IT-Sicherheitsgesetz: Geplante Änderungen und Auswirkungen für Webseitenbetreiber

Am 17.12.2014 hat die Bundesregierung den Entwurf für ein Gesetz zur Erhöhung der Sicherheit informationstechnischer Systeme (IT-Sicherheitsgesetz, PDF) beschlossen. Nach der Pressemitteilung des federführend zuständigen Bundesinnenministeriums, werden in den Entwurf, zur Steigerung der IT-Sicherheit im Internet, die Anforderungen an Diensteanbieter im Telekommunikations- und Telemedienbereich erhöht. Sie sollen künftig Sicherheit nach dem jeweiligen Stand der Technik bieten.

Geplant sind auch Änderungen des Telemediengesetzes (TMG), welches im Grundsatz für alle Webseiten oder andere Internetangebote, aber etwa auch Apps gilt. Die Begründung des Gesetzentwurfes führt einleitend zu den vorgeschlagenen Anpassungen des TMG aus, dass wegen der zunehmenden Verbreitung von Schadsoftware über Telemediendienste, die bestehenden Pflichten für Telemediendiensteanbieter, die ihre Telemedien geschäftsmäßig anbieten, um technische und organisatorische Maßnahmen zum Schutz vor unerlaubten Zugriffen, der personenbezogenen Daten und vor Störungen ergänzt werden.

Nach dem Entwurf des IT-Sicherheitsgesetzes wird in § 13 TMG ein neuer Absatz 7 eingefügt (nachfolgend § 13 Abs. 7 TMG-E), der folgenden Wortlaut hat:

(7) Diensteanbieter haben, soweit dies technisch möglich und wirtschaftlich zumutbar ist, im Rahmen ihrer jeweiligen Verantwortlichkeit für geschäftsmäßig angebotene Telemedien durch technische und organisatorische Vorkehrungen sicherzustellen, dass

1. kein unerlaubter Zugriff auf die für ihre Telemedienangebote genutzten technischen Einrichtungen möglich ist und

2. diese
a) gegen Verletzungen des Schutzes personenbezogener Daten und
b) gegen Störungen, auch soweit sie durch äußere Angriffe bedingt sind,

gesichert sind. Vorkehrungen nach Satz 1 müssen den Stand der Technik berücksichtigen. Eine Maßnahme nach Satz 1 ist insbesondere die Anwendung eines als sicher anerkannten Verschlüsselungsverfahrens.

„Geschäftsmäßig“
Die neuen Verpflichtungen zur Implementierung technischer und organisatorischen Maßnahmen sollen nur für „geschäftsmäßig angebotene Telemedien“ gelten. Nach der Gesetzesbegründung ist ein Angebot dann geschäftsmäßig, „wenn es auf einer nachhaltigen Tätigkeit beruht, es sich also um eine planmäßige und dauerhafte Tätigkeit handelt“. Bei gegen Entgelt angebotenen Telemedien ist diese Voraussetzung regelmäßig erfüllt. Die Begründung führt beispielhaft „werbefinanzierte Webseiten“ an. Ausdrücklich ausgeschlossen von dem Anwendungsbereich des neuen § 13 Abs. 7 TMG-E soll jedoch das „nicht-kommerzielle Angebot von Telemedien durch Private und Idealvereine“ sein. Daher dürfte etwa ein privat betriebener Blog nicht der neuen Pflicht unterliegen, selbst wenn dieser mit gewisser Nachhaltigkeit und auch planmäßig betrieben wird. Denn nach der Gesetzesbegründung reicht es für die Nicht-Anwendbarkeit des neuen Abs. 7 aus, dass das Angebot nicht-kommerziell durch einen Privaten betrieben wird.

Zumutbarkeit von Schutzmaßnahmen
Nach dem geplanten Abs. 7 müssen Diensteanbieter (also etwa Webseitenbetreiber von Onlineshops) kumulativ (!) sicherstellen, dass 1) kein unerlaubter Zugriff auf die für ihre Telemedienangebote genutzten technischen Einrichtungen möglich ist, 2) diese gegen Verletzungen des Schutzes personenbezogener Daten und 3) gegen Störungen, auch soweit sie durch äußere Angriffe bedingt sind, gesichert sind. Die drei Schutzpflichten sind mit dem Wort „und“ verbunden, woraus sich eine notwendige Erfüllung aller drei Voraussetzungen ergibt. Ein Diensteanbieter wird sich also grundsätzlich nicht darauf berufen können, er habe seinen Dienst doch besonders gegen unerlaubte Zugriffe geschützt und dass dies ausreichen müsse.

Da der damit einhergehende tatsächliche Aufwand für Diensteanbieter, je nach den bereits implementierten Schutzmaßnahmen, nicht unerheblich sein dürfte, sieht Abs. 7 jedoch als Tatbestandsvoraussetzung ebenso das Kriterium der „Zumutbarkeit“ für den Diensteanbieter vor. Die entsprechenden Vorkehrungen müssen für den konkreten Diensteanbieter technisch möglich und wirtschaftlich zumutbar sind. Zu hohe Umsetzungskosten stellen daher etwa ein Kriterium dar, welcher der Webseitenbetreiber rechtmäßigerweise anführen darf, um nur diejenigen technischen und organisatorischen Maßnahmen umzusetzen, die er sich auch wirklich leisten kann. Der Betreiber einer Webseite oder eine anderen Internetdienstes ist also nicht dazu verpflichtet, sein Unternehmen mit finanziellen Verlusten zu belasten, die das Angebot selbst unrentabel machen würde oder gar seine Existenz gefährden. Laut der Begründung des Gesetzentwurfes müssen die „Kosten in einem angemessenen Verhältnis zu dem angestrebten Schutzzweck stehen“.

Pflicht zur Anpassung von Kooperationsverträgen?
Im Hinblick auf Webseiten führt die Begründung des Gesetzentwurfes aus, dass es ein wesentliches Ziel des neuen Abs. 7 ist, das unbemerkte Herunterladen von Schadsoftware beim Besuch einer präparierten Webseite zu unterbinden. Webseitenbetreiber sollten daher regelmäßig die für die Erstellung und den Betrieb der Webseite verwendete Software aktualisieren, da hierdurch die Sicherheit erhöht werde.

