Deutsch – Französischer Ministerrat: Verabschiedung der Datenschutzreform bis 2015

In der offiziellen gemeinsamen Erklärung (PDF) zum Deutsch – Französischen Ministerrat vom 19. Februar 2014, verpflichteten sich die Regierungen der beiden Länder zu verschiedenen Maßnahmen und Initiativen, die sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene im Bereich der Regulierung Internets, der digitalen Wirtschaft und des Datenschutzes vorangetrieben werden sollen.

Digitale Wirtschaft
Die Regierungen beider Länder wollen in der Zukunft

Innovationen fördern, damit Erzeugnisse und Dienstleistungen entwickelt werden, die in Europa zur Wertschöpfung beitragen.

Zudem möchten beide Regierungen prüfen, welche Instrumente benötigt werden, um die Finanzierung und das Wachstum von Start-up-Unternehmen in Europa zu fördern.

Schutz personenbezogener Daten
Weiterhin halten es die Minister von Deutschland und Frankreich für unerlässlich, dass ein

Rahmen geschaffen wird, der den…Schutz der personenbezogenen Daten gewährleistet.

Hierzu haben die Regierungen die Absicht, auf europäischer Ebene zu einer Verständigung über den Rahmen für personenbezogene Daten beizutragen. Damit dürfte die derzeit verhandelte Datenschutz-Grundverordnung gemeint sein. Ziel der Regierungen ist es, dass

eine Verabschiedung dieser Rechtsvorschriften bis spätestens 2015 sichergestellt wird.

Zudem haben sich die Minister verpflichtet, den Schutz der europäischen Bürger in Bezug auf Datentransfers mit Drittstaaten zu verbessern. Hier erwähnt die Erklärung explizit auch die derzeit umstrittene Safe Harbor Entscheidung, welche vielen Unternehmen als Grundlage der Datenübertragung nach Amerika dient.

Technologie und Innovation
Zudem soll eine deutsch-französische Arbeitsgruppe die Möglichkeiten des Erlasses von Vorschriften im Bereich neuer Technologien prüfen. Auch sieht die Erklärung die Absicht vor, die Entwicklung von Schlüsseltechnologien im Bereich der Datenspeicherung und Datenverarbeitung (v. a. Cloud Computing und Big Data) mit Hilfe von Technologiepartnerschaften zu begleiten.

Des weiteren sollen gemeinsame Vorschläge für eine europäische Regulierung der wichtigsten Internet-Plattformen vorgelegt werden,

durch die Internetdiensten und Internetnutzern offener Zugang gewährt und Interoperabilität, Transparenz und Nichtdiskriminierung sichergestellt werden sollen.

Hierbei soll es darum gehen, zum einen sowohl die Innovationsfähigkeit von europäischen Unternehmen in vollem Umfang zu erhalten, indem übermäßige Restriktionen abgeschafft bzw. nicht erzeugt werden, die ihnen im Markt vor allem von den großen Internet-Unternehmen auferlegt werden. Bereits im Frühjahr sollen hierzu konkrete Vorschläge vorliegen.

Kammergericht: Für Facebook gilt deutsches Datenschutzrecht – und nun?

Mit Urteil vom 24.01.2014 (Az. 5 U 42/12 (hier als PDF)) hat das Kammergericht (KG) die Berufung von Facebook im Streit mit dem VZBV um die Zulässigkeit des Freunde-Finders zurückgewiesen (hier die Pressemitteilung). Das Urteil ist nun im Volltext verfügbar und der Inhalt dürfte durchaus für Diskussionen sorgen. Denn das KG bestätigt die Auffassung des Landgerichts Berlin (Az. 16 O 551/10), wonach im europäischen Datenschutzrecht eine Rechtswahl zwischen den Parteien möglich ist. Selbst ohne eine solche Rechtswahl fände vorliegend jedoch deutsches Datenschutzrecht Anwendung, da nicht Facebook Irland, sondern vielmehr die Muttergesellschaft in Amerika allein die verantwortliche Stelle der Datenverarbeitung sei. Da diese nicht in Europa sitze, jedoch auf die Daten von Nutzern in Deutschland zurückgreife, gelte deutsches Datenschutzrecht.

Die Frage des anwendbaren Datenschutzrechts ist freilich nur die (wenn auch notwendig) zu prüfende Vorstufe, um zu einer Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Freunde-Finders an sich zu gelangen. Ich möchte mich nachfolgend jedoch auf diese Vorfrage beschränken, denn ihre Beantwortung ist besonders vor dem Hintergrund interessant, dass sowohl das VG (Az.: 8 B 60/12; 8 B 61/12) als auch das OVG Schleswig (Az.: 4 MB 10/13) die Anwendbarkeit deutschen Datenschutzrechts abgelehnt haben. Wir haben also in Deutschland nun zwei Obergerichte, die hier unterschiedlicher Auffassung sind. Man sollte meines Erachtens zudem beachten, dass es bei dieser Frage nicht um „Facebook“-Bashing gehen darf, sondern diese Thematik vielmehr für jeglichen internationalen Anbieter von Dienstleistungen im Internet von Interesse ist.

Anwendbares Recht nach der EU-Datenschutz-Richtlinie
Das Kammergericht geht in seiner Entscheidung zunächst auf die im BDSG zum anwendbaren Recht festgeschriebenen Grundsätze (§ 1 Abs. 5 BDSG und deren europarechtliche Grundlage in Art. 4 RL 1995/46/EG, (DS-RL)) ein. Die Vorgaben aus der DS-RL sind als eine angestrebte Vollharmonisierung des Datenschutzrechts zu verstehen, zumindest soweit die entsprechende Vorschrift inhaltlich unbedingt und hinreichend genau ist.
Diese Voraussetzungen sind für Art. 4 DS-RL erfüllt. Richtigerweise stellt das KG fest, das die Vorschriften zum anwendbaren Recht „zum Kernbereich dieser Richtlinie“ gehören. Das KG erläutert dann zunächst die beiden möglichen Varianten, die als Anknüpfungspunkt des anzuwendenden Datenschutzrechts in Frage kommen. Einmal in Art. 4 Abs. 1 lit. a DS-RL der Sitz der verantwortlichen Stelle, wenn diese sich innerhalb der EU befindet oder nach Art. 4 Abs. 1 lit. c DS-RL der Anknüpfungspunkt des „Zurückgreifens“ auf in einem Mitgliedstaat belegene Mittel, wenn die verantwortliche Stelle der Datenverarbeitung nicht in der EU oder dem EWR sitzt.

