Herausgabe von Daten an US-Behörden: Irische Regierung bittet EU-Kommission um Hilfe

Im April 2014 hatte ein US-Gericht entschieden (PDF), dass Microsoft dazu verpflichtet sei, Kundendaten die auf Servern in Irland gespeichert sind, an amerikanische Behörden herauszugeben. Gegen diesen Beschluss wehrte sich Microsoft, wurde jedoch auch durch ein Bundesgericht angewiesen, dem Durchsuchungsbefehl der US-Behörden nachzukommen. Für das Berufungsverfahren wurde der Vollzug ausgesetzt und Microsoft möchte die Daten auch nicht herausgeben. Andere Konzerne wie Apple und Cisco unterstützen die Position von Microsoft.

Zum einen besitzt das Verfahren eine mögliche wirtschaftliche Brisanz. Amerikanische Unternehmen müssten sich stets dem Risiko ausgesetzt sehen, dass Kundendaten, egal wo sie gespeichert sind, dem Zugriff von US-Behörden unterliegen.

Vor allem aber ist der Fall rechtlich interessant. Denn die amerikanischen Behörden haben nicht etwa die offiziellen Kanäle (Rechtshilfeabkommen zwischen der EU und den USA) genutzt, sondern sich direkt an das Unternehmen gewandt. Die ehemalige EU-Kommissarin für Justiz, Viviane Reding, hatte bereits im Juli 2014 die Befürchtung geäußert, „dass die extraterritoriale Anwendung ausländischer Gesetze (und darauf basierende gerichtliche Anweisungen gegen Unternehmen) gegen internationales Recht verstoßen“.

Nun hat der Irische Minister für Europaangelegenheiten und für den Datenschutz offiziell die EU-Kommission um ihre Unterstützung in diesem Gerichtsverfahren gebeten. Nach Aussage des Ministers könnte der Ausgang dieses Verfahrens möglicherweise schwerwiegende Folgen für den Datenschutz in der Europäischen Union besitzen. Durch den Versuch, die Herausgabe von Daten durch direkte Anordnungen gegenüber den Unternehmen zu erlangen, könnten die bestehenden Rechtshilfeabkommen praktisch umgangen werden.

Für international agierende Unternehmen besteht das sowohl schlichte als auch kaum zu lösende Problem, dass sie zwischen mehreren Rechtssystemen gefangen sind und nur zwischen den Rechtsverletzungen und den zu erwartenden Folgen wählen können. Dass sich eine solche Situation in einer digitalen Welt, in der immer mehr Wirtschaftszweige auf den ungehinderten Fluss von Daten angewiesen sind, als absolut unbefriedigend und revisionsbedürftig darstellt, dürfte wohl jedem einleuchten.

Europäischer Gerichtshof zur Haftung eines Zeitungsverlages für Online-Artikel

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit Urteil vom 11. September 2014 (C-291/13, derzeit nicht auf Deutsch verfügbar) entschieden, dass ein Zeitungsverlag, der eine Webseite betreibt, über die eine Online-Version der herausgegebenen Zeitung abrufbar ist, sich unter gewissen Voraussetzungen nicht auf die Haftungsprivilegierungen der Art. 12 bis 14 der Richtlinie 2000/31/EG (sog. eCommerce-Richtlinie) (in Deutschland umgesetzt in den §§ 7 – 10 TMG) berufen kann.

Der Entscheidung lagen mehrere Vorlagefragen eines zypriotischen Gerichts zugrunde. Der dortige Kläger wandte sich mit Schadenersatz- und Unterlassungsklagen gegen einen online abrufbaren Zeitungsartikel, in dem er seiner Ansicht nach diffamiert wurde.

Entgeltlichkeit bei Online-Werbung
In seiner Entscheidung legt der EuGH zunächst dar, dass der Anwendungsbereich der eCommerce-Richtlinie dann eröffnet ist, wenn es sich um Tätigkeiten eines „Dienstes der Informationsgesellschaft“ handelt. Nach Erwägungsgrund 18 umfassen diese Dienste der Informationsgesellschaft einen weiten Bereich von wirtschaftlichen Tätigkeiten, die online vonstattengehen. Art. 2 a) eCommerce-Richtlinie verweist für die Definition des Begriffs zudem auf Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 98/34/EG (PDF). Danach ist ein „Dienst“ eine Dienstleistung der Informationsgesellschaft, d. h. jede in der Regel gegen Entgelt elektronisch im Fernabsatz und auf individuellen Abruf eines Empfängers erbrachte Dienstleistung. Der EuGH stellt in seinem Urteil klar, dass das Entgelt nicht von dem Empfänger des Dienstes selbst stammen muss. Es reichen hierfür auch Einnahmen aus Werbeanzeigen aus, die auf einer Webseite vom Betreiber eingesetzt werden.

Keine Haftungsprivilegierung
Zudem befasste sich der EuGH mit der Frage, inwieweit sich der Zeitungsverlag auf die Haftungsprivilegierungen der Art. 12 bis 14 eCommerce-Richtlinie berufen kann, wenn er eine Webseite betreibt, auf der Zeitungsartikel erscheinen, die von angestellten oder freiberuflichen Journalisten verfasst wurden und der Verlag seine Vergütung auch aus den Einnahmen der Einbindung von Online-Werbeanzeigen auf der Webseite generiert.

Der EuGH verweist zunächst auf seine frühere Rechtsprechung (u.a. C-236/08), wonach sich aus Erwägungsgrund 42 der eCommerce-Richtlinie ergibt, dass die hinsichtlich der Verantwortlichkeit festgelegten Ausnahmen nur Fälle erfassen, in denen die Tätigkeit des Anbieters von Diensten der Informationsgesellschaft „rein technischer, automatischer und passiver Art“ ist. Dies bedeutet, dass der Anbieter „weder Kenntnis noch Kontrolle über die weitergeleitete oder gespeicherte Information besitzt“. Erforderlich für eine Antwort auf die Frage, ob ein Diensteanbieter sich auf die Haftungsprivilegierung des Art. 14 eCommerce-Richtlinie, also die reine Speicherung von fremden Informationen (umgesetzt in § 10 TMG), berufen kann, ist nach dem EuGH die Feststellung, ob die Rolle dieses Anbieters insofern neutral ist, als sein Verhalten rein technischer, automatischer und passiver Art ist und er weder Kenntnis noch Kontrolle über die weitergeleitete oder gespeicherte Information besitzt.

Für den hier vorliegenden Sachverhalt begründet der EuGH die mangelnde Haftungsprivilegierung wie folgt: Da der Zeitungsverlag grundsätzlich Kenntnis von denjenigen Informationen besitzt, die im Rahmen des Online-Angebotes in Form der Artikel bereitgestellt werden und über die Artikel und die in ihnen enthaltenen Informationen auch eine faktische Kontrolle ausübt, kann der Verlag hier nicht als „Vermittler“ im Sinne der eCommerce-Richtlinie angesehen werden. Dies unabhängig davon, ob der Zugang zu der Webseite kostenlos oder kostenpflichtig ausgestaltet ist.

