz der (zumindest teilweise) unabhängigen Stellung der Datenschutzbeauftragten haften die Unternehmen auch für deren Verstöße, zumindest solange diese Verstöße in den Bereich ihrer gesetzlichen Pflichten gem. Art. 39 DSGVO fallen.

Geht es um Rechtsansichten (wie hier, bei der Auslegung und Anwendung der DSGVO), sollten Verantwortliche und Auftragsverarbeiter daher darauf achten, internes Personal entsprechend zu qualifizieren oder extern spezialisierten Fachrat einzuholen.

Zudem sind die Ansichten des BVwG zu dem Compliance/Konrollsystem sehr praxisrelevant.

Verwaltungsgericht: Rechtsmissbräuchliche Instrumentalisierung der Datenschutzbehörde – hier: Beschwerde gegen gegnerische Anwaltskanzlei

Das Verwaltungsgericht Hamburg hat sich in einem Beschluss (Beschl. v. 6.8.2025 – 17 K 3445/24, aktuell nur bei BeckRS 2025, 20692 verfügbar) sehr deutlich zu einem möglichen Anspruch eines Betroffenen auf Einschreiten der Datenschutzbehörde gegen eine gegnerische Anwaltskanzlei geäußert.

Hintergrund

Der Kläger des Verfahrens befand sich offensichtlich mit einem Unternehmen in einer zivilrechtlichen Auseinandersetzung in Bezug auf einen Schadenersatzanspruch. Das Unternehmen wurde von einer Anwaltskanzlei vertreten.

In einem Schreiben der Kanzlei an den Kläger verwendete diese irrtümlich „428/23“ als Zeichen des Klägers und speicherte das Schreiben mit diesem unzutreffenden Zeichen bei sich. Hiergegen legte der Kläger eine Beschwerde bei der Datenschutzbehörde in Hamburg ein. Die Aufsichtsbehörde wollte sich jedoch entweder mit der Beschwerde gar nicht befassen (ggfs. unter Berufung auf die EuGH Rechtsprechung) oder zumindest keine Maßnahmen ergreifen.

Der Kläger erhob darauf hin gegen die Datenschutzbehörde Klage beim Verwaltungsgericht. Da er einen Anspruch auf Behandlung seiner Beschwerde nach Art. 57 Abs. 1 f) DSGVO, Art. 77 DSGVO habe.

Entscheidung

Das Verwaltungsgericht musste, da die Parteien den Rechtsstreit für erledigt erklärt hatten, nur noch über die Kosten und dort über die Erfolgsaussuchten der Klage des Betroffenen entscheiden.

Die Ansicht des Gerichts fällt mehr als deutlich aus.  Der Kläger trägt die gesamten Kosten, da er mit seiner Klage wahrscheinlich unterlegen wäre.

Seine datenschutzrechtliche Beschwerde dürfte … als rechtsmissbräuchliche Instrumentalisierung des Beklagten, nur um der Beschwerdegegnerin in feindseliger Haltung Nachteile zuzufügen.“

Das VG geht hier also von einer missbräuchlichen Geltendmachung des Beschwerderechts nach der DSGVO aus. Hierzu führt das Gericht auch einige Faktoren an, die aus seiner Sicht für eine Missbräuchlichkeit der Geltendmachung der Beschwerde sprachen.

Erstens

Die Beschwerde des Klägers diente allein dazu, der Rechtsanwaltskanzlei der Gegenseite, an die der Kläger einen Schadensersatzanspruch gerichtet hatte, Probleme und Aufwand zu bereiten.“

Für das VG war es hier also offensichtlich, dass es dem Kläger gerade nicht um Fragen des Datenschutzes ging, sondern die DSGVO nur als Instrument genutzt wurde, um Probleme zu bereiten.

Zweitens

Die datenschutzrechtliche Beschwerde an den Beklagten hat der Kläger erkennbar dazu genutzt, die Rechtsanwaltskanzlei, die in der zivilrechtlichen Auseinandersetzung mit ihm für die Gegenseite tätig war, weiter zu eskalieren, ohne hierdurch einen relevanten Vorteil für sich zu gewinnen.“

Zudem geht das VG davon aus, dass es dem Kläger erkennbar nur um eine weitere Eskalationsstufe des Streits ging. Also er gerade nicht Zwecke des Datenschutzes verfolgte.

Dies begründet das Gericht u.a. auch damit „kein auch nur ansatzweise anzuerkennendes rechtliches Interesse des Klägers daran“ bestehe, dass die Rechtsanwaltskanzlei das Schreiben und die Speicherung entsprechend berichtigt und hierzu die Kanzlei mit einem aufsichtsbehördlichen Verfahren zu überziehen.

Drittens

Zudem argumentiert das VG mit dem Sinn und Zweck des Datenschutzrechts.

„Das Datenschutzrecht mit der Einrichtung des Datenschutzbeauftragten als staatliche Stelle ist nicht dazu bestimmt, völlig belanglose Irrtümlichkeiten bei der Verarbeitung von Daten…, behördlich verfolgen zu lassen, nur um mit dem Mittel der Datenschutzaufsicht eine aus einem anderen Grund bestehende Auseinandersetzung, hier der Streit um einen zivilrechtlichen Schadensersatz, böswillig auf dieses weitere Konfliktfeld auszuweiten.“

Das Gericht sieht anscheinend die Kombination aus Zweck und Mittel auch als Faktor für den Missbrauch.

Fazit

Die Begründung des VG ist sehr deutlich. Man mag, mit Blick auf die Rechtsprechung des EuGH zur Geltendmachung des Auskunftsrechts, welches danach keine Begründung erfordert, eventuell auch gegen das Gericht argumentieren. Aus Sicht der Verantwortlichen kann die Begründung jedoch auch gut auf Situationen übertragen werden, in denen Betroffene im Streit mit der „Aufsichtsbehörde drohen“ – und das passiert in der Praxis leider regelmäßig.

Anwendung der neuen EuGH-Rechtsprechung: keine Information über „berechtigte Interessen“ – keine Interessenabwägung nach Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO

In letzter Zeit hat der EuGH einige relevante Aussagen zum Erlaubnistatbestand der Interessenabwägung nach Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO getroffen. Die Tendenz des Gerichts ist hierbei recht streng. Bekanntlich verknüpft der EuGH die Frage, ob sich ein Unternehmen überhaupt auf diese Rechtsgrundlage berufen kann, auch mit der Transparenzanforderung des Art. 13 Abs. 1 d) DSGVO.

Danach muss der Verantwortliche zum Zeitpunkt der Erhebung von personenbezogenen Daten, wenn die Verarbeitung auf Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO beruht, die berechtigten Interessen, die von dem Verantwortlichen oder einem Dritten verfolgt werden, der betroffenen Person mitteilen.