Verantwortliche Stelle außerhalb der EU
Das KG beginnt seine Prüfung mit der Variante des Art. 4 Abs. 1 Lit. c DS-RL. Und hier wird das Urteil nun interessant und weicht von den oben angeführten Entscheidungen der Gerichte in Schleswig-Holstein ab. Denn das KG geht davon aus, dass nicht die Europazentrale von Facebook in Irland für die Datenverarbeitung deutscher Nutzer verantwortlich ist, sondern allein die Muttergesellschaft in den USA.

Ebenso werden die u?ber den Internetauftritt der Beklagten erhobenen und weitergehend verwendeten Daten in tatsächlicher Hinsicht von dieser Muttergesellschaft verarbeitet.

Diese Feststellung des Gerichts ist erforderlich, um in den Anwendungsbereich von Art. 4 Abs. 1 lit. c DS-RL zu gelangen. Denn wenn die irische Niederlassung verantwortlich wäre, so würde Art. 4 Abs. 1 lit. a DS-RL eingreifen und irisches Datenschutzrecht zur Anwendung kommen (in diesem Sinne hatten die Gerichte in Schleswig-Holstein entschieden). Übereinstimmend mit der Ansicht der Art. 29 Datenschutzgruppe (Stellungnahme WP 179) geht das KG dann davon aus, dass auf „automatisierte oder nicht automatisierte Mittel“ zurückgegriffen wird, wenn Cookies auf einem PC platziert und hierdurch personenbezogene Daten erhoben werden. Das KG nimmt diese Konstellation für Facebook USA an. Facebook USA setze Cookies auf Rechnern von deutschen Nutzern und greife daher auf „Mittel“ in Deutschland zurück. Daher gelte deutsches Datenschutzrecht. Zudem sieht das KG (sozusagen alternativ) den Auftragsdatenverarbeiter des Konzerns, der einer Niederlassung in Deutschland besitzt, als ein „Mittel“ an, auf das Facebook USA zurückgreift. Auch deshalb gelte deutsches Datenschutzrecht.

Diese Ansicht halte ich im Ergebnis für vertretbar. Manche europäische Datenschutzbehörden sehen sogar die eigenen Niederlassungen von außereuropäischen Unternehmen als solche „Mittel“ an. Was jedoch leider in dem Urteil etwas zu kurz kommt ist die, meines Erachtens gerade im Datenschutzrecht erforderliche, Differenzierung der verschiedenen Datenverarbeitungsvorgänge. Natürlich ist es möglich, dass Facebook USA Cookies einsetzt und hierüber Daten verarbeitet. Doch darf man damit nicht die kompletten Datenverarbeitungsvorgänge eines Weltkonzerns über einen Kamm scheren. Es scheint doch durchaus möglich, dass etwa für einen Verarbeitungsprozess die Muttergesellschaft, für einen anderen jedoch eine europäische Niederlassung verantwortlich ist. Wer für welchen Verarbeitungsvorgang verantwortlich ist, muss freilich auf einer tatsächlichen Ebene ermittelt bzw. vorgetragen werden.

Verantwortliche Stelle innerhalb der EU
In einem nächsten Schritt prüft das KG, ob nicht eventuell die Niederlassung in Irland doch als verantwortliche Stelle anzusehen sei und daher irisches Recht Anwendung finden würde (Art. 4 Abs. 1 lit. a DS-RL; falls dem so seien sollte, dann wäre die Vorschrift es Art. 4 Abs. 1 lit. c DS-RL quasi „gesperrt“. Daher hätte man sicherlich auch zunächst die Voraussetzungen von Art. 4 Abs. 1 lit. a DS-RL prüfen können). Und mit Blick auf die irische Niederlassung stellt das KG fest:

„Es fehlt aber ein hinreichender Vortrag dazu, dass sie die hier maßgebliche Erhebung und weitere Verarbeitung der Daten vornimmt.“

Das KG legt, wie eigentlich in dem gesamten Urteilsabschnitt zum anwendbaren Recht, richtigerweise die Bestimmung des § 1 Abs. 5 S. 1 BDSG richtlinienkonform aus. Nach dieser Vorschrift gilt grundsätzlich das Datenschutzrecht desjenigen Mitgliedstaates, in dem die verantwortliche Stelle belegen ist. Für das KG muss jedoch hinzukommen, dass die Datenverarbeitungsvorgänge auch „effektiv und tatsächlich“ dort ausgeführt werden. Diese Voraussetzung sieht es hier nicht als erfüllt an.

Auch diese Ansicht ist meines Erachtens grundsätzlich richtig. Die Art. 29 Datenschutzgruppe spricht in ihren Stellungnahmen in diesem Zusammenhang gerne von der „relevanten Niederlassung“. Es kommt im Rahmen der Prüfung des Art. 4 Abs. 1 lit. a DS-RL entscheidend darauf an, inwieweit eine europäische Niederlassung als verantwortliche Stelle angesehen werden kann. Für diese Prüfung ist von entscheidender Bedeutung, welche tatsächlichen Einflussmöglichkeiten sie auf den jeweiligen Verarbeitungsprozess besitzt.
Das Vorbringen von Facebook in dem Prozess konnte das KG nicht überzeugen.

„Die Beklagte trägt nur vor, sie sei alleinige Vertragspartnerin aller Facebook Nutzer außerhalb Nordamerikas. … Eine eigene effektive und tatsächliche Datenverarbeitung (mittels eigener Datenverarbeitungsanlagen und eigenem Personal) wird damit nicht dargetan. … Letztlich bezieht sie sich insoweit auch nur auf die tatsächliche Datenverarbeitung durch ihre Muttergesellschaft. Weitergehendes hat die Beklagte auch nach Erörterung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht geltend gemacht.“

Es kommt also entscheidend auf die dargelegten, tatsächlichen Gegebenheiten an. Anders als in den Prozessen in Schleswig-Holstein konnte Facebook das KG jedoch nicht davon überzeugen, für die relevanten Vorgänge allein verantwortlich zu sein.

Im Ergebnis ist die Entscheidung des KG hinsichtlich dieses Komplexes daher konsequent. Als unbeteiligter Betrachter von außen lässt sich nur schwer beurteilen, ob man aufgrund des tatsächlichen Vorbringens nicht auch zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können.

Rechtswahl
In einem weiteren Teil stützt sich das KG nun alternativ darauf, dass zudem eine wirksame Rechtswahl in Bezug auf deutsches Datenschutzrecht vorliege.