Häufig finanzieren Webseitenbetreiber ihr Angebot mit Werbeanzeigen. Der Inhalt der Werbebanner ist jedoch meist nicht ein originär eigener. Vielmehr wird dieser über Dritte, etwa die Betreiber von Werbenetzwerken, bezogen. Der Webseitenbetreiber hat also auf den Inhalt der Werbebanner meist keinen direkten, insbesondere technischen Einfluss (außer das Banner komplett zu entfernen). Es besteht jedoch technisch die Möglichkeit, dass über die Werbeanzeigen schädliche Inhalte geladen werden. Auch in dieser Konstellation sieht der Gesetzesentwurf den Webseitenbetreiber jedoch zumindest in einer Teilpflicht. Gegen das Laden und Einspeisen schädlicher Skripte oder von Software über Drittinhalte innerhalb des eigenen Angebotes, sind nach der Begründung des Gesetzesentwurfs „organisatorische Vorkehrungen zu treffen“. Nach Auffassung der Bundesregierung gehört hierzu beispielsweise, dass Werbedienstleister, denen Werbefläche eingeräumt wird, vertraglich zu notwendigen Schutzmaßnahmen verpflichtet werden.

Bußgeldbewährung
Ein fahrlässiger oder vorsätzlicher Verstoß gegen § 13 Abs. 7 S. 1 Nr. 1 und Nr. 2 a) TMG-E (nicht die Nr. 2 b)) soll zudem eine Ordnungswidrigkeit darstellen (§ 16 Abs. 2 Nr. 3 TMG) und nach § 16 Abs. 3 TMG die Möglichkeit eines Bußgeldes in Höhe von 50.000 EUR nach sich ziehen. Beachtlich ist insofern, dass damit nicht nur das komplette Fehlen von technischen und organisatorischen Maßnahmen eine Ordnungswidrigkeit darstellt. Die Begründung des Gesetzesentwurfs spricht ausdrücklich davon, dass „damit auch der Einsatz technischer und organisatorischer Maßnahmen durch den Diensteanbieter, die nicht den Stand der Technik berücksichtigen“ bußgeldbewährt sein soll.

Hamburger Datenschützer: Datenschutzverstöße sollten generell abmahnbar sein

Der Hamburgische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit (HmbBfDI), Prof. Dr. Caspar, hat sich in einer Stellungnahme (PDF) zur Anhörung der Monopolkommission zur Vorbereitung eines Sondergutachtens zum Wettbewerb auf digitalen Märkten, zu Fragen im Schnittfeld zwischen Datenschutz- und Wettbewerbsrecht geäußert. Zum einen geht es hierbei um marktbeherrschende Stellungen von Unternehmen, die diese möglicherweise auch durch Datenschutzverstöße erlangen, festigen oder ausbauen. Zum anderen äußert sich der HmbBfDI kritisch zu dem (immer noch umstrittenen Verhältnis) zwischen Wettbewerbsrecht und dem Datenschutzrecht, vor allem inwiefern Verstöße gegen datenschutzrechtliche Vorgaben durch Wettbewerber nach dem UWG abgemahnt werden können.

Marktmacht und Datenschutz
Laut der Stellungnahme des HmbBfDI tendiert eine Datenmacht dazu, die Marktmacht von Unternehmen zu festigen. Prof. Caspar kritisiert mit Blick auf die großen Anbieter von sozialen Netzwerken und Suchmaschinen, dass für die Nutzer, anders als bei der Wahl eines Telekommunikationsanbieters, ein Anbieterwechsel nur unter Verlust der gesammelten Kontakte und der eigenen Daten möglich sei. Es bestehe zumeist keine Durchlässigkeit hin zu anderen Dienstleistern auf dem Markt. Der Datenschützer begrüßt daher den in der geplanten europäischen Datenschutz-Grundverordnung geplanten Ansatz, ein Recht auf „Datenportabilität“ einzuführen. Die Möglichkeit, die eigenen Daten beim Anbieterwechsel mitzunehmen, könne nach Ansicht von Prof. Caspar wesentlich dazu beitragen, den Wettbewerb auf digitalen Märkten zu stärken. Auch eine Interoperabilität zwischen den verschiedenen Anbietern fordert der Datenschutzbeauftragte.

Intransparente Strukturen
Zudem kritisiert Prof. Caspar, dass Marktmacht und Datenmacht gleichsam durch intransparente Strukturen der von den Unternehmen verfolgten Geschäftsmodelle begünstigt werden. Er bezieht sich in seiner Stellungnahme etwa auf die Betreiber von Suchmaschinen und die „von außen nicht ohne weiteres nachvollziehbare Platzierung in den Trefferlisten“. Im Prinzip wäre es seiner Ansicht nach erforderlich, dass die Suchalgorithmen offengelegt werden. Auch eine andere, kurzfristig zu erreichende Verbesserung schlägt er vor: durch die Vorgabe einer farbigen Unterlegung von konzerneigenen Angeboten bei den Suchtreffern würde eine größere Transparenz für Nutzer hergestellt.

Unter der Überschrift der „intransparenten Strukturen“ bemängelt Prof. Caspar zudem die Schwierigkeit für Nutzer zu erkennen, „ob und zu welchen Zwecken die Verwendung der von ihnen zur Verfügung gestellten persönlichen Daten durch die Internetdienstleister erfolgt“. Beispielhaft geht er bei seiner Stellungnahme auf die Datenschutzbestimmungen von Netflix ein. Diesen attestiert er eine „schwammige Zweckbindungsbestimmung“ und einen erweiternden Zusatz, „der die Datenschutzfunktion weitgehend ad absurdum führt“. Diese von Prof. Caspar bemängelte, fehlende Transparenz werde seiner Einschätzung nach „von marktrelevanten Unternehmen nicht zuletzt zur Festigung und Ausdehnung der eigenen Markt- und Datenmacht genutzt“.

Datenschutzwidrige Praxis und Wettbewerbsrecht
Auch geht der Datenschutzbeauftragte darauf ein, dass (vermeintliche) datenschutzwidrige Praktiken seiner Ansicht nach zu einem Wettbewerbsvorteil führen können. Gerade auf digitalen Märkten wirke sich die Nichtbeachtung von Vorgaben des Datenschutzes auch auf die Wettbewerbspositionen der Marktteilnehmer aus. Das bisherige Nebeneinander zwischen Wettbewerbs-und Datenschutzrecht erschwere es Wettbewerbern jedoch bislang, Datenschutzverstöße über das UWG erfolgreich und rechtssicher geltend zu machen. Die Rechtsprechung und Literaturmeinungen zu dieser Thematik gehen auseinander. Erforderlich für ein Vorgehen nach dem UWG ist der Verstoß gegen eine Marktverhaltensvorschrift im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG. Jedoch existieren beispielsweise divergierende Gerichtsentscheidungen zu der Frage, ob ein Verstoß gegen die Regelung des § 4 Abs. 1 BDSG (der eine Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten nur erlaubt, soweit dies nach dem BDSG oder eine andere Rechtsvorschrift gestattet ist oder der Betroffene eingewilligt hat) auch einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht darstellt.