Intelligente Netze und Messsysteme: Kommission veröffentlicht Empfehlungen zum Datenschutz

Intelligente Netze (sog. smart grids) und daran angeschlossene Messsysteme (sog. smart meter) erfahren einen immer größeren Verbreitungsgrad. Über diese intelligenten, da digital ansteuer- und auslesbaren, Systeme können Energieunternehmen etwa Daten über das Heizverhalten oder den Stromverbrauch von Haushalten erheben und analysieren. Der Vorteil liegt auf der Hand: Strom kann aufgrund vorgenommener Analysen zum Beispiel besser verteilt werden. Welches Gebiet benötigt wann wieviel Strom? Wo und wann besteht grundsätzlich der geringste Heizbedarf? Auch eine bedarfsgerechtere Abrechnung des Energieverbrauchs ist möglich.

Da jedoch für diese Zwecke nicht nur die jeweiligen „nackten“ Messwerte abgelesen werden, spielt das Thema Datenschutz auch in diesem Bereich des ‚Internets der Dinge‘ eine wichtige Rolle. Die europäischen Datenschützer, versammelt in der sog. Artikel 29 Datenschutzgruppe, haben daher auch bereits im Jahr 2011 eine Stellungnahme zu Fragen des Datenschutzes und dem Smart Meetering verfasst (WP 183, PDF). Die europäischen Datenschützer empfehlen unter anderem vor dem Einsatz von intelligenten Messsystemen eine Datenschutz-Folgenabschätzung vorzunehmen (WP 183, S. 12).

Um eine solche Datenschutz-Folgenabschätzung, welche die potentiellen Risiken für personenbezogene Daten beim Einsatz intelligenter Zähler bereits in der Planungsphase aufzeigen und entsprechend minimieren soll, europaweit möglichst in einer einheitlichen Form durchzuführen, hat eine Arbeitsgruppe auf europäischer Ebene (Expert Group 2 (EG2)) ein Muster (Data Protection Impact Assessment Template for Smart Grid and Smart Metering systems, PDF) entworfen, welches von Unternehmen genutzt werden soll, die den Aufbau oder Investitionen in intelligente Netze oder Messgeräte planen.

Anfang Oktober 2014 hat nun die Europäische Kommission ihre Empfehlungen zum Einsatz des Musters für die Datenschutz-Folgenabschätzung veröffentlicht (2014/724/EU, PDF). Diese Empfehlungen richten sich an die Mitgliedstaaten und wie diese bei der Verbreitung des Musters mitwirken und Unternehmen unterstützen sollten. Interessant sind zudem die in dem Dokument von der Kommission aufgestellten Definitionen zu verschiedensten Begriffen, die derzeit im Datenschutzrecht diskutiert werden (z. B. der „konzeptionsbedingte Datenschutz“ (data protection by design) oder auch der „standardmäßige Datenschutz“ (data protection by default)).

Die Kommission empfiehlt, dass die Mitgliedstaaten mit der Wirtschaft, Interessenträgern der Zivilgesellschaft und auch den nationalen Datenschutzbehörden zusammenarbeiten sollten, um in einem frühen Stadium der Einführung intelligenter Netze und intelligenter Messsysteme die Verbreitung und Anwendung des Musters für die Datenschutz-Folgenabschätzung zu fördern und zu unterstützen. Etwas konkreter sind zudem Empfehlungen, wonach die Mitgliedstaaten sicherstellen sollten, dass die für die Datenverarbeitung Verantwortlichen nach der Durchführung einer Datenschutz-Folgenabschätzung die geeigneten technischen und organisatorischen Maßnahmen zum Schutz personenbezogener Daten treffen und die Folgenabschätzung sowie die anhaltende Eignung der festgelegten Maßnahmen während des gesamten Lebenszyklus der Anwendung bzw. des Systems überprüfen.

Der Einsatz des Musters zur Folgenabschätzung sowie die Umsetzungsmaßnahmen der Mitgliedstaaten sollen in einer zwei-jährigen Testphase erprobt und danach von der Kommission bewertet werden. Anhand eines nachfolgenden Prüfberichts will die Kommission dann entscheiden, ob das Muster eventuell angepasst werden muss.

Konferenz der deutschen Datenschützer: „Recht, schwer gefunden zu werden“ soll weltweit gelten

Am 8. und 9. Oktober 2014 fand in Hamburg die 88. Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder (DSK) statt. Auf der Tagesordnung standen unter anderem die Kontrolle von Geheimdiensten, das Google-Urteil des EuGH und der Datenschutz im KfZ. Die Entschließungen der DSK sind nun auf der Webseite des Hamburgischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit abrufbar.
Mit Blick auf die Tätigkeit der Nachrichtendienste (Effektive Kontrolle der Nachrichtendienste herstellen!, PDF) stellt die DSK fest, dass deren Befugnisse auch die Überwachung der Telekommunikation einschließe und damit im Bereich der strategischen Auslandsüberwachung des BND ein Kontrolldefizit einhergeht. Da für die Betroffenen die durch Nachrichtendienste vorgenommene Datenverarbeitung in weitem Maße intransparent erfolgt, ist nach Ansicht der DSK auch der Individualrechtsschutz faktisch eingeschränkt. Die DSK bemängelt, dass bestimmte Bereiche nachrichtendienstlicher Tätigkeiten per se Eigeninitiativkontrolle durch die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder entzogen seien. Es fehle an einem eigenen Kontrollmandat der Datenschutzbeauftragten für Beschränkungen des Fernmeldegeheimnisses. Die DSK hält daher eine Einbindung der Datenschutzbeauftragten neben den parlamentarischen Kontrollinstanzen (G10-Kommission) für erforderlich.

Auch das „Google-Urteil“ des EuGH (Rs. C-131/12) war ein Thema der DSK (Zum Recht auf Sperrung von Suchergebnissen bei Anbietern von Suchmaschinen, PDF). Mit Blick auf die immer noch umstrittene Frage, ob nach einer erfolgreichen Beschwerde eines Betroffenen die Ergebnislisten auch bei einer Suche über „Google.com“ entsprecht angepasst (also bestimmte Ergebnisse unterdrückt) werden müssen, fordert die DSK, dass Anbieter von Suchmaschinen die Suchergebnisse bei einem begründeten Widerspruch weltweit unterbinden. Hinsichtlich der auch vom Bundesinnenministerium angestellten Überlegungen, unabhängige Schlichtungsstellen zu etablieren, die bei Beschwerden über zurückgewiesene Anträge von Betroffenen entscheiden sollen, scheint die DSK Zurückhaltung zu üben. Nach der Entschließung dürften alternative Streitbeilegungs-oder Streitschlichtungsverfahren das verfassungsmäßige Recht der Betroffenen auf eine unabhängige Kontrolle durch die dafür vorgesehenen staatlichen Institutionen (also Gerichte und/oder die Datenschutzbehörden) nicht beschneiden. Zuletzt streiten die Datenschützer eine Befugnis von Suchmaschinenbetreibern ab, dass diese bei einem positiven Antrag eines Betroffenen den jeweiligen Inhalteanbieter (also den Webseitenbetreiber) über die Sperrung von Suchergebnissen informieren dürften. Dies soll selbst dann gelt, wenn die Benachrichtigung nicht ausdrücklich den Namen des Betroffenen enthält. Meiner Ansicht nach ist dann aber, zumindest aus datenschutzrechtlicher Sicht fraglich, warum eine solche Information nicht erteilt werden dürfte? Denn personenbezogene Daten (wie der Name) werden ja dann nicht verarbeitet. Ironischerweise dürfte diese Sichtweise mit der geplanten Datenschutz-Grundverordnung ohnehin bald obsolet sein. Denn nach dem Entwurf der Kommission (Kom (2012) 11,  PDF) soll in Art. 17 Abs. 2 gerade eine solche Benachrichtigung verpflichtend eingeführt werden. Auf diese Pflicht weißt auch die italienische Ratspräsidentschaft in dem neuesten Dokument aus den Ratsverhandlungen zur Thematik des „Rechts auf Vergessenwerden“ hin (PDF).