Rechtssache „Mousse“

In der Rechtssache C‑394/23 („Mousse“, Rz. 52) verknüpft der EuGH die Erfüllung der Transparenzpflicht mit der Rechtsgrundlage nach Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO.

Wie der Generalanwalt in Nr. 58 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, verlangt diese Bestimmung, dass den betroffenen Personen zum Zeitpunkt der Erhebung der Daten unmittelbar das verfolgte berechtigte Interesse mitgeteilt wird, da andernfalls diese Erhebung nicht auf der Grundlage von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f dieser Verordnung gerechtfertigt werden kann.“

Zu den erwähnten Schlussanträgen des Generalanwalts hatte ich hier im Blog berichtet (Blogbeitrag). Er ist sogar noch deutlicher als der EuGH:

Mit anderen Worten: Die aus der Nichteinhaltung der Informationspflicht nach Art. 13 Abs. 1 Buchst. d DSGVO resultierende Sanktion ist die Rechtswidrigkeit der Verarbeitung der betreffenden personenbezogenen Daten.“

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Bereits zuvor, im Oktober 2024, hat der EuGH (Rechtssache C-621/22) im Hinblick auf die Frage, ob sich ein Verantwortlicher auf Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO berufen kann, eine strenge Ansicht vertreten (Rz. 50).

Sollte ein solches Interesse als berechtigt angesehen werden, müsste der Verantwortliche zudem allen anderen ihm obliegenden Pflichten aus der DSGVO nachkommen, damit die Wahrnehmung dieses Interesses eine Verarbeitung personenbezogener Daten gemäß Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DSGVO rechtfertigen kann.“

Im Unterschied zur Entscheidung „Mousse“ verknüpft der EuGH hier die Möglichkeit, sich auf Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO zu berufen, sogar nicht nur mit der Erfüllung der Transparenzpflicht des Art. 13 Abs. 1 d) DSGVO, sondern mit der Einhaltung aller (!) Pflichten aus der DSGVO. Man kann sicher gut darüber diskutieren, ob nun z.B. ein Verstoß gegen Art. 30 Abs. 1 DSGVO, weil es einen Fehler im Verzeichnis gibt, direkt dazu führen sollte, dass ein Verantwortlicher nicht mehr die Rechtsgrundlage des Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO nutzen kann – die Tendenz beim EuGH zu dieser Frage scheint zumindest derzeit aber klar.

Anwendung der Vorgaben in der Praxis

Und wie kommt diese Rechtsprechung in der Praxis an? Sie scheint auf jeden Fall von Gerichten und Aufsichtsbehörden angewendet zu werden – mit entsprechenden (negativen) Folgen für Verantwortliche.

Beispiel 1 – Aufsichtsbehörde Berlin

In ihrem letzten Newsletter berichtet die Datenschutzbehörde Berlin, dass sie die Vorgaben des EuGH aus der Entscheidung „Mousse“ konkret anwendet und eine Rechtmäßigkeit auf Basis von Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO ablehnt, wenn Verantwortliche nicht über die berechtigten Interessen informieren. Konkret ging es um Prüfverfahren im Rahmen der Datenverarbeitung für Zwecke des Einsatzes von KI.

Dieser Verstoß gegen die Informationspflichten nach Art. 13 bzw. Art. 14 DSGVO kann sich unmittelbar auf die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung auswirken. Gerade wenn sich Verantwortliche auf die Verarbeitung personenbezogener Daten zur Wahrung berechtigter Interessen berufen, gehen wir nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) davon aus, dass dies unzulässig ist, wenn betroffenen Personen nicht einmal das berechtigte Interesse mitgeteilt wird, auf das sich die Verantwortlichen berufen.“

Beispiel 2 – Bundesverwaltungsgericht Österreich

Und auch die jüngste Rechtsprechung scheint die neuen Vorgaben des EuGH umzusetzen. In einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts Österreich vom 11. Juni 2025 (W211 2308914-1) verweist das Gericht auf die EuGH-Rechtsprechung. Es ging in dem Verfahren um die Frage, ob eine umfassende Videoüberwachung auf Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO gestützt werden konnte. Die Datenschutzbehörde Österreich lehnte dies ab. Das Gericht folgt der Argumentation und sieht Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO als nicht anwendbar, da der Verantwortliche nicht über die „berechtigten Interessen“ informierte.

Auf Basis der neuen Rechtsprechung des EuGH ist es im Fall einer Rechtfertigung gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO erforderlich, dass der:die Verantwortliche in der Phase der Erhebung der in Rede stehenden Daten gemäß Art. 13 DSGVO das konkrete berechtigte Interesse den Betroffenen mitgeteilt hat (vgl. EuGH 09.01.2025, C-394/23 (Mousse), EU:C:2025:2, Rz 52, 63, 64).“

Bereits aufgrund dieses rezenten Judikats des EuGH kann – umgelegte auf den konkreten Sachverhalt – nicht von einer für den vorbrachten Zweck erforderlichen und somit rechtmäßigen Datenverarbeitung ausgegangen werden, welche auf Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO gestützt werden kann.“

Fazit

Die Tendenz ist klar: berechtigte Interessen sollten in jedem Fall so konkret wie möglich in Datenschutzhinweisen bzw. entsprechenden Informationen angegeben werden, wenn sich ein Verantwortlicher auf die Rechtsgrundlage des Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO stützen möchte. Ein Nachschieben dieser Information scheint aufgrund des Wortlauts von Art. 13 Abs. 1 DSGVO („zum Zeitpunkt der Erhebung dieser Daten“) wohl nicht möglich.

Zum Cookie-Banner-Urteil des VG Hannover: Gericht verpflichtet nicht zu „Alles ablehnen“-Schaltfläche

In den letzten Tagen wurde vermehrt über die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Hannover (Urteil vom 19.März 2025, Az: 10 A 5385/22) zur unzulässigen Gestaltung eines Cookie-Banners auf der Webseite eines Verlagshauses berichtet. 

In der Berichterstattung war zu lesen, dass das Gericht entschieden hätte, dass Cookie-Banner eine „Alles ablehnen“-Schaltfläche zwingend vorhalten müssten. 

Und sogar die im Verfahren involvierte Aufsichtsbehörde aus Niedersachsen betitelt ihre Pressemeldung dazu leider wie folgt: „Urteil zu manipulativem Cookie-Banner: „Alles ablehnen“-Schaltfläche ist ein Muss“. Die Behörde führt dort weiter aus: „Webseitenbetreiber müssen bei Cookie-Einwilligungsabfragen eine gut sichtbare „Alles ablehnen“-Schaltfläche auf der ersten Ebene im Einwilligungsbanner anbieten, wenn es eine „Alle akzeptieren“-Option gibt“. Diese Aussage kann ich der Entscheidung des Gerichts nicht entnehmen. 