Insoweit überzeugt mich das Urteil jedoch nicht. Ich hatte bereits hier im Blog einmal zu der Möglichkeit einer Rechtswahl im Datenschutzrecht Stellung genommen.

Dass eine Rechtswahl möglich sei, begründet das KG damit, dass das BDSG unter anderem auch Privatrecht enthalte, wenn Ansprüche der Betroffenen (etwa auf Löschung oder Schadenersatz) auf Vorschriften wie §§ 4, 28 BDSG verweisen. Es ist in der Tat nicht unumstritten, inwieweit das BDSG nun (rein) öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich oder gemischt zu qualifizieren ist.

Unabhängig davon sehe ich jedoch die, wie auch vom KG hervorgehoben, entscheidende Vorschrift des Art. 4 DS-RL nicht als eine solche des Privatrechts an, die zur Disposition der Parteien steht. Diese kann daher auch nicht durch eine Rechtswahl der Parteien „umgangen“ werden. Der Gesetzgeber wollte vielmehr eindeutig regeln, wann welches Datenschutzrecht gilt. Es lässt sich hier sicherlich darüber streiten, ob Art. 4 DS-RL bzw. die deutsche Umsetzung in § 1 Abs. 5 BDSG, nun eine international-privatrechtliche Eingriffsnorm darstellt oder etwa eine Sonderanknüpfung. Was jedoch beiden Qualifizierungen gemeinsam ist, ist der Ausschluss der Möglichkeit einer freien Rechtswahl.

Das KG bezieht sich in seiner Begründung vor allem auf die AGB von Facebook. Dort sei festgeschrieben, dass die Erklärung deutschem Recht unterliege. Meines Erachtens muss man hier jedoch strikt differenzieren. Es ist zwar möglich, das Vertragsrecht in internationalen Konstellationen grundsätzlich frei zu wählen (es sei denn es greifen Ausnahmen ein, wie etwa der Schutz für Verbraucher). Diese freie Rechtswahl bezieht sich meiner Meinung nach jedoch nicht auf das Datenschutzrecht. Denn allein Art. 4 DS-RL bzw. die jeweilige nationale Umsetzung soll vorgeben, welches Recht Anwendung findet. Dies kann in der Praxis freilich zu der Situation führen, dass in Bezug auf eine AGB-Prüfung deutsches Recht Anwendung findet (insoweit greift die Schutzausnahme für Verbraucher). Innerhalb dieser AGB-Prüfung kann jedoch das zugrunde zu legende Recht, von dem mittels der AGB eventuell abgewichen wird, durchaus ein ausländisches Datenschutzrecht sein. Herr Dr. Redeker hat dies in einem Blogbeitrag auf CR-Online ebenso dargestellt.

Auch die Art. 29 Datenschutzgruppe hat in ihrer Stellungnahme zu Apps (WP 202, S. 9) zu einer möglichen Rechtswahl im Datenschutzrecht klare Worte gefunden:

Es ist wichtig, dass App-Entwickler wissen, dass die beiden Richtlinien insofern zwingende Vorschriften darstellen, als die Rechte natürlicher Personen nicht übertragbar sind und keinem vertraglichen Verzicht unterliegen. Das bedeutet, dass die Anwendbarkeit des europäischen Rechts zum Schutz der Privatsphäre nicht durch eine einseitige Erklärung oder eine vertragliche Vereinbarung ausgeschlossen werden kann.

Das KG geht in seiner Begründung leider auch nicht auf die Vorgaben der für internationale Sachverhalte und die Bestimmung des anzuwenden Rechts entscheidenden Verordnungen (Rom I und Rom II) ein. Es begründet die Entscheidung mit seiner Ansicht der freien Wahl hinsichtlich des „privatrechtlichen Teils“ des deutschen Datenschutzrechts. Dass hier deutsches und nicht etwa irisches Datenschutzrecht zur Anwendung gelangt, mache

vorliegend auch Sinn. Denn in Ziff. 1 der Nutzungsbedingungen stellt die Beklagte ausdru?cklich klar, wie wichtig ihr die Privatsphäre des Nutzers und der Schutz seiner Daten sind. Mit der Vereinbarung auch des deutschen Datenschutzrechts nimmt sie den Nutzern in Deutschland einen Teil der Sorgen, indem sie die in Deutschland insoweit geltenden und diesen Nutzern vertrauten Maßstäbe auch fu?r sich zu Grunde legt.

So sehr ich den Gedanken verstehe, dass es für deutsche Nutzer besser erscheinen mag, wenn deutsches Datenschutzrecht anwendbar ist, so wenig überzeugt mich jedoch das voran gestellte Zitat als eine rechtliche Begründung einer wirksamen Rechtswahl im Datenschutzrecht.

Ausblick
Und nun? Man wird abwarten müssen, ob Facebook auch gegen das Urteil des KG vorgeht. Da wir jedoch nun zwei konträre Entscheidungen zum anwendbaren Datenschutzrecht auf Facebook und auch zu den grundsätzlichen rechtlichen Möglichkeiten einer Rechtswahl im Datenschutzrecht haben, wäre im Sinne der Rechtssicherheit eine höchstrichterliche Klärung sicherlich wünschenswert.

Merkel: „Wir müssen mehr machen im europäischen Datenschutz“

Kurz vor dem am 19. Februar 2014 in Paris stattfindenden deutsch-französischen Ministerrat, hat Bundeskanzlerin Merkel ein Interview für den YouTube-Kanal der Bundesregierung gegeben (Video), in dem sie unter anderem auf das Thema Datenschutz eingeht.

Im Hinblick auf eine enge internationale Zusammenarbeit im Bereich des Datenschutzrechts sieht Merkel in der Tat Nachholbedarf.

Wir müssen mehr machen im europäischen Datenschutz, das ist gar keine Frage.

Zudem weißt die Bundeskanzlerin auf die derzeit in Brüssel verhandelte Datenschutz-Grundverordnung hin, die einen einheitlichen rechtlichen Standard in Europa schaffen würde. Jedoch stellen sich die Verhandlungen zu diesem Gesetzesvorhaben aus ihrer Sicht nicht so einfach dar, da „manche Länder einen geringen Datenschutz haben als Deutschland. Und wir wollen nicht, dass unser Datenschutz aufgeweicht wird“.