Prof. Caspar fordert daher in seiner Stellungnahme, dass in Zukunft darüber nachgedacht werden sollte, „den Verstoß gegen Datenschutzregeln mit einem Wettbewerbsverstoß gleichzusetzen“. Hierzu bedürfe es jedoch einer Initiative des Gesetzgebers.

Internationale Datentransfers: Neues Prüfverfahren durch europäische Behörden

Die Übermittlung von personenbezogenen Daten aus der EU bzw. aus dem EWR in einen sog. Drittstaat, stellt Unternehmen regelmäßig vor die Herausforderung, bestimmte datenschutzrechtliche Anforderungen zu erfüllen, um den Datenfluss zu legitimieren. Nach der europäischen Datenschutzrichtlinie (RL 95/46/EG) ist im Grundsatz jede Übermittlung in Drittstaaten verboten, solange nicht ein angemessenes Schutzniveau für die übermittelten Daten geschaffen wird. Dieses angemessene Schutzniveau kann auf mehreren Wegen hergestellt werden. Ein Beispiel für Übermittlungen in die USA ist etwa die Selbstzertifizierung der die Daten empfangenden Stelle unter Safe Harbor. Daneben werden in der Praxis oft die sog. Standardvertragsklauseln der Europäischen Kommission eingesetzt. Hierbei handelt es sich um Musterverträge (eine Übersicht findet sich hier), die zwischen dem „Datenexporteur“ in der EU/dem EWR und dem „Datenimporteur“ (im Drittland) abgeschlossen werden können. Werden die Verträge ohne inhaltliche Änderungen (oder zumindest ohne solche, die zum Nachteil des Schutzniveaus der Daten von den Mustertexten abweichen) abgeschlossen, so wird automatisch ein angemessenes Schutzniveau der Daten angenommen. Eine Genehmigung der Standardverträge durch eine Aufsichtsbehörde ist dann (zumindest in Deutschland und einigen anderen Ländern der EU) nicht erforderlich, da die Behörden an die Entscheidung der EU-Kommission gebunden sind. Manche Behörden verlangen jedoch zumindest, die Verwendung der Verträge ihr gegenüber anzuzeigen. Anders sieht es für Individualverträge aus, welche der Genehmigung der Behörde bedürfen.

Die europäischen Datenschutzbehörden, versammelt in der Artikel 29 Datenschutzgruppe (Art. 29 Gruppe), haben nun in einer neuen Stellungnahme (WP 226, PDF) ein Verfahren im Zusammenhang mit der Prüfung und Genehmigung von Standard- als auch Individualverträgen vorgestellt, welches vor allem für international tätige und in mehreren Mitgliedstaaten ansässige Unternehmen interessant sein dürfte, die personenbezogene Daten in Drittstaaten übermitteln.

Die Art. 29 Gruppe erkennt die praktische Schwierigkeit, dass ein Unternehmen mit mehreren Niederlassungen in der EU möglicherweise (je nach dem nationalen Recht) gezwungen ist, in jedem Mitgliedstaat, von dem aus personenbezogene Daten in ein Drittland übermittelt werden sollen, eine Genehmigung der Behörde für inhaltlich dieselben Verträge einzuholen. Es besteht das Risiko, dass eine Aufsichtsbehörde die ihr vorgelegten Verträge als ausreichend anerkennt, eine andere Behörde jedoch Nachbesserungen fordert. Die Folge ist ein nicht zu unterschätzender Mehraufwand für Unternehmen und im schlimmsten Fall eine Divergenz der Verträge oder sogar ein Absehen von deren Verwendung, unter einem ja eigentlich vollharmonisierten europäischen Datenschutzrecht!

Unternehmen, die Übermittlungen aus mehreren Mitgliedstaaten in einen Drittstaat auf der Grundlage inhaltlicher gleicher Verträge planen, können nun ein neu geschaffenes Kooperations-Verfahren der europäischen Aufsichtsbehörden in Anspruch nehmen, um eine für alle Verträge einheitliche Entscheidung und damit vor allem eine gewisse Rechtssicherheit zu erhalten.

Das Verfahren ist nach der Stellungnahme der Art. 29 Gruppe grob wie folgt aufgebaut:

1. Das Unternehmen sucht sich diejenige Aufsichtsbehörde in einem Mitgliedstaat (in dem es eine Niederlassung besitzt) aus, die seiner Meinung nach als führende Behörde agieren sollte. Folgende Kriterien sollten der Entscheidung zugrunde liegen: der Ort der Niederlassung, an dem die Vertragsklauseln ausgehandelt bzw. entworfen werden; der Ort der Niederlassung, an dem die meisten Entscheidungen in Bezug auf die Zwecke und Mittel der Datenverarbeitung getroffen werden; den Ort der Niederlassung, um das Verfahren am effektivsten durchzuführen und die Vertragsklauseln durchzusetzen; den Ort einer Niederlassung, von dem aus die meisten Datenübermittlungen stattfinden; der Ort der Niederlassung des europäischen Hauptsitzes.

2. Das Unternehmen hat dieser Behörde den Vertragsentwurf (schriftlich als auch per E-Mail) zu übersenden und dabei auf die Art der verwendeten Standardvertragsklauseln hinzuweisen. Zudem muss auf Abweichungen zu den Mustern hingewiesen werden. Zudem sollte angegeben werden, aus welchen Mitgliedstaaten die Übermittlungen erfolgen.

3. Die Aufsichtsbehörden können entscheiden, ob im konkreten Fall ein solches Kooperations-Verfahren überhaupt sinnvoll erscheint oder nicht (etwa wenn Änderungen an den Mustertexten sich nicht auf den Datenschutz beziehen).

4. Die Wahl der führenden Behörde bleibt letztendlich den beteiligten Aufsichtsbehörden vorbehalten. Sie können etwa eine andere als die von dem Unternehmen gewählte Behörde als führend bestimmen. In diesem Fall müssen sie jedoch die Präsidentin der Art. 29 Gruppe informieren, die diese Übertragung durchführt.

5. Nach Eingang der Unterlagen soll das Unternehmen innerhalb von 2 Wochen Nachricht erhalten, ob das Kooperations-Verfahren eingeleitet wird.

6. Nimmt die ausgewählte Behörde die Bestimmung als führende Behörde an, so wird sie alle anderen von der Entscheidung betroffenen Behörden kontaktieren (also jene Behörden in Mitgliedstaaten, in denen sich Niederlassungen befinden, die ebenfalls Daten übermitteln sollen). Zudem werden gleichzeitig Prüfbehörden bestimmt, die neben der führenden Behörde die Verträge inhaltlich kontrollieren. Sind mehr als 9 Mitgliedstaaten betroffen, so werden 2 Prüfbehörden bestimmt. Ansonsten nur eine.