Meines Erachtens ist diese Auslegung des Urteils und sind die Aussagen in der Pressemitteilung jedoch falsch. Das Gericht hat gerade nicht entschieden, dass es zwingend (und stets) eine Pflicht gibt, das Cookie-Banner eine solche Schaltfläche vorhalten müssen. 

Dies möchte ich kurz anhand der Aussagen des Gerichts und dem zugrundeliegenden Sachverhalt begründen. 

Erstens

Bereits die Leitsätze des Urteils geben eine Auslegung für eine Pflicht zu einem „Alles ablehnen“-Button nicht her. 

Das Gericht stellt fest, dass eine Einwilligung nicht freiwillig erteilt wird (und damit unwirksam ist), wenn es wie hier die Gestaltung eines Cookie-Einwilligungsbanners mit zwei Ebenen betrifft, bei welchem auf erster Ebene nur die Auswahlmöglichkeiten „Alle akzeptieren“, „Akzeptieren & schließen x“ und „Einstellungen“ bestehen. Es ist meines Erachtens sehr wichtig zu verstehen, was das Gericht geprüft hat: einen Cookie-Banner, der auf der ersten Eben schlicht keine Ablehnungsmöglichkeit vorsah. 

Die Pflicht, eine „Alles ablehnen“-Schaltfläche vorzuhalten, wird aber gar nicht angesprochen. 

Im Übrigen hat auch die Aufsichtsbehörde selbst, in ihrem Bescheid gegenüber dem Unternehmen, dies gar nicht verlangt. In dem Bescheid vom 23.11.2022 verpflichtet die Aufsichtsbehörde das Unternehmen 

auf der Website www.noz.de die Anforderungen an wirksame – insbesondere informierte und freiwillige – Einwilligungen gemäß Art. 4 Nr. 11 und Art. 7 DSGVO umzusetzen, soweit es für die Rechtmäßigkeit des Einsatzes von lokalen Speicherobjekten, Tracking-Techniken und Drittdiensten erforderlich ist“.

Es geht um eine Umgestaltung, die zur Einholung wirksamer Einwilligungen führen soll. Wie dies konkret geschieht, wird nicht vorgegeben. 

Zweitens

Das Gericht prüft, ob durch die damals verwendete Gestaltung des Banners auf der Webseite eine wirksame Einwilligung nach Art. 4 Nr. 11 DSGVO eingeholt werden konnte. Dies lehnt das Gericht unter mehreren Gesichtspunkten ab. 

Zum einen, da die „Informiertheit“ der Betroffenen nicht gegeben war. Das Gericht verweist auf die Rechtsprechung des EuGH, der als Mindestinformationen eine Angabe der Funktionsdauer sowie Angaben zu eventuellen Empfängern der in den Cookies enthaltenen Informationen verlangt (C-673/17).

„Daran gemessen ist zu bezweifeln, ob das Merkmal der Informiertheit für die mittels des Einwilligungsbanners der Klägerin erteilten Einwilligungen der Nutzer vorliegt.“

Zum anderen fehlt nach Ansicht des Gerichts auch eine erforderliche „freiwillige Entscheidung“. 

„Jedenfalls beruhen die von der Klägerin eingeholten Einwilligungen nicht auf einer freiwilligen Entscheidung der Nutzer.“ 

Es fehle etwa an einer tatsächlichen Wahlmöglichkeit, also dass Betroffene ohne Nachteile auf die Erteilung der Einwilligung verzichten können.

Und dann kommt die entscheidende Aussage des Gerichts. 

Ob aus diesen Vorschriften herzuleiten ist, dass die Möglichkeit zur Ablehnung von Cookies in gleicher Weise wie die Einwilligung in das Setzen von Cookies gestaltet sein muss, ist durch die Rechtsprechung noch keiner abschließenden Klärung zugeführt worden (vgl. Sesing, MMR 2021, S. 544 (547) m.w.N.; OLG Köln, Urteil vom 3. November 2023 – I-6 U 58/23 –, juris Rn. 50). Jedenfalls darf aber das Cookie-Banner nicht so gestaltet sein, dass es den Nutzer gezielt zur Abgabe der Einwilligung hinlenkt und von der Ablehnung der Cookies abhält“.

Juristisch entscheidet sich das Gericht also gar nicht, ob es eine Pflicht zur Möglichkeit der Ablehnung auf erster Ebene, wie die Akzeptieren-Schaltfläche, geben muss. Das muss es auch nicht, da die Einwilligung bereits aus anderen Gründen nicht wirksam war. Deutlich wird dies auch durch die Einleitung des zweiten Satzes: „Jedenfalls…“. Es kommt dem Gericht also für seine Begründung nicht auf die Klärung der Frage an, ob es eine „Alles ablehnen-Schaltfläche“ braucht. 

Die Kritik des Gerichts, in Bezug auf die fehlende Wahlmöglichkeit, richtet sich etwa auf den erheblichen Mehraufwand für Betroffene, wenn sie die Einwilligung nicht erteilen möchten. Hierzu das Gericht: 

Während die umfassende Einwilligung auf erster Ebene gleich durch zwei Buttons („Alle akzeptieren“ sowie „Akzeptieren & schließen x“) erteilt werden kann, muss für eine Ablehnung zunächst auf erster Ebene der Button „Einstellungen“ ausgewählt werden. Auf zweiter Ebene des Banners folgen fünf verschiedene Drop Down Menus mit weiteren Unterpunkten,…

Das Gericht geht in seiner Begründung auch ausdrücklich davon aus, dass „eine Ablehnungsoption auf erster Ebene nicht besteht“ – fügt jedoch nicht an, dass allein dies bereits einen Verstoß gegen die DSGVO oder das TDDDG darstellen würde. Wie gesagt, das musste es auch nicht. 

Fazit

Die Frage, ob zwingend eine „Alles ablehnen-Schaltfläche“ vorzuhalten ist, hat auch das VG Hannover (verständlicherweise) nicht adressiert. Weil es auf diese Frage nicht ankam. Dass die zuständige Aufsichtsbehörde in ihrer Pressemitteilung aus dem Urteil eine solche Pflicht ableitet bzw. dem Gericht im Grunde diese Aussage zuspricht, finde ich sehr schade.