Im Hinblick auf die derzeitige Praxis einiger Unternehmen, ihre europäischen Zentralen in Länder zu verlagern, in denen das Datenschutzrecht „am geringsten ist“, macht die Bundeskanzlerin klar: „das können wir in Europa auf Dauer auch nicht gut heißen“. Mit Frankreich werde man darüber sprechen, wie man in Europa ein hohes Maß an Datenschutz aufrecht erhalten kann.

Zudem wolle man in Paris darüber sprechen, welche europäischen Anbieter existieren,

die Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger bieten, dass man nicht erst mit seinen E-Mails und anderem über den Atlantik muss, sondern auch innerhalb Europas Kommunikationsnetzwerke aufbauen kann.

Hiermit spricht die Bundeskanzlerin das Thema des „Schengenroutings“ an, dass also Datenpakete, deren Absender und Empfänger in Europa sitzen, auch innerhalb europäischer Netze verbleiben sollen. Diese Idee rührt vor allem aus den Enthüllungen um die Abhöraktivitäten der NSA, die auch direkt transatlantische Datenkabel angezapft haben soll.

Man darf gespannt sein, ob der anstehende Ministerrat für neuen Schwung bei den Themen Datenschutz-Grundverordnung und einer in letzter Zeit häufig geforderten digitalen europäischen „Unabhängigkeit“ von Amerika sorgen wird.

Bundesregierung: Im BfV und BND werden keine Personen gezielt wegen ihrer beruflichen Tätigkeit erfasst

Die Bundesregierung hat eine kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE im Bundestag zur Überwachungstätigkeit des BND, des BfV und des MAD beantwortet (BT-Drs. 18/443). DIE LINKE stellte die Anfrage „Mögliche Bespitzelung von Journalisten und Journalistinnen durch den Verfassungsschutz auch außerhalb Niedersachsen“ und wollte konkreter wissen, inwiefern auf Bundesebene die Nachrichtendienste ihre Überwachung eventuell anhand bestimmter Berufsgruppen ausrichten.

Die Bundesregierung antwortet hierauf, dass im Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und im Bundesnachrichtendienst (BND) keine Personen gezielt wegen ihrer beruflichen Tätigkeit als Journalist, Arzt oder Rechtsanwalt erfasst werden. Sie werden vielmehr im BfV und BND erfasst, wenn sie in Erfüllung des jeweiligen gesetzlichen Auftrags beobachtungswürdig sind.

Erforderlich ist beim BfV immer die Voraussetzung des Merkmals der „Beobachtungswürdigkeit“ der Person bzw. beim BND ein Bezug zu dessen besonderer Aufgabenstellung.

Das BfV speichert im Nachrichtendienstlichen Informationssystem (NADIS) Personen, wenn sie aufgrund extremistischer, terroristischer oder nachrichtendienstlicher Bezüge beobachtungswürdig sind. Anlass einer Speicherung in den Fachinformationssystemen des BND ist immer ein Bezug der gespeicherten Person zur Aufgabenstellung des BND gemäß § 1 Absatz 2 des Gesetzes über den Bundesnachrichtendienst (BNDG). Im Rahmen einer solchen Speicherung können dann auch Informationen zur beruflichen Tätigkeit der als nachrichtendienstlich relevant eingestuften Person miterfasst werden.

Hinsichtlich einmal gespeicherter Daten sind die Dienste dazu verpflichtet diese zu löschen, wenn sich herausstellt, dass die Speicherung unzulässig war oder die Daten für die Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich sind. Zudem bestehen gewisse Prüfpflichten hinsichtlich gespeicherter Daten, nach deren Ablauf zu beurteilen ist, ob die Daten noch erforderlich sind oder gelöscht werden können. BfV und BND sind

verpflichtet, bei der Einzelfallbearbeitung und nach festgesetzten Fristen zu prüfen, ob gespeicherte personenbezogene Daten zu berichtigten oder zu löschen sind. Die Frist für das BfV beträgt fünf Jahre, für den BND längstensfalls zehn Jahre.

LIBE-Ausschuss fordert mehr Datenschutz in zukünftigem eCall-System

Ab dem 1. Oktober 2015 sollen alle neuen Fahrzeugtypen in Europa mit einem bordeigenen eCall-System ausgerüstet sein. Die Anforderungen für dieses Notrufsystem, welches im Falle eines Unfalls automatisch die wichtigsten Daten wie etwa Standort, Fahrzeugtyp oder Benzinart an die Notrufstelle übermittelt, sollen in der „Verordnung über Anforderungen für die Typgenehmigung zur Einführung des bordeigenen eCall-Systems in Fahrzeuge“ (COM(2013) 316) festgelegt werden. Die Idee hinter der Einführung des Systems, nämlich noch schneller und effizienter am Unfallort sein und helfen zu können, wird mehrheitlich begrüßt. Kritik erhob sich in der Vergangenheit jedoch in Bezug auf die möglichen datenschutzrechtlichen Gefahren beim Einsatz der Systeme, da diese zumindest theoretisch eine dauernde Aufzeichnung des Standortes des Fahrzeuges ermöglichen könnten oder etwa die erhobenen Daten später für andere Zwecke nutzbar seien.

Der LIBE-Ausschuss des europäischen Parlaments hat nun letzte Woche seine Stellungnahme zu der vorgeschlagenen Verordnung abgegeben.

Das Ziel der Stellungnahme wird in der Begründung klar umschrieben: „Mit dieser Stellungnahme soll dafür gesorgt werden, dass mit dem Rechtsinstrument, das am Ende des Verfahrens erlassen werden wird, die vollständige Einhaltung der Datenschutzgrundsätze der Richtlinien 95/46/EG und 2002/58/EG sichergestellt ist„. Dem zuständigen Verfasser, Axel Voss, ist es wichtig, dass in Bezug auf die Datenverarbeitung eine Unterscheidung zwischen staatlichen 112-eCall-Systemen und zusätzlich möglichen, privaten eCall-Systemen vorgenommen wird. Für diese privaten Systeme, die eventuell weitere Zusatzfunktionen bieten, müssen andere Anforderungen hinsichtlich des Datenschutzes gelten. Insbesondere sollte die Verarbeitung personenbezogener Daten dort davon abhängig gemacht werden, dass die betroffenen Personen zuvor ihre Zustimmung erteilt haben oder ein Vertrag abgeschlossen wurde.