Weitere Entschließungen der DSK:
Marktmacht und informationelle Selbstbestimmung (PDF)

Unabhängige und effektive Datenschutzaufsicht ist für Grundrechtschutz unabdingbar (PDF)

Datenschutz im Kraftfahrzeug (PDF)

Datenschützer entwickeln ein Hausaufgabenheft für Google

Seit 2012 haben europäische Datenschutzbehörden in einer koordinierten Aktion, unter Führung der französischen Datenschutzbehörde, die Datenschutzerklärung von Google und deren Vereinbarkeit mit europäischem Datenschutzrecht überprüft (hierzu meine Blogbeiträge: Europa gegen Google? – Die “Task-Force” macht ernst und Französische Datenschutzbehörde eröffnet Verfahren gegen Google). Nachdem in den letzten Jahren jeweils nationale Verfahren aus diesem koordinierten Vorgehen erwachsen sind (etwa in Spanien oder in Frankreich), hat das Gremium der europäischen Datenschutzbehörden (die Art. 29 Gruppe) nun einen Maßnahmenkatalog (PDF) (man könnte auch von einem datenschutzrechtlichen Hausaufgabenheft sprechen) entwickelt, der Maßnahmen vorschlägt, wie aus der Datenschutzbehörden die Datenschutzerklärung von Google anzupassen ist, um eine Konformität mit europäischem Datenschutzrecht herzustellen. Begleitet wird dieser Katalog von einem Brief (PDF) an Larry Page.

Die Vorschläge der Datenschützer sind dabei als mögliche Lösungsvarianten anzusehen und sollen Google dabei helfen, die Vorgaben der Aufsichtsbehörden umzusetzen. Nachfolgend einige Highlights des immerhin 6-seitigen Dokuments.

  • Die Datenschutzerklärung soll stets sichtbar und direkt aufrufbar sein, ohne dass Nutzer etwa zum Ende einer Webseite scrollen müssten.
  • Es sollen abschließend alle Datenarten aufgelistet werden, die von Google im Rahmen seiner Dienste verarbeitet werden.
  • Auch sollen abschließend alle Zwecke angegeben werden, die der Datenverarbeitung zugrunde liegen.
  • Allein auf einer Seite soll Google den Nutzern die Möglichkeit bieten, sich ein umfassendes Bild über die Datenverarbeitung zu verschaffen.
  • Sollten sich die Zweck der Datenverarbeitung ändern oder neue hinzukommen, so soll Google dies nicht in den Nutzungsbedingungen darstellen, sondern vielmehr in der Datenschutzerklärung darüber informieren.
  • Werden Daten an Dritte weitergegeben, so dürfe Google nicht einfach von „Partnern“ sprechen, sondern müsse diese Partner konkret benennen.
  • Passive Webseitenbesuchern sollen besser informiert werden. Zudem müsste ihnen die Möglichkeit einer Einwilligung in die Verarbeitung ihrer Daten gegeben werden. Die Art. 29 Gruppe weißt hier auf Google Analytics hin. So könnte der Dienst etwa derart eingestellt werden, dass eine Analyse des Nutzerverhaltens erst beginnt, wenn der Betroffene seine Einwilligung erteilt hat. Auch wird hier auf die in der Praxis etablierte Verfahrensweise des Einsatzes von Google Analytics in Deutschland hingewiesen (Kürzung der IP-Adresse; Abschluss eines Vertrages zur Auftragsdatenverarbeitung; Möglichkeit des Opt-out). Diese Lösung könnte, so die Idee der Datenschützer, auf andere Länder übertragen werden.
  • Google sollte zudem die Formulierungen seiner Datenschutzerklärung ändern und keine Begriffe wie „wir können“ verwenden.
  • Nach Ansicht der Art. 29 Gruppe könnte Google seine Datenschutzerklärung mehrschichtig aufbauen. Auf der ersten Ebene allgemeine Informationen mit Verweisen zu speziellen und umfangreicheren Erläuterungen der einzelnen Dienste. Auf der zweiten Ebene dann spezielle Informationen zum Datenumgang bei den einzelnen Diensten.
  • Zudem soll Google Richtlinien zur Datenspeicherung und der Speicherdauer entwickeln. Diese sollten den Datenschutzbehörden vorgelegt werden.

Die Vorgaben bzw. Empfehlungen der Art. 29 Gruppe sind durchaus eine interessante Zusammenstellung an Interpretationen des europäischen Datenschutzrechts und wie sich ein Diensteanbieter wie Google insoweit konform verhalten kann. Dennoch scheinen einige der Vorgaben praktisch kaum umsetzbar bzw. mit dem geltenden Datenschutzrecht nicht begründbar zu sein. Ein Beispiel: die umfassende Aufklärung der Datenverarbeitung allein auf einer Seite. Was ist überhaupt eine „Seite“? DinA4? Gerade Unternehmen wie Google verarbeiten eine große Menge an Daten. Die Verarbeitungsvorgänge sind teilweise nicht in einem Satz darzustellen. Möchte der Anbieter also zumindest ansatzweise umfassend und dazu noch verständlich aufklären, dann benötigt er eben auch einmal mehr als eine „Seite“ an Informationen. Dieses Dilemma ist aber nicht unbedingt neu. Unternehmen möchten umfassend aufklären: dann wird ihnen vorgeworfen, die Datenschutzerklärung sei zu lang und kompliziert. Diensteanbieter straffen die Informationen und reduzieren sie auf die Kernthemen: dann wird ihnen vorgeworfen, dass sie nicht ausreichend aufklären und Nutzer in die Irre führen. Es zeigt sich, dass der Anspruch des Rechts und die Umsetzung in der Praxis doch häufig kaum (oder nur mit massiven Verrenkungen) vereinbar sind.

Google-Urteil: Europäische Datenschützer entwickeln Netzwerk für Beschwerden

Die europäischen Datenschutzbehörden, versammelt in der sog. Artikel 29 Gruppe, haben gestern bekannt gegeben (Pressemitteilung, PDF), dass als Reaktion auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Sachen Google aus dem Mai diesen Jahres (C-131/12) , Maßnahmen ergriffen werden sollen, um Beschwerden koordiniert bearbeiten zu können.

Nachdem sich die Vertreter der europäischen Datenschutzbehörden im Juli mit den Anbietern der großen Internetsuchmaschinen in Brüssel trafen (Pressemitteilung, PDF), um über die Folgen und die Umsetzung des Google-Urteils in der Praxis zu beraten, entwickeln die Aufsichtsbehörden nun ein gemeinsames Verfahren, mit dem Beschwerden von Betroffenen bearbeitet werden sollen, deren Antrag auf Entfernung von Suchergebnissen abgelehnt wurde.