(P.S.: zudem würde mich die Meinung der Aufsichtsbehörde dazu interessieren, ob denn eine „Alles ablehnen-Schaltfläche“ tatsächlich auch gesetzeskonform und nicht selbst irreführend ist? Denn: wenn ich Nutzern suggeriere, dass sie alle Cookies ablehnen können, obwohl ich auch technisch erforderliche Cookies nutze, die man nicht ablehnen kann, dann stelle eine solche Schaltfläche aus meiner Sicht eine falsche Information dar)

Landesarbeitsgericht: Ausschluss eines Betriebsratsmitglieds aus dem Betriebsrat wegen eines groben Verstoßes gegen datenschutzrechtliche Pflichten

Welche Folgen kann ein gesetzwidriger Umgang mit Beschäftigtendaten für Betriebsratsmitglieder haben? In gravierenden Fällen kann der Arbeitgeber den Ausschluss des Mitglieds aus dem Betriebsrat verlangen (§ 23 Abs. 1 BetrVG). Einen solchen Fall hatte das Landesarbeitsgericht Hessen (LAG) hat mit Beschluss vom 10.3.2025 (Az. 16 TaBV 109/24) zu entscheiden. Das LAG bestätigte eine Entscheidung des Arbeitsgerichts Wiesbaden, wonach ein Betriebsratsmitglied wegen grober Verstöße gegen datenschutzrechtliche Pflichten aus dem Betriebsrat auszuschließen ist. 

Sachverhalt

Im September 2023 stellte der Arbeitgeber fest, dass im dienstlichen E-Mail-Account des Betriebsratsvorsitzenden eine Regel eingerichtet war, wonach alle eingehenden E-Mails automatisiert an dessen (private) GMX-Adresse weitergeleitet werden. Der Arbeitgeber sah hierin einen Datenschutzverstoß und erteilte dem Betriebsratsvorsitzenden eine Abmahnung. 

Danach stellte der Arbeitgeber erneut fest, dass der Betriebsratsvorsitzende unter anderem Termine an eine neue private E-Mail-Adresse weitergeleitet hat. Zudem wurde ermittelt, dass eine E-Mail mit einer vollständigen Personalliste von der privaten E-Mail-Adresse des Betriebsratsvorsitzenden an seinen dienstlichen E-Mail Account sowie an die E-Mail-Adresse des Betriebsrats versandt wurde. Diese E-Mail enthielt eine Excel-Liste mit den Namen sämtlicher Mitarbeiter, Stellung im Betrieb, Zeitansatz, Tarifgruppe, Stufe, Grundentgelt, zeitliche Stufenverlauf, Tarifeintritt, Eingruppierung, Vergleichsdaten zur Eingruppierung Konzern, zu Grundgehalt Konzern.

Damit dies möglich war, musste der Betriebsratsvorsitzende diese Personalliste vorher von seinem dienstlichen E-Mail Account als Mitarbeiter oder von dem des Betriebsrats an seine private E-Mail-Adresse verschickt haben. Diese E-Mail hat der Betriebsratsvorsitzende (auch aus dem -elektronischen- Papierkorb) gelöscht.

Danach beantragte der Arbeitgeber beim Arbeitsgericht den Ausschluss des Betriebsratsvorsitzenden aus dem Betriebsrat.

Der Betriebsratsvorsitzende und der Betriebsrat haben behauptet, der Betriebsratsvorsitzende habe die E-Mail vom 07.11.2023 nur deshalb an seinen privaten E-Mail-Account geschickt, um eine zeitnahe Bearbeitung der Excel-Tabelle zu Hause auf seinem größeren Bildschirm zu ermöglichen. Nach erfolgter Bearbeitung habe er die Daten vollständig auf seinen privaten Speichermedien gelöscht. Er habe seinen Betriebsratskollegen eine Gegenüberstellung der aktuellen Betriebsvereinbarung „Vergütungsordnung“ und dem Entwurf des Betriebsrats sowie der Konzern- Rahmenvereinbarung für die Betriebsratssitzung zur Verfügung stellen wollen.

Das Arbeitsgericht gab dem Antrag des Arbeitgeber statt, wogegen der Betriebsrat und der Vorsitzende Beschwerde einlegten.

Entscheidung

Das LAG lehnt die Beschwerden des Betriebsratsvorsitzenden und des Betriebsrats als unbegründet ab. 

Datenschutzrechtliche Pflichten des Betriebsrates

Nach § 23 Abs. 1 S. 1 BetrVG kann (unter anderem) der Arbeitgeber den Ausschluss eines Mitglieds aus dem Betriebsrat wegen grober Verletzung seiner gesetzlichen Pflichten verlangen. Gemäß § 79a S. 1 BetrVG hat der Betriebsrat bei der Verarbeitung personenbezogener Daten die Vorschriften über den Datenschutz einzuhalten.

Das LAG geht daher davon aus, dass der Betriebsrat bei jeder Datenverarbeitung -und damit auch bei der Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten- die Datenschutzbestimmungen einzuhalten und ihre Vorgaben zu beachten hat.

Im konkreten Fall lag durch die Weiterleitung der personenbezogenen Daten sämtlicher Mitarbeiter an seinen privaten E-Mail-Account mindestens eine Erhebung der Daten im Sinne von Art. 4 Nr. 2 DSGVO vor. 

Diese Verarbeitung personenbezogener Daten war nicht rechtmäßig.“

§ 26 Abs. 1 BDSG unionsrechtswidrig?

Das LAG befasst sich zunächst kurz mit der Frage, ob § 26 Abs. 1 BDSG, nach dem Urteil des EuGH vom 30.3.2023 zu § 23 HDSIG, noch angewendet werden darf – oder als unionrechtswidrig anzusehen und damit nicht anwendbar ist.  

Im Ergebnis lässt das LAG die Frage offen und prüft die Rechtsmäßigkeit der Datenverarbeitung durch den Betriebsratsvorsitzenden sowohl nach § 26 Abs. 1 BDSG als auch nach den direkt anwendbaren Vorgaben der Art. 5 und 6 DGSVO. 

Jedoch zeigt das LAG klare Tendenzen dafür, dass § 26 Abs. 1 BDSG wohl nicht mehr angewendet werden kann:

Vor dem Hintergrund, dass § 26 Abs. 1 BDSG weitgehend wortgleich mit § 23 HDSIG ist (siehe die Gegenüberstellung in EuGH 30.03.2023 C-34/21, Rn. 11 und 12) könnte diese Vorschrift unionsrechtlich unanwendbar sein.“

Keine Erforderlichkeit der Verarbeitung

Im Falle einer Anwendung von § 26 Abs. 1 S. 1 BDSG geht das LAG von dem Fehlen der Erforderlichkeit der Weiterleitung der Daten an die private E-Mail-Adresse aus. 

Es wäre des Betriebsratsvorsitzenden möglich gewesen, die zur Vorbereitung der abzuschließenden Betriebsvereinbarung erforderliche Verarbeitung der Daten der Beschäftigten von dem ihm für die Betriebsratstätigkeit vom Arbeitgeber gemäß § 40 Abs. 2 BetrVG zur Verfügung gestellten Computer zu bearbeiten.

Die Weiterleitung auf private Systeme, sieht das LAG hier daher keine Veranlassung.

Verstöße gegen Art. 5 und 6 DSGVO

Zunächst geht das LAG von einem Verstoß gegen Art. 5 Abs. 1 a) DSGVO aus. Die Verarbeitung muss auf „rechtmäßige Weise“ erfolgen. Dies bedeutet u.a., dass die Verarbeitung auf der Einwilligung der betroffenen Person oder auf einer anderweitigen Rechtsgrundlage beruhen muss.