Diese Vorgaben finden sich dann auch in den einzelnen Änderungsanträgen zu der Verordnung. So soll etwa in Erwägungsgrund 6 klargestellt werden, dass Positionsdaten des Fahrzeugs gerade nur im Notfall erhoben werden dürfen. Im Normalbetrieb sollen die mit einem bordeigenen eCall-System ausgestatten Fahrzeuge nicht verfolgbar sein (Änderungsantrag 5). Fahrzeughersteller sollen bei der Erfüllung ihrer Pflichten darauf achten, technischen Datenschutz (Privacy by Design) in die bordeigenen Systeme zu integrieren (Änderungsantrag 8). Zudem soll der „für die Verarbeitung Verantwortliche“ als Begriff in die Verordnung eingeführt werden (Änderungsantrag 9), wobei die Definition aus der geltenden Datenschutz-Richtlinie (95/46/EG) übernommen wird. Weitere Änderungen, wie etwa die Voraussetzung einer ausdrücklichen Zustimmung der Betroffenen, wenn sonstige zusätzliche Informationen im Zusammenhang mit der Bereitstellung eines privaten eCall-Dienstes verarbeitet werden, beziehen sich zudem auf Artikel 6 der vorgeschlagenen Verordnung, der die „Privatsphäre und den Datenschutz“ regelt. Zudem soll für das bordeigene System klar festgelegt werden, welche Datenarten erhoben und übermittelt werden dürfen: Der „Mindestdatensatz darf maximal die Informationen enthalten,…nämlich manuelle oder automatische Aktivierung, Fahrzeugtyp, Fahrzeugenergiespeicherart, Zeitstempel, Fahrzeugposition, Fahrtrichtung, minimale Anzahl der angelegten Sicherheitsgurte. Vom bordeigenen eCall-System dürfen keine weiteren Daten abgesetzt werden“ (Hervorhebung durch mich).

Zuletzt soll nach der Stellungnahme des LIBE-Ausschusses auch eine Änderung aufgenommen werden, wonach in den Mitgliedstaaten Sanktionen für Verstöße gegen die datenschutzrechtlichen Vorgaben aus Artikel 6 festgelegt sein müssen (Änderungsantrag 17).

Neues Urteil: Wie dürfen Auskunfteien über gesperrte Daten informieren?

Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 02.01.2014 (Az.: 10 B 1397/13) entschieden, dass ein Kreditschutzunternehmen Dritten gegenüber keine Auskunft über die Sperrung von Daten geben darf. Die Auskunft darf auch nicht so ausgestaltet sein, dass sie von dem Anfragenden als versteckte Mitteilung einer Datensperrung verstanden werden kann.

Sachverhalt
Die Situation ist eine alltägliche. Im Zuge des Abschlusses eines gewerblichen Leasingvertrages für ein Auto möchte sich der Leasinggeber der Kreditwürdigkeit des Leasingnehmers versichern. Dazu fragt er bei Kreditschutzunternehmen an, ob Daten zu den Betroffenen vorlägen. Sind Einträge vorhanden, geht dies meist zu Lasten des Leasingnehmers. Im hier entschiedenen Fall wurde das Kreditschutzunternehmen, nach Beschwerden von Betroffenen, die neue Leasingverträge abschließen wollten, von der hessischen Datenschutzaufsichtsbehörde dazu verpflichtet bei teilweiser oder vollständiger Sperrung von Daten Betroffener, Dritten keine Auskünfte zu den Betroffenen zu erteilen, die einen Hinweis auf die Speicherung von Daten enthielten. Formulierungen, wie etwa „über gespeicherte Datenarten wird derzeit/generell keine Auskunft erteilt“, „… ist nicht möglich …“, „… ist nicht gestattet …“ seien unzulässig, da sie für anfragende Unternehmen dennoch den Schluss zuließen, dass Daten vorhanden seien und damit negative Folgen haben könnten.

Entscheidung
Wie auch schon das VG Darmstadt (Az.: 5 L 304/13.DA), so sieht der VGH den Bescheid der Datenschutzbehörde als rechtmäßig an. Die von dem Kreditschutzunternehmen bisher verwendete Formulierung, wonach „eine Auskunftserteilung zurzeit nicht möglich ist“, sei nämlich nicht mit den Vorgaben des § 35 Abs. 4a BDSG vereinbar. Danach darf die Tatsache der Sperrung von personenbezogenen Daten nicht übermittelt werden.

Nun kann man sich freilich auf den Standpunkt stellen, dass das Unternehmen ja die Tatsche der Sperrung gerade nicht mitteilt. Doch der VGH geht davon aus, dass der Gesetzgeber mit der Bestimmung in § 35 Abs. 4a BDSG offensichtlich sicherstellen wollte, „dass in der Außenwirkung für den Betroffenen, auf den sich die personenbezogenen Daten beziehen, die Sperrung dieselbe Wirkung entfaltet wie eine Löschung“. Die Auskunftserteilung im Fall der Sperrung muss also einer solchen wie im Fall der Löschung von Daten gleichen. Nur dann könne die mit der Sperrung, als gegenüber der Löschung geringerem Mittel, vom Gesetzgeber beabsichtigte gleiche Wirkung erreicht werden.

Für diese Auffassung scheint in der Tat der gesetzgeberische Wille zu sprechen. § 35 Abs. 4a BDSG beruht auf einem Entwurf zur Änderung des BDSG aus dem Jahre 2008 (BT-Drs. 16/10529). Dort heißt es (S. 19):

Die Vorschrift darf auch nicht dadurch umgangen werden, dass eine Formulierung gewählt wird, aus der auf die Tatsache der Sperre bzw. das Vorliegen einer Unregelmäßigkeit geschlossen werden kann.

Nun ist es freilich eine Auslegungsfrage, wer als Empfänger einer Auskunft etwas aus dem Wortlaut einer solchen schließen kann. Es wird jedoch davon ausgegangen, dass allein durch die Kenntnis, dass bestimmte Daten gesperrt wurden, negative Rückschlüsse auf den Betroffenen gezogen werden könnten. Formulierungen wie „zurzeit“ oder „derzeit“ sieht der VGH daher nicht als neutral genug an, um einem solchen Rückschluss vorbeugen zu können. Wie eine solche „Nichtmitteilung“ vorzunehmen ist, lässt das Gesetz jedoch offen. Der VGH erkennt an,

dass es im Einzelfall schwierig sein kann, diese dargelegten Voraussetzungen zu erfüllen. Dies kann jedoch nicht dazu führen, dass ein Betroffener, dessen personenbezogene Daten nicht gelöscht, sondern lediglich gesperrt sind, auskunftsbegehrenden Stellen gegenüber schlechter gestellt wird.