Nähere Details des europaweit geplanten Systems der Behörden sind noch nicht bekannt. Laut der Pressemitteilung werden wohl in jedem Land besondere Kontaktpersonen in den Behörden benannt, die den Informationsaustausch und Kontakt mit den Kollegen in ausländischen Datenschutzbehörden sicherstellen sollen. Der Artikel 29 Gruppe geht es vor allem darum, eine einheitliche Herangehensweise zu entwickeln, so dass gleich gelagerte Fälle auch gleich entschieden werden können. Die von den Aufsichtsbehörden anzulegenden Prüfkriterien sollen auf diese Weise vereinheitlicht werden. Innerhalb dieses Netzwerkes soll ein gemeinsames Archiv von Entscheidungen der Behörden in anderen Beschwerdeverfahren vorgehalten werden.

Das, wohl virtuell aufgesetzte System (im Prinzip dürfte es sich um eine gemeinsame Datenbank handeln), soll zudem Bedienelemente und Funktionen enthalten, damit bei einer Beschwerde europaweit nach vergleichbaren Verfahren gesucht werden kann oder neue bzw. besonders schwierige Sachverhalte identifiziert werden können.

Die Artikel 29 Gruppe versucht begrüßenswerter Weise, die Beschwerdeverfahren europaweit soweit als möglich zu vereinheitlichen. Abweichende Entscheidungen zu ähnlich gelagerten Fällen in verschiedenen europäischen Ländern würden bei Betroffenen wohl für Verwirrung sorgen. Auf der anderen Seite muss man auch anerkennen, dass es sich bei den Beschwerden im Rahmen des „Rechts auf Vergessenwerden“ häufig um schwierige und komplexe Abwägungsfragen handeln wird. Eine schablonenhafte Herangehensweise scheint mir insoweit nicht unbedingt durchweg als der richtige Weg. Die vorzunehmende Güterabwägung (Datenschutz einerseits, Meinungsfreiheit und Recht auf Informationszugang anderseits) sollte keinem vorher feststehenden Ergebnis zum Opfer fallen. Die Verständigung auf besonders zu beachtende Kriterien im Rahmen der Abwägung ist sicher nicht verkehrt. Doch sollte mit derartigen Methoden äußerst sorgsam umgegangen werden, wenn man das Grundprinzip einer auf den Einzelfall beschränkten Güterabwägung von kollidierenden Grundrechten nicht langsam abbauen möchte.

Eine kleine Randnotiz: die Artikel 29 Gruppe spricht nicht mehr von dem „Recht auf Vergessenwerden“ (right to be forgotten), sondern von einem Recht „entlistet zu werden“ (right to be de-listed).

IT-Sicherheitsgesetz: Telemedienanbieter dürfen anlasslos speichern

Heute wurde der Referentenentwurf des Bundesinnenministeriums für ein IT-Sicherheitsgesetz (IT-SG) veröffentlicht (PDF). Viele der dort beschriebenen Änderungen beziehen sich auf das Gesetz über das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik. Jedoch sollen auch Änderungen am Telemediengesetz (TMG) vorgenommen werden. Eine dieser Änderungen betrifft die anlasslose Erhebung und Speicherung von Nutzungsdaten. Hierzu soll ein neuer § 15 Abs. 9 TMG-E (S. 18) eingefügt werden.

Hier der Wortlaut:

(9) Soweit erforderlich, darf der Diensteanbieter Nutzungsdaten zum Erkennen, Eingrenzen oder Beseitigen von Störungen seiner für Zwecke seines Telemedienangebotes genutzten technischen Einrichtungen erheben und verwenden. Absatz 8 Satz 2 gilt entsprechend.

Dieser Vorschlag ist nicht neu. Bereits im Jahre 2009 sah der Gesetzentwurf für ein Gesetz zur Stärkung der Sicherheit in der Informationstechnik des Bundes (BT Drs. 16/11967, PDF) die Ergänzung des TMG um eine identische Regelung vor. Damals wurde die Gesetzesänderung jedoch am Ende nicht vorgenommen. Der Grund: die Eilbedürftigkeit der übrigen Regelungen des Gesetzesentwurfs (so die Beschlussempfehlung und der Bericht des Innenausschusses, BT Drs. 16/13259, PDF).

Nun soll die bereits 2009 anvisierte Änderung doch kommen. Und das ist grundsätzlich auch zu begrüßen. Sinn und Zweck der neuen Vorschrift ist es laut der Begründung zum IT-SG, dass Diensteanbieter die Möglichkeit haben müssen, eine Infektion der von ihnen angebotenen Telemedien mit Schadprogrammen zu erkennen, um entsprechende Schutzmaßnahmen ergreifen zu können (S. 51). Telemediendiensteanbieter sollen in die Lage versetzt werden, rechtmäßig für den Zweck Daten erheben und verwenden zu können, um Angriffe (Denial of Service, Schadprogramme, Veränderung ihrer Werbeangebote von außerhalb) abwehren zu können.

Inhaltlich bezieht sich die geplante Regelung auf Nutzungsdaten (definiert in § 15 Abs. 1 TMG). Hierzu gehören insbesondere Merkmale zur Identifikation des Nutzers, Angaben über Beginn und Ende sowie des Umfangs der jeweiligen Nutzung und Angaben über die vom Nutzer in Anspruch genommenen Telemedien. Umfasst hiervon ist z. B. auch die IP-Adresse (sei es nun eine solche, die dynamisch oder statisch vergeben wird).

Erlaubt soll die Erhebung und Verwendung der Nutzungsdaten zum Erkennen, Eingrenzen oder Beseitigen von Störungen der genutzten technischen Einrichtungen sein. Die Begründung des Referentenentwurfs gibt auch vor, was aus gesetzgeberischer Sicht auf jeden Fall erforderlich ist: die Erhebung und kurzfristige Speicherung und Auswertung der Nutzungsdaten.

Die Erlaubnis des neuen § 15 Abs. 9 TMG-E bezieht sich unter anderem auf das „Erkennen“ von Störungen. Die Erhebung und Verwendung der Daten ist daher nicht erst erlaubt, wenn ein Angriff stattgefunden hat und seine Auswirkungen eintreten. Bereits zum Erkennen von Störungen, also proaktiv, soll die Speicherung der Nutzungsdaten erlaubt sein. Die Gesetzesbegründung des IT-SG trennt ausdrücklich zwischen dem „Erkennen“ und einer nachfolgenden „Abwehr“ von Angriffen. Für die Erlaubnis, bereits proaktiv Nutzungsdaten speichern zu können, spricht auch der Verweis in der Gesetzesbegründung auf § 100 Abs. 1 TKG. Zu dieser Vorschrift hat der BGH erst kürzlich entschieden, dass gegen eine proaktive Speicherung von (dort: dynamischen) IP-Adressen durch Telekommunikationsanbieter für eine Woche keine Bedenken bestehen (vgl. die Meldung bei Heise). Auch im TKG spricht das Gesetz, wie nun in der vorgeschlagenen Anpassung des TMG, vom „Erkennen“ von Störungen oder Fehlern.