Hier lag weder eine Einwilligung sämtlicher Beschäftigter hinsichtlich der Weiterleitung ihrer persönlichen Daten an den privaten E-Mail-Account des Betriebsratsvorsitzenden vor, noch eine anderweitige Rechtsgrundlage hierfür.“

Zudem erfolgte die Verarbeitung der Daten nicht in einer für die betroffene Person nachvollziehbaren Weise. Damit ist der Ausschluss heimlicher Verarbeitungen personenbezogener Daten und die umfassende Information der betroffenen Person über die Verarbeitung der auf sie bezogenen Daten gemeint. 

„Auch eine derartige Information der Beschäftigten ist nicht erfolgt.“ 

Die Betroffenen hatten keine Kenntnis von der Weiterleitung ihrer Daten. Der Betriebsratsvorsitzende hat diese nicht darüber informiert, dass er deren personenbezogene Daten vom Betriebsratsaccount an seinen privaten E-Mail-Account weitergeleitet und von dort aus im Rahmen der Vorbereitung auf eine abzuschließende Betriebsvereinbarung verarbeitet hat.

Zudem geht das LAG bei der Weiterleitung der personenbezogenen (Entgelt-) Daten sämtlicher Beschäftigter an die private E-Mail-Adresse von einem Verstoß gegen Art. 5 Abs. 1 c) DSGVO (Grundsatz der Datenminimierung) aus. Dieser Grundsatz wurde vom Betriebsratsvorsitzenden hier deshalb nicht beachtet, 

weil er auf dem ihm in seiner Eigenschaft als Betriebsrat zur Verfügung gestellten Computer Zugang zu den für die Wahrnehmung seiner Mitbestimmungsrechte ihm vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Daten hatte und -wie ausgeführt- keine Veranlassung bestand, diese Daten an sein privates Endgerät weiterzuleiten und auch dort zu verarbeiten.“

Zuletzt prüft das LAG, ob eine Rechtsgrundlage nach Art. 6 Abs. 1 DSGVO für die Weiterleitung vorlag. 

Weder lag eine Einwilligung der Beschäftigten vor, noch bestand eine rechtliche Verpflichtung, die Daten an die private E-Mail-Adresse zu senden. 

Es bestand gerade keine Verpflichtung zur Weiterleitung der personenbezogenen Daten an den privaten E-Mail Account des Betriebsratsvorsitzenden. Dies auch nicht im Hinblick auf die Vorbereitung der abzuschließenden Betriebsvereinbarung.“

Auch eine Rechtfertigung auf der Grundlage einer Interessenabwägung nach Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO lehnt das LAG ab. 

Grober Verstoß im Sinne des § 23 BetrVG

Zuletzt teilt das LAG auch die Ansicht des Arbeitsgerichts, dass die Pflichtverletzung im vorliegenden Fall auch „grob“ im Sinne von § 23 Abs. 1 BetrVG war. 

Der Verstoß gegen den Datenschutz wirkt zunächst deshalb schwer, weil es sich um die Mitteilung der Höhe der Vergütung jedes einzelnen Mitarbeiters handelte.“ 

Das LAG stellt hierbei auf die Art und damit die Sensibilität der Daten ab. Mit dem Umgang solcher Daten müsse allergrößte Sensibilität verbunden sein. 

Zum wertet das LAG negativ, dass dem Betriebsratsvorsitzenden bereits aufgrund der vorangegangenen Auseinandersetzung mit seinem Arbeitgeber wegen der Weiterleitung dienstlicher E-Mails an seinen privaten E-Mail-Account bekannt war, dass der Arbeitgeber hierin einen (gravierenden) Datenschutzverstoß sieht. 

Zuletzt verweist das LAG auch auf das persönliche Fehlverhalten des Betriebsratsvorsitzenden. Dieser zeigte sich als unbelehrbar.

Er handelte bewusst zur Umgehung der ihm vom Arbeitgeber im Interesse des Datenschutzes der Beschäftigten auferlegten Verpflichtung. Dieses Fehlverhalten war durch nichts zu rechtfertigen.“ 

Amtsgericht: Betroffene haben keinen Anspruch auf einen Nachweis der Löschung von Daten

Kann der Betroffene von dem Verantwortlichen verlangen, einen Nachweis über die Löschung personenbezogener Daten zu erhalten? Diese Frage stellt sich in der Praxis häufiger, etwa wenn Kunden oder (ehemalige) Mitarbeiter nach einer Löschbestätigung durch ein Unternehmen oder eine öffentliche Stelle vermuten, dass Daten nicht gelöscht wurden.

Das Amtsgericht (AG) hat sich in seinem Urteil vom 03.03.2025 (Az. 3 C 1099/24) nun mit dieser Frage befasst.

Sachverhalt

In dem Verfahren stritten die Beteiligten (jeweils natürlich Personen) über die Anfertigung von Videos durch den Beklagten. Dieser wollte per Videoaufnahmen nachweisen, dass auf dem Grundstück des Nachbarn gewerbliche Tätigkeiten vorgenommen wurden – obwohl die Häuser in einem reinen Wohngebiet liegen. Auf den Videos war auch der Kläger erkennbar.

U.a. beantragte der Kläger, die Videos zu löschen und dies nachzuweisen.

Entscheidung

Das AG hat einen Anspruch des Betroffenen auf Nachweis der Löschung ihm gegenüber abgelehnt.

Aus Art. 5 Abs. 2 DSGVO, der Rechenschaftspflicht, ergebe sich

lediglich eine abstrakte Nachweispflicht und kein Anspruch des Klägers“.

Die Rechenschaftspflicht obliege dem Verantwortlichen und bürde ihm auch die Darlegungs- und Beweislast in Streitfällen auf.

Daraus ergibt sich aber noch kein Anspruch den Nachweis ohne einen Streitfall vorzulegen“.

Unter anderem verweist das AG darauf, dass im Gesetz ein Gläubiger der Rechenschaftspflicht nicht vorgesehen sei.

Interessant war dann die Frage, ob denn nicht die Löschung als Vorgang in Bezug auf personenbezogene Daten eine Datenverarbeitung nach Art. 4 Nr. 2 DSGVO darstellt. Denn dann könnte der Kläger ja eventuell über den Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO verlangen, hierüber informiert zu werden.

Jedoch lehnt das AG eine solche Argumentation ab. Soweit die Löschung eine Datenverarbeitung darstelle (meine Anmerkung: das tut sie in jedem Fall, wie sich aus Art. 4 Nr. 2 DSGVO ergibt) und daher ein Auskunftsanspruch bestehe,

würde das dazu führen, dass die Daten nicht rückstandslos gelöscht werden, da noch ein Löschnachweis verbleiben muss“.