Was tun?
Die Datenschutzbehörde ordnete folgende Vorgehensweise an:

  • Bei teilweise gesperrten Daten: Dritten zu diesen Daten keine Auskunft oder ausschließlich die Auskunft, dass zu den betroffenen Datenarten keine Daten gespeichert seien, zu geben
  • Bei vollständiger Sperrung von Daten: Dritten zu dem Betroffenen keine Auskunft oder die Auskunft, dass keine Daten zu dem Betroffenen gespeichert seien, zu geben

Sowohl VG als auch VGH sahen diese Vorgaben als recht- und insbesondere auch verhältnismäßig an. Zur Not bleibe laut dem VGH eben nur eine Alternative: die Antwort zu verweigern.

VG Berlin: Staatsanwaltschaft darf von „Datenklau im Bundesgesundheitsministerium“ sprechen

Das VG Berlin hat mit Beschluss vom 31.01.2014 (Az.: VG 1 L 17.14) entschieden, dass die Staatsanwaltschaft Berlin in einer offiziellen Pressemitteilung vom 20.01.2014 (PM 02/2014) folgende Überschrift verwenden durfte:
„Datenklau im Bundesgesundheitsministerium – Anklageerhebung gegen einen externen IT-Administrator des Ministeriums und einen Apothekenlobbyisten“

Der dort als „Apothekenlobbyist“ bezeichnet Antragsteller begehrte die Löschung dieser Pressemitteilung von der Webseite „Berlin.de“, da er sich hierdurch in seinem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt sah. Nachdem im Dezember 2012 in der Öffentlichkeit bekannt wurde, dass vertrauliche Daten des Bundesgesundheitsministeriums auf ungeklärte Weise in die Hände von nicht dem Ministerium zugehörigen Personen gelangt waren, hatte die Staatsanwaltschaft Berlin im Dezember 2013 beim Landgericht Berlin Anklage gegen den Antragsteller erhoben. In dieser wurde ihm das Ausspähen von Daten nach dem Strafgesetzbuch sowie Verstöße gegen das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) vorgeworfen. Die Zustellung der Anklage an den Antragsteller erfolgte am 17. Januar 2014.

Das VG sah in dieser, weiterhin abrufbaren Pressemitteilung, jedoch keinen hoheitlichen rechtswidrigen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Antragstellers. Zwar liege ein hoheitlicher Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG) vor. Dieser sei vorliegend jedoch nicht rechtswidrig.

Maßstab für die Rechtmäßigkeitsprüfung amtlicher Äußerungen sei, dass 1) sich der Amtsträger mit seinen Äußerungen im Rahmen des ihm zugewiesenen Aufgabenbereichs bewegt, 2) die rechtsstaatlichen Anforderungen an hoheitliche Äußerungen gewahrt sind (Sachlichkeitsgebot) und 3) die Äußerungen nicht unverhältnismäßig sind.

All diese Voraussetzungen waren vorliegend erfüllt. Hinsichtlich des Begriffes „Datenklau“ führt das VG aus, dass die zuständige Pressestelle der Generalstaatsanwaltschaft Berlin diesen Begriff in der Pressemitteilung verwendet,

um schlagwortartig den Umstand zu bezeichnen, dass sie gegen den Antragsteller und einen weiteren Beteiligten wegen des Verstoßes gegen datenschutzrechtliche Strafvorschriften Anklage erhoben hat

Hierbei handele es sich um eine Tatsachenbehauptung, deren objektive Richtigkeit einer Beweiserhebung zugänglich ist. Daraus folge, dass diese Aussage den Antragsteller nur dann in seinem Persönlichkeitsrecht verletzen würde, wenn sie unwahr oder unverhältnismäßig wäre. Beides sei vorliegend jedoch nicht der Fall. Denn unbestritten legt die Anklageschrift dem Antragsteller Vergehen nach § 202a StGB („Ausspähen von Daten“) und dem BDSG zur Last. Die diesen Tatvorwürfen zugrunde liegenden Sachverhalte zusammenfassend als „Datenklau“ zu bezeichnen sei weder unwahr, noch unverhältnismäßig. Zudem ergebe sich für jeden verständigen Leser, dass „Datenklau“ kein dem Strafgesetz entnommener Begriff sei, zumal in dem Text der Pressemitteilung eine genauere Erläuterung der Tatvorwürfe unter Nennung der relevanten Normen erfolge.

Schließlich sei der Begriff „Datenklau“ zwar plakativ. Jedoch sei nicht ersichtlich, dass der Antragsteller hierdurch über Gebühr belastet werde. Die vorzunehmende Abwägung seiner privaten Interessen gegenüber dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit falle hier zu seinen Lasten aus.

Insbesondere stellt das VG darauf ab, dass die Pressestelle diesen Begriff nicht neu erfunden und damit erstmalig in die öffentliche Diskussion eingebracht hat. Vielmehr handele es sich um ein seit Monaten in den Medien für die zugrunde liegenden Vorgänge verwendetes Schlagwort. Der Begriff war der Öffentlichkeit daher in Verbindung mit den Ermittlungen bekannt und sorgte in der interessierten Öffentlichkeit für einen hohen Wiedererkennungswert.

Auch der Begriff „Apothekenlobbyist“ sei nicht unwahr oder seine Verwendung unverhältnismäßig. Denn die Staatsanwaltschaft bezeichnet den Antragsteller in der Anklageschrift mindestens einmal als „Lobbyist“. Zudem werde der Antragsteller durch diese Bezeichnung nicht unverhältnismäßig belastet, da „Lobbyist“ grundsätzlich eine normale Berufsbezeichnung sei. Das VG führt aus:

Die „negative Konnotation“, welche der Antragsteller dem Begriff zuschreibt, mag in bestimmten Konstellationen gegeben, dann aber vor allem auf die Wahl der eingesetzten, möglicherweise unlauteren Mittel bestimmter Lobbyarbeit zurückzuführen sein

Insgesamt wurde die Rechtswidrigkeit des Eingriffs daher abgelehnt. Gegen die Entscheidung des VG kann der Antragsteller noch eine Beschwerde zum OVG erheben.

Gutachten für britisches Parlament: Tätigkeit des Geheimdienstes teilweise illegal

In einem Gutachten für den Vorsitzenden der Parlamentariergruppe des britischen Parlaments zu Drohnen (All Party Parliamentary Group on Drones) untersuchen zwei englische Rechtsanwälte die Rechtmäßigkeit des Abfangens, Verwendens und der Übertragung von Geheimdienstdaten durch die britische Regierung. Den Bericht gibt es hier (PDF).