7. Andere betroffene Behörden können innerhalb von 2 Wochen der Einsetzung der Behörden und der Verteilung der Rollen widersprechen. Die Prüfbehörden sollen ihrer Benennung zustimmen.

8. Ähnlich wie bei der EU-weiten Prüfung von verbindlichen Unternehmensregelungen (BCR), soll auch hier ein freiwilliges System der gegenseitigen Anerkennung von behördlichem Handeln zwischen europäischen Aufsichtsbehörden eingerichtet werden.

Hat die führende Behörde ihre Analyse beendet, so wird sie das Ergebnis den Prüfbehörden mitteilen. Die Prüfbehörden haben dann einen Monat Zeit, um eigene Anmerkungen oder Änderungen vorzuschlagen. Diese Monatsfrist soll nur in Ausnahmefällen verlängert werden können. Sollte keine Reaktion der Prüfbehörde erfolgen, so gilt dies als ihre Zustimmung zum Vorschlag der führenden Behörde.

9. Danach wird das Ergebnis an alle anderen betroffenen Behörden weitergeleitet. Solche Behörden, die Teil des Systems der gegenseitigen Anerkennungen von Entscheidungen sind, werden die positive Entscheidung der führenden Behörden nur umsetzen (entsprechend den nationalen Vorgaben also etwa ihre Genehmigung erteilen).

Aufsichtsbehörden, die nicht an dem gegenseitigen Anerkennungsverfahren teilnehmen, haben eine Frist von einem Monat, um der Entscheidung der führenden Behörde zu widersprechen. Eine Fristverlängerung kann nur in Ausnahmefällen gewährt werden. Erfolgt keine Antwort der Behörde, so gilt dies als ihre Zustimmung.

10. Als letzten Schritt wird die führende Behörde das Antwortschreiben an das Unternehmen im Namen der betroffenen Aufsichtsbehörden unterzeichnen und ihr Ergebnis bekannt geben. Ab diesem Moment ist das Kooperations-Verfahren abgeschlossen und das Unternehmen kann die jeweiligen nationalen Behörden kontaktieren, um die erforderlichen Genehmigungen für die Verträge zu erhalten.

Herausgabe von Daten an US-Behörden: Irische Regierung bittet EU-Kommission um Hilfe

Im April 2014 hatte ein US-Gericht entschieden (PDF), dass Microsoft dazu verpflichtet sei, Kundendaten die auf Servern in Irland gespeichert sind, an amerikanische Behörden herauszugeben. Gegen diesen Beschluss wehrte sich Microsoft, wurde jedoch auch durch ein Bundesgericht angewiesen, dem Durchsuchungsbefehl der US-Behörden nachzukommen. Für das Berufungsverfahren wurde der Vollzug ausgesetzt und Microsoft möchte die Daten auch nicht herausgeben. Andere Konzerne wie Apple und Cisco unterstützen die Position von Microsoft.

Zum einen besitzt das Verfahren eine mögliche wirtschaftliche Brisanz. Amerikanische Unternehmen müssten sich stets dem Risiko ausgesetzt sehen, dass Kundendaten, egal wo sie gespeichert sind, dem Zugriff von US-Behörden unterliegen.

Vor allem aber ist der Fall rechtlich interessant. Denn die amerikanischen Behörden haben nicht etwa die offiziellen Kanäle (Rechtshilfeabkommen zwischen der EU und den USA) genutzt, sondern sich direkt an das Unternehmen gewandt. Die ehemalige EU-Kommissarin für Justiz, Viviane Reding, hatte bereits im Juli 2014 die Befürchtung geäußert, „dass die extraterritoriale Anwendung ausländischer Gesetze (und darauf basierende gerichtliche Anweisungen gegen Unternehmen) gegen internationales Recht verstoßen“.

Nun hat der Irische Minister für Europaangelegenheiten und für den Datenschutz offiziell die EU-Kommission um ihre Unterstützung in diesem Gerichtsverfahren gebeten. Nach Aussage des Ministers könnte der Ausgang dieses Verfahrens möglicherweise schwerwiegende Folgen für den Datenschutz in der Europäischen Union besitzen. Durch den Versuch, die Herausgabe von Daten durch direkte Anordnungen gegenüber den Unternehmen zu erlangen, könnten die bestehenden Rechtshilfeabkommen praktisch umgangen werden.

Für international agierende Unternehmen besteht das sowohl schlichte als auch kaum zu lösende Problem, dass sie zwischen mehreren Rechtssystemen gefangen sind und nur zwischen den Rechtsverletzungen und den zu erwartenden Folgen wählen können. Dass sich eine solche Situation in einer digitalen Welt, in der immer mehr Wirtschaftszweige auf den ungehinderten Fluss von Daten angewiesen sind, als absolut unbefriedigend und revisionsbedürftig darstellt, dürfte wohl jedem einleuchten.

Europäischer Gerichtshof zur Haftung eines Zeitungsverlages für Online-Artikel

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit Urteil vom 11. September 2014 (C-291/13, derzeit nicht auf Deutsch verfügbar) entschieden, dass ein Zeitungsverlag, der eine Webseite betreibt, über die eine Online-Version der herausgegebenen Zeitung abrufbar ist, sich unter gewissen Voraussetzungen nicht auf die Haftungsprivilegierungen der Art. 12 bis 14 der Richtlinie 2000/31/EG (sog. eCommerce-Richtlinie) (in Deutschland umgesetzt in den §§ 7 – 10 TMG) berufen kann.

Der Entscheidung lagen mehrere Vorlagefragen eines zypriotischen Gerichts zugrunde. Der dortige Kläger wandte sich mit Schadenersatz- und Unterlassungsklagen gegen einen online abrufbaren Zeitungsartikel, in dem er seiner Ansicht nach diffamiert wurde.

Entgeltlichkeit bei Online-Werbung
In seiner Entscheidung legt der EuGH zunächst dar, dass der Anwendungsbereich der eCommerce-Richtlinie dann eröffnet ist, wenn es sich um Tätigkeiten eines „Dienstes der Informationsgesellschaft“ handelt. Nach Erwägungsgrund 18 umfassen diese Dienste der Informationsgesellschaft einen weiten Bereich von wirtschaftlichen Tätigkeiten, die online vonstattengehen. Art. 2 a) eCommerce-Richtlinie verweist für die Definition des Begriffs zudem auf Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 98/34/EG (PDF). Danach ist ein „Dienst“ eine Dienstleistung der Informationsgesellschaft, d. h. jede in der Regel gegen Entgelt elektronisch im Fernabsatz und auf individuellen Abruf eines Empfängers erbrachte Dienstleistung. Der EuGH stellt in seinem Urteil klar, dass das Entgelt nicht von dem Empfänger des Dienstes selbst stammen muss. Es reichen hierfür auch Einnahmen aus Werbeanzeigen aus, die auf einer Webseite vom Betreiber eingesetzt werden.