Dieses Ergebnis widerspreche aber dem erklärten Ziel – nämlich der Löschung der Daten.

Das AG schlägt als Alternative vor, dass der Beklagte die Möglichkeit habe, die Löschung durch eidesstattliche Versicherung nach den §§ 259 Abs. 2; 260 Abs. 2 BGB glaubhaft zu machen.

Eine Vorlage zu dieser Frage an den EuGH lehnt das AG leider ab.

Es handele sich hier nur um einen untergeordneten Nebenanspruch und das Gericht hält es für unzweckmäßig das Verfahren für (aus Erfahrung des Gerichts) zwei Jahre auszusetzen.

Ein weiteres mögliches Argument, welches gegen einen personenbezogenen Nachweis der erfolgten Löschung spricht, würde sich meines Erachtens aus Art. 11 Abs. 1 DSGVO ergeben. Danach ist der Verantwortliche nicht verpflichtet, personenbezogene Daten nur deshalb zu verarbeiten, um die Einhaltung der DSGVO nachweisen zu können.

Bundesarbeitsgericht: Kein Schadenersatz allein wegen verspäteter DSGVO-Auskunft 

In seinem Urteil vom 20.02.2025 (Az. 8 AZR 61/24) hatte sich das BAG mit der Frage zu befassen, ob eine verspätete Auskunft (und damit ein Verstoß gegen Art. 12 Abs. 3, Art. 15 DSGVO) per se zu einem Anspruch auf Schadenersatz führt oder die Verspätung zumindest einen Kontrollverlust indiziert – der dann als immaterieller Schaden nach Art. 82 DSGVO geltend gemacht werden kann. 

In beiden Fällen lehnte das BAG einen Anspruch nach Art. 82 DSGVO ab. 

Sachverhalt

Der Kläger war der Ansicht, die Beklagte habe mit einer nach Art. 12 Abs. 3 DSGVO verspäteten Auskunft gegen die DSGVO verstoßen. Er habe deshalb einen Anspruch auf Schadenersatz. Es bestehe ein immaterieller Schaden in Form eines wochenlangen Kontrollverlusts bzgl. der Datenverarbeitung. Er habe deshalb etwaige Rechte nicht ausüben können. Er habe auch Angst, dass die Beklagte „Schindluder“ mit seinen Daten treibe. Außerdem sei er wegen des durch die Beklagte verursachten Aufwands der Rechtsverfolgung „genervt“.

Entscheidung

Das BAG orientiert sich bei seiner Entscheidung an den relevanten Urteilen und Aussagen des EuGH zum Anspruch nach Art. 82 DSGVO. Hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast ist geklärt, dass die betroffene Person, die auf der Grundlage von Art. 82 Abs. 1 DSGVO den Ersatz eines immateriellen Schadens verlangt, nicht nur den Verstoß gegen Bestimmungen der DSGVO nachweisen muss, sondern auch, dass ihr durch diesen Verstoß ein solcher Schaden entstanden ist. Daran fehlet es hier.

Kontrollverlust wegen der Verspätung?

Der Kläger vertrat die Auffassung, eine verspätete Auskunftserteilung bewirke einen Kontrollverlust, der ohne weitere Voraussetzung einen Schaden darstelle. 

Die Ansicht des BAG: „Dies ist aber unzutreffend.“

Zwar geht das BAG (mit dem EuGH) davon aus, dass die durch einen Verstoß gegen die DSGVO ausgelöste Befürchtung einer betroffenen Person, ihre personenbezogenen Daten könnten von Dritten missbräuchlich verwendet werden, bereits für sich genommen einen immateriellen Schaden nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO darstellen kann (so etwa EuGH, C-687/21). 

Das rein hypothetische Risiko der missbräuchlichen Verwendung durch einen unbefugten Dritten kann jedoch nicht zu einer Entschädigung führen“.

Nach Ansicht des BAG versteht der EuGH unter einem Kontrollverlust 

nur eine Situation, in der die betroffene Person eine begründete Befürchtung des Datenmissbrauchs hegt“.

Wichtig ist hierbei das Erfordernis „begründet“. 

Das bloße Berufen auf eine bestimmte Gefühlslage reiche dabei nicht aus. Das Gericht hat vielmehr zu prüfen, ob das Gefühl unter Berücksichtigung der konkreten Umstände „als begründet angesehen werden kann“.

Und allein eine verspätete Auskunftserteilung genügt dem BAG für diese Begründetheit nicht.

Eine nur verspätete Auskunft begründet demgegenüber für sich genommen keinen Kontrollverlust über Daten iSd. Gefahr einer missbräuchlichen Verwendung, sondern nur einen Zeitverzug hinsichtlich der Auskunft“.

Auch lasse eine ungerechtfertigte Verzögerung ohne weitere Anhaltspunkte gerade nicht auf einen Datenmissbrauch schließen.

Negative Gefühle und genervt sein

Zudem habe das Landesarbeitsgericht auch einen Schaden in Form von negativen Gefühlen allein wegen der verspäteten Erfüllung des Auskunftsanspruchs rechtsfehlerfrei verneint.

Zunächst stellt das BAG auch bezüglich dieser Schadenskategorie dar, dass ein immaterieller Schaden zwar durchaus allein in negativen Gefühlen bestehen kann. Dies betreffe Konstellationen, in denen der bloße Verstoß gegen die DSGVO zu der Befürchtung eines Datenmissbrauchs führt.

Jedoch löse die verspätete Erfüllung des Auskunftsanspruchs geradezu zwangsläufig die Sorge eines Verstoßes gegen sonstige Verpflichtungen aus der DSGVO aus. 

Wäre aber schon das Berufen auf solche abstrakten Befürchtungen ausreichend für die Annahme eines Schadens, würde jeder Verstoß gegen Art. 15 DSGVO – so ein Verstoß dagegen einen Schadenersatzanspruch nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO dem Grunde nach begründen könnte – zu einem immateriellen Schaden führen. 

Die eigenständige Voraussetzung des Schadens würde damit bedeutungslos (BAG 17. Oktober 2024 – 8 AZR 215/23 – Rn. 16). Sie wäre stets erfüllt.“ 

Gerade diese Annahme (Verstoß stets auch ein Schaden) lehnt das BAG mit Verweis auf die Rechtsprechung des EuGH ab. Der EuGH hat bereits entschieden, dass allein ein Verstoß gegen die DSGVO noch nicht der Schaden im Sinne des Art. 82 DSGVO sein kann. Der EuGH unterscheidet strikt zwischen Verstoß und Schaden.

Möglich ist nach Ansicht des BAG durchaus eine Situation, in der ein Verstoß gegen die DSGVO ggf. 

so schwerwiegende Konsequenzen aufweist, dass ein Schaden in Form von Befürchtungen selbstverständlich angenommen werden kann (zB Datenleck bzgl. Bank- oder Gesundheitsdaten)“. 