Untersuchte Szenarien
Die Autoren untersuchen in dem Bericht die Tätigkeit des britischen Geheimdienstes, insbesondere des Nachrichtendienstes GCHQ, im Zusammenhang mit fünf Szenarien:

  1. Der GCHQ greift massenhaft Daten ab, die zwischen zwei in England ansässigen Personen verschickt, jedoch durch Kabel übertragen werden, die zwischen England und Amerika verlaufen. Die Daten stammen aus der Nutzung des Internets, des Telefons und von E-Mails.
  2. Der GCHQ hat diese Daten gespeichert und zu einer sog. Lebensmuster-Analyse freigegeben, wobei dies sowohl für bekannte Terroristen/Straftäter als auch unverdächtige Personen erfolgte.
  3. Der GCHQ hat der amerikanischen NSA Zugang zu diesen Daten gegeben und ihre Speicherung gestattet.
  4. Die NSA teilt diese Daten mit der CIA, wodurch sie zur Festlegung von Zielen bei Drohnenangriffen genutzt werden können.
  5. Amerikanische Militärstreitkräfte operieren von einem britischen Militärstützpunkt, unter dem NATO Truppenstatut. Dieser Stützpunkt wird als Kommunikationsknotenpunkt zur Datenübermittlung, sowohl aus, als auch in die USA benutzt. Ein Teil der Daten, welche in die USA übertragen werden, wurden unter Verstoß gegen internationales Recht erlangt. Einige Daten, welche aus den USA über den britischen Stützpunkt übermittelt werden, enthalten Informationen und Anweisungen, um Drohnenangriffe zu unterstützen.

Im Prinzip stellen diese Szenarien eine aufeinander aufbauende Kette dar. Die Autoren machen deutlich, dass sobald ein Glied der Kette wegen Verstoßes gegen geltendes Recht wegfällt, alle weiteren Schritte ebenfalls unrechtmäßig sind.
Ich möchte den 33-Seiten starken Bericht hier nicht in aller Einzelheit besprechen. Allein die wesentlichen Ergebnisse seien genannt.

Ergebnisse

  • Nach dem geltenden englischen Recht, insbesondere dem für elektronische Spionagetätigkeiten relevanten „Regulation of Investigatory Powers Act 2000“ (RIPA), ist der GCHQ nicht befugt massenhaft inländische Inhaltsdaten abzufangen. Also den Inhalt von E-Mails oder Telefonaten zwischen zwei Personen die sich innerhalb des Vereinigten Königreichs aufhalten. Der GCHQ ist jedoch berechtigt massenhaft ausländische Inhaltsdaten abzufangen, also den Inhalt der Kommunikation zwischen dem Vereinigten Königreich und einem anderen Land. Der GCHQ ist auch berechtigt massenhaft Kommunikationsdaten (auch als Metadaten bekannt) abzufangen. Das massenhafte Abfangen dieser Daten, auch wenn es nach dem RIPA rechtmäßig erfolgen mag, stellt einen unverhältnismäßigen Eingriff in das nach Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) geschützte Recht auf Achtung des Privatlebens britischer Bürger dar.
  • Unter dem derzeit geltenden gesetzlichen Rahmen ist der GCHQ berechtigt die massenhaft gesammelten Daten einer Lebensmuster-Analyse. Die Autoren erachten den derzeitigen gesetzlichen Rahmen in Bezug auf die Speicherung, Verwendung und Löschung von Kommunikationsdaten für unverhältnismäßig, so dass er sich wahrscheinlich als rechtswidrig erweist. Die gesetzlichen Vorgaben des RIPA in Bezug auf ausländische Inhaltsdaten sind nach ihrer Ansicht wahrscheinlich ebenfalls rechtswidrig.
  • Nach dem RIPA ist der GCHQ berechtigt, massenhaft gesammelte Daten an die NSA zu übermitteln, wenn der jeweilige Minister davon überzeugt ist, dass die Mechanismen zur Speicherung und Löschung dieser Daten in dem Empfangsstaat angemessen sind. Diese Übertragung abgefangener Daten stellt einen erneuten Eingriff in das Grundecht der Betroffenen aus Art. 8 EMRK dar. Nach Ansicht der Autoren bieten die derzeitigen gesetzlichen Vorgaben keinen ausreichenden Schutz für die jeweils Betroffenen. Die britische Regierung könnte diese Situation zumindest dadurch verbessern, dass sie eine Absichtserklärung oder andere bilaterale Vereinbarungen in Bezug auf Datenübermittlungen abschließt und veröffentlicht. Dort müsste festgelegt werden, wie Daten zu speichern sind, wann sie gelöscht werden müssen und zu welchen Zwecken diese Daten nach britischem recht verwendet werden dürfen.
  • Wenn die britische Regierung davon Kenntnis hat, dass sie Daten übermittelt, welche für Drohnenangriffe gegen Nichtkombattanten eingesetzt werden könnten, dann ist diese Datenübermittlung wahrscheinlich rechtswidrig. Eine einzelne Person, die an einer solchen Übermittlung beteiligt ist, macht sich wahrscheinlich der Beihilfe zum Mord strafbar. Eine Vielzahl verschiedener Gründe spricht dafür, dass die Regierung dazu verpflichtet ist, angemessene Maßnahmen zu ergreifen, diese Möglichkeit zu untersuchen. Jedoch scheint es derzeit so, dass die gesetzlichen Vorgaben die britische Regierung nicht dazu verpflichten, es zu verhindern oder zu prüfen, ob ihre Agenten auf diese Weise zu Gehilfen von Straftaten werden. Wenn dem so sei, dann sehen die Autoren dieses Ergebnis als Gegensatz zu den Grundsätzen der öffentlichen Ordnung und guter Regierungsführung.
  • Die britische Regierung ist befugt gegen amerikanische Soldaten Strafen zu verhängen, die von NATO-Stützpunkten auf britischem Gebiet aus operieren. Wenn Daten, die unter Verstoß gegen britische Gesetze erlangt oder genutzt wurden, über eine britische NATO Basis übermittelt werden, dann kann die britische Regierung jeden amerikanischen Militärangehörigen strafrechtlich verfolgen, der an dieser Übermittlung beteiligt ist. Für die Autoren hat es den Anschein, dass die britische Regierung selbst nicht immer genau Kenntnis davon hat, was auf Militärstützpunkten geschieht, dir von NATO Truppen kontrolliert werden. Daher stellt sich diese strafrechtliche Verfolgungsmöglichkeit in der Praxis möglicherweise nur als theoretisch dar.