Keine Haftungsprivilegierung
Zudem befasste sich der EuGH mit der Frage, inwieweit sich der Zeitungsverlag auf die Haftungsprivilegierungen der Art. 12 bis 14 eCommerce-Richtlinie berufen kann, wenn er eine Webseite betreibt, auf der Zeitungsartikel erscheinen, die von angestellten oder freiberuflichen Journalisten verfasst wurden und der Verlag seine Vergütung auch aus den Einnahmen der Einbindung von Online-Werbeanzeigen auf der Webseite generiert.

Der EuGH verweist zunächst auf seine frühere Rechtsprechung (u.a. C-236/08), wonach sich aus Erwägungsgrund 42 der eCommerce-Richtlinie ergibt, dass die hinsichtlich der Verantwortlichkeit festgelegten Ausnahmen nur Fälle erfassen, in denen die Tätigkeit des Anbieters von Diensten der Informationsgesellschaft „rein technischer, automatischer und passiver Art“ ist. Dies bedeutet, dass der Anbieter „weder Kenntnis noch Kontrolle über die weitergeleitete oder gespeicherte Information besitzt“. Erforderlich für eine Antwort auf die Frage, ob ein Diensteanbieter sich auf die Haftungsprivilegierung des Art. 14 eCommerce-Richtlinie, also die reine Speicherung von fremden Informationen (umgesetzt in § 10 TMG), berufen kann, ist nach dem EuGH die Feststellung, ob die Rolle dieses Anbieters insofern neutral ist, als sein Verhalten rein technischer, automatischer und passiver Art ist und er weder Kenntnis noch Kontrolle über die weitergeleitete oder gespeicherte Information besitzt.

Für den hier vorliegenden Sachverhalt begründet der EuGH die mangelnde Haftungsprivilegierung wie folgt: Da der Zeitungsverlag grundsätzlich Kenntnis von denjenigen Informationen besitzt, die im Rahmen des Online-Angebotes in Form der Artikel bereitgestellt werden und über die Artikel und die in ihnen enthaltenen Informationen auch eine faktische Kontrolle ausübt, kann der Verlag hier nicht als „Vermittler“ im Sinne der eCommerce-Richtlinie angesehen werden. Dies unabhängig davon, ob der Zugang zu der Webseite kostenlos oder kostenpflichtig ausgestaltet ist.

Intelligente Netze und Messsysteme: Kommission veröffentlicht Empfehlungen zum Datenschutz

Intelligente Netze (sog. smart grids) und daran angeschlossene Messsysteme (sog. smart meter) erfahren einen immer größeren Verbreitungsgrad. Über diese intelligenten, da digital ansteuer- und auslesbaren, Systeme können Energieunternehmen etwa Daten über das Heizverhalten oder den Stromverbrauch von Haushalten erheben und analysieren. Der Vorteil liegt auf der Hand: Strom kann aufgrund vorgenommener Analysen zum Beispiel besser verteilt werden. Welches Gebiet benötigt wann wieviel Strom? Wo und wann besteht grundsätzlich der geringste Heizbedarf? Auch eine bedarfsgerechtere Abrechnung des Energieverbrauchs ist möglich.

Da jedoch für diese Zwecke nicht nur die jeweiligen „nackten“ Messwerte abgelesen werden, spielt das Thema Datenschutz auch in diesem Bereich des ‚Internets der Dinge‘ eine wichtige Rolle. Die europäischen Datenschützer, versammelt in der sog. Artikel 29 Datenschutzgruppe, haben daher auch bereits im Jahr 2011 eine Stellungnahme zu Fragen des Datenschutzes und dem Smart Meetering verfasst (WP 183, PDF). Die europäischen Datenschützer empfehlen unter anderem vor dem Einsatz von intelligenten Messsystemen eine Datenschutz-Folgenabschätzung vorzunehmen (WP 183, S. 12).

Um eine solche Datenschutz-Folgenabschätzung, welche die potentiellen Risiken für personenbezogene Daten beim Einsatz intelligenter Zähler bereits in der Planungsphase aufzeigen und entsprechend minimieren soll, europaweit möglichst in einer einheitlichen Form durchzuführen, hat eine Arbeitsgruppe auf europäischer Ebene (Expert Group 2 (EG2)) ein Muster (Data Protection Impact Assessment Template for Smart Grid and Smart Metering systems, PDF) entworfen, welches von Unternehmen genutzt werden soll, die den Aufbau oder Investitionen in intelligente Netze oder Messgeräte planen.

Anfang Oktober 2014 hat nun die Europäische Kommission ihre Empfehlungen zum Einsatz des Musters für die Datenschutz-Folgenabschätzung veröffentlicht (2014/724/EU, PDF). Diese Empfehlungen richten sich an die Mitgliedstaaten und wie diese bei der Verbreitung des Musters mitwirken und Unternehmen unterstützen sollten. Interessant sind zudem die in dem Dokument von der Kommission aufgestellten Definitionen zu verschiedensten Begriffen, die derzeit im Datenschutzrecht diskutiert werden (z. B. der „konzeptionsbedingte Datenschutz“ (data protection by design) oder auch der „standardmäßige Datenschutz“ (data protection by default)).

Die Kommission empfiehlt, dass die Mitgliedstaaten mit der Wirtschaft, Interessenträgern der Zivilgesellschaft und auch den nationalen Datenschutzbehörden zusammenarbeiten sollten, um in einem frühen Stadium der Einführung intelligenter Netze und intelligenter Messsysteme die Verbreitung und Anwendung des Musters für die Datenschutz-Folgenabschätzung zu fördern und zu unterstützen. Etwas konkreter sind zudem Empfehlungen, wonach die Mitgliedstaaten sicherstellen sollten, dass die für die Datenverarbeitung Verantwortlichen nach der Durchführung einer Datenschutz-Folgenabschätzung die geeigneten technischen und organisatorischen Maßnahmen zum Schutz personenbezogener Daten treffen und die Folgenabschätzung sowie die anhaltende Eignung der festgelegten Maßnahmen während des gesamten Lebenszyklus der Anwendung bzw. des Systems überprüfen.

Der Einsatz des Musters zur Folgenabschätzung sowie die Umsetzungsmaßnahmen der Mitgliedstaaten sollen in einer zwei-jährigen Testphase erprobt und danach von der Kommission bewertet werden. Anhand eines nachfolgenden Prüfberichts will die Kommission dann entscheiden, ob das Muster eventuell angepasst werden muss.