Aber das Gericht müsse stets im Einzelfall prüfen, ob dies angenommen kann oder ob der Schaden gesondert begründet werden muss.

Zudem geht das BAG davon aus, dass der Verstoß gegen Art. 15 DSGVO für sich genommen keinen immateriellen Schaden begründet, wenn die verzögerte oder zunächst verweigerte Auskunftserteilung der Durchsetzung von Rechten entgegensteht.

Denn dies steht in keinem Zusammenhang mit dem Zweck des Schadenersatzanspruchs. Dieser hat nur eine Ausgleichsfunktion, da eine auf Art. 82 Abs. 1 DSGVO gestützte Entschädigung in Geld ermöglichen soll“.

Zuletzt lehnt das BAG den Schaden auch mit Blick auf behauptete Emotionen wie Ärger oder Frust („genervt sein“) ab. Es handelt sich hierbei nur um pauschal gehaltene Unmutsbekundungen.

Generalanwalt am EuGH: DSGVO-Rechtsgrundlagen sind nicht (!) auf Bestandskundenwerbung per E-Mail anwendbar – Wichtige Aussagen für das E-Mail-Marketing

§ 7 Abs. 3 UWG spielt in der Praxis des Direktmarketings per E-Mail eine wichtige Rolle. Unter den dort genannten Voraussetzungen dürfen Bestandskunden auch ohne vorherige Einwilligung per E-Mail für Marketingzwecke kontaktiert werden. Generalanwalt (GA) Szpunar hat sich in seinen Schlussanträgen vom 27.3.25 (C-654/23) nun mit mehreren wichtigen Fragen zur Anwendbarkeit der europäischen Vorgabe des § 7 Abs. 3 UWG, Art. 13 Abs. 2 RL 2002/58 (sog. ePrivacy Richtlinie), befasst. Im Kern geht es um drei relevante Fragen und Aussagen:

  • Was ist „Direktwerbung“? (A)
  • Liegt auch bei der Bereitstellung von personenbezogenen Daten ein „Verkauf eines Produkts oder einer Dienstleistung“ vor? (B)
  • Sind bei der Verwendung der E-Mail-Adresse zusätzliche die Vorgaben des Art. 6 Abs. 1 DSGVO zu beachten? (C)

In der Darstellung benenne ich jeweils in Klammern immer kurz die Norm des § 7 Abs. 3 UWG, für die die Auslegung relevant ist.

Der EuGH muss in dem Verfahren noch entscheiden. Die Schlussanträge geben aber sicherlich schon eine gewisse Tendenz vor.

Sachverhalt

Das Verfahren aus Rumänien betraf die Betreiberin einer Online-Plattform, auf der Besucher eine festgelegte Höchstanzahl von Artikeln (sechs Artikel zum Zeitpunkt des Sachverhalts) kostenlos und ohne weitere Schritte unternehmen zu müssen aufrufen konnten.

Zudem wurde das Abonnement eines Premium-Dienstes angeboten. Dies setzte voraus, dass der Nutzer ein kostenloses Benutzerkonto auf der Plattform einrichtete. Die Einrichtung eines Kontos erforderte, dass der Nutzer eine E-Mail-Adresse angab und die Vertragsbedingungen für die Erbringung des Premium-Dienstes akzeptierte.

Mit diesem Abonnement des Premium-Dienstes erhielt der Nutzer das Recht auf Zugang zu zwei zusätzlichen Artikeln pro Monat und auf Erhalt eines täglichen E-Mail-Newsletters mit der Bezeichnung „Personal Update“ (es sei denn, der Nutzer hatte die Option gewählt, diesen Dienst nicht in Anspruch zu nehmen) sowie – gegen Gebühr und als Option – das Recht auf Zugang zu allen Artikeln des Mediums.

Der Newsletter „Personal Update“ enthielt im Wesentlichen Einzelheiten zu den neuen Rechtsvorschriften des Vortages mit Hyperlinks zu den entsprechenden im Rahmen des Mediums erschienenen Artikeln.

Nutzer konnten im Rahmen der Kontoerstellung angeben, dass sie den Newsletter nicht erhalten möchten. Es war ein Kästchen zum Ankreuzen vorgesehen, Zudem enthielt jeder Newsletter eine Opt-out Möglichkeit.

A. Was ist „Direktwerbung“?

(Voraussetzung nach § 7 Abs. 3 Nr. 2 UWG)

Zunächst prüft der GA, ob es sich bei dem Newsletter „Personal Update“ um Direktwerbung im Sinne des Art. 13 Abs. 2 ePrivacyRL (§ 7 Abs. 3 UWG) handelt.

Die rumänische Datenschutzbehörde vertrat die Auffassung, dass dies nicht der Fall sei, da der Inhalt rein redaktioneller Natur sei.

Der GA ist anderer Ansicht. Seiner Ansicht nach bietet der Newsletter „Personal Update“ den Nutzern durch die Bereitstellung von Hyperlinks zu Artikeln auf der Internetseite der Veröffentlichung

einen „Teaser“ zu Artikeln an, um die Nutzer zu verlocken, die acht Artikel, die sie monatlich kostenlos lesen können, schneller zu konsumieren.“

Der GA stellt hierbei auch auf den Zweck der Newsletters ab. Die Strategie, die von Herausgebern verfolgt wird, bestehe darin, die Nutzer zu verlocken, letzten Endes ein vollständiges Abonnement zu erwerben. Dies wird durch den Newsletter erreicht.

Indem die Nutzer zum Kauf eines vollständigen Abonnements verlockt werden, wird mit dem Newsletter „Personal Update“ daher das kommerzielle Ziel verfolgt, durch das Modell der weichen Bezahlschranke Einnahmen zu erzielen.“

Der Newsletter ist daher als „Direktwerbung“ anzusehen.

B. Erlangung der fraglichen E-Mail-Adressen „im Zusammenhang mit dem Verkauf eines Produkts oder einer Dienstleistung“

(Voraussetzung nach § 7 Abs. 3 Nr. 1 UWG)

Sodann stellt sich der GA die Frage, ob die E-Mail-Adresse vorliegend entsprechend Art. 13 Abs. 2 ePrivacyRL im Zusammenhang mit dem Verkauf eines Produkts oder einer Dienstleistung erlangt wurde.

Der Begriff „Verkauf“ sei nach einer allgemein anerkannten Definition eine Vereinbarung, die notwendigerweise die Zahlung eines Entgelts für eine Ware oder einen Dienst mit sich bringe.

Aber, und diese Ansicht ist sehr wichtig: im Zusammenhang mit RL 2000/31 hat der EuGH bereits entschieden (15.9.16, C-484/14), dass die Vergütung für einen Dienst nicht notwendigerweise von denjenigen bezahlt wird, denen der Dienst zugutekommt.