Die Frage, welche sich freilich zwangsläufig stellen wird, ist diejenige nach der erlaubten Dauer der Speicherung. Die Gesetzesbegründung spricht von „kurzfristig“, ohne konkretere Vorgaben zu machen. Durch den vorgenommenen Verweis auf § 100 Abs. 1 TKG wird eine einwöchige Speicherung vor dem Hintergrund der aktuellen Rechtsprechung sicherlich erlaubt sein. Der Begriff „kurzfristig“ ist aber meines Erachtens nicht auf diese eine Woche beschränkt. Auch eine längere Speicherung erscheint durchaus möglich. Gerade wenn man sich vor Augen führt, dass die Speicherung grundsätzlich unter der Bedingung der Erforderlichkeit steht. Was jedoch erforderlich ist, um einen Angriff zu erkennen oder abzuwehren, wird sich kaum pauschal für alle Situationen festlegen lassen. Es erscheint daher durchaus möglich, dass die „kurzfristige“ Speicherung auch mehr als eine Woche umfasst.

Die vorgeschlagene Regelung ist nach meinem Dafürhalten richtig und wichtig. Kritiker werden sicher bemängeln, dass auf diesem Wege zumindest eine kleine Vorratsdatenspeicherung im TMG Einzug erhält. Auch hier lässt sich jedoch auf die Argumentation des Bundesgerichtshofs im oben benannten Urteil verweisen. Die Zwecke, warum Daten gespeichert und für welche Zwecke sie genutzt werden dürfen, sind in dem Gesetz aber klar umrissen. Es geht nicht um eine Speicherung für eine spätere Verwendung durch Sicherheitsbehörden. Natürlich lässt sich nicht ausschließen, dass dennoch ein Zugriff in Einzelfällen stattfinden könnte. Die Möglichkeit des Zugriffs wird aber nicht durch das IT-SG geschaffen, sondern durch die gesetzlichen Grundlagen für die Arbeit der Sicherheitsbehörden. Wenn man diese Befugnisse ablehnt, muss man dort ansetzen. Die im IT-SG vorgeschlagene Regelung hat den berechtigten Schutz der Telemediendienste (bzw. den von ihnen genutzten technischen Einrichtungen) und damit auch den Schutz der Nutzer und ihrer Daten im Sinn.

Digitale Agenda: IT-Sicherheit und das liebevoll gestrickte Datenschutzrecht

In der gestrigen Ausgabe der FAZ hat der deutsche Bundesinnenminister, Dr. de Maizière, in einem umfangreichen Beitrag (hier eine kurze Zusammenfassung) zu seiner persönlichen Vorstellung und auch der Aufgabe seines Ministeriums im Politikfeld „Digitale Agenda“ Stellung genommen. Egal wie man zu dem Beitrag und seinen Aussagen inhaltlich steht, lesen sollten ihn jeder, der sich privat oder beruflich mit der Digitalisierung auseinandersetzt.
Der Innenminister erkennt mit Blick auf das Internet und die Digitalisierung derzeit drei wichtige ordnungspolitische Vorhaben für sein Ministerium: Die Verabschiedung eines IT-Sicherheitsgesetzes, die Verabschiedung der Datenschutz-Grundverordnung und intensive Verhandlungen auf internationaler Ebene zur globalen Dimension der Digitalisierung. Die beiden ersten möchte hier etwas näher beleuchten.

Verabschiedung des ersten IT-Sicherheitsgesetzes
Die IT-Systeme und digitalen Infrastrukturen Deutschlands sollen, so der Minister, zu den sichersten der Welt werden. Das geplante IT-Sicherheitsgesetz geht diese Woche in die Ressortabstimmung. Inhaltlich sei das Gesetz von folgendem Grundprinzip beseelt: wer durch den Einsatz von IT Risiken für andere schafft, hat auch die Verantwortung für den Schutz vor diesen Risiken. Diese Idee ist dem Recht nicht fremd. Sie liegt etwa den Verkehrssicherungspflichten zugrunde (wer auf öffentlicher Straße eine Grube gräbt, muss für effiziente Absperrung sorgen). Die Fragen, die sich im Zuge der Diskussionen um das Gesetz stellen könnten, sind diejenigen nach dem erforderlichen Grad des Risikos und wann man ein solches „schafft“? Ist es etwa ausreichend, dass ein Unternehmen einen unverschlüsselten E-Mail Dienst anbietet? Oder einen Internetdienst für hunderttausende Kunden unverschlüsselt betreibt? Reicht dies, um ein Risiko zu schaffen? Muss es sich bei dem Risiko bereits um eine konkrete Gefahr handeln oder ist doch die abstrakte Wahrscheinlichkeit ausreichend? Bestehen also quasi anlasslose Pflichten für Schutzvorkehrungen, weil ein gewisses Grundrisiko nie ganz auszuschließen ist? Zudem wird es wichtig sein zu klären, worauf sich die Risiken beziehen müssen. Allgemein auf die Interessen von Betroffenen oder zumindest doch auf (konkret festgelegte) geschützte Rechtspositionen? Der Innenminister nennt zudem eine Form der Eskalation der Schutzvorkehrungen: je höher das Risiko für die Gesellschaft, desto höhere Anforderungen an die Schutzmaßnahmen.

Gegliedert sind die Pflichten dem Beitrag zufolge nach verschiedenen Branchen der Wirtschaft. Adressaten der Pflichten sind die in diesen Branchen tätigen Unternehmen. Dazu gehören etwa der Bereich Energie, Informationstechnik, Verkehr, Gesundheit und auch das Finanzwesen. Es geht darum, einheitlich Standards innerhalb der Branchen entstehen zu lassen. Der Inhalt der jeweiligen Branchenstandards soll durch die Unternehmen zusammen mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) ausgearbeitet und branchenspezifisch angepasst werden.

Zwar soll für Unternehmen auch grundsätzlich eine Meldepflicht bei Cyber-Angriffen eingeführt werden. Diese kann jedoch, solange es noch nicht zu einem gefährlichen Ausfall oder einer Beeinträchtigung der kritischen Infrastruktur gekommen ist, auch anonym an das BSI erfolgen. Diese Initiative scheint aus meiner Sicht durchaus einen positiven Anreiz bereit zu halten. Unternehmen könnten so dazu animiert werden, frühzeitig zu melden und das BSI mit Informationen zu versorgen. Die Frage wird freilich sein, welche Kriterien für die Bestimmung eines „gefährlichen Ausfalls“ oder „einer Beeinträchtigung der kritischen Infrastruktur“ aufgestellt werden und wie einfach diese praxisgerecht von Unternehmen im konkreten Fall als Maßstab anzuwenden sind. Der Anreiz würde wohl verpuffen, wenn es heißt: im Zweifel identifizierende Meldung.

Verabschiedung der Datenschutz-Grundverordnung
Auch befasst sich der Beitrag mit der geplanten Datenschutz-Grundverordnung. Diese besitze „überragende Bedeutung“. Und Herr de Maizière stellt zutreffend fest: „Sie wird unser liebevoll gestricktes deutsches Datenschutzrecht komplett“ ersetzen. Die Verhandlungen hierzu sollten nach dem Innenminister als Chance genutzt werden, um in dem geplanten Gesetz auch Antworten auf Fragen zu geben, die sich mit Blick auf neue Technologien und Phänomene wie Big Data, Cloud-Computing und das Internet der Dinge stellen. Dieser Ansatz ist meines Erachtens zu begrüßen, denn wie der Minister richtig erkennt, sind die derzeit geltenden Regelungen natürlich nicht mehr zeitgemäß. Sie müssen angepasst werden. Dies sollte daher im Rahmen der derzeitigen Verhandlungen erfolgen. Wenn sich die Beratungen aufgrund der Berücksichtigung des technologischen Fortschritts und dem Umgang hiermit im Datenschutzrecht dann „verzögern“ (dieser Vorwurf wird sicherlich erhoben werden), so ist dies nicht negativ zu bewerten und sollte nicht zu gesetzgeberischen Kurzschlussreaktionen führen.