Konferenz der deutschen Datenschützer: „Recht, schwer gefunden zu werden“ soll weltweit gelten

Am 8. und 9. Oktober 2014 fand in Hamburg die 88. Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder (DSK) statt. Auf der Tagesordnung standen unter anderem die Kontrolle von Geheimdiensten, das Google-Urteil des EuGH und der Datenschutz im KfZ. Die Entschließungen der DSK sind nun auf der Webseite des Hamburgischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit abrufbar.
Mit Blick auf die Tätigkeit der Nachrichtendienste (Effektive Kontrolle der Nachrichtendienste herstellen!, PDF) stellt die DSK fest, dass deren Befugnisse auch die Überwachung der Telekommunikation einschließe und damit im Bereich der strategischen Auslandsüberwachung des BND ein Kontrolldefizit einhergeht. Da für die Betroffenen die durch Nachrichtendienste vorgenommene Datenverarbeitung in weitem Maße intransparent erfolgt, ist nach Ansicht der DSK auch der Individualrechtsschutz faktisch eingeschränkt. Die DSK bemängelt, dass bestimmte Bereiche nachrichtendienstlicher Tätigkeiten per se Eigeninitiativkontrolle durch die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder entzogen seien. Es fehle an einem eigenen Kontrollmandat der Datenschutzbeauftragten für Beschränkungen des Fernmeldegeheimnisses. Die DSK hält daher eine Einbindung der Datenschutzbeauftragten neben den parlamentarischen Kontrollinstanzen (G10-Kommission) für erforderlich.

Auch das „Google-Urteil“ des EuGH (Rs. C-131/12) war ein Thema der DSK (Zum Recht auf Sperrung von Suchergebnissen bei Anbietern von Suchmaschinen, PDF). Mit Blick auf die immer noch umstrittene Frage, ob nach einer erfolgreichen Beschwerde eines Betroffenen die Ergebnislisten auch bei einer Suche über „Google.com“ entsprecht angepasst (also bestimmte Ergebnisse unterdrückt) werden müssen, fordert die DSK, dass Anbieter von Suchmaschinen die Suchergebnisse bei einem begründeten Widerspruch weltweit unterbinden. Hinsichtlich der auch vom Bundesinnenministerium angestellten Überlegungen, unabhängige Schlichtungsstellen zu etablieren, die bei Beschwerden über zurückgewiesene Anträge von Betroffenen entscheiden sollen, scheint die DSK Zurückhaltung zu üben. Nach der Entschließung dürften alternative Streitbeilegungs-oder Streitschlichtungsverfahren das verfassungsmäßige Recht der Betroffenen auf eine unabhängige Kontrolle durch die dafür vorgesehenen staatlichen Institutionen (also Gerichte und/oder die Datenschutzbehörden) nicht beschneiden. Zuletzt streiten die Datenschützer eine Befugnis von Suchmaschinenbetreibern ab, dass diese bei einem positiven Antrag eines Betroffenen den jeweiligen Inhalteanbieter (also den Webseitenbetreiber) über die Sperrung von Suchergebnissen informieren dürften. Dies soll selbst dann gelt, wenn die Benachrichtigung nicht ausdrücklich den Namen des Betroffenen enthält. Meiner Ansicht nach ist dann aber, zumindest aus datenschutzrechtlicher Sicht fraglich, warum eine solche Information nicht erteilt werden dürfte? Denn personenbezogene Daten (wie der Name) werden ja dann nicht verarbeitet. Ironischerweise dürfte diese Sichtweise mit der geplanten Datenschutz-Grundverordnung ohnehin bald obsolet sein. Denn nach dem Entwurf der Kommission (Kom (2012) 11,  PDF) soll in Art. 17 Abs. 2 gerade eine solche Benachrichtigung verpflichtend eingeführt werden. Auf diese Pflicht weißt auch die italienische Ratspräsidentschaft in dem neuesten Dokument aus den Ratsverhandlungen zur Thematik des „Rechts auf Vergessenwerden“ hin (PDF).

Weitere Entschließungen der DSK:
Marktmacht und informationelle Selbstbestimmung (PDF)

Unabhängige und effektive Datenschutzaufsicht ist für Grundrechtschutz unabdingbar (PDF)

Datenschutz im Kraftfahrzeug (PDF)

Datenschützer entwickeln ein Hausaufgabenheft für Google

Seit 2012 haben europäische Datenschutzbehörden in einer koordinierten Aktion, unter Führung der französischen Datenschutzbehörde, die Datenschutzerklärung von Google und deren Vereinbarkeit mit europäischem Datenschutzrecht überprüft (hierzu meine Blogbeiträge: Europa gegen Google? – Die “Task-Force” macht ernst und Französische Datenschutzbehörde eröffnet Verfahren gegen Google). Nachdem in den letzten Jahren jeweils nationale Verfahren aus diesem koordinierten Vorgehen erwachsen sind (etwa in Spanien oder in Frankreich), hat das Gremium der europäischen Datenschutzbehörden (die Art. 29 Gruppe) nun einen Maßnahmenkatalog (PDF) (man könnte auch von einem datenschutzrechtlichen Hausaufgabenheft sprechen) entwickelt, der Maßnahmen vorschlägt, wie aus der Datenschutzbehörden die Datenschutzerklärung von Google anzupassen ist, um eine Konformität mit europäischem Datenschutzrecht herzustellen. Begleitet wird dieser Katalog von einem Brief (PDF) an Larry Page.

Die Vorschläge der Datenschützer sind dabei als mögliche Lösungsvarianten anzusehen und sollen Google dabei helfen, die Vorgaben der Aufsichtsbehörden umzusetzen. Nachfolgend einige Highlights des immerhin 6-seitigen Dokuments.