Dies ist dann der Fall,

wenn eine unentgeltliche Leistung von einem Anbieter zu Werbezwecken erbracht wird, da die Kosten dieser Tätigkeit dann in den Verkaufspreis der beworbenen Güter oder Dienstleistungen einbezogen werden“.

Und so liege der Fall hier. Wie im erwähnten Urteil, werden die Kosten der Zurverfügungstellung des Dienstes in den Verkaufspreis für die Hauptleistung – im vorliegenden Fall das vollständige Abonnement – einbezogen.

Diese indirekte Form der Vergütung erfüllt die Voraussetzung der Zahlung eines Entgelts im Sinne der Definition des Gerichtshofs für „Verkauf“.“

Der GA belässt es aber nicht bei dieser Interpretation von „Verkauf“, sondern nimmt auch eine weitere Konstellation in den Blick – das Bezahlen mit Daten.

dass im heutigen digitalen Zeitalter Daten selbst als eine Ware behandelt werden“.

Nach Ansicht des GA ist es daher vorstellbar, dass es für eine Datenerhebung „im Zusammenhang mit einem Verkauf“ ausreicht, dass der Nutzer anstelle einer finanziellen Gegenleistung seine persönlichen Daten im Austausch gegen eine für ihn wertvolle Ware oder einen für ihn wertvollen Dienst zur Verfügung stellt.

Bedeutet für uns: die Preisgabe von personenbezogenen Daten (etwa E-Mail-Adresse) zur Anmeldung für einen kostenlosen Dienst, kann als Verkauf im Sinne von § 7 Abs. 3 UWG angesehen werden.

C. Sind bei der Verwendung der E-Mail-Adresse zusätzliche die Vorgaben des Art. 6 Abs. 1 DSGVO zu beachten?

Und zuletzt kommt eigentlich das „schönste“ Thema. Das Verhältnis von Art. 13 Abs. 2 ePrivacyRL (also bei uns § 7 Abs. 3 UWG) zur DSGVO und konkret zu den Rechtsgrundlagen nach Art. 6 Abs. 1 DSGVO. Benötige ich für Bestandskundenwerbung per E-Mail eine Rechtsgrundlage nach Art 6 Abs. 1 DSGVO? Oder auch: was regelt Art. 95 DSGVO?

Art. 95 DSGVO stellt klar, dass die DSGVO natürlichen oder juristischen Personen in Bezug auf die Verarbeitung in Verbindung mit der Bereitstellung öffentlich zugänglicher elektronischer Kommunikationsdienste in öffentlichen Kommunikationsnetzen keine zusätzlichen Pflichten auferlegt, soweit sie besonderen, in der ePrivacyRL festgelegten Pflichten unterliegen, die dasselbe Ziel verfolgen.

Das Verhältnis zwischen der RL 2002/58 und der DSGVO wird daher durch den Grundsatz lex specialis derogat legi generali geregelt: Immer dann, wenn es eine spezifische Bestimmung in der RL 2002/58 gibt, die Verpflichtungen enthält, mit denen dasselbe Ziel verfolgt wird wie mit den entsprechenden Bestimmungen der DSGVO, ist die Bestimmung der RL 2002/58 anzuwenden.“

Diese Ansicht ist nicht unbedingt überraschend. Auch der EDSA geht grundsätzlich von diesem Verhältnis zwischen ePrivacyRL und DSGVO aus (Stellungnahme 5/2019, Rz. 45)

Extrem relevant ist jedoch die Ansicht des GA dazu, wie weit die, wenn man so will, „Spezialität“ der ePrivacyRL reicht. Was sie also erfasst und damit die DSGVO verdrängt.

Der GA geht davon aus, dass Art. 13 Abs. 2 ePrivacyRL,

was die automatische Direktwerbung im Zusammenhang mit dem Verkauf eines Produkts oder einer Dienstleistung anbelangt, die Voraussetzungen und die Zwecke der Verarbeitung sowie die Rechte der betroffenen Person abschließend“ regelt.

Dies folgert der GA unter anderem auch aus Art. 13 Abs. 1 ePrivacyRL, der im Grundsatz eine Einwilligung für Werbung per E-Mail verlangt.

Und was bedeutet die Ansicht des GA? Man könnte etwas überspitzt sagen: „Datenschutzbehörde will not like“.

Daher kann die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung auf der Grundlage von Art. 13 Abs. 2 der RL 2002/58 festgestellt werden. Ein Rückgriff auf die DSGVO, insbesondere auf deren Art. 6 Abs. 1 Buchst. a bis f, ist weder möglich noch erforderlich.“

Im es kurz zu machen: der GA geht davon aus, dass man für die Verwendung einer E-Mail-Adresse für Bestandskundenwerbung nach § 7 Abs. 3 UWG gerade (keine !) Rechtsgrundlage nach der DSGVO benötigt. Natürlich nur, wenn man die gesetzlichen Vorgaben des UWG einhält.

Damit stellt sich der GA auch gegen die Ansicht der deutschen DSK, etwa in der OH-Direktwerbung, und auch deutscher Gerichte. Die DSK geht etwa davon aus:

  • Weil nach Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. f DS-GVO eine Verarbeitung personenbezogener Daten nur zulässig ist, sofern die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person nicht überwiegen, sind auch bei der datenschutzrechtlichen Beurteilung einer Verarbeitung personenbezogener Daten für Zwecke der Direktwerbung die Wertungen in den Schutzvorschriften des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) für die jeweilige Werbeform mit zu berücksichtigen

Folgt man dem GA, gibt es hier gar keine datenschutzrechtliche Beurteilung nach Art. 6 Abs. 1 DSGVO, da dieser nicht anwendbar ist.

Das ist im Ergebnis schon ein ziemlicher Knaller, wenn Sie mich fragen. Zwei Einschränkungen muss ich natürlich machen. Erstens, muss noch der EuGH entscheiden. Zweitens, gilt der Vorrang der ePrivacyRL / des UWG natürlich wirklich nur für Ziele und Pflichten, die sie regelt. Bsp: Datenschutzhinweise nach Art. 12 / 13 DSGVO wird es wohl auch weiterhin geben müssen.

Zuletzt noch eine weiterführende Idee, die aber nicht Teil des Verfahrens war: wenn mir Art. 13 Abs. 2 ePrivacyRL / § 7 Abs. 3 UWG vorgeben, dass ich nur für „für eigene ähnliche Produkte oder Dienstleistungen“ werben darf, muss ich als Unternehmen dann nicht zwingend eine Art Profil des Bestandskunden anlegen bzw. mindestens eine Kaufhistorie vorhalten? Um prüfen zu können, was er gekauft hat. Ist dann auch diese Verarbeitung, quasi implizit, aus dem Anwendungsbereich herausgenommen? Warten wir nun erst einmal, was der EuGH sagt.