Inhaltlich möchte der Minister neben den bekannten Schutzmechanismen für die Betroffenen (wie Einwilligung und Informationspflichten) weitere Maßnahmen vorsehen, die dann greifen sollen, wenn die bisherigen Konzepte an ihre Grenze stoßen. Er nennt etwa das Beispiel, dass eine Information des Betroffenen verlangt wird, diese jedoch erst erfolgen kann, wenn der Betroffene vorher identifiziert wird. Also eine Datenerhebung um Daten zu schützen. Man wird abwarten müssen, wie die Vorschläge zur Ausgestaltung der Datenschutz-Grundverordnung hier konkret aussehen werden. Der Minister spricht von zusätzlichen Schutzmechanismen, die dann greifen sollen, wenn etwa das Instrument der Einwilligung praktisch nicht mehr umsetzbar ist.

Vorlagefragen an den EuGH: Wie weit reicht der Arm nationaler Datenschutzbehörden?

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) ist im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens (C-230/14) aus Ungarn mit mehreren Fragen befasst, inwieweit die Datenschutzbehörde eines EU-Mitgliedstaates ihre Kontrollbefugnisse auch gegen Webseitenanbieter, die in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen sind, ausüben und durchsetzen kann.

Sachverhalt
Das Unternehmen Weltimmo, mit Sitz in der Slowakei, bietet auf seiner Webseite die Möglichkeit zur Vermittlung von Immobilien an. Auf der Webseite konnten auch ungarische Staatsbürger Anzeigen für Immobilien schalten, die sich in Ungarn befinden. Die für den Dienst verwendeten Server befinden sich wiederum in einem dritten EU-Mitgliedstaat. Dieser Service wurde zunächst kostenlos angeboten, nach einer gewissen Zeit jedoch automatisch in ein kostenpflichtiges Angebot umgewandelt und die Betroffenen wurden zur Kasse gebeten. Zudem konnten Anzeigen mit personenbezogenen Daten nicht gelöscht werden (hier mehr zu dem ursprünglichen Verfahren, Englisch). Gegen diese Praxis wandten sich einige ungarische Staatsbürger und beschwerten sich bei ihrer nationalen Datenschutzbehörde. Diese untersuchte den Vorfall. Sie hielt sich für zuständig und erließ gegen das slowakische Unternehmen einen Bußgeldbescheid wegen der Verletzung ungarischen Datenschutzrechts. Hiergegen wandte sich Weltimmo, in erster Instanz erfolgreich. In der zweiten Instanz wandte sich das ungarische Gericht nun an den EuGH, da einige Fragen zum anwendbaren Recht als auch der aufsichtsbehördlichen Kompetenz bestanden.

Vorlagefragen
Zunächst möchte das Gericht wissen, ob Art. 28 Abs. 1 der Datenschutz-Richtlinie (DS-RL) in dem Sinn auszulegen, dass die nationale Regelung eines Mitgliedstaats (in diesem Fall Ungarn) in dessen Staatsgebiet auf einen für die Datenverarbeitung Verantwortlichen (Weltimmo) anwendbar ist, der ausschließlich in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen ist und der eine Webseite zur Vermittlung von Immobilien betreibt und dort unter anderem Immobilien inseriert, die sich im Staatsgebiet des ersten Mitgliedstaats befinden, nachdem deren Eigentümer ihre personenbezogenen Daten an ein Mittel (Server) zur Speicherung und Verarbeitung von Daten übermittelt haben, das dem Betreiber der Webseite gehört und sich in einem dritten Mitgliedstaat befindet?

Art. 28 Abs. 1 DS-RL lautet: „Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass eine oder mehrere öffentliche Stellen beauftragt werden, die Anwendung der von den Mitgliedstaaten zur Umsetzung dieser Richtlinie erlassenen einzelstaatlichen Vorschriften in ihrem Hoheitsgebiet zu überwachen.

Es geht also darum, ob die ungarische Datenschutzbehörde grundsätzlich die Befugnis besitzt, Verstöße gegen ungarisches Datenschutzrecht gegen einen in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen für die Verarbeitung Verantwortlichen durchzusetzen. Hintergrund dieser Frage dürfte auch die Regelung des Art. 4 Abs. 1 Buchst. a DS-RL sein, wonach jeder Mitgliedstaat die Vorschriften, die er zur Umsetzung der DS-RL erlässt, auf alle Verarbeitungen personenbezogener Daten anwendet, die im Rahmen der Tätigkeiten einer Niederlassung ausgeführt werden, die der für die Verarbeitung Verantwortliche im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats besitzt.

Hierauf bezieht sich dann auch die zweite Frage des vorlegenden Gerichts. Ist Art. 4 Abs. 1 Buchst. a DS-RL im Lichte ihrer Erwägungsgründe 18 bis 20 und ihres Art. 1 Abs. 2 sowie Art. 28 Abs. 1 dahingehend auszulegen, dass die ungarische Datenschutzbehörde das ungarische Datenschutzgesetz als nationales Recht nicht auf den Betreiber einer Webseite zur Vermittlung von Immobilien (Weltimmo) anwenden darf, der ausschließlich in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen ist, selbst dann nicht, wenn dieser unter anderem ungarische Immobilien inseriert, deren Eigentümer die Daten ihrer Immobilien wahrscheinlich vom ungarischen Staatsgebiet aus an ein Mittel (Server) zur Speicherung und Verarbeitung von Daten übermittelt haben, das dem Betreiber der Webseite gehört und sich in einem dritten Mitgliedstaat befindet?

Beide Fragen beziehen sich also vornehmlich auf das anwendbare Datenschutzrecht und wie dieses unter der DS-RL zu bestimmen ist, wenn es um die Beurteilung eines grenzüberschreitenden Sachverhalts (innerhalb der EU) geht. Grundsätzlich bestimmt sich das anwendbare Datenschutzrecht nach den Vorgaben des Art. 4 DS-RL. Art 28 Abs. 1 DS-RL stellt meines Erachtens keine hiervon abweichende Regelungen auf. Diese Vorschrift regelt vielmehr die Kompetenzen der Datenschutzbehörden, nämlich dass sie dazu berufen sind, die Einhaltung der Datenschutzgesetze in ihrem Mitgliedstaat zu überwachen. Welche nationalen Regelungen Anwendung finden, richtet sich jedoch nach Art. 4 DS-RL.

Des Weiteren fragt das vorlegende Gericht danach, ob es für die Auslegung von Bedeutung ist, ob die von dem für die Datenverarbeitung Verantwortlichen und Betreiber der Webseite erbrachte Dienstleistung auf das Staatsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ausgerichtet ist? Diese Bezugnahme auf das Merkmal des „Ausrichtens“ mag einige Leser an das Google-Urteil des EuGH (C-131/12) vom 13. Mai 2014 erinnern. Der Unterschied dazu ist hier jedoch, dass der für die Verarbeitung Verantwortliche sich innerhalb der EU befindet. Zudem möchte das vorlegende Gericht hier wissen, ob bereits das Ausrichten der Dienstleistung auf das Staatsgebiet eines anderen Mitgliedstaats von Bedeutung ist. Im Google-Urteil hat der EuGH (anders als dies häufig berichtet wurde) zudem nicht festgestellt, dass allein das Ausrichten einer Webseite oder eines Dienstes entscheidend ist, für die Antwort auf die Frage nach dem anwendbaren Datenschutzrecht. Dort ging es um die Ausrichtung der Tätigkeit der Niederlassung (!) des verantwortlichen.