  • Die Datenschutzerklärung soll stets sichtbar und direkt aufrufbar sein, ohne dass Nutzer etwa zum Ende einer Webseite scrollen müssten.
  • Es sollen abschließend alle Datenarten aufgelistet werden, die von Google im Rahmen seiner Dienste verarbeitet werden.
  • Auch sollen abschließend alle Zwecke angegeben werden, die der Datenverarbeitung zugrunde liegen.
  • Allein auf einer Seite soll Google den Nutzern die Möglichkeit bieten, sich ein umfassendes Bild über die Datenverarbeitung zu verschaffen.
  • Sollten sich die Zweck der Datenverarbeitung ändern oder neue hinzukommen, so soll Google dies nicht in den Nutzungsbedingungen darstellen, sondern vielmehr in der Datenschutzerklärung darüber informieren.
  • Werden Daten an Dritte weitergegeben, so dürfe Google nicht einfach von „Partnern“ sprechen, sondern müsse diese Partner konkret benennen.
  • Passive Webseitenbesuchern sollen besser informiert werden. Zudem müsste ihnen die Möglichkeit einer Einwilligung in die Verarbeitung ihrer Daten gegeben werden. Die Art. 29 Gruppe weißt hier auf Google Analytics hin. So könnte der Dienst etwa derart eingestellt werden, dass eine Analyse des Nutzerverhaltens erst beginnt, wenn der Betroffene seine Einwilligung erteilt hat. Auch wird hier auf die in der Praxis etablierte Verfahrensweise des Einsatzes von Google Analytics in Deutschland hingewiesen (Kürzung der IP-Adresse; Abschluss eines Vertrages zur Auftragsdatenverarbeitung; Möglichkeit des Opt-out). Diese Lösung könnte, so die Idee der Datenschützer, auf andere Länder übertragen werden.
  • Google sollte zudem die Formulierungen seiner Datenschutzerklärung ändern und keine Begriffe wie „wir können“ verwenden.
  • Nach Ansicht der Art. 29 Gruppe könnte Google seine Datenschutzerklärung mehrschichtig aufbauen. Auf der ersten Ebene allgemeine Informationen mit Verweisen zu speziellen und umfangreicheren Erläuterungen der einzelnen Dienste. Auf der zweiten Ebene dann spezielle Informationen zum Datenumgang bei den einzelnen Diensten.
  • Zudem soll Google Richtlinien zur Datenspeicherung und der Speicherdauer entwickeln. Diese sollten den Datenschutzbehörden vorgelegt werden.

Die Vorgaben bzw. Empfehlungen der Art. 29 Gruppe sind durchaus eine interessante Zusammenstellung an Interpretationen des europäischen Datenschutzrechts und wie sich ein Diensteanbieter wie Google insoweit konform verhalten kann. Dennoch scheinen einige der Vorgaben praktisch kaum umsetzbar bzw. mit dem geltenden Datenschutzrecht nicht begründbar zu sein. Ein Beispiel: die umfassende Aufklärung der Datenverarbeitung allein auf einer Seite. Was ist überhaupt eine „Seite“? DinA4? Gerade Unternehmen wie Google verarbeiten eine große Menge an Daten. Die Verarbeitungsvorgänge sind teilweise nicht in einem Satz darzustellen. Möchte der Anbieter also zumindest ansatzweise umfassend und dazu noch verständlich aufklären, dann benötigt er eben auch einmal mehr als eine „Seite“ an Informationen. Dieses Dilemma ist aber nicht unbedingt neu. Unternehmen möchten umfassend aufklären: dann wird ihnen vorgeworfen, die Datenschutzerklärung sei zu lang und kompliziert. Diensteanbieter straffen die Informationen und reduzieren sie auf die Kernthemen: dann wird ihnen vorgeworfen, dass sie nicht ausreichend aufklären und Nutzer in die Irre führen. Es zeigt sich, dass der Anspruch des Rechts und die Umsetzung in der Praxis doch häufig kaum (oder nur mit massiven Verrenkungen) vereinbar sind.

Google-Urteil: Europäische Datenschützer entwickeln Netzwerk für Beschwerden

Die europäischen Datenschutzbehörden, versammelt in der sog. Artikel 29 Gruppe, haben gestern bekannt gegeben (Pressemitteilung, PDF), dass als Reaktion auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Sachen Google aus dem Mai diesen Jahres (C-131/12) , Maßnahmen ergriffen werden sollen, um Beschwerden koordiniert bearbeiten zu können.

Nachdem sich die Vertreter der europäischen Datenschutzbehörden im Juli mit den Anbietern der großen Internetsuchmaschinen in Brüssel trafen (Pressemitteilung, PDF), um über die Folgen und die Umsetzung des Google-Urteils in der Praxis zu beraten, entwickeln die Aufsichtsbehörden nun ein gemeinsames Verfahren, mit dem Beschwerden von Betroffenen bearbeitet werden sollen, deren Antrag auf Entfernung von Suchergebnissen abgelehnt wurde.

Nähere Details des europaweit geplanten Systems der Behörden sind noch nicht bekannt. Laut der Pressemitteilung werden wohl in jedem Land besondere Kontaktpersonen in den Behörden benannt, die den Informationsaustausch und Kontakt mit den Kollegen in ausländischen Datenschutzbehörden sicherstellen sollen. Der Artikel 29 Gruppe geht es vor allem darum, eine einheitliche Herangehensweise zu entwickeln, so dass gleich gelagerte Fälle auch gleich entschieden werden können. Die von den Aufsichtsbehörden anzulegenden Prüfkriterien sollen auf diese Weise vereinheitlicht werden. Innerhalb dieses Netzwerkes soll ein gemeinsames Archiv von Entscheidungen der Behörden in anderen Beschwerdeverfahren vorgehalten werden.

Das, wohl virtuell aufgesetzte System (im Prinzip dürfte es sich um eine gemeinsame Datenbank handeln), soll zudem Bedienelemente und Funktionen enthalten, damit bei einer Beschwerde europaweit nach vergleichbaren Verfahren gesucht werden kann oder neue bzw. besonders schwierige Sachverhalte identifiziert werden können.

Die Artikel 29 Gruppe versucht begrüßenswerter Weise, die Beschwerdeverfahren europaweit soweit als möglich zu vereinheitlichen. Abweichende Entscheidungen zu ähnlich gelagerten Fällen in verschiedenen europäischen Ländern würden bei Betroffenen wohl für Verwirrung sorgen. Auf der anderen Seite muss man auch anerkennen, dass es sich bei den Beschwerden im Rahmen des „Rechts auf Vergessenwerden“ häufig um schwierige und komplexe Abwägungsfragen handeln wird. Eine schablonenhafte Herangehensweise scheint mir insoweit nicht unbedingt durchweg als der richtige Weg. Die vorzunehmende Güterabwägung (Datenschutz einerseits, Meinungsfreiheit und Recht auf Informationszugang anderseits) sollte keinem vorher feststehenden Ergebnis zum Opfer fallen. Die Verständigung auf besonders zu beachtende Kriterien im Rahmen der Abwägung ist sicher nicht verkehrt. Doch sollte mit derartigen Methoden äußerst sorgsam umgegangen werden, wenn man das Grundprinzip einer auf den Einzelfall beschränkten Güterabwägung von kollidierenden Grundrechten nicht langsam abbauen möchte.

Eine kleine Randnotiz: die Artikel 29 Gruppe spricht nicht mehr von dem „Recht auf Vergessenwerden“ (right to be forgotten), sondern von einem Recht „entlistet zu werden“ (right to be de-listed).