Datenschutz und NSA: Bundesregierung beantwortet Fragen zur Datenübermittlung in die USA

Die Bundesregierung hat vergangene Woche eine kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE im Deutschen Bundestag beantwortet (BT-Drs. 18/321). Titel der Anfrage ist „Datenschutz bei der Zusammenarbeit deutscher Finanzdienstleister
mit IT-Unternehmen insbesondere aus den USA vor dem Hintergrund des NSA-Skandals“. Grund für die Anfrage waren Presseberichte, nach denen die Allianz SE ihre Rechenzentren auslagern und an das amerikanische IT-Unternehmen IBM übergeben möchte. Vor dem Hintergrund der Enthüllungen um den möglicherweise unverhältnismäßigen Zugriff amerikanischer Geheimdienste auf Daten europäischer Bürge bei amerikanischen Unternehmen, wollte DIE LINKE genauer wissen, wie die Bundesregierung hierzu steht. Ich möchte im Folgenden nur einige der behandelten Fragen und Antworten ansprechen.

Auftragsdatenverarbeitung
Zunächst geht die Bundesregierung auf die grundsätzlichen Anforderungen einer Auftragsdatenverarbeitung nach § 11 BDSG ein und weist darauf hin, dass in diesem Rahmen der Verantwortliche (Auftraggeber) bereits vor der Datenverarbeitung gewisse Prüfpflichten in Bezug auf den IT-Dienstleister besitzt. Sehr anschaulich hierzu ist im Übrigen das Informationsblatt des bayerischen Landesamtes für Datenschutzaufsicht.

Datenübermittlung in Drittländer
Auch wenn der Auftragnehmer nicht in der EU bzw. dem EWR, sondern in einem Drittstaat sitzt, bleibt der Auftraggeber in der EU verantwortlich. Die Bundesregierung stellt klar, dass auch bei einer Drittstaatenübermittlung die Anforderungen des § 11 BDSG (zumindest entsprechend) erfüllt sein müssen, was insofern wohl der Auffassung der deutschen Datenschutzbehörden entspricht. Zudem weist die Bundesregierung auf die zusätzlichen Voraussetzungen für einen Datentransfer in ein Drittland hin. Ein solcher ist verboten, wenn in dem Drittland keine angemessen Garantien für den Schutz der Daten bestehen, wie etwa in den USA.

Safe Harbor
Die Bundesregierung geht danach auf die Möglichkeit der Datenübermittlung in die USA unter der Safe Harbor-Entscheidung der EU Kommission ein. Diese habe für europäische Unternehmen, die personenbezogene Daten an in den USA tätige Firmen übermitteln, den Vorteil, dass sie keine zusätzlichen Garantien verlangen müssen. Öffentlich Stellung nehmen, zu der Ansicht des Landesdatenschutzbeauftragten von Schleswig-Holstein, Thilo Weichert, dass es „Riskant und unverantwortlich“ sei, die Daten einem US-Konzern anzuvertrauen, möchte die Bundesregierung mit Blick auf die unabhängige Aufgabenerfüllung der Datenschutzaufsichtsbehörden nicht.

Kooperation zwischen NSA und BND
Auf die Frage, ob „deutsche Geheimdienste von der NSA Daten deutscher Finanzdienstleistungsunternehmen erhalten“ haben, möchte die Bundesregierung nicht öffentlich antworten. „Ein Verstoß gegen die in diesem Zusammenhang vorausgesetzte Vertraulichkeit ließe negative Folgewirkungen für die Quantität und Qualität des Informationsaustausches befürchten“. Ausdrücklich geht die Bundesregierung jedoch davon aus, dass

„ein Zugriff der NSA in Kooperation mit entsprechenden IT-Dienstleistern auf Daten deutscher Finanzdienstleistungsunternehmen [ist] theoretisch nicht auszuschließen“ ist. „Allerdings dürfte ein solcher Zugriff regelmäßig rechtswidrig sein“.

Datenschutz-Grundverordnung und Safe Harbor
Die Bundesregierung gibt, mit Blick auf möglich Verstöße gegen die Safe Harbor-Entscheidung durch amerikanische Unternehmen, an, dass „gesetzliche Kontrollmöglichkeiten gemeinsam mit amerikanischen Behörden“ derzeit nicht bestehen. Deutschland setze sich zudem weiter dafür ein, dass der Schutz der Bürgerinnen und Bürger bei Drittstaatenübermittlungen
deutlich verbessert wird. Insbesondere in Bezug auf Safe Harbor möchte die Bundesregierung tätig werden und ist dies auch bereits. Mit Blick auf die europäische Datenschutzreform und die geplante Datenschutz-Grundverordnung weist sie darauf hin, dass für Modelle wie Safe Harbor „in der neuen europäischen Datenschutz-Grundverordnung ein robuster Rechtsrahmen mit klaren Vorgaben für Garantien der Bürgerinnen und Bürger geschaffen werden“ sollte. Zudem führt die Bundesregierung drei konkrete Verbesserungsvorschläge an:

Ziel sollte es insbesondere sein, die Individualrechte der Bürgerinnen und Bürger zu stärken und ihnen bessere Rechtsschutzmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen, die Registrierung der US-Unternehmen in der EU vorzunehmen und die staatliche Kontrolle seitens der EU-Datenschutzaufsichtsbehörden in Modellen wie Safe Harbor zu stärken.

Interessant sind dabei insbesondere die letzten beiden Vorschläge. Denn bisher müssen sich amerikanische Unternehmen in Amerika bei dem dafür zuständigen Handelsministerium registrieren. Zum anderen lässt der Vorschlag einer Stärkung der Kontrollbefugnisse der europäischen Behörden aufhorchen. Denn bisher war es die Federal Trade Commission (FTC) in den USA, die wegen einer Verletzung der Safe Harbor-Grundsätze in Amerika tätig wurde.

Fazit
Die Antwort der Bundesregierung ist im Hinblick auf die Reformen zur Datenschutz-Grundverordnung und Safe Harbor durchaus interessant. Die Stärkung der Rechtsschutzmöglichkeiten der Betroffenen ist im Übrigen auch ein zentrales Anliegen der Europäischen Kommission, welche Ende letzten Jahres den USA in einer Mitteilung 13 notwendige Vorschläge zur Verbesserung von Safe Harbor gemacht hat.