Meines Erachtens findet sich für das Abstellen allein auf das Ausrichten der angebotenen Dienstleitung in der DS-RL keine Grundlage. Art. 4 Abs. 1 DS-RL bezieht sich entweder auf die Niederlassung des Verantwortlichen (Buchst. a) oder darauf, ob auf in einem Mitgliedstaat belegene Mittel zurückgegriffen wird (Buchst. c).

Das vorlegende Gericht differenziert dann och weiter und möchte wissen, ob es von Bedeutung ist, ob die Daten der in diesem anderen Mitgliedstaat belegenen Immobilien und die personenbezogenen Daten der Eigentümer tatsächlich vom Staatsgebiet dieses anderen Mitgliedstaats (hier Ungarn) aus eingegeben wurden? Auch fragt das Gericht danach, ob es von Bedeutung ist, ob die Eigentümer der in der Slowakei niedergelassenen Gesellschaft einen Wohnsitz in Ungarn haben?

Zuletzt kommt das vorlegende Gericht auf den Aspekt der aufsichtsbehördlichen Kompetenzen zu sprechen. Für den Fall, dass die ungarische Datenschutzbehörde handeln darf, jedoch nur auf der Grundlage des slowakischen Datenschutzrechts (weil nur dieses für den Verantwortlichen gilt), möchte das ungarische Gericht wissen, ob Art. 28 Abs. 6 DS-RL in dem Sinne auszulegen ist, dass die ungarische Datenschutzbehörde ausschließlich – und zwar nach der Regelung des Mitgliedstaats der Niederlassung – diejenigen Befugnisse ausüben kann, die in Art. 28 Abs. 3 DS-RL genannt sind, und dass sie folglich keine Befugnis besitzt, ein Bußgeld zu verhängen?

Art. 28 Abs. 6 DS-RL bestimmt: „Jede Kontrollstelle ist im Hoheitsgebiet ihres Mitgliedstaats für die Ausübung der ihr gemäß Absatz 3 übertragenen Befugnisse zuständig, unabhängig vom einzelstaatlichen Recht, das auf die jeweilige Verarbeitung anwendbar ist. Jede Kontrollstelle kann von einer Kontrollstelle eines anderen Mitgliedstaats um die Ausübung ihrer Befugnisse ersucht werden.“ (Hervorhebung durch mich)

In Art. 28 Abs. 3 DS-RL sind Maßnahmen aufgezählt, die den Datenschutzbehörden zustehen (Untersuchungsbefugnis, Einwirkungsbefugnis und Klagerecht). Nicht ausdrücklich erwähnt ist dort jedoch die Möglichkeit, Bußgelder zu verhängen. Bedeutet der Verweis in Art. 28 Abs. 6 DS-RL auf Abs. 3 nun, dass die ungarische Datenschutzbehörde in diesem Fall allein auf die dort benannten Maßnahmen beschränkt ist, obwohl nach nationalen Recht (sei es dem ungarischen oder dem slowakischen) ein Bußgeld verhängt werden könnte? Dies würde im Endeffekt bedeuten, dass der ungarischen Behörde nur ein Grundgerüst an, aus der DS-RL abgeleiteten und durch sie beschränkte, aufsichtsbehördlichen Maßnahmen zusteht. Nämlich allein diejenigen, die in Art. 28 Abs. 3 DS-RL benannt sind. Soll ein Bußgeld verhängt werden, so dürfte dies allein durch die slowakische Datenschutzbehörde nach slowakischem Recht erfolgen.

EuGH-Generalanwalt zur Rechtmäßigkeit öffentlicher Videoüberwachung durch Private

In einem Vorabentscheidungsersuchen (Rs. C-212/13) des obersten tschechischen Verwaltungsgerichtshofs an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) hat am 10. Juli 2014 Generalanwalt (GA) Jääskinen seine Schlussanträge vorgestellt.

In dem Verfahren geht es im Wesentlichen um zwei Fragen zur Auslegung der geltenden Datenschutz-Richtlinie (DS-RL). Zum wann i. S. d. Art. 3 Abs. 2 zweiter Spiegelstrich DS-RL eine Verarbeitung personenbezogener Daten vorliegt, „die von einer natürlichen Person zur Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten vorgenommen wird“ und damit nicht in den Anwendungsbereich der DS-RL fällt (sog. household exemption). Zum anderen wie die Überwachung von öffentlichem Raum durch ein Kamerasystem möglicherweise datenschutzrechtlich rechtmäßig durchgeführt werden kann.

Sachverhalt
Herr Ryneš, der im Verfahren vor dem nationalen Gericht gegen eine Entscheidung der tschechischen Datenschutzbehörde vorgeht, setzte eine fest installierte Kamera an der Außenwand seines Hauses ein, die nicht schwenkbar war. Mit dieser zeichnete er den Eingang seines Hauses, den öffentlichen Straßenraum sowie den Eingang des gegenüberliegenden Hauses auf. Videoaufnahmen wurden auf einer Festplatte gespeichert. Sobald deren maximale Kapazität erreicht war, wurde die vorhandene Aufzeichnung mit einer neuen überschrieben. Die Aufzeichnungsvorrichtung hatte keinen Bildschirm, so dass das Bild nicht in Echtzeit betrachtet werden konnte. Allein Herr Ryneš hatte unmittelbaren Zugang zu der Anlage und den aufgezeichneten Daten. Grund für die Überwachung war der Schutz seines Eigentums, seiner Gesundheit und seines Lebens und seiner Familie. Sowohl er selbst als auch seine Familie waren nämlich während mehrerer Jahre Ziel von Angriffen eines Unbekannten gewesen, der nicht hatte entlarvt werden können. Zudem waren bereits in der Vergangenheit Fenster des Hauses mehrfach eingeschlagen worden. Nach Installation der Kamera wurde erneut eine Fensterscheibe seines des Hauses zerstört. Dank der Videoüberwachungsanlage konnten zwei Verdächtige identifiziert werden. Die Aufzeichnungen wurden der Polizei übergeben und anschließend im Rahmen des Strafverfahrens als Beweismittel vorgelegt. Einer der Verdächtigen beantragte die Überprüfung des Kamerasystems und die Datenschutzbehörde stellte Verstöße gegen das Datenschutzrechts fest.

Videoüberwachung als Vorratsdatenspeicherung?
Der GA betont einleitend zunächst, dass es sich vorliegend um einen speziell zu betrachtenden Einzelfall der Videoüberwachung handelt. Die Merkmale sind die folgenden: fest installiertes Überwachungssystem; auf den öffentlichen Raum sowie die Tür des gegenüberliegenden Hauses gerichtet; es wird ermöglicht, eine unbestimmte Zahl von Personen zu identifizieren; keine vorherige Unterrichtung hinsichtlich der Überwachung. Der GA stellt klar, dass die im Zusammenhang mit Aufzeichnungen durch Mobiltelefone, Camcorder oder Digitalkameras stehenden Rechtsfragen hingegen anderer Art sind und vorliegend nicht behandelt werden.