IT-Sicherheitsgesetz: Telemedienanbieter dürfen anlasslos speichern

Heute wurde der Referentenentwurf des Bundesinnenministeriums für ein IT-Sicherheitsgesetz (IT-SG) veröffentlicht (PDF). Viele der dort beschriebenen Änderungen beziehen sich auf das Gesetz über das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik. Jedoch sollen auch Änderungen am Telemediengesetz (TMG) vorgenommen werden. Eine dieser Änderungen betrifft die anlasslose Erhebung und Speicherung von Nutzungsdaten. Hierzu soll ein neuer § 15 Abs. 9 TMG-E (S. 18) eingefügt werden.

Hier der Wortlaut:

(9) Soweit erforderlich, darf der Diensteanbieter Nutzungsdaten zum Erkennen, Eingrenzen oder Beseitigen von Störungen seiner für Zwecke seines Telemedienangebotes genutzten technischen Einrichtungen erheben und verwenden. Absatz 8 Satz 2 gilt entsprechend.

Dieser Vorschlag ist nicht neu. Bereits im Jahre 2009 sah der Gesetzentwurf für ein Gesetz zur Stärkung der Sicherheit in der Informationstechnik des Bundes (BT Drs. 16/11967, PDF) die Ergänzung des TMG um eine identische Regelung vor. Damals wurde die Gesetzesänderung jedoch am Ende nicht vorgenommen. Der Grund: die Eilbedürftigkeit der übrigen Regelungen des Gesetzesentwurfs (so die Beschlussempfehlung und der Bericht des Innenausschusses, BT Drs. 16/13259, PDF).

Nun soll die bereits 2009 anvisierte Änderung doch kommen. Und das ist grundsätzlich auch zu begrüßen. Sinn und Zweck der neuen Vorschrift ist es laut der Begründung zum IT-SG, dass Diensteanbieter die Möglichkeit haben müssen, eine Infektion der von ihnen angebotenen Telemedien mit Schadprogrammen zu erkennen, um entsprechende Schutzmaßnahmen ergreifen zu können (S. 51). Telemediendiensteanbieter sollen in die Lage versetzt werden, rechtmäßig für den Zweck Daten erheben und verwenden zu können, um Angriffe (Denial of Service, Schadprogramme, Veränderung ihrer Werbeangebote von außerhalb) abwehren zu können.

Inhaltlich bezieht sich die geplante Regelung auf Nutzungsdaten (definiert in § 15 Abs. 1 TMG). Hierzu gehören insbesondere Merkmale zur Identifikation des Nutzers, Angaben über Beginn und Ende sowie des Umfangs der jeweiligen Nutzung und Angaben über die vom Nutzer in Anspruch genommenen Telemedien. Umfasst hiervon ist z. B. auch die IP-Adresse (sei es nun eine solche, die dynamisch oder statisch vergeben wird).

Erlaubt soll die Erhebung und Verwendung der Nutzungsdaten zum Erkennen, Eingrenzen oder Beseitigen von Störungen der genutzten technischen Einrichtungen sein. Die Begründung des Referentenentwurfs gibt auch vor, was aus gesetzgeberischer Sicht auf jeden Fall erforderlich ist: die Erhebung und kurzfristige Speicherung und Auswertung der Nutzungsdaten.

Die Erlaubnis des neuen § 15 Abs. 9 TMG-E bezieht sich unter anderem auf das „Erkennen“ von Störungen. Die Erhebung und Verwendung der Daten ist daher nicht erst erlaubt, wenn ein Angriff stattgefunden hat und seine Auswirkungen eintreten. Bereits zum Erkennen von Störungen, also proaktiv, soll die Speicherung der Nutzungsdaten erlaubt sein. Die Gesetzesbegründung des IT-SG trennt ausdrücklich zwischen dem „Erkennen“ und einer nachfolgenden „Abwehr“ von Angriffen. Für die Erlaubnis, bereits proaktiv Nutzungsdaten speichern zu können, spricht auch der Verweis in der Gesetzesbegründung auf § 100 Abs. 1 TKG. Zu dieser Vorschrift hat der BGH erst kürzlich entschieden, dass gegen eine proaktive Speicherung von (dort: dynamischen) IP-Adressen durch Telekommunikationsanbieter für eine Woche keine Bedenken bestehen (vgl. die Meldung bei Heise). Auch im TKG spricht das Gesetz, wie nun in der vorgeschlagenen Anpassung des TMG, vom „Erkennen“ von Störungen oder Fehlern.

Die Frage, welche sich freilich zwangsläufig stellen wird, ist diejenige nach der erlaubten Dauer der Speicherung. Die Gesetzesbegründung spricht von „kurzfristig“, ohne konkretere Vorgaben zu machen. Durch den vorgenommenen Verweis auf § 100 Abs. 1 TKG wird eine einwöchige Speicherung vor dem Hintergrund der aktuellen Rechtsprechung sicherlich erlaubt sein. Der Begriff „kurzfristig“ ist aber meines Erachtens nicht auf diese eine Woche beschränkt. Auch eine längere Speicherung erscheint durchaus möglich. Gerade wenn man sich vor Augen führt, dass die Speicherung grundsätzlich unter der Bedingung der Erforderlichkeit steht. Was jedoch erforderlich ist, um einen Angriff zu erkennen oder abzuwehren, wird sich kaum pauschal für alle Situationen festlegen lassen. Es erscheint daher durchaus möglich, dass die „kurzfristige“ Speicherung auch mehr als eine Woche umfasst.

Die vorgeschlagene Regelung ist nach meinem Dafürhalten richtig und wichtig. Kritiker werden sicher bemängeln, dass auf diesem Wege zumindest eine kleine Vorratsdatenspeicherung im TMG Einzug erhält. Auch hier lässt sich jedoch auf die Argumentation des Bundesgerichtshofs im oben benannten Urteil verweisen. Die Zwecke, warum Daten gespeichert und für welche Zwecke sie genutzt werden dürfen, sind in dem Gesetz aber klar umrissen. Es geht nicht um eine Speicherung für eine spätere Verwendung durch Sicherheitsbehörden. Natürlich lässt sich nicht ausschließen, dass dennoch ein Zugriff in Einzelfällen stattfinden könnte. Die Möglichkeit des Zugriffs wird aber nicht durch das IT-SG geschaffen, sondern durch die gesetzlichen Grundlagen für die Arbeit der Sicherheitsbehörden. Wenn man diese Befugnisse ablehnt, muss man dort ansetzen. Die im IT-SG vorgeschlagene Regelung hat den berechtigten Schutz der Telemediendienste (bzw. den von ihnen genutzten technischen Einrichtungen) und damit auch den Schutz der Nutzer und ihrer Daten im Sinn.