Sodann zieht der GA zwei interessante Parallelen zum Urteil des EuGH in Sachen Vorratsdatenspeicherung (C-293/12). Zum einen geht der GA davon aus, dass bei Aufzeichnungen dieser Art

[a]us der Gesamtheit dieser Daten … sehr genaue Schlüsse auf das Privatleben der Personen, deren Daten auf Vorrat gespeichert wurden, gezogen werden [können]

Hier zitiert er also wörtlich den EuGH in seinem Vorratsdaten-Urteil und vergleicht die potentielle Gefahrenlase der vorliegenden Videoüberwachung mit derjenigen bei der Vorratsdatenspeicherung. Zum anderen zitiert er den EuGH in seinem Urteil zur Vorratsdatenspeicherung vor dem Hintergrund, dass die

Vorratsspeicherung der Daten zu dem Zweck, sie gegebenenfalls den zuständigen nationalen Behörden zugänglich zu machen, unmittelbar und speziell das Privatleben und damit die durch Art. 7 der Charta garantierten Rechte

betrifft, was auch vorliegend der Fall war.

ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten
Sodann gelangt der GA zur Hauptfrage des Verfahrens, nämlich der Auslegung des Art. 3 Abs. 2 zweiter Spiegelstrich DS-RL. Der GA weist darauf hin, dass diese Bestimmung grundsätzlich nicht auf den Zweck der Verarbeitung personenbezogener Daten abstellt. In der mündlichen Verhandlung war offensichtlich zwischen den verschiedenen Beteiligten strittig, inwieweit die household exemption von der subjektiven Zielrichtung, die einer Datenverarbeitung zugrunde liegt (also die verfolgte Absicht), abhängt. Diese Ansicht lehnt der GA ab, verweist jedoch darauf, dass die subjektive Zielrichtung im Rahmen der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung (genauer bei der Abwägung i. R. d. Art. 7 lit. f DS-RL eine Rolle spielen kann). Einzig möglich wäre nach dem GA noch, diese Zielrichtung der Tätigkeit als für den ausschließlich persönlichen oder familiären Charakter der betreffenden Datenverarbeitung maßgeblich anzusehen, um die household exemption eingreifen zu lassen. Auch dies lehnt der GA jedoch ab. Der Anwendungsbereich der DS-RL könne nicht von der subjektiven Zweckbestimmung des für die Verarbeitung Verantwortlichen abhängig sein,

weil eine solche Zweckbestimmung weder anhand äußerer Umstände objektiv nachprüfbar noch den Personen gegenüber relevant ist, deren Rechte und Interessen durch die betreffende Tätigkeit berührt werden.

Der Anwendungsbereich der DS-RL müsse daher allein anhand objektiver Kriterien bestimmt werden.

Art. 3 Abs. 2 zweiter Spiegelstrich DS-RL ist als Ausnahmebestimmung eng auszulegen. Nach Ansicht des GA handelt es sich bei den „persönlichen Tätigkeiten“ i. S. d. Vorschrift um Tätigkeiten, die in enger und objektiver Verbindung mit dem Privatleben einer Person stehen und die Privatsphäre anderer nicht spürbar berühren. Der GA weist jedoch darauf hin, dass diese Tätigkeiten auch außerhalb der eigenen Wohnung stattfinden können.

Der zweite Begriff, die „familiären Tätigkeiten“, steht nach dem GA mit dem Familienleben in Verbindung und findet normalerweise innerhalb der Wohnung oder anderer von den Mitgliedern der Familie gemeinsam genutzter Orte statt.

Wichtig hierbei ist jedoch, dass es für die Anwendung dieser Ausnahme nicht ausreicht, dass die Tätigkeiten mit persönlichen oder familiären Tätigkeiten nur verbunden sind. Der Wortlaut ist eindeutig. Die Verbindung muss ausschließlich sein. Hier zieht der GA nun sein erstes Fazit:

Ich stelle daher fest, dass die Videoüberwachung anderer, d. h. die systematische Überwachung von Orten mittels einer Vorrichtung, die ein Videosignal zwecks Identifizierung von Personen aufzeichnet, selbst innerhalb eines Hauses nicht als ausschließlich persönlich angesehen werden kann, was aber nicht ausschließt, dass sie unter den Begriff der familiären Tätigkeit fallen kann.

Gerade Maßnahmen zum Schutz der Unverletzlichkeit eines Privathauses und zu dessen Schutz vor Diebstahl und jedem widerrechtlichem Zugang können nach dem GA aber Tätigkeiten darstellen, die für jeden Haushalt wesentlich sind und daher zu den familiären Tätigkeiten gerechnet werden können. Im vorliegenden Fall war diese Voraussetzung jedoch nicht erfüllt. Denn eine Videoüberwachung, die sich wie hier auf den öffentlichen Raum erstreckt, könne nicht als eine ausschließlich familiäre Tätigkeit angesehen werden, weil sie auch Personen erfasst, die eben keine Verbindung zu der betreffenden Familie.

Art. 3 Abs. 2 zweiter Spiegelstrich DS-RL sei daher vorliegend nicht einschlägig. Die Videoüberwachung falle damit in den Anwendungsbereich der DS-RL

Rechtmäßigkeit der Videoüberwachung
In einer ergänzenden Bemerkung führt der GA jedoch aus, dass sich die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung vorliegend aus Art. 7 lit. f DS-RL ergeben kann. In dessen Rahmen ist eine Abwägung der jeweiligen einander gegenüberstehenden Rechte und Interessen erforderlich, die grundsätzlich von den konkreten Umständen des betreffenden Einzelfalls abhängt. Und hier stellt der GA fest, dass die Tätigkeit von Herrn Ryneš dem Schutz seiner Wahrnehmung anderer Grundrechte wie des Eigentumsrechts und des Rechts auf Familienleben diente. Diese berechtigten Interessen müssen daher bei der Abwägung berücksichtigt werden.

Interessanterweise verwendet der GA im Rahmen des Art. 7 lit. f DS-RL und der dort vorgesehenen Abwägung der Rechte und Interessen nicht die Formulierung des EuGH im Google-Urteil (C-131/12), dass „im Allgemeinen” die durch Art. 7 und 8 der Grundrechtecharta der EU geschützten Rechte der betroffenen Person gegenüber dem Interesse der Internetnutzer überwiegen. Im vorliegenden Fall also, dass etwa im Allgemeinen die Rechte der mit der Kamera aufgezeichneten Personen gegenüber dem Betreiber der Kamera überwiegen.

Fazit
Die Schlussanträge des GA überzeugen. Es war abzusehen, dass die household exemption als Ausnahmeregelung eng auszulegen ist. Zudem ist der geltende Wortlaut („ausschließlich“) ziemlich eindeutig. Begrüßenswert ist die Auffassung des GA, dass die Videoüberwachung nicht per se rechtswidrig sein muss, selbst wenn der öffentliche Raum überwacht wird und eine unbestimmte Anzahl von Personen von den Aufnahmen betroffen ist. Die Interessenabwägung ist vielmehr in jedem Einzelfall durchzuführen und bietet durchaus die Möglichkeit, auch solche Datenverarbeitungen zu rechtfertigen, die einen unbestimmten Personenkreis betreffen, ohne dass die Betroffenen hiervon Kenntnis haben.